➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 729 OWi – 264 Js 110/23 – 12/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- ProViDa-Messung rechtens: Gericht bestätigt nachträgliche Berechnung von Geschwindigkeitsverstoß
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Dortmund
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Was ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video?
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung per Video zulässig?
- Welche Rechtsfolgen drohen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ProViDa-Aufzeichnungen belegt wird?
- Wie kann man sich gegen eine Tempomessung per ProViDa-Video verteidigen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Dortmund
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Der Betroffene wurde wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt.
- Das Gericht verhängte eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot.
- Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels ProViDa-Video nachträglich berechnet.
- Das verwendete Messgerät war ordnungsgemäß geeicht und die Messung erfolgte gemäß der Bedienungsanleitung.
- Der Verteidiger argumentierte, dass eine längere Messstrecke erforderlich sei, was das Gericht jedoch ablehnte.
- Das Gericht erkannte die Messung als valide an, obwohl sie kein standardisiertes Verfahren darstellte.
- Die Entscheidung basiert auf der detaillierten Analyse des Messprotokolls und der Videoprints.
- Die nachträgliche Berechnung von Geschwindigkeitsverstößen mittels ProViDa-Video wurde vom Gericht als rechtlich zulässig erachtet.
- Der Fall zeigt, dass auch manuelle Auswertungen von Geschwindigkeitsmessungen anerkannt werden können, wenn sie technisch korrekt durchgeführt wurden.
- Für Betroffene ist es wichtig zu wissen, dass nachträgliche Videoauswertungen rechtlich Bestand haben können, wenn alle technischen Anforderungen erfüllt sind.
ProViDa-Messung rechtens: Gericht bestätigt nachträgliche Berechnung von Geschwindigkeitsverstoß
Die Nutzung von Geschwindigkeitsmessungen durch Videotechnik ist ein wichtiges Instrument zur Verkehrssicherheit. Dieses Verfahren, bekannt als ProViDa, ermöglicht eine genaue Aufzeichnung und Auswertung von Fahrzeugbewegungen. Allerdings werfen die rechtlichen Aspekte dieser Technik immer wieder Fragen auf. Wann ist der Einsatz von ProViDa-Videos zulässig? Unter welchen Bedingungen können darauf basierende Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtlich verfolgt werden? Diese Themen stehen im Fokus aktueller Gerichtsentscheidungen, die das Verhältnis zwischen moderner Technik und geltenden Gesetzen beleuchten. Der folgende Beitrag widmet sich einem konkreten Fall, in dem die Zulässigkeit einer nachträglichen Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video zur Diskussion stand.
Sorgen wegen nachträglicher Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video?
Die rechtliche Zulässigkeit solcher Messungen kann kompliziert und emotional belastend sein. Wenn Sie sich fragen, ob eine solche Messung in Ihrem Fall rechtlich haltbar ist und welche Konsequenzen drohen, sind wir für Sie da. Mit unserer umfassenden Expertise im Verkehrsrecht bieten wir Ihnen eine klare Einschätzung Ihrer Situation. Fordern Sie jetzt eine unverbindliche Ersteinschätzung an und erhalten Sie Klarheit über Ihre Rechtsposition und mögliche nächste Schritte. Treffen Sie eine informierte Entscheidung und lassen Sie uns Ihnen helfen, Ihre rechtlichen Herausforderungen zu bewältigen.
✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Dortmund
Geschwindigkeitsüberschreitung von 45 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften
In dem vorliegenden Fall geht es um einen Betroffenen, der am 28.07.2022 um 15:25 Uhr in Dortmund auf der B236 in Fahrtrichtung Lünen als Führer eines PKW VW unterwegs war. Hierbei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, die beidseitig durch Verkehrszeichen 274 angeordnet war, um 45 km/h. Etwa 200 Meter vor der 60er-Beschilderung hatte der Betroffene bereits zwei Schilder passiert, die eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h vorsahen. Schon hier war er der Polizei aufgrund überhöhter Geschwindigkeit aufgefallen.
Nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung anhand ProViDa-Videoaufzeichnung
Die Polizei führte zunächst mit dem geeichten Messgerät ProViDa 2000 Modular eine Messung durch. Da diese jedoch in den 60 km/h-Bereich hineinreichte, wurde sie verworfen. Stattdessen erfolgte eine nachträgliche Auswertung des Messvideos mittels Wegzeitberechnung. Anhand einer Messstrecke von 196 Metern und 158 Einzelbildern à 0,04 Sekunden ergab sich eine Messzeit von 6,32 Sekunden. Daraus wurde eine Geschwindigkeit von 111,65 km/h berechnet. Nach Abzug einer Toleranz von 6 km/h verblieb eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 105 km/h.
Gericht sieht fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung als erwiesen an
Das Amtsgericht Dortmund sah es aufgrund des ausgewerteten ProViDa-Videos sowie der Zeugenaussage des Messbeamten als erwiesen an, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahrlässig um 45 km/h überschritten hatte. Die nachträgliche Berechnung der Geschwindigkeit anhand des Messvideos wurde vom Gericht als zulässig erachtet, auch wenn es sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Die vom Verteidiger angeführte Mindestmessstrecke von 1.000 Metern bezog sich nach Ansicht des Gerichts nur auf Messungen durch Nachfahren ohne technische Geräte, nicht jedoch auf ProViDa-Messungen.
Bußgeld, Fahrverbot und Kostentragung als Rechtsfolgen
Als Rechtsfolge verurteilte das Gericht den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 320 Euro sowie zu einem einmonatigen Fahrverbot. Das Fahrverbot wurde trotz der Möglichkeit des Absehens nach § 4 Abs. 4 BKatV für erforderlich gehalten, da die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nur kurzfristig während der Messstrecke, sondern auch davor und danach festzustellen war. Zudem trug der Betroffene die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil zeigt, dass eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung anhand von ProViDa-Videoaufzeichnungen zulässig ist, auch wenn es kein standardisiertes Messverfahren darstellt. Entscheidend ist die korrekte Anwendung der Messtechnik und eine ausreichend lange Messstrecke. Das Gericht stellte klar, dass die vom Verteidiger angeführte Mindestmessstrecke von 1.000 Metern nur für Messungen durch Nachfahren ohne technische Geräte gilt. Somit erweitert das Urteil die Möglichkeiten der Geschwindigkeitsüberwachung und stärkt die Beweiskraft von ProViDa-Aufzeichnungen vor Gericht.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Zulässigkeit nachträglicher Geschwindigkeitsberechnung per ProViDa-Video wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Was ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video?
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung per Video zulässig?
- Welche Rechtsfolgen drohen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ProViDa-Aufzeichnungen belegt wird?
- Wie kann man sich gegen eine Tempomessung per ProViDa-Video verteidigen?
Was ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video?
Bei der nachträglichen Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video handelt es sich um ein spezielles Verfahren zur Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen im Straßenverkehr. Im Gegensatz zu herkömmlichen Messverfahren wie Radar oder Laserpistolen erfolgt die Messung hier nicht direkt vor Ort, sondern wird im Nachhinein anhand einer Videoaufzeichnung durchgeführt.
Das ProViDa-System ist eine Kombination aus einer Videokamera und einem Geschwindigkeitsmessgerät, das in Polizeifahrzeugen installiert wird. Die Kamera zeichnet während der Fahrt kontinuierlich das Verkehrsgeschehen auf. Wird ein Fahrzeug beobachtet, das augenscheinlich zu schnell fährt, kann der Polizist die Messung aktivieren.
Entscheidend ist, dass sich das Polizeifahrzeug mit dem gemessenen Fahrzeug auf gleicher Strecke bewegt. Anhand von Referenzpunkten im Video, deren Abstände bekannt sind, ermittelt das System dann die Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeugs zwischen diesen Punkten. Dies funktioniert sowohl bei vorausfahrenden als auch bei nachfolgenden Fahrzeugen.
Der große Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass der Verstoß lückenlos dokumentiert ist und die Messung nicht durch äußere Störfaktoren beeinträchtigt werden kann. Die Videoaufzeichnung in Verbindung mit den eingeblendeten Messdaten stellt ein gerichtsverwertbares Beweismittel dar.
Allerdings müssen für die Zulässigkeit der Messung bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein wie die gültige Zulassung und Kalibrierung des Messgeräts. Auch muss die Messstrecke im Video genau erkennbar und vermessbar sein. Fehler bei der Durchführung können die Verwertbarkeit des Beweises in Frage stellen.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung per Video zulässig?
Damit eine nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung per ProViDa-Video rechtlich zulässig ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Messtechnik muss den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Das ProViDa-System muss ein amtlich geeichtes und zugelassenes Messgerät sein. Es muss regelmäßig kalibriert und auf korrekte Funktion überprüft werden.
- Die Messstrecke muss geeignet sein. Sie sollte gerade und übersichtlich sein, damit das Messfahrzeug einen konstanten Abstand zum gemessenen Fahrzeug halten kann. Hindernisse oder Kurven können die Messung verfälschen.
- Die Messung muss lückenlos dokumentiert werden. Das ProViDa-Video muss den gesamten relevanten Messvorgang zeigen einschließlich Verfolgung, Abstandshaltung und Geschwindigkeitsanzeige. Auch Ort, Datum, Uhrzeit und Kennzeichen müssen erkennbar sein.
- Die Messung muss in einem Stück erfolgen. Unterbrechungen oder Schnitte im Video machen es als Beweis unbrauchbar. Der Messvorgang sollte möglichst vollständig und ungeschnitten aufgezeichnet werden.
- Die Messung muss nachvollziehbar sein. Aus dem Video muss klar hervorgehen, dass die angezeigte Geschwindigkeit tatsächlich zum verfolgten Fahrzeug gehört. Verwechslungen oder Unklarheiten dürfen nicht bestehen.
Werden diese Bedingungen eingehalten, kann ein ProViDa-Video als gerichtsverwertbarer Beweis für einen Geschwindigkeitsverstoß dienen. Verstöße gegen die Vorschriften führen jedoch dazu, dass die Messung anfechtbar wird. Die Anforderungen sollen eine hohe Beweiskraft der Videos sicherstellen.
Welche Rechtsfolgen drohen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ProViDa-Aufzeichnungen belegt wird?
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ProViDa-Aufzeichnungen belegt wird, drohen dem Betroffenen je nach Höhe der Überschreitung verschiedene Rechtsfolgen nach dem Bußgeldkatalog.
Maßgeblich für die Sanktionen sind die Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Verbindung mit dem Bußgeldkatalog (BKat). Demnach wird bei geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen von bis zu 20 km/h innerorts und bis zu 30 km/h außerorts in der Regel ein Verwarnungsgeld zwischen 30 und 100 Euro fällig.
Bei höheren Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h innerorts und ab 31 km/h außerorts verhängen die Behörden ein Bußgeld. Die Höhe des Bußgeldes richtet sich nach den Tabellen des Bußgeldkatalogs und steigt mit zunehmender Geschwindigkeitsüberschreitung an. Als Beispiel beträgt das Bußgeld bei einer Überschreitung von 31-40 km/h außerorts 120 Euro, bei 41-50 km/h bereits 160 Euro.
Zusätzlich zum Bußgeld werden ab bestimmten Geschwindigkeitsüberschreitungen Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg eingetragen. Der Punkteeintrag erfolgt ab einer Überschreitung von 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts. Je nach Schwere des Verstoßes gibt es 1-2 Punkte.
Als weitere Sanktion kann ein Fahrverbot verhängt werden. Ein einmonatiges Fahrverbot wird in der Regel ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts angeordnet. Bei noch höheren Geschwindigkeitsüberschreitungen verlängert sich die Dauer des Fahrverbots auf bis zu 3 Monate.
Für die Festsetzung der konkreten Rechtsfolgen ist entscheidend, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung zweifelsfrei durch die ProViDa-Aufzeichnungen nachgewiesen werden kann. Dafür muss das ProViDa-System ordnungsgemäß geeicht und die Messung selbst vorschriftsmäßig durchgeführt worden sein. Andernfalls bestehen für den Betroffenen gute Chancen, die Sanktionen abzuwenden oder zumindest abzumildern.
Wie kann man sich gegen eine Tempomessung per ProViDa-Video verteidigen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Tempomessung per ProViDa-Video anzufechten, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Messung bestehen.
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Überprüfung der Messvoraussetzungen und -dokumentation. Dabei sollte kontrolliert werden, ob das Messgerät ordnungsgemäß geeicht war und die Eichfrist eingehalten wurde. Auch die korrekte Bedienung des Geräts durch geschultes Personal ist zu prüfen. Die Messstrecke muss zudem eine Mindestlänge aufweisen, üblicherweise 400 Meter, und der Abstand zwischen Messfahrzeug und gemessenem Fahrzeug sollte über die gesamte Messung hinweg möglichst konstant bleiben. All diese Punkte müssen in der Messdokumentation festgehalten sein.
Werden hier Mängel festgestellt, kann dies die Verwertbarkeit der Messung in Frage stellen. Als Beispiel dient ein Fall, in dem die Nacheichung des ProViDa-Messgeräts zum Zeitpunkt der Messung längst überfällig war. Unter diesen Umständen ist die Messung nicht als Beweis verwertbar.
Generell empfiehlt es sich, frühzeitig juristischen Beistand durch einen spezialisierten Anwalt in Anspruch zu nehmen. Dieser kann die Messunterlagen fachkundig auswerten, mögliche Ansatzpunkte identifizieren und die Erfolgsaussichten eines Einspruchs bewerten. Je nach Konstellation kann der Anwalt Akteneinsicht beantragen, um die Messunterlagen zu überprüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen.
Zu beachten ist jedoch, dass die konkreten Erfolgsaussichten immer vom Einzelfall abhängen. Nur wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung ergeben, bestehen Chancen, die Messung erfolgreich anzufechten. Daher ist eine sorgfältige Prüfung der Umstände durch einen erfahrenen Anwalt ratsam, um die Möglichkeiten und Risiken eines Einspruchs abzuwägen. Auch wenn ProViDa als standardisiertes Messverfahren gilt, lassen sich Messfehler nie ganz ausschließen. Daher kann es sich lohnen, die Messung kritisch zu hinterfragen, um ungerechtfertigte Sanktionen abzuwenden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 41 Abs. I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO: Regelt die Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr und deren Anordnung durch Verkehrszeichen. Hier geht es um die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h, die der Betroffene überschritten hat.
- § 24 StVG: Bestimmt die Verhängung von Bußgeldern bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Dieser Paragraph ist relevant für die Verhängung der Geldbuße von 320 Euro.
- § 25 StVG: Regelt das Fahrverbot als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit. Im vorliegenden Fall wird ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
- 11.3.7 BKat: Betrifft den Bußgeldkatalog und die darin festgelegten Regelsätze für bestimmte Verkehrsverstöße. Hier wird die Geschwindigkeitsüberschreitung und das entsprechende Fahrverbot beschrieben.
- Nachträgliche Geschwindigkeitsberechnung mittels ProViDa-Video: Das ProViDa-System wird zur nachträglichen Berechnung der Geschwindigkeit genutzt, indem eine Wegzeitberechnung durchgeführt wird. Dies ist wichtig für die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung.
- Eichung des Messgeräts: Die ordnungsgemäße Eichung des ProViDa-Messgeräts ist erforderlich, um die Gültigkeit der Messung sicherzustellen. Das Gericht hat die Eichung überprüft und bestätigt.
- Zeugenaussage des Messbeamten: Die detaillierte Aussage des Polizeibeamten zur Durchführung und Richtigkeit der Messung war entscheidend für die Beweisführung. Dies unterstützt die Glaubwürdigkeit der Messergebnisse.
- OLG Düsseldorf Entscheidung: Die Entscheidung, dass für Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren eine längere Messstrecke erforderlich ist, wurde vom Gericht als nicht zutreffend für ProViDa-Messungen erkannt. Dies zeigt, dass unterschiedliche Standards für verschiedene Messverfahren gelten.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Dortmund
AG Dortmund – Az.: 729 OWi – 264 Js 110/23 – 12/23 – Urteil vom 14.02.2023
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 320,00 € verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 50,00 €, jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit dem 1. des Folgemonats nach Erhalt der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVG. 11.3.7 BKat.
Gründe
Der Betroffene ist verheiratet. Er lebt getrennt von seiner Ehefrau. Er hat ein Kind im Alter von 12 Jahren. Von Beruf ist er Maschineneinrichter.
Auf Nachfrage hat der Betroffene angegeben, es sei für den Fall der Verhängung einer Geldbuße hilfreich, wenn ihm eine Ratenzahlung von 50,00 € monatlich ermöglicht werde.
Der Betroffene ist verkehrsrechtlich wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vorbelastet:
Am 21.07.2022 setzte die Stadt Münster wegen eines am 25.06.2022 dort begangenen Geschwindigkeitsverstoßes (Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften bei zulässigen 100 km/h Höchstgeschwindigkeit) eine Geldbuße von 200,00 € fest. Rechtskraft trat am 09.08.2022 ein.
Das Gericht hat diese Voreintragung zur Kenntnis genommen, jedoch nicht im Rahmen der Rechtsfolgenzumessung berücksichtigt, da die Rechtskraft erst nach der hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeitsbegehung eintrat.
Am 28.07.2022 um 15:25 Uhr befuhr der Betroffene in Dortmund die B236 in Fahrtrichtung Lünen in Höhe Kilometer 7,500 als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 123 des Fabrikats VW und überschritt hier die zulässige Höchstgeschwindigkeit von beidseitig angeordneten 60 km/h (Anordnung durch Zeichen 274) um 45 km/h. Der Betroffene hatte zunächst etwa 200 Meter vor der beidseitigen Beschilderung „60 km/h“ zwei gleichartig aufgestellte Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder „80 km/h“ passiert. Er war bereits hier der Polizei in Gestalt des Messbeamten C aufgefallen.
Dieser führte zunächst eine automatische Messung mit dem Messgerät ProViDa 2000 Modular durch. Bei dieser Messung hatte der Betroffene die Geschwindigkeit von „80 km/h“ deutlich überschritten. Da die Messung jedoch in den Bereich der „60 km/h“ hineinreichte, wurde sie von der Polizei verworfen. Stattdessen fand anhand einer Wegzeitberechnung mittels des Videos des ProViDa-Fahrzeugs, welches entsprechend der Bedienungsanleitung und im geeichten Zustand genutzt wurde, eine nachträgliche Auswertung statt, die zu einer gemessenen Geschwindigkeit von 111,65 km/h führte. Von dieser Geschwindigkeit wurde eine Toleranz von 6 km/h abgezogen, so dass sich ein vorwerfbarer Wert von 105 km/h trotz der zuvor beschilderten 60 km/h ergab. Die nachträgliche Videoauswertung erfolgte anhand des Wegstreckenzählers, mittels dessen eine Distanz von 196 Metern als Messstrecke festgelegt werden konnte. In dem Video des ProViDa-Messgerätes waren in dieser Zeit 158 Bilder erzeugt worden, so dass sich bei einer Einzelbilddauer von 0,04 Sekunden eine Messzeit von 6,32 Sekunden ergab. Dann vorzunehmenden Geschwindigkeitsberechnung für die zurückgelegten 196 m in 6,32 Sekunden ergab sich die genannte Geschwindigkeit von 111,65 km/h, von der der genannte Toleranzabzug vorgenommen wurde.
Auch nach der eigentlich durchgeführten Messung blieb das Polizeifahrzeug in gleichbleibenden Abstand hinter dem Fahrzeug des Betroffenen und konnte auch in der Folge – nach Messung zahlreicher Sekunden – die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Betroffenen feststellen anhand der in dem ProViDa-Messsystem eingespiegelten eigenen gefahrenen Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges.
Der Betroffene erklärte zur Sache, er habe keine konkrete Erinnerung mehr.
Er sei mit dem Verkehr mitgeflossen. Eine konkrete Erinnerung habe er erst, als er von der Polizei in Gestalt des die Messung durchführenden Beamten C aus dem Verkehr „herausgezogen“ worden sei.
Der Verteidiger machte geltend, für eine derartige Messung bedürfe es einer Messstrecke von 1.000 Metern entsprechend einer Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 1993.
Insoweit war dem Gericht bekannt, dass es sich bei dieser Entscheidung um eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ohne jedes weitere technische Gerät gehandelt hatte. Für ProViDa-Messungen ist eine Mindestmessstrecke in der Bedienungsanleitung nicht vorgesehen. Eine Strecke von 196 Metern erscheint dem Gericht ohne weiteres für ausreichend, eine Geschwindigkeitsmessung durchführen zu können.
Im Übrigen hat der Zeuge C die Richtigkeit der Messung ausführlich dargestellt.
Er erklärte, das Fahrzeug des Betroffenen sei der Polizei schon vor der eigentlichen Messung aufgefallen. Er selbst habe am Tattage als Beifahrer den Betroffenen mit dem ProViDa-Fahrzeug gemessen. Der Betroffene sei bereits im Bereich der 80 km/h zu schnell gewesen. Die Messung sei jedoch von der Polizei verworfen worden, da die Messung bis in den 60 km/h-Bereich gereicht habe. Dementsprechend habe er, der Beamte C, eine manuelle nachträgliche Auswertung des Messvideos vorgezogen. Ansonsten bestätigte der Zeuge C, dass Messgerät im gültig geeichten Zustand entsprechend der Bedienungsanleitung genutzt zu haben.
Das Gericht hat insoweit das Messprotokoll des Tattages urkundsbeweislich verlesen können. Hieraus ergaben sich keine Besonderheiten hinsichtlich des Messgeräteeinsatzes. Vielmehr war insbesondere der Reifendruck individuell vor dem Messgeräteeinsatz geprüft worden.
Das Gericht hat auch die Eichung des Messgerätes zur Zeit der Messung feststellen können. Insoweit hat das Gericht einen Eichschein des Landesbetriebes Mess- und Eichwesen NRW vom 16.09.2021 urkundsbeweislich verlesen können, der eine Eichung vom selben Tage dokumentierte und das Ende der Eichfrist auf den 31.12.2022 festlegte.
Das Gericht hat das Video des Vorfalls in Augenschein genommen und auch die beiden Videoprints, anhand derer die Messung stattgefunden hat.
Zunächst war festzustellen bei Inaugenscheinnahme des Videofilms, dass das Video im Bereich startete, indem die Geschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt wurde. Zu Beginn des Videos sind also die beidseitigen 80 km/h-Beschilderungen erkennbar und auch das Fahrzeug des Betroffenen, hinter das sich das Fahrzeug um 15:25:29 Uhr setzte.
Die Zeitangabe konnte das Gericht feststellen durch urkundsbeweisliche Verlesung des oberen rechten Datenfeldes des Messgerätes, eingespielt in die Videoaufnahme des Messsystems. In diesem Bereich unmittelbar vor der Front, ggf. eine Fahrzeuglänge davor, war zu dieser Zeit die linksseitige Beschilderung 60 km/h an der Fahrbahn und ebenso die rechtsseitige Beschilderung sichtbar, an der der Betroffene vorbeigefahren ist und die er bei ordnungsgemäßer Sorgfalt im Straßenverkehr hätte beachten können und müssen.
Auf dem Video war dann sichtbar, wie der Betroffene im gleichbleibenden Abstand vor dem Polizeifahrzeug auf der linken Fahrspur herfuhr. Anhand der für das Polizeifahrzeug durch das Messgerät stets eingespielten Geschwindigkeit, die das Gericht jeweils urkundsbeweislich verlesen konnte und die sich rechts unter im Video erkennen ließ, konnte festgestellt werden, dass der Betroffene stets die zulässige Höchstgeschwindigkeit während des gesamten zwischen 15:25:22 Uhr und etwa 15:29 Uhr gefertigten und in Augenschein genommenen Videos überschritten hat, bis nach dem geschwindigkeitsbegrenzenden 80-Km/h-Bereich ein Bereich von 120 km/h Höchstgeschwindigkeit folgt.
Bei Inaugenscheinnahme der maßgeblichen Prints der Messung (hier eingefügt; auf die beiden Prints wird wegen der Einzelheiten – insbesondere zur Größe des Fahrzeugs des Betroffenen auf der linken Fahrspur, des gleichbleibenden Abstands zum videografierenden Polizeifahrzeug, der Erkennbarkeit der Beschilderung und der 2-spurigen Fahrbahnführung – verwiesen gem. § 267 Abs. 1 Nr. 3 StPO) konnte das Gericht feststellen, dass beide Prints aus einer Nachfolgesituation um 15:25:31 Uhr (unteres Print) und 15:25:37 Uhr (oberes Print) gefertigt wurden. Wegen der eingespielten und von der Eichung des Gerätes umfassten Uhrzeitangabe wurden die Datenfelder der Prints urkundsbeweislich verlesen. Das Polizeifahrzeug befand sich zu dieser Zeit gemeinsam mit dem Fahrzeug des Betroffenen auf dem linken Fahrstreifen und folgte diesem im gleichmäßigen Abstand. Ein Vergleich der Prints ergab dabei, dass das Fahrzeug des Betroffenen sich von dem Fahrzeug der Polizei geringfügig entfernte während der festgestellten Messstrecke, so dass dies eine zusätzliche Sicherheit zu Gunsten des Betroffenen bei der Geschwindigkeitsberechnung bot.
Das Gericht hat anhand der eingespielten und urkundsbeweislich verlesenen Daten in dem 1. genannten gefertigten Print einen Stand des Wegstreckenzählers von 188.981 Metern feststellen können und bei dem 2. Bild von 15:25:37 Uhr einen Wegstreckenzählerstand von 189.177 Metern. Hieraus ließ sich eine Differenz von 196 Metern für die freigewählte und freiwählbare Messstrecke feststellen.
Anhand der beiden Prints und der darin enthaltenen urkundsbeweislich verlesenen Datenfelder hat das Gericht dann auch die Zahl der einzelnen von dem Messgerät genutzten Einzelbilder zur Aufzeichnung feststellten können. Diese ergaben sich aus einem Vergleich des Einzelbildzählers auf dem 1. zeitlich gefertigten Lichtbild von 334.009 Bildern und bei dem 2. gefertigten Lichtbild von 334.167 Bildern, woraus sich eine Differenz von 158 Bilder für die gewählte Messstrecke ergab. Jedes dieser Bilder ist entsprechend der Bedienungsanleitung des ProViDa-Messgerätes und der technischen Gegebenheiten des Messsystems 0,04 Sekunden lang, so dass sich eine Messzeit von 6,32 Sekunden errechnen lässt.
Die Geschwindigkeit war dann zu berechnen anhand der Formel: 196 Meter Messstrecke x 3,6 : 6,32 Sekunden. Hieraus ergab sich eine zu bestimmende Geschwindigkeit von 111,65 km/h. Hiervon hat das Gericht einen Toleranzabzug entsprechend der Bedienungsanleitung von 6 km/h vorgenommen, so dass sich nach Streichung der Nachkommastellen eine Geschwindigkeit von 105 km/h als vorwerfbare Geschwindigkeit ergab und folgerichtig eine Überschreitung von 45 km/h. Diese Art der Geschwindigkeitsfeststellung ist anerkannt, auch wenn sie kein standardisiertes Messverfahren darstellt (hierzu etwa: OLG Hamm Beschl. v. 22.6.2017 – 1 RBs 30/17, BeckRS 2017, 122484; AG Castrop-Rauxel Urt. v. 26.8.2022 – 6 OWi-264 Js 1170/22-486/22, BeckRS 2022, 22074; AG Lüdinghausen Urt. v. 20.4.2015 – 19 OWi-89 Js 1431/14-139/14, BeckRS 2015, 10022).
Dementsprechend war der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu verurteilen.
Die für den Verstoß außerhalb geschlossener Ortschaften vorgesehene Regelgeldbuße von 320,00 € erschien dem Gericht angesichts der zur Tatzeit noch nicht rechtskräftigen Vorbelastung des Betroffenen den Umständen für angemessen und ausreichend. Besonderheiten weiterer Art, die ein Heraufgehen oder ein Herabsenken der Regelgeldbuße nahegelegt hätten, waren nicht erkennbar und wurden nicht geltend gemacht.
Ferner war wegen 11.3.7 des BKat ein 1-monatiges Fahrverbot festzusetzen, auf Grundlage des § 25 StVG.
Auch hier waren keinerlei tatbezogene Besonderheiten vorhanden oder wurden geltend gemacht. Schließlich wurden auch keine täterbezogenen Besonderheiten seitens des Betroffenen oder des Verteidigers ins Feld geführt, die ein etwaiges Fehlen eines weiteren Erziehungsbedarfes oder eine Unverhältnismäßigkeit einer Fahrverbotsanordnung hätten naheliegen können und müssen.
Das Gericht hat sich sodann noch mit der Frage befasst, ob gemäß § 4 Abs. IV BKatV gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße ein Absehen vom Fahrverbot in Betracht kommen könnte.
Das Gericht hat diese Möglichkeit vorliegend verneint aufgrund der Tatsache, dass die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nur kurzfristig während der Messstrecke stattfand, sondern auch Geschwindigkeitsüberschreitungen unmittelbar vor der Messung und auch noch nach der Messung festzustellen waren, so dass es der Verhängung eines Fahrverbotes aus Sicht des Gerichtes durchaus bedurfte.
Das Gericht hat schließlich noch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine sogenannte Schonfrist nach § 25 Abs. II a StVG anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG.