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MPU-Anordnung  erstmaligen Probierkonsum von Cannabis

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 18.2301 – Beschluss vom 03.12.2018

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Aberkennung des Rechts, von ihrer bulgarischen Fahrerlaubnis (Klassen AM, B1 und B) in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen und der Verpflichtung, ihren Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen.

Die Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Bundesgebiet. Durch eine Mitteilung des Polizeipräsidiums Oberpfalz erhielt das Landratsamt Schwandorf (im Folgenden: Landratsamt) Kenntnis davon, dass die Antragstellerin am 18. Oktober 2017 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt hat. In der 49 Minuten nach der Fahrt entnommenen Blutprobe wurde ein THC-Gehalt von 1,2 ng/ml festgestellt und die Ordnungswidrigkeit daher mit einem rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 18. Januar 2018 geahndet. Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, zur Klärung des Konsumverhaltens ein ärztliches Gutachten beizubringen, das die Frage zu beantworten habe, ob das Konsumverhalten als einmalige oder gelegentliche oder regel- und gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen sei. Die Antragstellerin erklärte sich zwar mit der Untersuchung einverstanden, legte aber das geforderte Gutachten innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht vor.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2018 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis mit dem Hinweis, hierdurch sei das Recht, von der bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, aberkannt (Nr. 1), verpflichtete sie zur Vorlage des bulgarischen Führerscheins, um einen Sperrvermerk eintragen zu können (Nr. 2), drohte für die nicht fristgemäße Erfüllung der Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins ein Zwangsgeld an (Nr. 3) und erklärte die Verfügungen in Nrn. 1 und 2 für sofort vollziehbar (Nr. 6). Aus der Weigerung der Antragstellerin, das Gutachten beizubringen, sei zu schließen, dass sie ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 abgelehnt. Die Gutachtensanordnung des Landratsamts zur Aufklärung des Konsumverhaltens der Antragstellerin sei rechtmäßig. Es lägen ausreichende Anhaltspunkte für Zweifel an der Fahreignung vor. Es bestünden auch keine Bedenken hinsichtlich der Fragestellung. Das Landratsamt habe aus der nicht fristgemäßen Vorlage des Gutachtens auf die mangelnde Fahreignung der Antragstellerin schließen dürfen.

Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt die Antragstellerin ausführen, bei einer THC-Konzentration von 1,2 ng/ml könne nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin Cannabis regelmäßig konsumiere. Sie habe lediglich einmalig und nicht gelegentlich oder gar regelmäßig Cannabis konsumiert. Die Fragestellung in der Gutachtensaufforderung sei fehlerhaft. Die Antragstellerin habe die Vorlage des Gutachtens zu Recht verweigert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S.566), entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Dies ist etwa bei Mängeln nach Anlage 4 zur FeV der Fall. Nach Nr. 9 der Anlage 4 zählt hierzu auch der Konsum von Betäubungsmitteln. § 14 FeV sieht bei Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel verschiedene Aufklärungsmaßnahmen vor.

Die Antragstellerin hat am 18. Oktober 2017 unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Gemäß dem Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 5. Dezember 2017 wurde bei der Blutuntersuchung eine Konzentration von 1,2 ng/ml THC festgestellt. Ab 1,0 ng/ml THC im Blutserum ist eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 28 ff.; BayVGH, B.v. 23.5.2016 – 11 CS 16.960 – NJW 2016, 2601 Rn. 15 ff.). Somit hat die Antragstellerin gegen das Gebot verstoßen, zwischen dem Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen (Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur FeV).

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung ist das Landratsamt nicht von einem regelmäßigen Cannabiskonsum der Antragstellerin ausgegangen. Dieser hätte, wenn er hinreichend feststünde, ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen den Verlust der Fahreignung zur Folge gehabt (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV). Bei nur gelegentlichem Cannabiskonsum und einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis kann jedoch die Fahrerlaubnisbehörde nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor (BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – ZfSch 2017, 413).

Die Antragstellerin hat allerdings durchgehend behauptet, lediglich einmalig Cannabis konsumiert zu haben. Ein solcher einmaliger Cannabiskonsum bliebe, wenn er feststünde, auch bei einem Verstoß gegen das Trennungsgebot zunächst fahrerlaubnisrechtlich folgenlos, wenn keine weiteren Eignungsbedenken hinzukämen (vgl. Nrn. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Zwar kann ein einmaliger Konsum grundsätzlich nur bei einer glaubhaften, hinreichend substantiierten Darlegung angenommen werden, wonach der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Gegen einen nur einmaligen Konsum spricht allerdings die Einlassung der Antragstellerin am Tag der Fahrt gegenüber der Polizei, etwa eine Woche zuvor einen Joint konsumiert zu haben. Aber auch wenn sie bei der Fahrerlaubnisbehörde zum behaupteten einmaligen Konsum keine näheren Angaben gemacht hat und deswegen im Hinblick auf den feststehenden Verstoß gegen das Trennungsgebot auch die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV in Betracht gekommen wäre, führt es nicht zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung, wenn das Landratsamt zu ihren Gunsten einen nur einmaligen Konsum nicht ausgeschlossen und sich daher als Aufklärungsmaßnahme zur Abklärung des Konsumverhaltens zunächst gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV für die Beibringung eines die Antragstellerin weniger belastenden ärztlichen Gutachtens entschieden hat.

Auch die Fragestellung in der Anordnung zur Gutachtensbeibringung, ob das Konsumverhalten als einmalige oder gelegentliche oder regel- und gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen sei, ist aufgrund des völlig unklaren Konsumverhaltens der Antragstellerin nicht zu beanstanden. Nachdem die Antragstellerin die im Rahmen der ärztlichen Untersuchung geforderte Haaranalyse verweigert und dadurch nicht hinreichend an der Aufklärung ihrer Fahreignungszweifel mitgewirkt hat, war das Landratsamt berechtigt, daraus gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf ihre fehlende Fahreignung zu schließen und ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Entziehung bewirkt im Fall der Antragstellerin, dass sie nicht mehr berechtigt ist, von ihrer bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen (§ 46 Abs. 5 FeV).

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung in Höhe des halben Auffangwerts beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, Anh. § 164 Rn. 14). Die in Deutschland nicht gesondert vergebene Fahrerlaubnisklasse B1 (vgl. Art. 4 Abs. 4 Buchst. a RL 2006/126/EG) ist in der Fahrerlaubnis der Klasse B enthalten und wirkt sich daher nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2017 – 11 CS 17.894 – juris Rn. 17, B.v. 13.6.2017 – 11 CS 17.1022 – juris Rn. 23). Gleiches gilt für Fahrerlaubnis der Klasse AM, da sie in der Klasse B enthalten ist (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV). Der Senat macht deshalb von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch, auch den erstinstanzlich festgesetzten Streitwert zu ändern.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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