VG München – Az.: M 26 K 18.2431 – Urteil vom 29.05.2019
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B und BE einschließlich Unterklassen.
Mit Urteil des Amtsgerichts … vom … März 2016 und Berufungsurteil des Landgerichts … vom … Juli 2016, rechtskräftig seit 2. Dezember 2016, wurde der Kläger wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis mit Sperre bis zum 2. Dezember 2016 entzogen.
Dem lag folgender strafgerichtlich festgestellter Sachverhalt zugrunde:
„Am 14.05.2015 gegen 11:00 Uhr befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw BMW amtliches Kennzeichen …, die Staatsstraße … in …. Im Abschnitt 940 – km 2000 befand sich der aufgrund der von ihm getragenen Feuerwehruniform inklusive Warnweste und Feuerwehrkelle eindeutig als Feuerwehrmann erkennbare Geschädigte … N… auf der Straße, um im Zusammenhang mit einem zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Töpfermarkt den Verkehr zu regeln. Hierbei signalisierte er dem herannahenden Angeklagten, seinen Pkw zum Stehen zu bringen, damit er andere Fahrzeuge aus einem Parkplatz ausfahren lassen konnte. Obwohl der Angeklagte den Geschädigten als Feuerwehrmann erkannte und dessen Aufforderung zum Anhalten des Fahrzeuges wahrnahm, fuhr er mit einer die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h deutlich überschreitende Geschwindigkeit auf den Geschädigten zu und bremste erst unmittelbar vor diesem ab, sodass sein Fahrzeug nur 30 bis 40 cm vor dem Geschädigten N… zum Stehen kam. Sodann schrie er dem Zeugen N… durch das geöffnete Autofenster der Fahrerseite zu: „Was soll der Schmarrn? Ich darf hier durchfahren.“ Der Zeuge N… wich jedoch nicht von der Stelle und erläuterte dem Angeklagten, dass er ihn angehalten habe, um Fahrzeuge aus dem Parkplatz ausfahren zu lassen.
Empört darüber, dass er seine Fahrt kurzzeitig unterbrechen musste, fuhr der Angeklagte auf den unmittelbar vor ihm stehenden Geschädigten in verkehrsfeindlicher Einstellung zu, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, dass der Feuerwehrmann N… hierdurch verletzt werden würde. Dieser war infolgedessen gezwungen, sich auf der Motorhaube abzustützen, um nicht zu Fall zu geraten und von dem Pkw des Angeklagten überfahren zu werden. Hierbei wurde er im Bereich der Beine von dem Pkw des Angeklagten berührt. Verletzt wurde er hierbei nicht.
Erst als der Geschädigte N… sich – mit der Anhaltekelle in einer Hand – auf der Motorhaube des Fahrzeugs des Angeklagten abstützte und diesen anschrie, was dies solle, bremste der Angeklagte sein Fahrzeug erneut ab. Der Geschädigte N… und sein aufgrund seines Aufschreies herbeigeeilter Kollege D… begaben sich daraufhin zum Fenster auf der Fahrerseite des Pkws des Angeklagten und stellten diesen zur Rede. Der Angeklagte bezeichnete daraufhin die beiden vorgenannten Zeugen als „Arschlöcher“ und warf ihnen vor, dass sie ihn nicht aufhalten dürften. Daraufhin schloss er das Autofenster und fuhr von dannen, obwohl die Straße noch nicht freigegeben war.“
Am 24. November 2016 beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2017 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger auf, bis spätestens 15. Mai 2017 ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Zu klären sei, ob der Kläger die Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Verkehr erfülle und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche bzw. strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Gestützt wurde die Gutachtensaufforderung auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nummer 6 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Im Rahmen der Ermessenserwägungen wurde ausgeführt, der Kläger habe durch die Tat, welche ein sehr hohes Maß an Aggression vermuten lasse, mehrere Straftatbestände verwirklicht. Er habe in der Hauptverhandlung den Eindruck vermittelt, dass er Verkehrsregeln nur befolge, wenn er selbst deren Sinnhaftigkeit einsehe. Das Strafgericht habe im Rahmen der Strafzumessung festgestellt, dass für die Tat, die sich gegen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr gerichtet habe, keinerlei nachvollziehbarer Anlass bestanden habe und dass der Kläger gegenüber den Geschädigten und Zeugen noch im Strafverfahren eine feindliche Gesinnung zum Ausdruck gebracht habe. Dies lasse darauf schließen, dass der Kläger bereit sei, sich über elementarste Verkehrsregeln hinwegzusetzen und nicht gewillt sei, sich an bestehende Vorschriften zu halten.
Nach mehreren Fristverlängerungen (zuletzt bis zum 28. Februar 2018) wandte sich der Kläger nochmals mit anwaltlichen Schreiben vom 28. Februar 2018 gegen die Gutachtensanordnung und bat um die Prüfung von Alternativen zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis. Nach Ablehnung dieses Gesuchs durch die Fahrerlaubnisbehörde teilte der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 3. April 2018 mit, dass keine Begutachtung erfolgen werde.
Mit Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde vom 13. April 2018, zugestellt am 19. April 2018, lehnte sie den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis des Klägers, gestützt auf die Vorschrift des § 11 Abs. 8 FeV, ab. Der Kläger habe sich geweigert, das Gutachten fristgerecht vorzulegen, weshalb auf seine Nichteignung geschlossen werde.
Der Kläger ließ am 22. Mai 2018, eingegangen per Fax am selben Tag, Klage erheben. Er beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 13. April 2018 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Fahrerlaubnis der Klassen B, BE sowie der darin enthaltenen Unterklassen neu auszustellen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 23. Juli 2018 folgendes ausgeführt:
Der Beklagte habe sich nicht auf § 11 Abs. 8 FeV stützen dürfen, weil die Gutachtensanordnung schon formell rechtswidrig sei, da sie den Kläger nicht korrekt über die Folgen einer Weigerung, das Gutachten erstellen zu lassen, belehrt habe.
Trotz der grundsätzlichen Bindung an den gerichtlich festgestellten Sachverhalt wolle der Kläger, wie bereits im Verwaltungsverfahren vergeblich, den Sachverhalt aus seiner Sicht schildern. Er sei nicht auf den Feuerwehrmann zugefahren, sondern habe den Wagen langsam auslaufen lassen und sei mit genügend Abstand vor dem Feuerwehrmann zum Stehen gekommen. Der Kläger habe um Weiterfahrt gebeten, was ihm aber willkürlich verwehrt worden sei. Er habe den Feuerwehrmann nicht verletzten wollen, was auch gar nicht möglich gewesen sei, da er nicht auf ihn zugefahren sei. Das Tatgeschehen sei in den Strafurteilen nicht zutreffend wiedergegeben.
Die Ermessensausübung in der Gutachtensandordnung sei fehlerhaft, da für den Kläger sprechende Gesichtspunkte nicht berücksichtigt worden seien, so zum Beispiel, dass ihm erstmals seit 1952 ein grober Verkehrsverstoß unterlaufen sei, dass er trotz hoher Fahrleistung unfallfrei gefahren sei, dass er nach dem Vorfall bis zur Abgabe des Führerscheins keine Verkehrsverstöße begangen habe und dass sein Führungszeugnis keine Eintragungen aufweise. Auch sei unberücksichtigt geblieben, dass die Tat zwar mehrere Straftatbestände erfülle, aber nur einen Lebenssachverhalt darstelle.
Dass der Kläger Verkehrsregeln von jungen Leuten nicht akzeptiere, sei eine unverbindliche und falsche Bewertung des Strafgerichts, dem die Behörde aber im Rahmen der Ermessensausübung entscheidende Bedeutung zugemessen habe.
Eine notwendige Gefahrenprognose ergebe in der Gesamtschau, dass der Kläger auch aufgrund der Wirkung des Strafurteils nicht rückfällig werde und keine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstelle. Etwaig verbleibende Eignungszweifel seien jedenfalls nicht derart gravierend, dass sie die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung rechtfertigen würden.
Es sei außerdem rechtsfehlerhaft, dass die Gutachtensanordnung nicht nach den Alternativen in der Rechtsgrundlage differenziere. Weiter beziehe sich die zu beantwortende Frage auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV, wohingegen die Anordnung mit einem Verstoß gegen § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV begründet werde. Eine medizinisch-psychologische Begutachtung sei unverhältnismäßig, da die gesundheitliche Eignung des Klägers nicht fraglich sei.
Schließlich sei die Schlussfolgerung der Fahrerlaubnisbehörde, der Kläger weigere sich, das Gutachten vorzulegen, um Mängel zu verbergen, rechtsfehlerhaft. Vielmehr weigere sich der Kläger aufgrund rechtlicher Bedenken, die er auch vorgetragen habe, das Gutachten erstellen zu lassen.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Mit Beschluss vom 16. April 2019 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 24. Mai 2019 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des ablehnenden Bescheids erhoben worden. Der Ablehnungsbescheid wurde dem Kläger am 19. April 2018 zugestellt. Der 19. Mai 2018 war der Pfingstsamstag, der 21. Mai 2018 der Pfingstmontag. Die Klagefrist endete daher gemäß §§ 74 Absatz 1 Satz 2, Abs. 2, 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 22. Mai 2018, so dass die Klageschrift, die am 22. Mai 2018 per Fax bei Gericht einging, die Klagefrist wahrt.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. April 2018, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger folglich nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuerteilung der begehrten Fahrerlaubnis für die Klassen B und BE einschließlich Unterklassen nach vorangegangener Entziehung.
Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i.V.m. den §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 1 FeV erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen besitzt. Hieran fehlt es.
Für den Beklagten war der Schluss auf die Nichteignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeuges gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV geboten. Nach dieser Vorschrift darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Behörde zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dabei ist der Fahrerlaubnisbehörde trotz der Formulierung „darf“ kein Ermessen eingeräumt. Sie hat vielmehr auf die Nichteignung des Betroffenen zu schließen, wenn die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erfüllt sind.
So liegt es hier. Der Kläger hat das vom Beklagten zu Recht geforderte Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) nicht beigebracht.
2.1 In formeller Hinsicht genügte die Beibringungsanordnung vom 13. Februar 2017 den an sie gemäß § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2, Abs. 8 Satz 2 FeV zu stellenden Anforderungen. Die Anordnung enthält eine konkrete Fragestellung und ist mit einer angemessenen Frist versehen. Sie ist auch ordnungsgemäß begründet. In der Begründung muss die Behörde dem Betroffenen ausreichend verständlich den Sachverhalt, auf den sie ihre Zweifel an der Fahreignung stützt, darlegen und auch erklären, warum sie aufgrund der genannten Feststellungen Zweifel an der Fahreignung hat (MüKoStVR, Hahn/Kalus FeV § 11 Rn. 94). Dies ist durch die Anordnung vom 13. Februar 2017 in ausführlicher Weise geschehen. Insbesondere wird der Anordnungsgrund des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV, dessen Tatbestandsmerkmale sich auch in der Fragestellung wiederfinden, benannt und subsumiert.
Der Hinweis auf die Folgen der Nichtbeibringung genügt den Anforderungen von § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV. Die Frage, ob es zulässig ist, die gesetzliche Formulierung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV („darf“) wörtlich zu übernehmen oder ob gerade darauf hingewiesen werden muss, dass der Behörde kein weiteres Ermessen zukommt, kann vorliegend dahinstehen. Denn durch die Formulierung: „Sollte Ihr Mandant (…) das Gutachten nicht vorlegen, so können wir seine Nichteignung als erwiesen ansehen und müssten den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis kostenpflichtig ablehnen“ ist hinreichend klargestellt, dass der Antrag zwingend abzulehnen ist, falls das Gutachten nicht beigebracht wird.
2.2 Materiellrechtlich findet die Untersuchungsanordnung ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV. Nach diesen Vorschriften darf die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln im Rahmen der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch den Betroffenen anordnen, wenn der Betroffene eine erhebliche Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, begangen hat, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen wurde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
2.2.1 Das Landratsamt durfte sich bei seiner Beurteilung des Sachverhalts im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens auf die Feststellungen des Amtsgerichts … sowie des Landgerichts … stützen.
Gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG kommt vorangegangenen Strafurteilen hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts, der Schuldfrage und der Fahreignung insoweit eine Bindungswirkung zu, als im Verwaltungsverfahren nicht zum Nachteil des Betroffenen von ihnen abgewichen werden darf. Zu seinen Gunsten darf die Behörde nach ihrer eigenen Einschätzung uneingeschränkt abweichen; insbesondere muss sie spätere Tatsachen, Rechtsänderungen und Gerichtsentscheidungen beachten. Trotz der gesetzlich nicht ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung für das – hier streitgegenständliche – Erteilungsverfahren in § 3 Abs. 4 StVG müssen die Fahrerlaubnisbehörde oder das Verwaltungsgericht den in einem Straf- oder Bußgeldverfahren festgestellten Sachverhalt gleichwohl nicht jeweils neu ermitteln. Vielmehr können sie auch hier grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen, an denen sich der Betroffene festhalten lassen muss, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vorliegen, die für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sprechen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 11 ZB 15.2682, Rn. 15 – juris). Vorliegend bestand kein Grund, warum entgegen des in zwei Tatsacheninstanzen in allen entscheidenden Punkten übereinstimmend und aufgrund in den Urteilen ausführlich dargestellter Beweiswürdigung festgestellten Sachverhaltes der Darstellung des Klägers gefolgt werden sollte. Neue Tatsachen oder Hinweise, die eine von der strafgerichtlichen abweichende Einschätzung des Geschehens hätten rechtfertigen können, wurden im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen.
Berücksichtigt werden durften auch die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen (§ 200 Abs. 2 Satz 1 StPO) des Urteils des Amtsgerichts … vom … März 2016 wiedergegebenen Aussagen des Klägers in der Hauptverhandlung. Die entsprechenden Passagen stellen keine persönlichen Wertungen des Strafrichters dar, sondern geben vom Kläger getätigte Aussagen wieder.
2.2.2 Die Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV liegen vor. Der Kläger wurde aufgrund des Geschehens am 14. Mai 2015 wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt. Die Tat steht in direktem Zusammenhang mit der Kraftfahreignung und erfüllt beide Regelbeispiele des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Hs. 2 FeV.
Die Tat deutet auf ein impulsives Durchsetzen eigener Interessen durch den Kläger unter schwerwiegender Verletzung der Interessen anderer hin und gibt damit Anhaltspunkte für Aggressionspotential (vgl. insoweit Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 11 FeV Rdn. 35 m.w.N.). Aggressionspotential kann einen Bezug zur Kraftfahreignung haben. Bei Straftätern, deren Verhalten ein hohes Aggressionspotential und eine Neigung zu impulsivem Durchsetzen eigener Interessen zeigt, ist nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung (Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan (Hrsg.), Kommentar, 2. Auflage 2005, Ziffer 3.14, S. 209), denen verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet wiedergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 -, BVerwGE 148, 230, juris Rdn. 19), zu erwarten, dass sie auch in konflikthaften Verkehrssituationen (etwa bei Fahrfehlern anderer) emotional impulsiv handeln und dadurch das Risiko einer Verkehrssituation erhöhen, sowie eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzen werden (OVG Lüneburg, U.v. 8.7.14 – 12 LC 224/13 –, juris). Die Tat wurde auch unstreitig unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen. Dies bedarf im Hinblick auf die oben wörtlich wiedergegebene Sachverhaltsschilderung durch das Landgericht … keiner näheren Begründung.
2.2.3 Bedenken gegen die Bestimmtheit der Anordnung bestehen nicht. Sofern in der Begründung als Rechtsgrundlage § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV ohne weitere Nennung des einschlägigen Regelbeispiels angegeben ist, kann sich das auf die Bestimmtheit der Anordnung an sich – die aus der Aufforderung und der jeweiligen Gutachtensfrage besteht – nicht auswirken. Hinzu kommt, dass vorliegend beide in der Vorschrift genannten Regelbeispiele erfüllt sind.
2.2.4 Die Anordnung des Gutachtens war auch frei von Ermessensfehlern, insbesondere war sie verhältnismäßig. Die Behörde hat vorliegend erkannt, dass ihr Ermessen eingeräumt ist und hat es in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
In eine Ermessensentscheidung im Rahmen der Gutachtensanordnung müssen alle im Einzelfall bedeutsamen Erwägungen eingestellt werden. Es sind auch die zugunsten des Betroffenen sprechenden Aspekte einzustellen, sofern sich solche ohne weiteres aus dem bekannten Sachverhalt ergeben oder vorgetragen wurden. Die Ermessenserwägungen sind, wenn sie zum Erlass einer Beibringensaufforderung führen, in der an den Betroffenen gerichteten Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens offenzulegen (VG München, B.v. 6.2.2018 – M 26 S 17.6095 Rn. 23 – juris – unter Verweis auf BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15).
Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Ermessensausübung. Die Fahrerlaubnisbehörde ist in Ansehung des strafrechtlich abgeurteilten Tatgeschehens und der Persönlichkeit des Klägers, wie sie sich in den strafgerichtlichen Feststellungen offenbart, in zutreffender Weise vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Verkehrssicherheit gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an der Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis ohne Absolvierung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung ausgegangen. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens setzt dabei nicht etwa eine endgültige Prognose über die fehlende Fahreignung des Betroffenen voraus, sondern nur hinreichend gewichtige Anhaltspunkte, um von der Notwendigkeit weiterer Aufklärungsmaßnahmen auszugehen. Entsprechende Anhaltspunkte auf fehlende Fahreignung aufgrund charakterlicher Mängel ergeben sich aus dem von den Strafgerichten festgestellten Umständen ohne weiteres.
Das Landratsamt hat die für seine Entscheidung nach Lage der Dinge relevanten Umstände benannt und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Insbesondere war es sachgerecht, dem uneinsichtigen Verhalten des Klägers auch nach der Tat und im Angesicht der strafgerichtlichen Verurteilung entscheidende Bedeutung beizumessen. Dass in der Ermessensbegründung demgegenüber keine zugunsten des Klägers sprechenden Umstände aufgeführt sind, ist nicht zu beanstanden. Die in der Klagebegründung im Einzelnen als für den Kläger sprechend aufgeführten Umstände, wie dass der Kläger viele Jahre lang mit hoher jährlicher Fahrleistung gefahren sei, es zu keinen weiteren Verkehrsverstößen in den vier Monaten zwischen dem Vorfall am 14. Mai 2015 und dem Einzug des Führerscheins am 29. August 2015 gekommen sei und der Kläger keine Einträge im Bundeszentralregister habe, sind nicht von einer solchen Bedeutung und einem solchen Gewicht, dass es notwendig würde, sie explizit in der Ermessensbegründung als für den Kläger sprechend aufzuführen. Die bloße Rechtstreue des Klägers vor und nach dem streitgegenständlichen Vorfall ist kein Umstand, der eigens in der Ermessensbegründung herausgestellt werden müsste, da er als bloße Selbstverständlichkeit die Ermessensbetätigung von vornherein nicht entscheidend steuern kann.
Besondere Umstände des Einzelfalls, welche die Rückfallwahrscheinlichkeit ausschließen, waren demgegenüber nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
Es verstößt dabei nicht gegen das Übermaßverbot, wenn der Betroffene sich neben einer psychologischen Untersuchung auch einer ärztlichen Untersuchung stellen muss, denn Straftaten können nicht nur auf einen charakterlichen Mangel, sondern auch auf psychische Erkrankungen hindeuten, die nur der Arzt und nicht der Psychologe diagnostizieren kann (vgl. VG Frankfurt, Beschl. v. 17.11.2003 – 12 G 4391/03 – Rn. 7 – juris).
Das nach alldem berechtigterweise geforderte Gutachten hat der Kläger zu Unrecht nicht binnen der vom Beklagten gesetzten Frist beibringen wollen, so dass der Schluss auf seine Nichteignung im streitgegenständlichen Bescheid zwingend war und die Fahrerlaubnis versagt werden musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).