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Poliscan Speed – Geschwindigkeitsmessung -Absehen vom Fahrverbot bei Arbeitsplatzverlust

OLG Düsseldorf – Az.: IV-4 RBs 96/19 – Beschluss vom 05.09.2019

In der Bußgeldsache wegen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr hat der 4. Senat für Bußgeldsachen nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 5. September 2019 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 14. September 2018 im Schuldspruch geändert, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von EUR 440,00 verurteilt.

Ihm wird für die Dauer von zwei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und der Rechtsbeschwerde.

Angewendete Vorschriften: § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Spalte 3 Nr. 49, Zeichen 274, § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. §§ 24, 25 StVG, §§ 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3 des Bußgeldkataloges in Verbindung mit Tabelle 1 Buchstabe c, Nr. 11.3.9 des Anhangs

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (außerhalb geschlossener Ortschaften um 65 km/h) eine Geldbuße in Höhe von EUR 650,00 festgesetzt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.

I.

Der Senat ist in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung berufen, nachdem der Einzelrichter die Sache nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung übertragen hat.

Die zu Ungunsten des Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 11. Juni 2017 um 10:22 Uhr mit einem PKW die BAB 57 in Krefeld in Fahrtrichtung Köln. Dabei überschritt er die dort durch Wechselverkehrszeichen angezeigte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 65 km/h. Die bei Autobahnkilometer 66,402 gemessene Geschwindigkeit nach Toleranzabzug betrug 165 km/h.

2. Aufgrund der Feststellungen hat das Amtsgericht den Betroffenen zu Recht in objektiver Hinsicht wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 65 km/h (§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, lfd. Nr. 49, Spalte 3 Nr. 1 [Zeichen 274], § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO) verurteilt.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat wiederholt entschieden, dass es sich bei dem eingesetzten System zur Geschwindigkeitsmessung mittels des Geschwindigkeitsüberwachungsgeräts Typ PoliScan Speed des Herstellers Vitronic um ein standardisiertes Messverfahren – d.h. ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277, 284) – handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juli 2017 – IV-4 RBs 8/17 -, ; 1. Senat für Bußgeldsachen, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14 – und 13. Juli 2015 – IV-1 RBs 200/14; 3. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 30. April 2015 – IV-3 RBs 15/15, alle auch zu der hier eingesetzten Gerätesoftwareversion 1.5.5; ebenso die Rechtsprechung der meisten anderen Oberlandesgerichte: vgl. OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 24. Oktober 2014 – 2 (7) SsBs 454/14, VRS 127, 241, und 17. Juli 2015 – 2 (7) SsBs 212/15; OLG Schleswig, Beschluss vom 31. Oktober 2013 – 1 Ss OWi 141/13 (172/13), SchlHA 2013, 450; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. April 2013 – 2 Ss OWi 349/13, DAR 2014, 38; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Februar 2012 – 4 Ss 39/12, DAR 2012, 274; OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Mai 2016 – 2 OWi 4 SsRs 128/15; KG, Beschluss vom 26. Februar 2010 – 3 Ws (B) 94/10, DAR 2010, 331; OLG Köln, Beschlüsse vom 30. Oktober 2012 – III-1 RBs 277/12 – und 11. September 2015 – 1 RBs 172/15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. April 2010 – 2 Ss-OWi 236/10, VRR 2010, 203; OLG Hamm, Beschlüsse vom 6. März 2014 – 3 RBs 30/14 – und 11. August 2014 – 1 RBs 84/14; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. Januar 2017 – 1 OWi 1 Ss Bs 53/16, zfs 2017, 172; jeweils nach ). Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass durch die Zulassung zur innerstaatlichen Eichung seitens der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Messgenauigkeit sichergestellt ist.

Bei Anwendung eines anerkannten und weithin standardisierten Messverfahrens kann sich das tatrichterliche Urteil grundsätzlich auf die Mitteilung des angewendeten Messverfahrens sowie der nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit beschränken. Die Zuverlässigkeit der durchgeführten Messung ist nur dann gesondert zu erörtern, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen oder geltend gemacht werden (BGHSt 43, 277, 282; 39, 291, 302).

Derartige Anhaltspunkte sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Der Tatrichter hat vielmehr aufgrund der in die Verhandlung eingeführten Urkunden und des Messfotos ausdrücklich festgestellt, dass keine Fehlmessung vorgelegen hat, da Messung und Auswertung im vorliegenden Fall durch geschultes Personal vorgenommen wurden, das Gerät ordnungsgemäß bedient worden ist und Besonderheiten während der Messung auszuschließen sind. Die diesbezügliche Beweiswürdigung lässt weder Lücken noch Widersprüche oder Verstöße gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze erkennen und ist daher materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

3. In subjektiver Hinsicht widerspricht allerdings der Schuldspruch wegen fahrlässiger Begehungsweise den tatsächlichen Feststellungen. Bereits aus dem festgestellten objektiven Tatgeschehen folgt, dass der Betroffene wusste und auch wollte, was er tat. Nach den getroffenen Feststellungen wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Autobahnkilometer 64,990 durch ein über der Fahrbahn angebrachtes Wechselverkehrszeichen angezeigt. Für die Annahme, der Betroffene habe diese nicht wahrgenommen, bleibt kein Raum. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ordnungsgemäß aufgestellte Vorschriftszeichen von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden (BGHSt 43, 241, 250; OLG Celle, Beschlüsse vom 9. August 2011 – 322 SsBs 245/11, NZV 2011, 618, und 28. Oktober 2013 – 322 SsRs 280/13, VRS 125, 178; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. Oktober 2012 – 2 SsBs 76/12, zfs 2013, 471; jeweils nach ). Von diesem Regelfall dürfen Bußgeldstellen und Gerichte bei der Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbots grundsätzlich ausgehen (so ausdrücklich BGH a.a.O., 251). Gegenteiliges hat der Betroffene nicht eingewandt. Hinzu tritt, dass die dem Senat bekannte, sich über mehrere Fahrspuren in Form einer Schilderbrücke erstreckende Wechselverkehrszeichenanlage wegen ihrer besonderen Auffälligkeit vom Fahrer bereits auf große Entfernung wahrgenommen wird und sich über einen Zeitraum von mehreren Sekunden unausweichlich in dessen Blickfeld befindet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. August 2005 – 3 Ss OWi 374/05 -, ).

Zwar erfordert eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung neben der Kenntnis von der Geschwindigkeitsbegrenzung zudem das Bewusstsein, dass die Fahrgeschwindigkeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet oder dass der Betroffene dies zumindest billigend in Kauf genommen hat (OLG Koblenz a.a.O.). Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit – wie vorliegend – um fünfundsechzig Prozent kann allerdings regelmäßig von vorsätzlicher Tatbegehung ausgegangen werden, da deren Annahme sich bei derart massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen aufdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 1997 – 4 StR 557/96, NStZ-RR 1997, 378, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 50 km/h; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Dezember 1994 – 5 Ss (OWi) 423/94, NZV 1995, 161, außerorts um mindestens 52 km/h; OLG Celle, Beschluss vom 9. August 2011, a.a.O., außerorts um mehr als 45 Prozent; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. April 2006 – 1 Ss 25/06, NStZ-RR 2006, 249, außerorts um annähernd 50 Prozent; OLG Koblenz, Beschlüsse vom 11. Februar 1999 – 2 Ss 4/99, DAR 1999, 227, außerorts um 51 km/h, und 17. Oktober 2012 – 2 SsBs 76/12, zfs 2013, 471, außerorts um mindestens 40 km/h; jeweils nach ). Die Annahme fahrlässigen Handelns bedarf in diesem Fall der Feststellung besonderer Umstände (KG, Beschluss vom 21. Juni 2004 – 3 Ws (B) 186/04 -, NZV 2004, 598; OLG Rostock, Beschluss vom 28. Januar 2005 – 2 Ss OWi 428/04 I 6/05 -, ).

4. Der Schuldspruch war daher aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen durch das Rechtsbeschwerdegericht entsprechend zu berichtigen (§ 79 Abs. 6 OWiG). Dem steht das Verschlechterungsverbot gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 358 Abs. 2 StPO nicht entgegen (BGHSt 37, 5, 8; OLG Celle, Beschluss vom 9. August 2011, a.a.O.; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 79 Rn. 37 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 358 Rn. 11, § 331 Rn. 8). Es bedurfte auch keines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO, da nicht ersichtlich ist, wie sich der Betroffene wirksamer hätte verteidigen können, als erfolgt.

5. Der Rechtsfolgenausspruch des Urteils kann keinen Bestand haben.

Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gemäß §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 24 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV regelmäßig vorgesehenen Fahrverbotes.

a) Das Amtsgericht hat zwar im Grundsatz zutreffend erkannt, dass die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) den hier vorliegenden Fall der Überschreitung der festgesetzten Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften als Regeltatbestand für die Verhängung eines zweimonatigen Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers behandelt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 11.3 des Bußgeldkataloges in Verbindung mit Tabelle 1 Buchstabe c, Nr. 11.3.9 des Anhangs). Es hat auf dessen Anordnung jedoch verzichtet, weil der Betroffene als „Vielfahrer“ ohne Voreintragung beruflich auf die Nutzung angewiesen sei und die Dauer des Fahrverbotes nicht durch Urlaub überbrücken könne. Nach den Feststellungen ist der Betroffene von Beruf selbständiger Unternehmensberater; er hat Kunden im gesamten Bundesgebiet, die er regelmäßig mit dem PKW aufsuchen muss. Es ist ihm nicht möglich, mehr als zwei Wochen Urlaub „am Stück“ zu nehmen.

b) Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGHSt 38, 125, 136). Diesem ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt auch hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalog-Verordnung zu zählen ist (vgl. OLG Hamm, JMBl. NW 1996, 246; Beschluss vom 4. September 2007 – 4 Ss OWi 455/07 -, ; Burmann, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 25 StVG Rn. 22).

Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV beschriebenen Fälle der Verhängung eines Regelfahrverbots (hier: § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3 des Bußgeldkataloges i.V.m. Tabelle 1 des Anhangs) entfalten nicht nur eine tatbestandsbezogene, sondern – im Falle einer Erfüllung des Regeltatbestandes – auch eine rechtsfolgenbezogene Regelwirkung. Ein Absehen vom Fahrverbot kommt nach der Rechtsprechung daher nur in Frage, wenn wesentliche Besonderheiten sachlicher oder persönlicher Art, erhebliche Härten oder eine Vielzahl an sich gewöhnlicher, durchschnittlicher Milderungsgründe zu Gunsten des Betroffenen vorliegen, die – einzeln oder in einer Gesamtwürdigung – zu der Beurteilung führen, dass das Fahrverbot eine unangemessene unverhältnismäßige Reaktion auf die Tat darstellt oder den Betroffenen unverhältnismäßig härter als den Durchschnitt treffen würde, so zum Beispiel bei drohendem Arbeitsplatz- oder Existenzverlust (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. September 2007, 4 Ss OWi 455/07 -, ; Burmann, a.a.O., Rn. 19, 20 m.w.N.; Asholt in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl., § 25 StVG Rn. 35). Derartigen Folgen eines Fahrverbotes muss der Betroffene allerdings durch Maßnahmen wie teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis oder Mietwagen, Heranziehung von Angestellten oder Verwandten als Fahrer, Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, insbesondere durch eine Kombination dieser Maßnahmen, entgegenwirken. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143).

c) Bei Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist ein Absehen vom Fahrverbot nicht gerechtfertigt.

Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls, in dem entgegen der Regel von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden könnte, liegen nicht vor. Weder weicht nach den vom Amtsgericht festgestellten objektiven Gegebenheiten die Gefährlichkeit des konkreten Verstoßes des Betroffenen von der typischen Gefahrensituation ab, die Anlass für die gesetzlich geregelte außerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung ist, noch ist das Maß seines Verschuldens besonders gering. Der Betroffene hat die zulässige Geschwindigkeit vorsätzlich überschritten. Auch sonst sind keine besonderen Ausnahmeumstände in seiner Person gegeben.

Existenzgefährdende Auswirkungen des Fahrverbotes für den Betroffenen sind nicht ersichtlich. Angesichts der verkehrstechnisch guten Lage seines Wohnortes bedarf es nicht einmal der Heranziehung eines Fahrers.

Von seinem Wohnsitz in der Stadt Meerbusch (Ortsteil Strümp) ist die benachbarte Landeshauptstadt Düsseldorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder unter Inanspruchnahme von Taxis oder Mietwagen in angemessener Zeit erreichbar.

Dort hat der Betroffene unmittelbaren Anschluss an ein Verkehrsnetz von nationaler und internationaler Bedeutung. Vom Flughafen Düsseldorf stehen ihm Direktverbindungen in mehrere große deutsche Städte und Wirtschaftsregionen zur Verfügung. Die Stadt Düsseldorf ist des Weiteren über ihren Hauptbahnhof und Zentralen Omnibusbahnhof an das Eisenbahn- und Fernbusliniennetz angeschlossen. Insbesondere die Anbindung an das ICE-Liniennetz der Deutschen Bahn ermöglichen es dem Betroffenen, alle Regionen Deutschlands in angemessener Zeit zu erreichen. Soweit der Betroffene abseits der so erreichbaren Wirtschaftsmetropolen und großen Städte Kunden zu betreuen hat, ist ihm zuzumuten, zur Weiterfahrt den dortigen öffentlichen Personennahverkehr in Anspruch zu nehmen oder sich der Benutzung eines Taxis oder Mietwagens zu bedienen. Nach Ansicht des Senats kann so in angemessener Zeit – auch im Vergleich zum Automobilverkehr – jeder Ort in Deutschland erreicht werden. Im Übrigen dürfte eine vorausschauende Planung der Reisen zu einer Optimierung der Geschäftstermine führen. Die Kosten für den Gebrauch der öffentlichen Verkehrsmittel werden durch den Wegfall der Kosten für den Einsatz des PKW kompensiert. Angesichts dessen vermag der Senat auszuschließen, dass der Betroffene durch ein zweimonatiges Fahrverbot in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre oder nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen seiner Berufsausübung unterläge.

6. Der Senat entscheidet gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst, weil keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind (vgl. BayObLG, DAR 2002, 173 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 2 Ss OWi 239/09 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Juni 2010 – III-3 RBs 120/10 -, ; OLG Bamberg, Beschluss vom 29. November 2010 – 3 Ss OWi 1756/10 -, ), und ahndet den festgestellten Geschwindigkeitsverstoß mit den Regelfolgen des Bußgeldkatalogs (EUR 440,00 Regelsatz und 2 Monate Fahrverbot; Nr. 11.3 BKat in Verbindung mit Tabelle 1 Buchstabe c, Nr. 11.3.9 des Anhangs). Gründe, ausnahmsweise nach § 4 Abs. 4 BKatV gegen angemessene Erhöhung des Regelsatzes von der Anordnung des Regelfahrverbots abzusehen, sind nicht ersichtlich, zumal dem bislang straßenverkehrsrechtlich nicht vorbelasteten Betroffenen der Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG hinsichtlich der Verschiebung des Eintritts der Wirksamkeit des Fahrverbots (sog. Vier-Monats-Regel) zu gewähren ist. Von einer Erhöhung des Regelsatzes wegen vorsätzlicher Begehungsweise (§ 3 Abs. 4 a BKatV) hat der Senat abgesehen.

7. Der Zeitablauf seit Begehung der Ordnungswidrigkeit steht der Verhängung eines Fahrverbotes ebenfalls nicht entgegen. Bedenken gegen die Anordnung eines Fahrverbotes bestehen grundsätzlich erst dann, wenn seit Begehung der Tat längere Zeit (mehr als zwei Jahre) vergangen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2000 – 2a Ss (OWi) 322/00 – (OWi) 95/00 III -, ; Beschluss vom 4. November 2002 – 2b Ss (OWi) 216/02 – (OWi) 68/02 I -, ; Beschluss vom 8. September 2009 – IV-5 Ss-OWi 169/09 – (OWi) 145/09 I; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. November 1997 – 3 Ss 593/97 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. November 2005 – 2 Ss-OWi 362/05 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Januar 2012 – III-3 RBs 364/11 -, ; BayObLG, zfs 2002, 202 m.w.N.; Burmann, a.a.O., § 25 StVG Rn. 1 b). Dies ist nicht der Fall. Die Überschreitung der kritischen Grenze, ab welcher die Angemessenheit eines Fahrverbotes fraglich sein kann, um weniger als drei Monate ist unbeachtlich, da es sich bei der Zweijahresgrenze um keine Ausschlussfrist handelt, sondern diese nur einen Anhaltspunkt darstellt (vgl. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 25 StVG Rn. 24).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 465 Abs. 1, 473 Abs. 1 StPO. Die durch die erfolgreiche Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verursachten Rechtsmittelkosten gehören zu den Verfahrenskosten, die der verurteilte Betroffene nach § 465 StPO zu tragen hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 473 Rn. 15 a.E.).

 

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