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MPU-Gutachtensaufforderung – Trunkenheitsfahrt mit BAK 1,75 ‰ – Fristverlängerung

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 19.995 – Beschluss vom 14.11.2019

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … 1957 geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen A, A2, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T.

Aus der vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Kopie der Akten der Staatsanwaltschaft … und dem darin enthaltenen Polizeibericht vom 30. Januar 2019 geht hervor, dass der Antragsteller am 30. Januar 2019 gegen 20:50 Uhr im … Ortsteil … mit einem Lkw rückwärts aus einem Grundstück gefahren sei, eine öffentliche Straße überquert habe und den Lkw in eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Garage geparkt habe. Unmittelbar nach dem Einparkvorgang habe eine allgemeine Verkehrskontrolle des Fahrzeugführers stattgefunden. Beim Antragsteller seien hierbei ein starker Alkoholgeruch und eine verwaschene/lallende Aussprache zu erkennen gewesen. Die Finger-Finger-Prüfung und Finger-Nasen-Prüfung sei unsicher gewesen. Ein freiwilliger Atemalkoholtest sei gegen 20:58 Uhr durchgeführt worden. Hierbei sei eine Atemalkoholkonzentration von 0,81 mg/l festgestellt worden. Eine freiwillige Blutentnahme im Krankenhaus … um 21:26 Uhr habe einen Blutalkoholgehalt von 1,75 Promille ergeben. Ein von der Staatsanwaltschaft … eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr sei mit Verfügung vom 17. Mai 2019 gegen die Zahlung einer Geldauflage von 2.500,00 EUR nach § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt worden.

Unter dem 16. Juli 2019 – zugestellt am 18. Juli 2019 – forderte das Landratsamt den Antragsteller zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV bis zum 18. September 2019 auf. Die Anordnung enthielt einen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV. Aufgrund der Trunkenheitsfahrt vom 30. Januar 2019 und einer Blutalkoholkonzentration von über 1,6 Promille bestünden Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Gutachten solle daher folgende Fragen beantworten:

„1. Liegen bei Herrn … körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können?

2. Ist insbesondere von Herrn … nicht zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?“

Der Antragsteller forderte das Landratsamt unter dem 18. August 2019 dazu auf, seine Unterlagen an die … GmbH in … zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu übersenden. Das Landratsamt kam dem am 21. August 2019 nach.

Mit Schriftsatz vom 13. September 2019 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt mit, dass der Antragsteller von der Begutachtungsstelle ohne vorheriges Beratungsgespräch und Schulung untersucht worden und „natürlich durchgefallen“ sei. Zudem wurde vorgetragen, dass sich der Antragsteller bei der Arbeit verletzt habe, die Heilung seiner lebensgefährlichen Verletzungen habe mehrere Wochen in Anspruch genommen, sodass er die gesetzte Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht einhalten könne. Der Antragsteller werde zudem nun Unterricht zur Vorbereitung auf das Gutachten besuchen. Es werde daher gebeten, dem Antragsteller bis Januar 2020 Aufschub zur Beibringung des Gutachtens einzuräumen.

MPU-Gutachtensaufforderung - Trunkenheitsfahrt mit BAK 1,75 ‰ - Fristverlängerung
(Symbolfoto: Von Salov Evgeniy/Shutterstock.com)

Unter dem 17. September 2019 lehnte das Landratsamt die Fristverlängerung bis Januar 2020 ab. Eine Fristverlängerung sei nicht möglich, da die Festlegung der Frist für die Beibringung des angeordneten Gutachtens allein danach ausgerichtet sei, wie lange die Erstellung des Gutachtens voraussichtlich in Anspruch nehmen werde. Die Erwähnung, der Antragsteller sei „durchgefallen“, lasse darauf schließen, dass ein Gutachten bereits erstellt worden sei und es dem Antragsteller daher möglich sei, das Gutachten innerhalb der Frist vorzulegen. Es widerspräche der gesetzlichen Regelungen die Frist so lange zu verlängern, bis ein positives Gutachten vorgelegt werden könne, da das Gutachten den Zweck habe die derzeitige Eignung zu überprüfen.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2019 (nach erfolgter Anhörung unter dem 23. September 2019) entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C, CE, C1, C1E, L und T (Ziffer 1). Der Antragsteller habe seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Im Falle der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde der Sofortvollzug der Ziffern 1 und 2 angeordnet. Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens in Form einer Gebühr in Höhe von 180,00 EUR und einer Auslage in Höhe von 4,11 EUR auferlegt (Ziffer 5).

Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, sodass das Landratsamt verpflichtet gewesen sei ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 und 2 StVG, § 46 Abs. 1 FeV). Der Antragsteller habe ein medizinisch-psychologisches Gutachten, welches nach § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV wegen seiner Trunkenheitsfahrt vom 30. Januar 2019 gefordert worden sei, nicht fristgerecht vorgelegt. Es habe daher auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen werden dürfen (§ 11 Abs. 8 FeV). Sinn der Gutachtensanordnung sei die Aufklärung der gegenwärtigen Fahreignung, weshalb strenge Anforderungen an die fristgerechte Gutachtensvorlage zu stellen seien. Die Fristsetzung habe unter verständiger Abwägung der Belange des Fahrerlaubnisinhabers am Gebrauch seiner Fahrerlaubnis sowie dem übergeordneten Interesse der Allgemeinheit an einer ungefährlichen Verkehrsteilnahme erfolgt. Der Führerschein sei unverzüglich beim Landratsamt abzuliefern (§ 47 Abs. 1 FeV). Das angedrohte Zwangsgeld sei der Höhe nach geeignet, dem Antragsteller zur Erfüllung der Abgabepflicht seines Führerscheins binnen einer Woche anzuhalten. Der sofortige Vollzug dieses Bescheides werde im öffentlichen Interesse angeordnet, denn es sei nicht mit der Verkehrssicherheit vereinbar, dass eine Person, die zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei, am Straßenverkehr teilnehme. Der sofortige Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer überwiege das Interesse des Antragstellers am Gebrauch seiner Fahrerlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erziehungsverfahrens.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage (Az.: B 1 K 19.996) und beantragte zugleich:

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ziffer 1 und 3 des Bescheids und

Antrag auf Feststellung, dass die Klage hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheids aufschiebende Wirkung hat.

Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers an, der Antragsteller sei Inhaber eines Getränkehandels und im Nebenerwerb Landwirt. Er sei auf seinen Führerschein angewiesen, da er Getränke an Kunden im Umkreis ausliefere. Bereits im Jahr 2008 sei dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden, was beinahe zu seinem finanziellen Ruin geführt hätte. Zu der Trunkenheitsfahrt Ende Januar 2019 sei es gekommen, nachdem der Antragsteller am Abend – nach einer Rohrreparatur in seinem Wohnhaus und dem Konsum der festgestellten Menge Alkohol – den beladenen Getränkelastwagen noch in die Garage geparkt habe. Hierzu habe er eine 6,5 m lange Strecke über die öffentliche Straße zurücklegen müssen. Erst als er von der Polizei angehalten worden sei, sei ihm bewusst geworden, dass er auf einer öffentlichen Straße betrunken gefahren sei. Bis auf den gegenständlichen Vorfall sei der Antragsteller seit Jahren keine Gefahr mehr für den Straßenverkehr. Er stelle gegenwärtig und werde künftig auch keine solche Gefahr mehr darstellen. Dies werde auch mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unter Beweis gestellt.

Unter dem 24. Oktober 2019 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Terminübersicht einer verkehrspsychologischen Kompaktmaßnahme sowie einen vom Antragsteller unterzeichneten Vertrag über die Teilnahme hierzu vor.

Das Landratsamt übersandte mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 (dem Gericht am 13. November 2019 zugegangen) die Behördenakten vor und beantragte, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verwies das Landratsamt im Wesentlichen auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides. Bezüglich der nicht gewährten Fristverlängerung zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens führte das Landratsamt aus, dass keine objektiven Hinderungsgründe zur Wahrnehmung eines Begutachtungstermins bestanden hätten. Die Beibringungsfrist sei zudem danach zu messen, wie lange die Erstellung eines Gutachtens voraussichtlich in Anspruch nehme. Sinn der Gutachtensanordnung sei es, die gegenwärtige Fahreignung zu überprüfen. Im Interesse der Verkehrssicherheit seien daher strenge Anforderungen an die fristgerechte Gutachtensvorlage zu stellen. Es würde dem Sinn der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, die Frist so lange zu verlängern, bis der Betroffene ein positives Gutachten vorlegen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – auch im Verfahren B1 K 19.996 – und der Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).

II.

1. Die Auslegung des vom Antragsteller gestellten Antrags (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) ergibt, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 10. Oktober 2019 begehrt. Entgegen des Wortlauts seines Antrags („Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ziff. 1 und Ziff. 3 des Bescheids“), wird aus der Gesamtschau des angegriffenen Bescheids und des Antrags auf Eilrechtsschutz ersichtlich, dass der Antragsteller die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt, da lediglich die Anordnungen in diesen Ziffern vom Landratsamt für sofort vollziehbar erklärt worden sind (vgl. Ziffer 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids). Dass beantragt wurde, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffer 3 des Bescheids wiederherzustellen, jedoch tatsächlich die Ziffer 2 des Bescheids gemeint war, ist zugunsten des Antragstellers als Schreibfehler anzusehen. Für das Vorliegen eines solchen Schreibfehlers spricht insbesondere, dass bezüglich der Ziffer 3 ein weiterer Antrag gestellt wurde.

Zudem begehrt der Antragsteller die „Feststellung, dass die Klage hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheids aufschiebende Wirkung hat“. In Ziffer 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids droht das Landratsamt ein Zwangsgeld für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins an. Ein Antrag auf Feststellung, dass ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, ist nur statthaft, wenn der entsprechende Rechtsbehelf bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat und diese aufschiebende Wirkung von der Behörde missachtet wird (vgl. BVerwG, B.v. 9.6.1983 – 1 C 36/82 – juris Rn. 8). Da Rechtsbehelfe gegen Zwangsgeldandrohungen jedoch gem. Art. 21 a VwZVG bereits kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, wird der Antrag des Antragstellers zu dessen Gunsten dahingehend ausgelegt, dass dieser die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids begehrt.

2. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid wird abgelehnt.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen/anordnen bzw. die Vollziehung des Bescheids aussetzen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

a. Ziffer 1 des in der Hauptsache angegriffenen Bescheids vom 10. Oktober 2019 erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach Nr. 8 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV schließt Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen teilweise aus. Gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Fahreignung beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde.

Das Landratsamt hat zu Recht auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen, da er das geforderte Gutachten gem. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV nicht zum angeordneten Termin vorgelegt hat. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht selbstständig rechtlich anfechtbar, da es sich hierbei um keinen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine, der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung handelt. Die Rechtmäßigkeit der Aufforderung wird deshalb inzident gerichtlich geprüft (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 17 f.). Daher ist der Schluss auf die Nichteignung nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und der Fahrerlaubnisinhaber auf die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 8 FeV in der Gutachtensaufforderung hingewiesen wurde. Die Frist muss zudem so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris; B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 17; B.v. 5.6.2009 – 11 CS 09.69 – juris Rn. 13; VG Bayreuth, B.v. 15.8.2018 – B 1 S 18.724 – juris Rn. 30; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 11 FeV Rn. 51 f.). Bei der gerichtlichen Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2015 – 11 CS 15.2036 – juris Rn. 17 m.w.N.). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist hier der 10. Oktober 2019 als Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids heranzuziehen.

aa. Die Beibringungsaufforderung vom 16. Juli 2019 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Insbesondere die gesetzte Frist (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) zur Beibringung des Gutachtens wurde angemessen bemessen. Die Beibringungsfrist muss so bemessen sein, dass es dem Betreffenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls möglich ist, der Aufforderung der Behörde nachzukommen. Dient die Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Frage, ob der Antragsteller seine Fahreignung verloren hat, ist die für die Beibringung des Gutachtens eingeräumte Frist lediglich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigen wird, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage stehen. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, Stand: 22.10.2019, § 11 Rn. 104, 104.2; BayVGH, B.v. 23.4.2013 – 11 CS 13.219 – juris Rn. 20).

Die von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnete Frist zur Beibringung eines Gutachtens von ca. zwei Monaten ist ausreichend lang bemessen gewesen. Dem Antragsteller ist es in dieser Zeit möglich gewesen, sich begutachten zu lassen und das Gutachten fristgerecht vorzulegen. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers sogar vorgetragen hat, dass der Antragsteller eine Begutachtung hat vornehmen lassen und dass er hierbei „durchgerasselt“ sei. Die Beibringungsfrist ist gerade nicht danach zu bemessen, wie lange der Antragssteller benötigt um ein positives Begutachtungsergebnis zu erzielen. Dies bedeutet auch, dass die Frist nicht danach zu bemessen ist, wie lange Schulungen und andere Vorbereitungskurse im Vorfeld einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in Anspruch nehmen. Einzig und allein die Zeit, die die Erstellung eines Gutachtens (unabhängig davon, ob dieses positiv oder negativ für den Betroffenen ausfällt) benötigt wird, ist bei der Fristbestimmung zu beachten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass durch die medizinisch-psychologische Untersuchung gerade die aktuelle Fahrgeeignetheit des Antragstellers ermittelt werden soll, um mögliche Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch gegebenenfalls ungeeignete Kraftfahrer zu vermeiden. Der gesetzlich intendierte Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs und dessen Verkehrsteilnehmern vor möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrern würde nicht erzielt werden, wenn die Beibringungsfrist danach zu bemessen wäre, wie lang eine – möglicherweise mehrere Wochen dauernde – Schulung zur Vorbereitung auf die medizinisch-psychologische Begutachtung dauern würde.

Daher war auch die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags vom 13. September 2019 durch das Landratsamt nicht zu beanstanden. Dass der Antragsteller in seinem Fristverlängerungsantrag neben der Zeit für eine Schulung auch eine lebensbedrohliche Erkrankung als Grund für die Fristverlängerung geltend macht, ändert nichts an der rechtmäßigen Verweigerung der Fristverlängerung. Der Antragsteller selbst erwähnte bereits im Fristverlängerungsantrag vom 13. September 2019, dass eine Begutachtung stattgefunden habe, die jedoch für ihn negativ ausgefallen sei. Dadurch wird bereits ersichtlich, dass er trotz vorgetragener lebensbedrohlicher Verletzung bzw. bevor er sich verletzt hat, an einer Begutachtung teilnehmen konnte. Dem Antragsteller wäre es aufgrund der gesetzten Frist daher möglich gewesen ein Gutachten vorzulegen. Die Ablehnung der Fristverlängerung zu einem Zeitpunkt, in dem bereits ein für den Antragsteller negatives Begutachtungsergebnis vorgelegen hatte, erfolgte rechtmäßig.

Auch Hinweise darauf, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung zu tragen hat und das Recht hat, die zu übersendenden Unterlagen einzusehen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie ein Hinweis über die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV) sind in der Beibringungsanordnung enthalten.

bb. Die Beibringungsanordnung erfolgte auch anlassbezogen. Ein Anlass liegt dann vor, wenn hinreichende konkrete Tatsachen, nicht nur ein vager Verdacht, bestehen, die die im Gutachten gestellte Fragestellung rechtfertigen. Ausreichend sind insoweit alle Tatsachen, die den nachvollziehbaren Verdacht rechtfertigen, es könne eine Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2013 – 11 CS 13.1064 – juris Rn. 15; B.v. 5.6.2009 – 11 CS 09.69 – juris Rn. 16).

Im Zeitpunkt der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung lagen der Fahrerlaubnisbehörde genügend Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründeten und damit die Abklärung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gem. § 46 Abs. 3 i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV erforderlich machten. Ausweislich des Polizeiberichts vom 30. Januar 2019 und des Ergebnisses der durchgeführten Blutuntersuchung, führte der Antragsteller einen Lkw im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl er einen Atemalkohol von 0,81 mg/l und einen Alkoholgehalt im Blut von 1,75 Promille aufwies. Damit lag der Alkoholgehalt im Atem und im Blut des Antragstellers über den Werten (1,6 Promille oder 0,8 mg/l), die der Gesetzgeber zwingend an die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV geknüpft hat. Es wird bereits gesetzlich indiziert, dass bei derart erhöhten Blut- bzw. Atemalkoholwerten berechtigte Zweifel am erforderlichen Vermögen des Antragsstellers, das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum sicher zu trennen, bestehen. Bereits diese eine Trunkenheitsfahrt, auch wenn es sich nur um eine Fahrtstrecke von 6,50 Meter – Überquerung der öffentlichen Straße – handelte, bietet genügend Anlass für die Aufforderung zur Abklärung des Trennungsvermögens des Antragstellers. Ausreichend hierfür ist bereits, dass das Fahrzeug in Bewegung gesetzt wurde (vgl. Siegmund in Feymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, Stand: 22.10.2019, § 13 FeV Rn. 71, unter Berufung auf OVG Saarlouis, B.v. 18.9.2000 – 9 W 5/00 – juris Rn. 13).

Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens war auch verhältnismäßig, da durch ein Gutachten zunächst abgeklärt werden sollte, ob ein unkontrollierter Alkoholkonsum beim Antragsteller aufgrund körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigungen gegeben ist und ob ein hinreichendes Trennungsvermögen beim Antragsteller vorliegt.

b. Gegen die in Ziffer 2 des Bescheids angeordnete Ablieferung des Führerscheins bestehen nach summarischer Prüfung keine Rechtmäßigkeitsbedenken. Die Anordnung hat sich nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Abgabe des Führerscheins erledigt, sondern stellt weiterhin einen Rechtsgrund für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22). Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht und sofort vollziehbar entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.

c. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung ist vorliegend kein Raum mehr. Denn durch die mittlerweile erfolgte Abgabe des Führerscheins hat sich die herauf bezogene Zwangsgeldandrohung erledigt. Da die Behörde auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie beabsichtigt, das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben, besteht insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 10; B.v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13 m.w.N.). Auch in der Sache ist bzw. War die auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG basierende Zwangsgeldandrohung außerdem rechtlich nicht zu beanstanden.

d. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 11 CS 11.1963; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139; B.v. 25.05.2010 – 11 CS 10.227; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890; B.v. 13.1.2005 – 11 CS 04.2968; B.v. 18.5.2004 – 11 CS 04.819 – juris).

Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte das Landratsamt zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und die Sicherheit der Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer als typische Interessenlage ab. Da der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden muss, ist bei seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeuges eine nicht hinnehmbare Gefährdung der hochrangigen Rechtsgüter Leib und Leben der anderen Verkehrsteilnehmer zu besorgen. Die finanziellen und beruflichen Interessen des Antragstellers müssen vor diesen öffentlichen Interessen zurücktreten. Auch das Vorbringen, dass seit der Fahrerlaubnisentziehung im Jahr 2008 keine weiteren Beanstandungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr erfolgt seien und dass es sich bei der aktuellen Trunkenheitsfahrt lediglich um die Überquerung einer nur 6,50 m breiten Straße gehandelt habe, ist angesichts der geringen Kontrolldichte im Straßenverkehr nicht dazu geeignet, das öffentliche Interesse zurücktreten zu lassen.

3. Der Antrag ist daher mit der Kostenentscheidung des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).

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