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Ordnungswidrigkeitsverfahren – Kostenerstattung für privates Gutachten

Das Wichtigste in Kürze


Das Amtsgericht Herford hat entschieden, dass die Kosten für ein privates Gutachten im Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht immer erstattet werden müssen. Sie müssen nicht nur zweckmäßig, sondern auch notwendig im Sinne des Gesetzes sein.

  • Das Amtsgericht Herford hat einen Beschluss vom 01.07.2019 gefasst, in dem ein Betrag von 3.518,88 EUR gegen die Landkasse festgesetzt wurde.
  • Im Bußgeldverfahren wurden die notwendigen Auslagen für den früheren Betroffenen auf 1.544,37 EUR festgesetzt.
  • Die Verteidigung hatte die Bußgeldbehörde um die Einstellung des Verfahrens gebeten und einen Sachverständigen beauftragt.
  • Kosten für private Gutachten sind nicht automatisch erstattungsfähig. Sie müssen sowohl zweckmäßig als auch notwendig sein.
  • Private Ermittlungen sind normalerweise nicht notwendig, da die Ermittlungsbehörden und das Gericht zur umfassenden Sachaufklärung verpflichtet sind.
  • Ein privates Gutachten kann nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig sein, z.B. wenn die Verteidigung ein amtliches Gutachten entkräften möchte.
  • Im Bußgeldverfahren sollte der Betroffene Ermittlungen erst dann selbst veranlassen, wenn das Gericht einem Beweisantrag nicht nachkommt.
  • Die Kosten des privat eingeholten Gutachtens waren in diesem Fall nicht notwendig und wurden daher abgesetzt.
  • Ein geltend gemachter Verdienstausfall war ohne eine Verdienstausfallbescheinigung nicht erstattungsfähig. Bei unbezahltem Urlaub ist eine Entschädigung von 35,– € zu erstatten.
  • Die Mehrwertsteuer ändert sich entsprechend.

Amtsgericht Herford – Az.: 11 OWi-402 Js 1178/18 -224/18 – Beschluss vom 01.07.2019

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 04.03.2019 ein Betrag in Höhe von 3.518,88 EUR gegen die Landkasse festgesetzt wird.

In dem Bußgeldverfahren werden die nach dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 29.01.2019 AZ: 11 OWi-402 Js 1178/18-224/18, dem früheren Betroffenen aus der Landeskasse gemäß § 467 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.544,37 EUR (eintausendfünfhundertvierundvierzig Euro und siebenunddreißig Cent) festgesetzt.

Im übrigen wird der Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Verteidigung hatte der Bußgeldbehörde zunächst unter dem 25.10.2017 einen Fragenkatalog zukommen lassen und beantragt, das Verfahren einzustellen. Nach Eingangsbestätigung, aber noch vor der Beantwortung der dort gestellten Fragen, die erst unter dem 16.11.2109 erfolgte, teilte die Verteidigung unter dem 10.11.2107 mit, dass ein Sachverständiger bereits beauftragt wurde.

Kosten eines privaten Gutachtens sind im Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht schon deshalb erstattungsfähig, weil sie für eine sachgerechte Verteidigung möglicherweise zweckmäßig sind, sondern müssen auch notwendig i. S. von 464 a II StPO i. v. mit § 46 I OWiG sein.

Es entspricht der allgemeinen Meinung, dass private Ermittlungen – mögen sie auch die Verteidigung erleichtern- normalerweise nicht notwendig sind (Meyer-Großner, stopp, 52 Aufl., § 464 a Rn. 16 mzwN.

Im Straf- und Bußgeldverfahren werden die Interessen des Beschuldigen durch die gesetzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden und des Gerichts zur umfassenden Sachaufklärung gewahrt, da hier der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Zudem haben die Verteidiger das Recht auf Stellung von Beweisanträgen und –anregungen. Nur in Ausnahmefällen wird ein Privatgutenachten erstattungsfähig sein. Dies gilt z. B. dann, wenn die Verteidigung ein bereits vorliegendes amtlich veranlasstes Gutachten entkräften will, um die Waffengleichheit wieder herzustellen, oder die Behörden den Beweisanträgen oder Beweisanregungen nicht nachkommen. Dies war vorliegend nicht gegeben.

Im Bußgeldverfahren ist es dem Betroffenen stets zumutbar, notwendig scheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das zuständige Gericht einem Beweisantrag ablehnt oder ihm nicht nachkommt.

Nach Stellungnahme der zuständigen Richterin ist auch nicht ersichtlich, dass die Verteidigung davon ausgehen musste, ohne ein Gutachten keinen Einfluss auf das weitere Verfahren nehmen zu können.

Im Übrigen erfolgte die Einstellung nach der Stellungnahme der zuständigen Richterin zwar aus Gründen, die auch in dem Gutachten aufgezeigt wurden. Entscheidungserheblich war es allerdings nicht, denn die Problematik war aus Parallelverfahren bereits hinlänglich bekannt.

Folglich waren die Kosten des privat eingeholten Gutachtens nicht notwendig und waren daher abzusetzen.

Da bisher eine Verdienstausfallbescheinigung fehlt, war der geltend gemachte Verdienstausfall nicht erstattungsfähig. Nach der Bestätigung des Arbeitgebers hat der Betroffene am Hauptverhandlungstermin Urlaub genommen. Bei unbezahltem Urlaub ist nach §§ 464 a Abs. 2 Nr. 1 StPO; 19 Abs. 2 S 1, 20 JVEG eine Entschädigung von 10 Stunden Zeitversäumnis anlässlich der Terminswahrnehmung in Höhe von 3,50 € pro Stunde, mithin insgesamt 35,– € zu erstatten.

Die Mehrwertsteuer ändert sich entsprechend.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist ein Ordnungswidrigkeitsverfahren?

Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ist ein eigenständiges Verfahren, das oft neben dem ordnungsbehördlichen Verfahren geführt wird. Ziel dieses Verfahrens ist die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit, während das ordnungsbehördliche Verfahren darauf abzielt, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Ordnungswidrigkeiten sind rechtswidrige und vorwerfbare Handlungen, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklichen, welches die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Die Unterscheidung zwischen einer Ordnungswidrigkeit und einer Straftat ist wesentlich. Wenn der Gesetzgeber als Rechtsfolge eine Tat mit einem Bußgeld ahndet, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Im Gegensatz dazu wird eine Handlung, die gesetzlich mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bedroht ist, als Straftat betrachtet.

Der Ablauf eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist in den §§ 35 bis 110 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) geregelt. Es beginnt mit der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit und endet mit der Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit durch die zuständige Behörde. Beispiele für Ordnungswidrigkeiten sind Verletzung der Meldepflicht, Falschparken, Parken ohne Parkscheibe, Ablesen der Uhrzeit von einem Handy während der Autofahrt, Schießen mit Luftgewehr, Illegale Müllentsorgung, Unzulässiger Lärm und Überfahren einer roten Ampel.

Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wird eingeleitet, wenn ein Verstoß begangen wird, der ein Bußgeld von mindestens 55 Euro zur Folge hat. Grundsätzlich wird eine Ordnungswidrigkeit durch einen Bußgeldbescheid geahndet, wobei der Bußgeldbescheid bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Angaben enthalten muss.

Die Anhörung des Betroffenen ist ein wesentlicher Bestandteil des Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben, um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich zum Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit zu äußern und gegebenenfalls entlastende Beweismittel vorzulegen.

In Ordnungswidrigkeitsverfahren bleibt der Beschuldigte in der Regel auf den Kosten für ein in Auftrag gegebenes Privatgutachten sitzen, da der Richter im Gegensatz zum Zivilverfahren den Sachverhalt aufklären muss. Die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen durch den Beschuldigten sind normalerweise nicht erstattungsfähig, es sei denn, das Gutachten war zur Abwehr des Anklagevorwurfs unbedingt notwendig. Die Erstattungsfähigkeit privater Sachverständigenkosten beruht auf dem Gedanken, dass das Gericht die privat veranlasste Beweiserhebung durch einen Sachverständigen auf entsprechenden Vortrag oder Antrag des Betroffenen selbst hätte veranlassen müssen. Die Einholung eines Privatgutachtens kann nur dann notwendig sein, wenn objektivierbare Mängel vorliegen, die zur Verteidigung des Beschuldigten erforderlich sind.

Um eine Kostenerstattung für ein Privatgutachten zu beantragen, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Im Folgenden sind die relevanten Kriterien aufgeführt:

  • Notwendigkeit des Gutachtens zur Verteidigung: Das Privatgutachten muss zur Abwehr des Anklagevorwurfs unbedingt notwendig sein. Im Strafverfahren kann beispielsweise ein Privatgutachten notwendig sein, wenn die Anklage sich auf die durch Glaubwürdigkeitsgutachten bestätigten Angaben der mutmaßlich geschädigten Kinder gegenüber Dritten stützt und eine Verteidigungsstrategie mit dem Ziel des Freispruchs nur dann erfolgversprechend erscheint, wenn sowohl die wissenschaftliche Qualifikation der Sachverständigen als auch die Glaubwürdigkeit der Kinder erschüttert und deren belastende Aussagen entkräftet werden.
  • Antrag auf Einholung des Gutachtens durch den Beschuldigten: Das Privatgutachten muss vom Beschuldigten in Auftrag gegeben werden.
  • Ausnahmefall mit besonderen Umständen: Die Erstattung der Kosten für ein Privatgutachten ist nur ausnahmsweise möglich. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die die Notwendigkeit des Gutachtens und die Erstattungsfähigkeit der Kosten rechtfertigen.
  • Prozessbezogenheit des Gutachtens: Das Privatgutachten muss zum Zeitpunkt der Beauftragung bereits prozessbezogen sein. Das bedeutet, dass sich ein Rechtsstreit bereits einigermaßen konkret abzeichnen muss und außergerichtliche Einigungs- und Erledigungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft sein müssen.
  • Erstattungsfähigkeit der Kosten nach geltendem Recht: Die Erstattung der Kosten für ein Privatgutachten muss nach geltendem Recht möglich sein. Die genauen rechtlichen Bestimmungen können je nach Verfahren (Strafverfahren, Ordnungswidrigkeitenverfahren, etc.) unterschiedlich sein.

§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil:


  • Strafprozessrecht (StPO): Es werden mehrere Paragraphen der Strafprozessordnung (z.B. § 467 StPO) zitiert. Diese regeln unter anderem die Kostenerstattung im Straf- und Bußgeldverfahren.
  • Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG): Es wird Bezug genommen auf § 46 I OWiG, welcher die Erstattungsfähigkeit von Kosten in Ordnungswidrigkeitsverfahren regelt. Das OWiG regelt die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und das entsprechende Verfahren.

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