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PoliScan Speed FM 1 Geschwindigkeitsmessung hinter einer Leitplanke

Geschwindigkeitsüberschreitung: Gericht verwirft Rechtsbeschwerde und bestätigt Fahrverbot

In einem aktuellen Gerichtsurteil hat das Oberlandesgericht Zweibrücken die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 18.05.2021 als unbegründet verworfen. Der Betroffene wurde wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat – mit Vollstreckungsaufschub – angeordnet.

Direkt zum Urteil Az: 1 OWi 2 SsBs 58/21 springen.

Hintergrund: Geschwindigkeitsmessung mittels PoliScan Speed FM1

Der Betroffene befuhr am 19.11.2020 mit einem PKW die BAB6 in Fahrtrichtung Mannheim und überschritt dabei in Höhe des Autobahnkilometers 633,2 die durch Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um – toleranzbereinigte – 41 km/h. Die Messung wurde mit einem stationär genutzten und gültig geeichten Gerät des Messsystems PoliScan Speed FM1 vorgenommen. Das Amtsgericht ist aufgrund des Maßes der Übertretung und des Fehlens einer dies widerlegenden Einlassung von vorsätzlichem Verhalten ausgegangen.

Rechtsbeschwerde: Betroffener rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts

Der Betroffene wandte sich mit der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil und stützte diese auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Einzelrichter des Senats übertrug die Sache gemäß § 80a Abs. 3 und 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern.

Gerichtsurteil: Rechtsmittel als unbegründet verworfen

Das zulässige Rechtsmittel wurde als nicht begründet eingestuft. Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils ergab keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler. Auch die erhobene Verfahrensbeanstandung, in der der Betroffene die Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens beanstandete, drang nicht durch. Das Amtsgericht hat durch die Ablehnung des Beweisantrages nicht gegen seine Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung verstoßen.

Fazit: Fahrverbot und Geldbuße bestätigt

Insgesamt bestätigte das Oberlandesgericht Zweibrücken das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl und wies die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurück. Das Fahrverbot von einem Monat sowie die Geldbuße von 320 Euro bleiben damit bestehen.

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Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OWi 2 SsBs 58/21 – Beschluss vom 13.01.2022

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 18.05.2021 wird als unbegründet verworfen.

2. Dem Beschwerdeführer werden die Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 320,– EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat – mit Vollstreckungsaufschub – angeordnet. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt.

Der Einzelrichter des Senats hat die Sache mit Beschluss vom 12.01.2022 gem. § 80a Abs. 3 und 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

I.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 19.11.2020 mit einem PKW die BAB6 in Fahrtrichtung Mannheim, wobei er in Höhe des Autobahnkilometers 633,2 die dort durch Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um – toleranzbereinigte – 41 km/h überschritt. Die Messung wurde mit einem stationär genutzten und gültig geeichten Gerät des Messsystems PoliScan Speed FM1 vorgenommen. Das Amtsgericht ist mit Blick auf das Maß der Übertretung und das Fehlen einer dies widerlegenden Einlassung von vorsätzlichem Verhalten ausgegangen.

II.

1.

Die auf die allgemein erhobene Sachrüge veranlassende umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler ergeben; auf die hierzu gemachten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft aus der Antragsschrift vom 13.07.2021 nimmt der Senat Bezug.

2.

Auch die erhobene Verfahrensbeanstandung, mit der der Betroffene die Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens beanstandet, dringt nicht durch.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Mit noch vor dem Hauptverhandlungstermin beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Verteidiger die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, dass ausweislich der Lichtbilder der Messung sich Hindernisse in Gestalt von Leitplanken im Erfassungsbereich des Messgeräts befanden, dies einen Widerspruch zur Gebrauchsanweisung darstellt und die vorhandenen Hindernisse im Messbereich sich auf den LIDAR und damit zu Lasten des Betroffenen auf den Geschwindigkeitswert ausgewirkt haben. Zur Begründung nahm der Verteidiger Bezug auf ein beigefügtes Privatsachverständigengutachten. In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger den Beweisantrag unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz wiederholt. Das Amtsgericht hat die Beweiserhebung als nicht erforderlich gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt. In den schriftlichen Urteilsgründen hat es hierzu ausgeführt, dass eine konkrete Einwendung gegen die Messung nicht vorgetragen worden sei.

b) Das Amtsgericht hat durch die Ablehnung des Beweisantrages nicht gegen seine Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung (vgl. Senge in KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 77 Rn. 3) verstoßen.

aa) Der Tatrichter ist grundsätzlich nur dann gehalten die Zuverlässigkeit von Messungen, die – wie hier (vgl. Senat, Beschluss vom 10.02.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris Rn. 8) – mit einem anerkannten und weitgehend standardisierten Messverfahren gewonnen worden sind, zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen. Ob solche Anhaltspunkte im Einzelfall gegeben sind, kann hierbei unter anderem auch von den technischen Besonderheiten des angewandten Messverfahrens abhängen (BGH, Beschluss vom 30.10.1997 – 4 StR 24/97, NJW 1998, 321). Von einer Messung im standardisierten Verfahren kann aber (unter anderem) nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden. Wird von der dort vorgeschriebenen Verfahrensweise abgewichen, so handelt es sich um ein individuelles Messverfahren, das die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich nicht in Anspruch nehmen kann (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15.12.2017 – 2 Ss OWi 1703/17, juris Rn. 7; KG Berlin, Beschluss vom 23.07.2018 – 3 Ws (B) 157/18, juris Rn. 8).

bb) Insoweit weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass es in der Gebrauchsanweisung (Version 1.4.0 vom 24.02.2020) des hier verwendeten Messgeräts unter Punkt 7.1.1 heißt: „Hindernisse im Messbereich können zu Unterbrechungen oder erhöhter Anzahl von annullierten Messungen führen. Hindernisse im Erfassungsbereich des Messgeräts sind daher zu vermeiden.“ Auch trifft es zu, dass das Messfoto (das der Senat aufgrund von dessen Mitteilung in der Rechtsbeschwerdebegründung sowie der Inbezugnahme gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in den Urteilsgründen zur Kenntnis nehmen kann) im unteren linken Bereich den Teil einer Leitplanke erkennen lässt.

cc) Der Senat hat jedoch bereits durch den Einzelrichter entschieden (vgl. Beschluss vom 26.05.2020 – 1 OWi 2 SsBs 49/20, juris Rn. 5), dass auch dann von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann, wenn das Messgerät entgegen den Empfehlungen seiner Bedienungsanleitung hinter einer Leitplanke aufgestellt worden ist. Hieran hält er fest. Bei der betreffenden Passage der Bedienungsanleitung handelt es sich nicht um eine zwingende Vorgabe, deren Verletzung ein zum Nachteil des Betroffenen fehlerhaftes Messergebnis besorgen lässt und deren Missachtung daher dazu führt, dass nicht mehr von einer mittels eines standardisierten Verfahrens gewonnenen Messung auszugehen ist.

(1) Für ein solches Verständnis spricht bereits die Formulierung, dass „daher“ Hindernisse im Erfassungsbereich zu vermeiden seien. Dies nimmt Bezug auf den vorangegangenen Satz, der auf die Möglichkeit von Unterbrechungen bzw. einer erhöhten Anzahl von annullierten Messungen verweist. Bereits dies zeigt, dass die Vorgabe allein die Messfreudigkeit des Geräts sichern und mithin gewährleistet werden soll, dass das Gerät Messungen nicht nur aufgrund der Art und Weise seiner Aufstellung verwirft.

(2) Der Senat hat ergänzend Stellungnahmen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und des Herstellers V. Dr.-Ing. S., Bildverarbeitungssysteme GmbH, eingeholt und verwertet. Diese bestätigen dieses Verständnis:

(a) Die PTB hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 14.09.2021 die an sie gestellten Fragen des Senats, ob ausgeschlossen werden kann, dass ein Aufbau hinter einer Leitplanke das Messergebnis zu Ungunsten eines Verkehrsteilnehmers, etwa aufgrund von Reflexionen, beeinflussen kann und ob dies davon unabhängig ist, dass die Leitplanke in den Auswerterahmen des Messfotos hineinragt, bejaht. Zur Begründung hat sie ausgeführt:

„Der Laserstrahl wird in Form eines dünnen, im wesentlichen horizontalen Fächers über die Straße geschwenkt. Die Software im Gerät gruppiert die Punkte, von denen Laser-Rückreflexe ins Gerät zurück kamen, anhand ihrer Position im Raum zu Objekten, die sich konsistent bewegen. Da sich ein feststehendes Objekt wie z.B. eine Leitplanke weder am Ort des Fahrzeugs befinden noch sich mit ähnlicher Geschwindigkeit bewegt, besteht keine Gefahr, dass etwaige Reflexionen, die von einer Leitplanke stammen, irrtümlich der Bewegung eines Fahrzeugs zugeordnet werden.

Feststehende Objekte wie z.B. Leitplanken können jedoch dem Gerät bei ungünstiger Aufstellung die Sicht auf die Straße teilweise versperren. Dann kann es sein, dass das Gerät viele Messungen annullieren muss, also keine Falldatei erstellt, wenn für Fahrzeuge abhängig von deren Bewegung durch das Sichtfeld des Messgerätes nicht genügend Datenpunkte erfasst werden können.

(..) In der Summe ist also nichts gegen eine Aufstellung hinter einer Leitplanke einzuwenden, sofern nicht der Messkopf so niedrig eingestellt ist, dass die Leitplanke die Austrittsöffnung des Laserstrahls verdeckt.“

(b) Die Firma V. hat auf die Anfrage des Senats in der E-Mail-Nachricht vom 18.11.2021 zum Hintergrund der fraglichen Passage in der Gebrauchsanweisung wie folgt Stellung genommen:

„Zwar sind beim PoliScan-Messverfahren örtlich begrenzte Verdeckungen ausdrücklich zulässig und führen nicht zu einer Verfälschung des Messwerts, sie vermindern aber die insgesamt verfügbare Information über die Fahrzeugbewegung, so dass insbesondere eine geringere Messfreudigkeit zu erwarten ist, wenn sich Hindernisse fehlerhaft im Messbereich befinden.

Allerdings können nur solche Hindernisse die Messfreudigkeit verringern, die sich im Sichtbereich des LIDAR-Sensors befinden.

Der „sieht“ – anders als die Kamera zur Verstoßdokumentation – nur einen begrenzten Bereich in der Bildmitte, so wie im nachstehenden Messfoto beispielhaft verdeutlicht.

Im Messfoto oberhalb und unterhalb dieses Bereichs abgebildete Hindernisse sind für den Sensor „unsichtbar“ und damit für die Messung ohne jede Relevanz.

Dem Verwender steht im Einrichtungsmodus ein Hilfsmittel zur Verfügung, dass dabei hilft zu beurteilen, ob stationäre Hindernisse die Erfassung der Fahrzeuge behindern (s. Kapitel 7.8.4 „Einrichten mit Hilfe der Vogelperspektive“).“

(c) Hiernach steht fest, dass es sich bei der in Kapitel 7.1.1 der Gebrauchsanweisung enthaltenen Vorgabe sowohl aus Sicht des Herstellers, der die Gebrauchsanweisung entworfen hat, als auch aus Sicht der PTB, die das Gerät unter Berücksichtigung der Gebrauchsanweisung zertifiziert hat, nicht um eine zwingende Anweisung handelt, deren Missachtung das Messergebnis zum Nachteil eines Fahrzeugführers beeinflussen kann.

(3) Soweit die Rechtsbeschwerde die Ausführungen der PTB und des Herstellers durch allgemeine Erwägungen, etwa zur Aussagekraft der von der PTB erteilten Baumusterprüfbescheinigung und – angeblich möglichen – Verdeckungsszenarien in Frage stellen will, erschöpft sich dieses Vorbringen in allgemeinen, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenen Angriffen auf die technische Zuverlässigkeit des Messsystems als solches. Diesem steht die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegen (Senat, Beschluss vom 21.04.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 18/17, ZfSch 2017, 350; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2014 – 2 Ss-OWi 1041/14, juris Rn. 21).

3.

Soweit die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung darin erblickt, dass das Gerät Rohmessdaten nicht speichert, hat sich der Senat bereits der außerhalb des Saarlandes in der Rechtsprechung jedenfalls der Oberlandesgerichte einheitlich vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen, dass die Verwertbarkeit der Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens nicht von dessen nachträglicher Überprüfbarkeit anhand von aufzuzeichnenden, zu speichernden und an den Betroffenen auf Verlangen herauszugebenden Rohmessdaten abhängig ist, und durch die fehlende Reproduzierbarkeit der zum einzelnen Messwert führenden Berechnung weder der Anspruch auf ein faires Verfahren noch der auf eine effektive Verteidigung berührt wird (Senat, Beschluss vom 11.02.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris Rn. 9 m.w.N.). Hieran hält er weiter fest.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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