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Natürliche Handlungseinheit bei fortlaufender Geschwindigkeitsüberschreitung

LG Koblenz – Az.: 1 OWi 6 SsBs 99/18 – Beschluss vom 24.09.2018

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts – Bußgeldrichterin – Montabaur vom 22. Mai 2018 dahin abgeändert, dass der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h zu einer Geldbuße von 320 € verurteilt wird. Das in dem angefochtenen Urteil angeordnete Fahrverbot einschließlich der Fristbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG hat Bestand.

2. Die weiterreichende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; die Gebühr wird jedoch um ein Drittel ermäßigt. Von den dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden ein Drittel der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h sowie wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h (§ 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anl. 2, Nr. 49 [Zeichen 274], § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 StVG) zu einer Geldbuße in Höhe von insgesamt 500 €. Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass das Amtsgericht für die erstbezeichnete Tat eine Geldbuße in Höhe von 160 € und für die zweite Tat eine weitere Geldbuße in Höhe von 320 € verhängt hat. Darüber hinaus verhängte das Amtsgericht gegen den Betroffenen ein einmonatiges Fahrverbot unter Zubilligung einer Abgabefrist nach § 25 Abs. 2a StVG.

Gegen die Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er auf die näher ausgeführte Rüge einer Verletzung materiellen Rechts stützt, und mit welcher er eine Gesamtaufhebung des angefochtenen Urteils begehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf eine Abänderung des Schuldspruches, eine Herabsetzung der Rechtsfolgen und die Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen angetragen.

II.

Das statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) und in zulässiger Weise angebrachte Rechtsmittel erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

1. Nach den – rechtsfehlerfrei getroffenen – Feststellungen des angefochtenen Urteils ist die Geschwindigkeitsmessung, welche der Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde liegt, auf der BAB 3 am 3. Januar 2017 um 14:39 Uhr durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug unter Einsatz des Geschwindigkeitsmessgerätes Provida nach Passieren eines ersten, die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzenden Verkehrszeichens durchgeführt worden. Die zweite Messung, die zur Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung führte, erfolgte unmittelbar hiernach. Sie wurde durch weiteres Nachfahren mit demselben Messfahrzeug vorgenommen, als der Betroffene das zweite geschwindigkeitsbegrenzende Verkehrszeichen passiert hatte. Das Urteil gibt die Orts- und Zeitdifferenz zwischen den Messungen zwar nicht wieder; aus dem Bußgeldbescheid, welcher durch den Senat von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen ist, ergibt sich für beide dem Betroffenen vorgeworfenen Verkehrsverstöße jedoch „14:39 Uhr“ als Zeitpunkt sowie als Kilometerangabe „91,0“ (Bl. 21, 25 d.A.).

Dies zugrunde gelegt, kann dem Amtsgericht nicht darin gefolgt werden, dass in der fortlaufenden Überschreitung der Geschwindigkeit durch den Betroffenen zwei selbstständig zu ahndende Taten liegen, die materiellrechtlich in Tatmehrheit stehen (§ 20 OWiG). Zwar kann ein Betroffener auch während einer einzigen, nicht unterbrochenen Fahrt mehrere Geschwindigkeitsverstöße begehen, welche sich als voneinander verschiedene Taten darstellen. Bei einem engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang, wie sie vorliegend bei einem Verstoß gegen eine fortdauernde, in demselben Autobahnabschnitt angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb von höchstens einer Minute gegeben ist, liegt jedoch ein einziges zusammengehöriges Tun, mithin eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Tat vor (vgl. BayObLG VRS 93 [1997], 369; OLG Celle DAR 2011, 407; OLG Hamm Zfs 2009, 651; Gürtler, in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 17. Aufl., vor § 19 Rdn. 5).

2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils war daher wie geschehen abzuändern (§ 79 Abs. 6 OWiG). Der Einzelrichter des Senats legt dabei – dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend – die durch die zweite Messung begangene Geschwindigkeitsüberschreitung um 44 km/h zugrunde. Diese ist von dem Amtsgericht angesichts der von dem Betroffenen mehrfach passierten Verkehrszeichen, deren Wahrnehmung ohne Vorliegen von Besonderheiten unterstellt werden kann, und ihres Ausmaßes von mehr als 40 km/h (s. etwa Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2014 – 1 OWi 3 SsBs 51/14; OLG Koblenz [2. StrS] NStZ 2000, 58; Beschluss vom 2. Oktober 2009 – 2 SsBs 100/09 [juris, Rdn. 27]) zutreffend als vorsätzlich bewertet worden.

3. Der Rechtsfolgenausspruch des Urteils ist in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden. Aufgrund der fehlerhaften Annahme von zwei Taten hat das Amtsgericht folgerichtig, indes gleichfalls unzutreffend zwei unterschiedliche Geldbußen von 160 € und 320 € festgesetzt, die es dem Bußgeldkatalog (dort Nr. 11.3.7) entnommen; dabei hat das für die vorsätzliche Überschreitung ein Bußgeld in doppelter Höhe angesetzt (UA S. 7 f.). Es hat sodann – wie nach § 20 OWiG indes ausgeschlossen – eine Gesamtgeldbuße gebildet, welche mit einer Höhe von 500 € die Summe der für die einzelnen Verstöße in den Urteilsgründen genannten Beträge überschreitet. Ob die Erhöhung um 20 € wegen einer Voreintragung im Verkehrszentralregister des Betroffenen erfolgt ist, ersieht sich aus den Urteilsgründen nicht eindeutig; ebenso wenig ergibt sich die Zuordnung zu einer bestimmten Tat. Das verhängte Fahrverbot hat das Amtsgericht beiden Verstößen zugeordnet.

Der Einzelrichter des Senats macht auch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite des Urteils von seiner Befugnis nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch. Die von dem Amtsgericht der vorsätzlichen Überschreitung um 44 km/h zugeordnete Geldbuße in Höhe von 320 € ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht ist zutreffend von gewöhnlichen Umständen ausgegangen und hat den nach § 3 Abs. 4a BKatV wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelten Regelsatz des Bußgeldkataloges angesetzt. Für den abgeänderten Schuldspruch kann die Geldbuße daher beibehalten werden.

Das verhängte Fahrverbot bildet gleichfalls die Regelrechtsfolge nach Nr. 11.3.7 des Bußgeldkataloges für Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 bis 50 km/h; damit ist es durch die ausgesprochene Überschreitung um 44 km/h grundsätzlich verwirkt. Bereits mit Blick auf die vorsätzliche Begehungsweise und eine einschlägige Voreintragung bestand kein Anlass, von ihm nach § 4 Abs. 4 BKatV aufgrund der Tatumstände oder der Person des Betroffenen abzusehen.

Durch das Amtsgericht ist zudem in nicht zu beanstandender Weise dargetan worden, dass sich die Nebenfolge für den Betroffenen nicht – wie allein in Betracht kommt – in beruflicher Hinsicht als besondere Härte darstellt. Insoweit gilt: Bei Vorliegen eines Regelfalles nach der BKatV kann von der Verhängung eines Fahrverbotes angesichts seiner Funktion und des Gleichbehandlungsgebotes nur unter besonderen Umständen abgesehen werden; anzulegen ist ein strenger Maßstab (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Juli 2018 – 1 OWi 6 SsBs 67/18, und vom 9. September 2014 – 1 OWi 3 SsBs 27/14; OLG Koblenz [2. StrS] NStZ-RR 1997, 19; OLG Hamm NZV 2003, 103; NZV 2007, 583; KG VRS 111 [2006], 441; OLG Köln NZV 2001, 391). Es bedarf greifbarer und hinreichend belegter Anhaltspunkte, dass sich durch die Maßnahme eine Existenzgefährdung oder anderweitige unverhältnismäßige Belastungen ergeben. Dies ist hier nicht erkennbar. Soweit das Fahrverbot von den Betroffenen nicht ohnehin durch eine entsprechende Urlaubsplanung unter Ausnutzung der – beizubehaltenden – Abgabefrist nach § 25 Abs. 2a StVG in seinen praktischen Auswirkungen abgemildert werden kann, ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Betroffene berufliche Termine mit öffentlichen Verkehrsmittel und – wie angesichts seines Einkommens ohne weiteres zumutbar – Taxidiensten wahrnehmen kann. Derartige Erschwernisse sind als eine der Maßnahme immanente Folge hinzunehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 4 StPO. Im Hinblick auf den erzielten Teilerfolg, der sich indes nicht auf die dem Betroffenen zuvorderst belastende Maßnahme des Fahrverbotes erstreckt, ist eine Gebührenmäßigung und Kostenentlastung im Umfang von einem Drittel angemessen.

 

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