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Nichtverwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessergebnissen des Radargeräts ESO ES 3.0

AG Kaiserslautern – Az.: 6270 Js 9747/11 – 1 OWi – Urteil vom 14.03.2012

1. Der Betroffene wird freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Der Betroffene ist am … geboren. Er ist bisher wie folgt verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten: …

II.

Nach dem Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 26.04.2011 wird dem Betroffenen folgender Sachverhalt zur Last gelegt: Dem Betroffenen wird vorgeworfen am 18.02.2011 um 20.03 Uhr in Kaiserslautern, BAB 6, Höhe Km 618,5 vor der Lautertalbrücke, Richtung Saarbrücken als Fahrer des PKW, amtliches Kennzeichen … fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 71 km/h überschritten zu haben.

III.

Der Betroffene war aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen freizusprechen. Der Einwand der Verteidigung, die die Ordnungsgemäßheit der Messung bestritten und ausgeführt hat, dass aufgrund der Tatsache, dass der Hersteller des eingesetzten Gerätes ESO 3.0 die genauen Angaben darüber, wie die Messung erfolgt, nicht herausgibt, so dass eine Überprüfung der Messung nicht möglich sei, konnte nicht widerlegt werden.

Zu dieser Frage befragt, führte der Sachverständige F. in der Hauptverhandlung aus, dass im Rahmen des Gutachtens lediglich überprüft werden konnte, ob die Messkriterien befolgt wurden sowie die Frage, ob die Bedienungsanleitung eingehalten wurde. Wie die Messung zustande käme, sei auch dem Sachverständigen nicht bekannt. Der Sachverständige führte aus, dass ihm bekannt sei, dass bei dem Gerät Helligkeitsprofile abgetastet würden. Diese würden übereinander gelegt, phasenverschoben aufgezeichnet und daraus anhand eines Histogramms die Geschwindigkeit ermittelt. Wie abgetastet werde, wisse man jedoch nicht. Der Gutachter führte aus, dass seinerseits lediglich eine reine Plausibilitätskontrolle möglich sei. Eine genaue Überprüfung der Messung, wie dies bei anderen Messgeräten, bei denen die Funktionsweise bekannt ist, der Fall ist, sei nicht möglich. Auch sei nicht bekannt, wie anhand des Histogramms die Geschwindigkeit ermittelt werde.

Diese Ausführungen führen nach Auffassung des Gerichts aus zwei Gründen zu einem Freispruch.

Nach einheitlicher höchstrichterlicher Rechtsprechung zählt das Messverfahren mittels des Geräts ESO 3.0 zu sogenannten standardisierten Verfahren. Die Überprüfung eines solchen standardisierten Verfahrens ist geboten und möglich, wenn die Verteidigung bzw. der/die Betroffene substantiiert Anhaltspunkte vorträgt, die die Ordnungsgemäßheit der Messung zweifelhaft erscheinen lassen. Zu diesem Punkt führte die Verteidigung aus, dass aufgrund der Unkenntnis der Funktionsweise des Gerätes ein solcher substantiierter Vortrag gerade nicht möglich sei. Damit verfalle das Beweisantragsrecht der Verteidigung zu einem kaum effektiven Instrumentarium. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG), welcher die Grundlage des Beweisantragsrechts der Verteidigung bildet, sei dann tangiert, wenn die für die Ausübung dieses Rechts unverzichtbaren Informationen geheimgehalten werden. Das Gericht folgt der Argumentation der Verteidigung, weil ein Bestreiten der Ordnungsgemäßheit der Messung dann schlicht nicht möglich ist, wenn nicht bekannt und nicht nachvollzogen werden kann, wie diese erfolgt ist.

Dieser Punkt hat gleichzeitig die Bedeutung, dass es ebenfalls dem Gericht nicht möglich ist die Ordnungsgemäßheit der Messung nachzuprüfen. Die Beweiswürdigung ist einzig und alleine Aufgabe des Gerichts. Das Gericht ist in diesem Punkt nicht gehalten den Ausführungen eines Messbeamten bzw. eines Sachverständigen uneingeschränkt Glauben zu schenken. Vielmehr muss das Gericht eigens davon überzeugt sein, dass die Voraussetzungen einer gesetzlichen Norm erfüllt sind. Dies ist jedoch gerade dann nicht möglich, wenn das Gericht die Messung selbst nicht nachvollziehen bzw. sich diese auch nicht von einem Sachverständigen erklären lassen kann.

Insoweit folgt das Gericht nicht der Rechtsprechung des Amtsgerichts Saarbrücken (Az. 22 OWi 367/11, 22 OWi 61 Js 188/11), wonach die Einzelheiten des Messvorgangs deswegen unerheblich seien, weil das Gerät – wie im vorliegenden Fall – (Bl. 4, 5 d. Akte) ordnungsgemäß geeicht ist. Das Amtsgericht Saarbrücken führt in seiner Entscheidung aus, dass „es nicht Aufgabe eines Sachverständigen sei, die Funktionsweise eines Messgeräts in jedem Detail darzulegen und zu verifizieren, sondern konkret festzustellen, ob eine Messung im Rahmen der PTB-Zulassung ordnungsgemäß war oder nicht.“ Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen das Gericht Glauben schenkt, ist es angesichts der Tatsache, dass die Funktionsweise des Gerätes gerade nicht bekannt ist, nicht möglich festzustellen, ob eine Messung trotz der PTB-Zulassung ordnungsgemäß war oder nicht. Dies liegt unter anderem daran, dass auch die Voraussetzungen, unter denen das Gerät geeicht wurde, ebenfalls geheim gehalten werden. Somit muss sich der Sachverständige und auch das Gericht schlicht darauf verlassen, dass das Gerät ordnungsgemäß funktioniert und ebenfalls ordnungsgemäß geeicht wurde. Damit wird die Kompetenz und die Pflicht des Gerichtes, sich eine eigene Meinung von einem Messvorgang zu bilden, eingeschränkt.

Des Weiteren führt das Amtsgericht Saarbrücken aus, dass „Voraussetzung für eine Entscheidung ist, dass der Tatrichter vom vorliegen eines korrekt ermittelten Messergebnisses überzeugt ist, nicht jedoch die absolute das Gegenteil denknotwendig ausschließende und damit von niemandem anzweifelbare Gewissheit. Vielmehr genüge ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lasse.“

Angesichts der Tatsache, dass die Funktionsweise des Gerätes weder abstrakt noch konkret bekannt ist, kann das Gericht seine ureigene Pflicht zur Beweiswürdigung weder abstrakt noch konkret wahrnehmen, sondern muss in jedem einzelnen Fall, in dem mit dem Gerät ESO 3.0 gemessen wurde, sich uneingeschränkt auf die Eichung des Gerätes verlassen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass ein etwaiger Schutz des Urheberrechts des Herstellers hinter dem gewichtigen Recht eines Betroffenen bzw. seines Verteidigers auf rechtliches Gehör, welches verfassungsrechtlich durch Artikel 103 Abs. 1 GG und den Grundsatz des fairen Verfahrens geschützt ist, zurückstehen muss. Das gleiche gilt für die Pflicht des Gerichts eine eigene und vollumfängliche Beweiswürdigung in einem jeden konkreten Fall vorzunehmen bzw. vornehmen zu können.

IV.

Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 465, 467 StPO i. V. m. § 46 OWiG.

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