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Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E – Anordnung Fahrerlaubnisprüfung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 ZB 22.1714 – Beschluss vom 19.10.2022

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgelegt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer Fahrerlaubnisprüfung für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE (mit Unterklassen).

Der 1970 geborene Kläger war seit 1989 bzw. 1991 bis zum 11. März 1997 Inhaber der Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 2 (alt), die ihm nach einer Entziehung aufgrund einer Trunkenheitsfahrt durch Urteil des Amtsgerichts Ehingen vom 11. März 1997 am 11. Juli 1997 wieder erteilt wurde. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 11. September 2014 wurde ihm die Fahrerlaubnis aufgrund einer Trunkenheitsfahrt erneut entzogen.

Nachdem der Kläger im Rahmen eines Neuerteilungsverfahrens ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten beigebracht hatte, erteilte ihm das Landratsamt Neu-Ulm am 18. Mai 2021 antragsgemäß die Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE. Hinsichtlich der ebenfalls beantragten Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE ordnete das Landratsamt mit Schreiben vom 17. Mai 2021 eine Fahrerlaubnisprüfung an. Nachdem der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mitteilen ließ, er sei hierzu nicht bereit, lehnte das Landratsamt die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1, C1E und T mit Bescheid vom 5. Juli 2021 ab.

Die hiergegen erhobene Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1, C1E und T ohne theoretische und praktische Fahrerlaubnisprüfung zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 27. Juni 2022 abgewiesen. Es sei geboten, danach zu differenzieren, wie lange der erstmalige Nachweis der klassenspezifischen Befähigung zurückliege, wie lange – und ob regelmäßig oder nur sporadisch – der Betroffene von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch gemacht und wie lange eine danach möglicherweise liegende Phase mangelnder Fahrpraxis angedauert habe. Der Umstand, dass ein Bewerber (wieder) über eine Fahrerlaubnis der Klasse B und BE verfüge, reiche zum Nachweis der Kenntnisse für das Führen von Fahrzeugen der Klassen C, CE, C1 und C1E nicht aus. Beim Kläger betrage der Zeitraum der fehlenden Fahrpraxis hinsichtlich dieser Fahrerlaubnisklassen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts mittlerweile fast acht Jahre und überschreite die frühere Zweijahresgrenze etwa um das Vierfache. Zwar habe der Kläger nach der erstmaligen Erteilung der damaligen Fahrerlaubnisklasse 2 durch seine berufliche Tätigkeit als LKW-Fahrer in einem Zeitraum von etwa 22 Jahren in erheblichem Umfang Fahrpraxis gewonnen. Das reiche jedoch nicht aus, um die etwa acht Jahre fehlende Fahrpraxis im Ergebnis aufzuwiegen. Bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B habe der Kläger über einen Zeitraum von fast sieben Jahren keine Praxis im Führen von Kraftfahrzeugen gehabt. Der erstmalige Nachweis der Befähigung für Lastkraftwagen liege etwa 31 Jahre zurück. Für die Zeit seit 2014 sei auf technische Neuerungen und Entwicklungen bei Lastkraftwagen (Abbiege-Assistenzsysteme, Notbremsassistenten, Spurhaltewarnsysteme, elektronisches Stabilitätsprogramm) zu verweisen. Das Landratsamt sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitze.

Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und einen Verfahrensmangel geltend. Das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger seit der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B im Mai 2021 anstandslos am Straßenverkehr teilnehme. Durch das Fahren seines PKWs habe er sich an die technischen Neuerungen gewöhnt, die sich auch in LKWs befänden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen.

1. Wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist die Berufung nur zuzulassen, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16). Aus der Antragsbegründung des Klägers, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – VerfGHE 68, 180 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 124a Rn. 54), ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV] vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.3.2022 [BGBl I S. 498]). Grundsätzlich entfällt der bei der Ersterteilung gemäß § 15 FeV erforderliche Nachweis der Befähigung in einer theoretischen und einer praktischen Prüfung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet eine Fahrerlaubnisprüfung allerdings dann an, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 FeV und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt (§ 20 Abs. 1 Satz 2 FeV). Aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – im Wege einer Gesamtschau zu beurteilen, wie lange der erstmalige Nachweis der klassenspezifischen Befähigung für Omnibusse oder Lastkraftwagen schon zurückliegt, wie lange – und ob regelmäßig oder nur sporadisch – der Betroffene von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch gemacht hat und wie lange eine danach möglicherweise liegende Phase mangelnder Fahrpraxis angedauert hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2021 – 11 ZB 20.3146 – juris Rn. 14 m.w.N.).

Zu Unrecht beanstandet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe seine Teilnahme am Straßenverkehr seit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B im Mai 2021 nicht berücksichtigt. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in Rn. 28 seiner Urteilsgründe unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats ausgeführt, dieser Umstand reiche nicht zum Nachweis dafür aus, dass der Kläger auch über die praktischen Kenntnisse zum Führen von Fahrzeugen der Klassen C, C1 und C1E verfüge. In Rn. 31 seiner Entscheidungsgründe weist das Verwaltungsgericht ausdrücklich auf die technischen Neuerungen und Entwicklungen bei Lastkraftwagen hin. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, er habe sich durch das Fahren seines PKWs an diese technischen Neuerungen gewöhnt, ist darauf hinzuweisen, dass die insoweit maßgebliche Verordnung (EU) 2019/2144 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge im Hinblick auf ihre allgemeine Sicherheit und den Schutz der Fahrzeuginsassen und von ungeschützten Verkehrsteilnehmern (ABl EU Nr. L 325/1) die dort vorgesehenen Assistenzsysteme zeitlich gestaffelt und stufenweise verpflichtend einführt, wobei für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 (Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge) einerseits sowie für Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 (Busse und Lastkraftwagen) andererseits unterschiedliche technische Spezifikationen und Zeitpunkte für deren verpflichtende Verwendung festgelegt sind. Dass der Kläger mit diesen für Lastkraftwagen vorgesehenen Systemen vertraut ist und dass diese bereits in dem von ihm benutzten PKW verbaut sind, darf bezweifelt werden und ist (unter anderem) Gegenstand der von ihm abzulegenden Prüfung. Die Teilnahme am Straßenverkehr seit Mai 2021 mit Fahrzeugen, für die die Fahrerlaubnis der Klasse B erforderlich ist und ausreicht, entbindet ihn daher nicht von den für die Klassen C, CE, C1 und C1E gebotenen Prüfungen (vgl. hierzu Anlage 7 zur FeV).

2. Einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), hat der Klägerbevollmächtigte nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.

3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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