Trunkenheit am Steuer auch ohne Unfall: MPU droht
Das VG Koblenz hat entschieden, dass eine Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) bei Trunkenheit ohne nachgewiesene Teilnahme am Straßenverkehr wegen dem Fehlen begründeter Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wegen Alkoholmissbrauchs nicht gerechtfertigt ist.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte aus dem Urteil:
- Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Untersagung zum Führen nicht fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge wurde wiederhergestellt.
- Die Antragsgegnerin wurde dazu verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- Die Untersagung zum Führen von Fahrzeugen muss begründet sein, und zwar muss es hinreichende Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wegen Alkoholmissbrauchs geben.
- Es reicht nicht aus, wenn der Verkehrsteilnehmer als Kraftfahrer unter Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen hat.
- Bei der Überprüfung der Fahreignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge müssen begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betroffene voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft nach dem Konsum von Alkohol ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wird.
- Bei der Anordnung einer MPU müssen sowohl erhöhte Anforderungen gestellt werden als auch aus dem Gutachten eindeutig hervorgehen, dass der Betroffene übermäßig Alkohol konsumiert und ein Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme zu befürchten ist.
- Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Einzelfallgerechtigkeit muss dargelegt werden, warum der Gutachter im konkreten Fall trotz der bislang nicht festgestellten Verkehrsteilnahme unter (starkem) Alkoholeinfluss auch von einem Kontrollverlust im Hinblick auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausgeht.
- Im vorliegenden Fall hat das VG Koblenz die vorgewiesene MPU nicht anerkannt, da diese den o.g. Anforderungen der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung nicht entsprach.
Übersicht
- Trunkenheit am Steuer auch ohne Unfall: MPU droht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- MPU-Anordnung bei Trunkenheitsdelikten ohne direkten Bezug zur Verkehrsteilnahme
- Die MPU-Anordnung wegen Trunkenheit in der Abwesenheit von Verkehrsteilnahme
- Gesetzliche Grundlagen und der Widerspruch gegen die Untersagung
- Der Fokus auf die Eignung zum Führen von Fahrzeugen und MPU-Anordnung
- Die Verhältnismäßigkeit im Entziehungsverfahren und das endgültige Urteil
- ✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
MPU-Anordnung bei Trunkenheitsdelikten ohne direkten Bezug zur Verkehrsteilnahme
Im deutschen Verkehrsrecht spielt die MPU-Anordnung (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) eine wesentliche Rolle, insbesondere im Kontext von Trunkenheitsdelikten. Dabei stellt sich oft die Frage, inwieweit Alkoholkonsum ohne direkte Beteiligung am Straßenverkehr rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, speziell in Bezug auf die Fahrerlaubnis. Der Schwerpunkt dieses Themas liegt auf der Auslegung und Anwendung gesetzlicher Regelungen, die bestimmen, wann und unter welchen Umständen eine MPU-Anordnung auch ohne unmittelbaren Verkehrsteilnahmebezug gerechtfertigt ist.
Die Beurteilung solcher Fälle verlangt ein tiefes Verständnis für die Balance zwischen Verkehrssicherheit und individuellen Freiheitsrechten. Dabei werden oft entscheidende Fragen aufgeworfen, wie zum Beispiel: Wann ist eine Person trotz Trunkenheit ohne aktive Verkehrsteilnahme als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeugs anzusehen? Im weiteren Verlauf wird ein konkretes Urteil beleuchtet, das Licht in das komplexe Geflecht von Trunkenheit, rechtlichen Bestimmungen und der Untersagung der Fahrerlaubnis bringt. Tauchen Sie mit uns in die Details dieses spannenden Falles ein, um ein tieferes Verständnis für die Feinheiten des Verkehrsrechts zu erlangen.
Die MPU-Anordnung wegen Trunkenheit in der Abwesenheit von Verkehrsteilnahme
In einer bemerkenswerten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz, wurde kürzlich die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine Untersagung zum Führen nicht fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge wiederhergestellt. Der Bescheid war ursprünglich aufgrund vorangegangener Alkoholmissbrauchsvorkommnisse des Antragstellers erlassen worden. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller für sein Verhalten eine MPU-Anordnung erhielt, obwohl er nicht aktiv am Verkehr teilgenommen hatte, hat das VG Koblenz eine genaue Prüfung des Falls vorgenommen.
Gesetzliche Grundlagen und der Widerspruch gegen die Untersagung
Die Rechtsgrundlage für eine Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen liegt in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Bei einer Weigerung stellt die Fahrerlaubnisbehörde eine Ungeeignetheit fest, die auf den §§ 11 bis 14 FeV basiert. Im vorliegenden Fall bestritt der Antragsteller jedoch, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wegen Alkoholmissbrauchs vorlagen.
Der Fokus auf die Eignung zum Führen von Fahrzeugen und MPU-Anordnung
Gemäß den Regulierungen, wenn Tatsachen für Alkoholmissbrauch vorliegen, muss die Fahrerlaubnisbehörde die Fahreignung überprüfen und gegebenenfalls ein medizinisch-psychologisches Gutachten anordnen. Jedoch hat der konkrete Fall gewisse Unklarheiten offenbart, da der Antragsteller, trotz starken Alkoholkonsums, nie am Straßenverkehr teilgenommen hat. Es waren keine überzeugenden Anhaltspunkte vorhanden, dass der Antragsteller unter Alkoholeinfluss ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug führen würde und somit eine potenzielle Gefahr darstellen würde.
Die Verhältnismäßigkeit im Entziehungsverfahren und das endgültige Urteil
Dieser Fall hat eine wichtige Diskussion über die Verhältnismäßigkeit innerhalb des Entziehungsverfahrens ausgelöst. Das Gericht betonte die Notwendigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Interesse des Verkehrsteilnehmers zu beachten. Die Tatsache, dass der Antragsteller nicht unter dem Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen hatte, erforderte eine differenzierte Betrachtung und Einschätzung der potenziellen Gefahr. Daher hat das VG Koblenz entschieden, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Untersagung wiederhergestellt wird. Sie hat den Bemühungen des Antragstellers Rechnung getragen und die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Untersagung zum Führen von Fahrzeugen erfolgen?
Die Untersagung zum Führen von Fahrzeugen kann unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen, die in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) festgelegt sind. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren untersagen, beschränken oder die erforderlichen Auflagen anordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur bedingt geeignet dafür erweist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Person unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen am Straßenverkehr teilnimmt und sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen erweist.
Für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen sind die Voraussetzungen für eine Untersagung klar definiert. Die Gefahrenlage beim Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs ist nicht mit der Gefahrenlage bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen vergleichbar. Daher ist eine direkte Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern aufgrund des unterschiedlichen Gefahrenpotentials nicht möglich.
Ein Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge setzt voraus, dass konkret festgestellt wird, dass die betreffende Person auch zum Führen dieser Fahrzeuge ungeeignet ist. Es müssen konkrete Umstände des Einzelfalls vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Betroffene voraussichtlich in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und so eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen wird.
Allerdings hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden, dass die derzeitige Rechtslage keine Grundlage für ein Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wie Fahrräder oder E-Scooter bietet. § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV wurde als zu unbestimmt angesehen, da er die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt regelt. Die Regelung lässt nicht erkennen, wann eine Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet ist und wie dies festgestellt werden muss.
Wie wird die Eignung zum Führen von Fahrzeugen rechtlich festgestellt?
Die Eignung zum Führen von Fahrzeugen wird in Deutschland durch verschiedene rechtliche und medizinische Verfahren festgestellt. Die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) legt die allgemeinen Anforderungen an die Eignung fest. Sie definiert die Eignung als die Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen, und umfasst sowohl körperliche als auch geistige und charakterliche Aspekte.
Die Eignung kann durch die Polizei, Gerichte oder die Fahrerlaubnisbehörde in Frage gestellt werden. In solchen Fällen kann eine Fahrtauglichkeitsuntersuchung angeordnet werden, in der die körperliche Eignung des Betroffenen überprüft wird. Diese Untersuchung kann freiwillig erfolgen oder von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden, wenn Zweifel an der Eignung aufkommen, beispielsweise bei Verdacht auf Alkohol- oder Drogenkonsum oder bei anderen Auffälligkeiten in einer Verkehrskontrolle.
Die FeV enthält auch eine Liste von Erkrankungen, die regelmäßig einer Eignung zum Führen von Fahrzeugen entgegenstehen können. Darüber hinaus kann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden, um die charakterliche Eignung zu überprüfen.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Eignung nicht nur eine einmalige Feststellung ist, sondern regelmäßig überprüft werden kann, insbesondere wenn neue Informationen oder Umstände bekannt werden, die Zweifel an der Eignung aufkommen lassen.
Die endgültige Entscheidung über die Eignung zum Führen von Fahrzeugen trifft die Fahrerlaubnisbehörde. Sie kann die Fahrerlaubnis entziehen oder einschränken, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass eine Person ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist.
Das vorliegende Urteil
VG Koblenz – Az.: 4 L 810/22.KO – Beschluss vom 31.08.2022
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die mit Bescheid vom 1. August 2022 verfügte Untersagung zum Führen nicht fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
1. Der zulässige, nach Klarstellung durch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 1. August 2022 verfügte Untersagung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gerichtete Antrag hat in der Sache Erfolg.
Zur Entscheidung über die vorläufige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bedarf es einer gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Im Rahmen dieser vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung überwiegt hier das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheides vom 1. August 2022 bereits deshalb, weil dieser sich bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen wird.
2. Rechtsgrundlage für eine Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist § 3 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist. Die Eignung zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4 StVG, § 46 i.V.m. § 11 Abs. 1 FeV. Die §§ 11 bis 14 FeV finden gemäß § 3 Abs. 2 FeV entsprechende Anwendung, soweit sie ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs voraussetzen (vgl. Hentschel/König/Dauer, 45. Aufl. 2019, § 3 FeV Rn. 11 m.w.N.).
Ungeachtet der in der Rechtsprechung geäußerten Bedenken, ob § 3 Abs. 1 FeV mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rn. 35 ff.; BayVGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 – 11 Cs 21.968 –, juris, Rn. 15; OVG Saarland, Beschluss vom 3. Mai 2021 – 1 B 30/21 –, juris, Rn. 32 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. September 2021 – 7 L 901/21 –, juris, Rn. 24 ff.), liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wegen Alkoholmissbrauchs vor.
3. Liegen Tatsachen für Alkoholmissbrauch vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der Fahreignung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a Alt. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Diese Vorschrift findet über § 3 Abs. 2 FeV auch bei der Überprüfung der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge Anwendung (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 10 B 10415/11.OVG –, juris, Rn. 6). Alkoholmissbrauch ist nach Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Entsprechende Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen, liegen jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer als Kraftfahrer unter Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen hat (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 10 B 10415/11.OVG –, juris, Rn. 8). Erst recht gilt dies, wenn der Betroffene – wie hier der Fall – ohne Teilnahme am Straßenverkehr alkoholauffällig geworden ist. Vielmehr müssen die Gesamtumstände Zweifel begründen, ob der Betroffene zwischen dem Alkoholkonsum und dem Fahren eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs sicher trennen kann (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 10 B 10415/11.OVG –, juris, Rn. 8). Es müssen begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betroffene voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft nach dem Konsum von Alkohol ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 10 B 10415/11.OVG –, juris, Rn. 8). Entsprechende Anhaltspunkte lagen hier bereits nicht vor.
Der Antragsteller ist nach Aktenlage weder beim Führen eines fahrerlaubnispflichtigen noch eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig geworden. Es ergaben sich auch aus dem Polizeieinsatz am 20. November 2021, bei dem der Antragsteller stark alkoholisiert und aggressiv angetroffen worden war, keinerlei Hinweise darauf, dass er in diesem Zustand in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug führen werde. Unter diesen Umständen kam die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Beantwortung der Frage, ob der Antragsteller zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, nicht in Betracht.
4. Gleichwohl hat der Antragsteller auf die entsprechende Anordnung der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2022 ein solches Gutachten der TÜV A*** vom 12. Mai 2022 vorgelegt. Nach den Feststellungen der Gutachter ist der Antragsteller ungeeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Dieses Gutachten stellt eine eigene Beweistatsache dar, sodass rechtlich ohne Relevanz ist, ob es von der Verwaltung unberechtigterweise angefordert wurde (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage, § 2 StVG, Rn. 2 m.w.N. aus der Rspr.). Die Antragsgegnerin konnte jedoch die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht auf die Ergebnisse dieses Gutachtens stützen. Dieses entspricht nicht den Anforderungen der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die für die Beurteilung der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge entsprechend heranzuziehen sind (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. September 2021 – 7 L 901/21 –, juris, Rn. 82 ff.), und ist deshalb nicht verwertbar.
a) Bei jeder Einschränkung der Fortbewegung mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße das Spannungsverhältnis zu berücksichtigen, das zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Verkehrsteilnehmers andererseits besteht, mit Grundfortbewegungsmitteln am Straßenverkehr teilzunehmen. Zu beachten ist zum einen, dass die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen in den Kernbereich des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG fällt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 10 B 10415/11.OVG –, juris, Rn. 8). Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge beeinträchtigen zum anderen die Sicherheit des Straßenverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer schon wegen ihrer erheblich geringeren Geschwindigkeit typischerweise nicht im gleichen Ausmaß wie Kraftfahrzeuge (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. März 1979 – 2 BvL 7/78 –, juris). Entsprechend ihrer unterschiedlichen Betriebsgefahren stuft auch der Gesetzgeber selbst die Zulassung der verschiedenen Fahrzeuge zum Straßenverkehr ab, indem er die Nutzung von Kraftfahrzeugen einer Fahrerlaubnispflicht, die Nutzung von Mofas einer Prüfberechtigung unterwirft und alle sonstigen Fahrzeuge ohne weiteres zulässt.
b) Diese Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit sind in jeder Phase des Entziehungsverfahrens, auch bei der entsprechenden Anwendung der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, zu beachten. Jedenfalls dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer bislang nicht unter dem Einfluss von Alkohol beim Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auffällig geworden ist, sind nicht nur erhöhte Anforderungen in Bezug auf die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu stellen. Ist ein solches Gutachten vorgelegt worden, muss aus diesem eindeutig hervorgehen, dass der Betroffene zum einen übermäßig Alkohol konsumiert und unter Darlegung entsprechender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Alkoholkonsum zu einem Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme führt (vgl. Stephan/Brenner-Hartmann in: Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Auflage 2018, 3.13.1, Missbrauch, Ziffer 1.3.4, S. 251). In Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge reicht es in diesen Fällen nicht aus, wenn nach der gutachterlichen Einschätzung von einer Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen unter Alkoholeinfluss auszugehen ist. Vielmehr muss zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Einzelfallgerechtigkeit dargelegt werden, warum der Gutachter im konkreten Fall trotz der bislang nicht festgestellten Verkehrsteilnahme unter (starkem) Alkoholeinfluss auch von einem Kontrollverlust im Hinblick auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausgeht (vgl. Stephan/Brenner-Hartmann in: Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Auflage 2018, 3.13.1, Missbrauch, Ziffer 1.3.4, S. 253).
c) Diesen Anforderungen wird das Gutachten der TÜV A*** vom 12. Mai 2022 nicht gerecht. Die Gutachter führen ausführlich zum Trinkverhalten des Antragstellers aus und kommen sodann zu folgendem Ergebnis:
„Es ist insbesondere dann zu erwarten, dass Herr B*** die Risiken einer Fahrt unter Alkoholeinfluss unterschätzt, wenn er nach seinen persönlichen Maßstäben verhältnismäßig hohe Trinkmengen konsumiert hat. Er verfügt dann nicht über die erforderliche Problemsicht und Steuerungsfähigkeit, um dem Risiko begegnen zu können, unter Alkoholeinfluss den Entschluss zum Fahrantritt zu fassen.
Damit bleibt die durch die Vorgeschichte definierte überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Alkoholfahrt bei Herrn B*** bestehen.“
(…)
Es ist zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig ein nicht fahrerlaubnispflichtiges bzw. fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug (…) unter Alkoholeinfluss führen wird.“
Diesen Ausführungen kann nicht ansatzweise entnommen werden, warum bei übermäßigem Alkoholkonsum des Antragstellers von einem Kontrollverlust hinsichtlich des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auszugehen ist. An keiner Stelle des Gutachtens setzen sich die Gutachter mit dieser Frage auseinander. Vielmehr beschäftigt sich das Gutachten allgemein mit der Frage, ob von einer zukünftigen Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss auszugehen ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer orientiert sich dabei an den Nummern 1.5 und 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169).