Amtsgericht Bremen, Az.: 88 OWi 640 Js 2905/14 (20/14), Urteil vom 04.08.2014
Das Amtsgericht Bremen – Abteilung für Bußgeldsachen – hat in der Sitzung vom 04.08.2014 für Recht erkannt:
Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
Seine notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Angewendete Vorschriften: §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 StPO.
Gründe:
(nachträglich ergänzt gemäß §§ 77b Abs. 2, 80 Abs. 3 S. 1 und 2 OWiG)
I.
Der Betroffene ist der ihm vorgeworfenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG nicht überführt. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung war nicht festzustellen, dass der Betroffene am 01.09.2013 um 17.03 Uhr als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ………… die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 km/h überschritten hat.
Der Betroffene räumt ein, das Fahrzeug zum vorgenannten Zeitpunkt geführt zu haben. Er beanstandet jedoch die Geschwindigkeitsmessung. Aufgrund der durchgeführten Beweis-aufnahme konnte nicht festgesteilt werden, dass der Betroffene die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Die Messung mit dem eingesetzten Messsystem PoliScanSpeed des Herstellers Vitronic ist nicht verwertbar. Zwar war bislang anerkannt, dass dem Messsystem PoliScanSpeed ein standardisiertes Messverfahren zugrunde liegt, das unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse erzielt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 29.06.2010 – 2 Ss Bs 37/10; Beschluss vom 13.01.2011 – 2 Ss Rs 117/10; Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.01.2010 – IV 5 Ss 206/09). Nach der Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Phys. Klaus Schmedding besteht jedoch nunmehr Anlass, an der allgemeinen Ordnungsmäßigkeit des Messverfahrens PoliScanSpeed zu zweifeln. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der auf dem Lichtbild gemäß Bl. 3 der Akte abgebildete Auswerterahmen nicht von der geeichten Software des Messgeräts selbst generiert werde, sondern von dem sog. Tuff-Viewer. Es handelt sich hierbei um eine weitere Software, die nach einer dem Sachverständigen vorliegenden, in der Hauptverhandlung von ihm vorgelesenen Stellungnahme der Physikalisch- Technischen Bundesanstalt (PTB) nicht geeicht sei und nach Auffassung der PTB auch nicht geeicht werden müsse. Die Feststellung des Sachverständigen, wonach der Auswerterahmen nicht – wie bislang angenommen – von der geeichten Software des Messgeräts PoliScanSpeed, sondern von dem Tuff-Viewer generiert wird, beruht darauf, dass bei Verwendung der aktuellen Version des Tuff-Viewers 3.45 der Auswerterahmen anders generiert werde als bei Verwendung der älteren Version des Tuff-Viewers 3.38. Der Sachverständige hat dazu in der Hauptverhandlung exemplarisch zwei Fotos aus einem anderen Verfahren vorgelegt, aus denen sich ersichtlich zwei verschiedene Auswerterahmen zu demselben Messfoto, generiert mit den Versionen des Tuff-Viewers 3.38 bzw. 3.45, ergeben. Da die Auswerterahmen bei den verschiedenen Versionen des Tuff-Viewers unterschiedlich ausfielen, ist nach Einschätzung des Sachverständigen zwingend, dass der Auswerterahmen nicht von der geeichten Software des Messgeräts selbst generiert wird. Die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen Schmedding sind schlüssig. Seine Schlussfolgerung, wonach der Auswerterahmen von dem ungeeichten Tuff-Viewer generiert wird, ist überzeugend. Danach muss gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Auswerterahmen einer der ungeeichten Software, dem Tuff-Viewer, generiert wird. Entgegen der von der PTB vertretenen Auffassung ist eine Eichung derjenigen Software, die den Auswerterahmen generiert, erforderlich. Aufgrund der Angaben des Herstellers Vitronic ist die Position des Auswerterahmens für die gerichtliche Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Unverwertbarkeit der jeweiligen Messung maßgeblich. Dies setzt aber zwingend voraus, dass diejenige Software, die den Auswerterahmen erzeugt, nach wissenschaftlich anerkannten Kriterien geeicht ist.
Auf die in der Hauptverhandlung ebenfalls aufgeworfene Problematik der Stufenprofilmessung kam es nicht mehr an, nachdem die Messung bereits aufgrund der vorstehenden Bedenken nicht verwertbar war.
Andere Beweismittel, die zur Überführung des Betroffenen hätten führen können, standen nicht zur Verfügung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.