AG Dortmund – Az.: 729 OWi – 261 Js 1418/17 – 225/17 – Urteil vom 22.08.2017
Wegen atypischen Verstoßes bei Behinderung von Fußgängern durch Überfahren der Haltelinie.
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 300,00 EURO verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 50,00 EURO jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit dem 1. des Folgemonats nach Erhalt der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
Gründe
Der Betroffene ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Eine weitere Berufstätigkeit übt der Betroffene nicht aus. Er hat nach Angaben seines Verteidigers Einnahmen aus einer von ihm erworbenen Immobilie, die die Familie des Betroffenen „über Wasser“ halte.
Verkehrsrechtlich ist der Betroffene bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
1.
Am 10.09.2014 (Rechtskraft: 27.09.2014) verurteilte ihn das Amtsgericht Hagen wegen fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldbuße von 30 Tagessätzen zu je 25,00 EURO.
2.
Am 29.06.2015 (Rechtskraft: 16.07.2015) setzte die Stadt Dortmund gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes (Überschreitung um 30 km/h) eine Geldbuße von 128,00 EURO fest.
3.
Am 14.09.2015 (Rechtskraft: 02.10.2015) setzte der Kreis Mettmann gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes (Überschreitung um 29 km/h) eine Geldbuße von 112,00 EURO und ein einmonatiges Fahrverbot fest, welches im Anschluss auch zur Vollstreckung gelangte.
4.
Am 04.01.2017 (Rechtskraft: 21.01.2017) setzte die Stadt Hagen gegen den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. I a StVO eine Geldbuße von 60,00 EURO fest.
5.
Am 14.02.2017 (Rechtskraft: 04.03.2017) setzte die Stadt Düsseldorf wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes (Überschreitung um 23 km/h) eine Geldbuße von 91,00 EURO gegen den Betroffenen fest.
Am 02.05.2015 um 12:15 Uhr befuhr der Betroffene den K. in Dortmund in Höhe B.straße und zwar in Fahrtrichtung des Dortmunder Hauptbahnhofes. Er beabsichtigte in die B.straße (aus seiner Sicht) nach links abzubiegen. An der Kreuzung K./B.straße ist aus Sicht des Betroffenen das Abbiegen nach links auf zwei Fahrspuren möglich. Neben diesen zwei Linksabbiegerspuren befindet sich rechtseitig eine Geradeausspur, die die Weiterfahrt in Richtung Hauptbahnhof ermöglicht. An der Kreuzung befindet sich eine Lichtzeichenanlage, die für die einzelnen Fahrtrichtungen gesondert geschaltet wird. An der Lichtzeichenanlage befindet sich ein durchgehender für alle Fahrstreifen geltender Haltebalken, an dem unmittelbar ein Fußgängerüberweg anschließt, der rege besucht wird von Fußgängern, die aus der Dortmunder Innenstadt kommen oder in die Dortmunder Innenstadt gehen. Auch am Tattage war dieser Fußgängerüberweg rege besucht. Der Betroffene musste zur genannten Tatzeit als erstes Fahrzeug an dem Haltebalken aufgrund der Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage anhalten. Er tat dies auf der Geradeausspur, die an die beiden Linksabbiegerspuren rechtsseitig anschließt. Tatsächlich wollte er jedoch nach links in die B.straße abbiegen. Die Fahrspuren für Linksabbieger waren jedoch durch andere Fahrzeuge belegt. Als zweites oder drittes Fahrzeug befand sich auf der ganz linken Linksabbiegerspur ein Polizeifahrzeug, in dem u.a. der Zeuge A als Fahrer seinen Dienst versah. Auch dieses Polizeifahrzeug musste aufgrund des Rotlichtes warten. Zu dieser Zeit waren bereits zahlreiche Sekunden verstrichen, in denen die Lichtzeichenanlage für beide Fahrtrichtungen Rotlicht angezeigt hatte. So hatten auch bereits Fußgänger die Fußgängerfurt passiert oder befanden sich auch noch auf dem Fußgängerüberweg, als sich der Betroffene entschied, sich noch vor das links sich neben ihm befindende Fahrzeug zu fahren, welches sich ohnehin schon direkt am Haltebalken befand. Der Betroffene fuhr somit über die Haltelinie und stellte sich auf die Linksabbiegerspur vor die Haltelinie vor das erste Fahrzeug der neben ihm befindlichen Linksabbiegerspur. Der Betroffene stand dabei mit seinem Fahrzeug auf dem Fußgängerüberweg und behinderte hierbei Fußgänger. Die Fußgänger mussten um das Fahrzeug des Betroffenen herumlaufen. Nach einigen weiteren Sekunden kam es dann dazu, dass die Lichtzeichenanlage auf Grünlicht schaltete und der Betroffene abbiegen konnte. Er konnte dann in der B.straße von der Polizei angehalten werden.
Der Betroffene war auf Antrag seines Verteidigers hin von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden und hatte durch seinen Verteidiger zuvor erklären lassen, die Fahrereigenschaft werde zugestanden.
Im Übrigen konnte die Fahrereigenschaft des Betroffenen festgestellt werden durch Vernehmung des Zeugen A, der sich noch daran erinnern konnte, wie er den Betroffenen als Fahrzeugführer auf der B.straße anhalten und ihn auch identifizieren konnte.
Der Verteidiger erklärte für den Betroffenen, der Betroffene gestehe den Verstoß zu, wie er ihm vorgeworfen werde. Da der Betroffene aber nicht in den fließenden Straßenverkehr eingefahren sei, handele es sich um einen atypischen Rotlichtverstoß qualifizierter Art.
Der Zeuge A seinerseits schilderte, dass die Polizei mehrere Sekunden an der Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage gestanden habe. Eine Messung der Zeit habe allerdings nicht stattgefunden. Auch der Geradeausverkehr habe schon mehrere Sekunden Rotlicht gehabt zu dieser Zeit. Wenn er mehrere Sekunden meine, so meine er nicht 3 oder 4 Sekunden, sondern eine deutlich längere Zeit. Es sei ja auch bereits so gewesen, dass Fußgänger den Fußgängerüberweg vor den 4 Fahrspuren für die Fahrtrichtung in Richtung H./B.straße passiert hätten und sich auch noch auf der Fußgängerfurt befunden hätten. Die Polizei habe dort ganz links als zweites oder drittes Fahrzeug gestanden und dann plötzlich bemerkt, wie der Betroffene von der Geradeausspur bei „Rot“ auf die Linksabbiegerspur derart gewechselt sei, so dass er vor das erste Fahrzeug, das sich unmittelbar vor dem Haltestreifen befunden habe, gefahren sei und sich dort hingestellt habe. Der Betroffene habe hierfür den Haltestreifen überfahren und sich auch auf den Fußgängerüberweg gestellt und hier tatsächlich Fußgänger behindert. Fußgänger hätten um das Fahrzeug herumgehen müssen. Als dann Grünlicht geschaltet worden sei, sei der Betroffene losgefahren. Die Polizei habe den Betroffenen dann anhalten und identifizieren können. Der Betroffene habe den Verstoß gestanden, aber erklärt, dass das doch so üblich sei.
Die Schilderungen des Beamten waren glaubhaft und insbesondere bildreich. Der Zeuge konnte sich noch gut an den Sachverhalt erinnern und zwar deutlich besser, als dies bei anderen regulären Rotlichtüberwachungsmaßnahmen in der Regel der Fall ist.
Dementsprechend war der Betroffene wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes gemäß §§ 37 Abs. II, 49 StVO, 25 StVG zu verurteilen.
Die im Bußgeldkatalog hierfür vorgesehene Regelgeldbuße war aufgrund der Voreintragungen angemessen zu erhöhen, so dass das Gericht die Geldbuße auf 300,00 EURO festgesetzt hat. Ein Heruntergehen von der Geldbuße aufgrund des Nichteinfahrens in den von anderen Fahrzeugführern genutzten Kreuzungsbereich erschien nicht sachgerecht, da der Betroffene tatsächlich andere Verkehrsteilnehmer, nämlich Fußgänger, beim Passieren der Kreuzung durch sein Verhalten behindert hat und gerade auch Fußgänger von einer rotlichtzeigenden Lichtzeichenanlage geschützt werden sollen.
Gegen den Betroffenen war auch ein Regelfahrverbot festzusetzen, da die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes 132.3 das Vorliegen einer groben Pflichtwidrigkeit indizierte.
Im Gegensatz zur Ansicht des Verteidigers hielt das Gericht einen atypischen Rotlichtverstoß, der einen Wegfall der groben Pflichtwidrigkeit bedingen könnte, nicht für gegeben. Da der Betroffene bereits in den geschützten Bereich, zu dem auch die Fußgängerwege gehören, eingefahren ist, erschien die Tatbegehung immer noch als grobe Pflichtwidrigkeit.
Die Fahrverbotsanordnung war auch nicht unverhältnismäßig.
Der Betroffene und der Verteidiger haben keine beruflichen oder persönlichen Härten geltend gemacht im Hinblick auf das Fahrverbot, auch wenn Verteidigungsziel der Wegfall des Fahrverbotes war. Der Betroffene ist nicht berufstätig. Er ist so nicht auf seinen Führerschein angewiesen. Die bloße Unbequemlichkeit, auf den Führerschein phasenweise verzichten zu müssen, ist gewollte Folge eines jeden Fahrverbots, aber keine Härte.
Das Gericht war sich auch darüber bewusst, dass § 4 Abs. IV BKatV ein Absehen vom Fahrverbot gegen gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße ermöglicht.
Angesichts der tatsächlich festgestellten Behinderung der Fußgänger bei der Tat, den zahlreichen Voreintragungen und der Qualität der Voreintragungen war ein derartiges Absehen aus Sicht des Gerichtes nicht möglich.
Aufgrund der dargestellten Voreintragungslage war auch eine Gewährung einer Schonfrist nach § 25 Abs. II a StVG nicht möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG.