Das Amtsgericht Leipzig entschied zugunsten des Verteidigers und hob den Kostenfestsetzungsbescheid der Bußgeldbehörde auf, da die Mittelgebühr von 598,67 Euro aufgrund des umfangreichen Einsatzes und der erfolgreichen Vermeidung eines Hauptverfahrens gerechtfertigt sei. Die Staatskasse muss die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragen. Dieses Urteil sichert die Rechte des Verteidigers und sorgt für eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten im Kontext von Bußgeldverfahren.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 227 OWi 953/23 ➔
Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Anwaltskosten in Bußgeldverfahren: Gericht sichert Verteidigern gerechte Vergütung zu
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Leipzig
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Anwaltskosten in Bußgeldverfahren
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Leipzig
✔ Kurz und knapp
- Im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ist grundsätzlich die Mittelgebühr für den Verteidiger anzusetzen.
- Eine Herabsetzung der Mittelgebühr ist nur in begründeten Einzelfällen möglich, z.B. bei sehr einfachen oder geringfügigen Verfahren.
- Umfangreiches Vorbringen und die erfolgreiche Durchsetzung der Verfolgungsverjährung rechtfertigen den Ansatz der Mittelgebühr.
- Die Schwere des Verstoßes (hier: qualifizierter Rotlichtverstoß) und die möglichen Konsequenzen für den Betroffenen (Geldbuße, Fahrverbot, Punkte) sind bei der Gebührenhöhe zu berücksichtigen.
- Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers spielen bei der Gebührenbemessung grundsätzlich keine Rolle.
- Die Mittelgebühr ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit, zu bestimmen.
Anwaltskosten in Bußgeldverfahren: Gericht sichert Verteidigern gerechte Vergütung zu
Verkehrsrechtliche Verstöße wie zu schnelles Fahren, Rotlichtverstoße oder andere Regelverletzungen können für Autofahrer empfindliche Konsequenzen haben. Neben Bußgeldern und Fahrverboten kann auch ein Eintrag im Fahreignungsregister („Punkte“) drohen. In solchen Fällen ist oft die Vertretung durch einen Anwalt sinnvoll, um die rechtlichen Folgen abzumildern. Dabei stellt sich häufig die Frage, welche Anwaltskosten vom Betroffenen zu tragen sind. Oftmals sind die Gebühren Gegenstand kontroverser Diskussionen zwischen Anwälten und Behörden. Das vorliegende Urteil befasst sich eingehend mit der Problematik der angemessenen Vergütung für die Verteidigung in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren.
Unverbindliche Ersteinschätzung in Bußgeldverfahren
Stehen Sie vor rechtlichen Herausforderungen durch ein Bußgeldverfahren, wie zum Beispiel durch Verkehrsverstöße, die empfindliche Konsequenzen nach sich ziehen können? Wir verstehen die Komplexität und emotionale Belastung, die solche Situationen mit sich bringen. Als erfahrene Experten im Verkehrsrecht bieten wir Ihnen fundierte Beratung, um Ihre rechtlichen Optionen sorgfältig zu prüfen und die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Fordern Sie jetzt Ihre unverbindliche Ersteinschätzung an und treffen Sie eine informierte Entscheidung, die entscheidend sein könnte, um Ihre rechtlichen Herausforderungen effektiv zu bewältigen.
✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Leipzig
Rechtliche Auseinandersetzung im Bußgeldverfahren um Verteidigerkosten
In einem aktuellen Verfahren am Amtsgericht Leipzig wurde der Streitfall um die Anrechnung von Anwaltsgebühren im Kontext eines straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahrens verhandelt. Der Fall dreht sich um einen qualifizierten Rotlichtverstoß, der ursprünglich mit einer Geldbuße von 200 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat sanktioniert werden sollte. Diese Verkehrsordnungswidrigkeit könnte auch zu zwei Punkten im Fahreignungsregister (FAER) führen. Der beteiligte Verteidiger, der sich nach Erhalt des Bußgeldbescheides für den Betroffenen einsetzte, legte form- und fristgerecht Einspruch ein und machte auf die drohende Verfolgungsverjährung aufmerksam, was schließlich zur Einstellung des Verfahrens führte. Nachdem die Ordnungsbehörde das Verfahren eingestellt hatte, beantragte der Verteidiger eine Entscheidung zur Übernahme seiner Kosten durch die Staatskasse.
Gerichtliche Überprüfung und Urteilsfindung
Die rechtliche Kernfrage bestand in der Angemessenheit der vom Verteidiger geforderten Mittelgebühr von 598,67 Euro, welche von der Bußgeldbehörde auf 454,58 Euro reduziert wurde. Die Behörde argumentierte, dass die Gebühren aufgrund der Natur des Massenverfahrens und der geringen rechtlichen sowie tatsächlichen Schwierigkeiten zu kürzen seien. Der Verteidiger widersprach dieser Einschätzung und verwies auf seinen umfangreichen Einsatz, einschließlich der Auseinandersetzung mit dem Messsystem und der erfolgreichen Vermeidung eines Hauptverfahrens durch das Aufzeigen der Verfolgungsverjährung.
Das Amtsgericht Leipzig entschied zugunsten des Verteidigers und hob den Kostenfestsetzungsbescheid der Bußgeldbehörde auf. Die Richter folgten der Argumentation des Verteidigers, dass seine Tätigkeit umfangreich und die Mittelgebühr gerechtfertigt sei. In ihrer Urteilsbegründung bezogen sie sich auf die Rahmengebühr nach § 14 RVG, die unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit zu bestimmen ist.
Begründung des Gerichts und rechtliche Erwägungen
Das Gericht stellte klar, dass in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr anzusetzen ist, außer es liegen besondere Gründe vor, die eine Abweichung rechtfertigen würden. Solche Gründe sahen die Richter im vorliegenden Fall jedoch nicht. Vielmehr betonten sie, dass der Verteidiger nicht nur formale Schritte wie die Akteneinsicht unternahm, sondern auch proaktiv die Verjährung prüfte und erfolgreich abwehrte, was eine Hauptverhandlung und damit weitere Kosten und Aufwand verhinderte. Die tatsächliche und rechtliche Komplexität der Materie sowie der erfolgreiche Ausgang des Verfahrens rechtfertigten daher die vollständige Erstattung der geltend gemachten Gebühren.
Kostenübernahme und rechtliche Folgen
Abschließend wurde bestimmt, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Staatskasse zu tragen sind. Diese Entscheidung basiert auf den rechtlichen Bestimmungen der §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473, 467 StPO, die eine Kostenübernahme durch die Staatskasse vorsehen, wenn der Betroffene in einem Verfahren obsiegt oder das Verfahren eingestellt wird. Der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig stellt somit die Rechte des Verteidigers sicher und sorgt für eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten im Kontext von Bußgeldverfahren.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Amtsgericht Leipzig hat entschieden, dass im vorliegenden Fall die Mittelgebühr für den Verteidiger im Bußgeldverfahren angemessen ist. Ausschlaggebend hierfür waren der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, insbesondere die erfolgreiche Durchsetzung der Verfolgungsverjährung. Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Bemessung von Anwaltsgebühren im Bußgeldverfahren nicht nur die Art des Vergehens, sondern auch die konkreten Tätigkeiten des Verteidigers berücksichtigt werden müssen.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Anwaltskosten in Bußgeldverfahren
Was bestimmt die Höhe der Anwaltsgebühren in Bußgeldverfahren?
Die Höhe der Anwaltsgebühren in Bußgeldverfahren wird durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt und richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Zu den wichtigsten Faktoren gehören der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten.
Im Allgemeinen wird in Bußgeldverfahren oft von einer sogenannten Mittelgebühr ausgegangen, die als Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung dient. Diese Mittelgebühr kann jedoch je nach den spezifischen Umständen des Falles angepasst werden. Beispielsweise kann bei einer durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung eine niedrigere als die Mittelgebühr angemessen sein.
Die konkrete Gebühr wird innerhalb eines Rahmens festgelegt, der durch das RVG vorgegeben ist. Dieser Rahmen ermöglicht es, die Gebühr nach oben oder unten anzupassen, abhängig von der Komplexität des Falles und der Bedeutung für den Mandanten. Die Anpassung der Gebühr erfolgt unter Berücksichtigung der Kriterien aus § 14 RVG, welche die Angemessenheit der Gebühren regeln.
In der Praxis bedeutet dies, dass die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in Bußgeldverfahren nicht starr sind, sondern flexibel gehandhabt werden können, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden.
Welche Kosten können dem Betroffenen im Falle eines Bußgeldverfahrens entstehen?
Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens können dem Betroffenen verschiedene Kosten entstehen, die sich aus Anwaltskosten, Gerichtskosten und weiteren möglichen Auslagen zusammensetzen. Diese Kosten variieren je nach Komplexität des Falls, der Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung und dem Verlauf des Verfahrens.
Anwaltskosten
Die Anwaltskosten im Bußgeldverfahren richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und können je nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten variieren. In der Regel wird bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten eine sogenannte Mittelgebühr angesetzt, die jedoch je nach den spezifischen Umständen des Falles angepasst werden kann. Die Mittelgebühr dient als Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung, kann aber in Abhängigkeit von der Komplexität und Bedeutung des Falles nach oben oder unten angepasst werden.
Gerichtskosten
Neben den Anwaltsgebühren fallen im Bußgeldverfahren auch Gerichtskosten an. Diese setzen sich aus reinen Gerichtsgebühren und anderen Kostenpositionen zusammen. Die Höhe der Gerichtsgebühren im Bußgeldverfahren ist relativ niedrig und bewegt sich im Bereich um 50 EUR. Allerdings können zusätzliche Kosten für Zeugen und Sachverständige entstehen, die für ihr Erscheinen vor Gericht Reisekosten und Zeitaufwand abrechnen können.
Weitere mögliche Auslagen
Zu den weiteren möglichen Auslagen gehören Kosten für die Akteneinsicht in die behördliche Bußgeldakte und Mehrwertsteuer auf die Anwaltskosten. Diese Auslagen können die Gesamtkosten eines Bußgeldverfahrens weiter erhöhen.
Erstattung der Kosten bei Freispruch
Wird der Betroffene in einem Bußgeldverfahren freigesprochen, werden ihm die notwendigen Auslagen einschließlich der Anwaltskosten vom Staat erstattet, es sei denn, er hat die Kosten durch sein Verhalten selbst verursacht. Eine Ausnahme besteht bei geringfügigen Bußgeldern bis zu zehn Euro, es sei denn, die Rechtslage ist besonders kompliziert und eine anwaltliche Beratung trotz Geringfügigkeit geboten.
Zusammenfassend können die Kosten eines Bußgeldverfahrens für den Betroffenen erheblich sein und hängen von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung und dem Verlauf des Verfahrens. Im Falle eines Freispruchs besteht jedoch die Möglichkeit, dass dem Betroffenen die Kosten erstattet werden.
Wie wird entschieden, ob die Kosten eines Bußgeldverfahrens von der Staatskasse übernommen werden?
Die Entscheidung, ob die Kosten eines Bußgeldverfahrens von der Staatskasse übernommen werden, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere vom Ausgang des Verfahrens und den spezifischen Umständen des Einzelfalls. Hier sind die wesentlichen Aspekte, die berücksichtigt werden:
1. Freispruch oder Verfahrenseinstellung
Wenn ein Betroffener in einem Bußgeldverfahren freigesprochen wird oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, trägt die Staatskasse grundsätzlich die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen. Dies ist in § 467 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Die notwendigen Auslagen können beispielsweise Anwaltskosten, Kosten für eingeholte Gutachten und andere im Verfahren entstandene Kosten umfassen.
2. Ausnahmen von der Kostenerstattung
Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen die Staatskasse die Kosten nicht übernimmt. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene das Verfahren selbst verursacht hat, beispielsweise durch falsche Angaben oder verspätetes Vorbringen entlastender Umstände, die er hätte früher vorbringen können. Auch wenn ein Verfahrenshindernis besteht, das eine Verurteilung verhindert, aber die Schuld des Betroffenen offensichtlich ist, kann von einer Kostenübernahme abgesehen werden.
3. Notwendigkeit und Angemessenheit der Auslagen
Die Übernahme der Kosten setzt voraus, dass die Auslagen notwendig und angemessen waren. Dies betrifft insbesondere die Höhe der Anwaltsgebühren und die Kosten für eventuelle Gutachten. Die Staatskasse erstattet in der Regel nur die gesetzlichen Gebühren, nicht jedoch darüber hinausgehende Honorare, die individuell vereinbart wurden.
4. Gerichtliche Entscheidung bei Streitigkeiten
Bei Unstimmigkeiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten kann der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung beantragen. Das Gericht prüft dann, ob die geltend gemachten Kosten notwendig und angemessen waren.
5. Besondere Umstände
In Fällen, in denen das Verfahren eine besondere Bedeutung für den Betroffenen hatte, beispielsweise wegen der Gefahr eines Fahrverbots und der damit verbundenen beruflichen Konsequenzen, können höhere Gebühren gerechtfertigt sein. Auch die Komplexität des Verfahrens kann eine Rolle spielen, etwa wenn umfangreiche Beweismittel beschafft oder spezielle rechtliche Fragen geklärt werden mussten.
Zusammenfassend hängt die Entscheidung über die Kostentragung durch die Staatskasse von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Ausgang des Verfahrens und der Notwendigkeit sowie Angemessenheit der entstandenen Kosten.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- §§ 108, 62 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Diese Paragraphen regeln die Zulässigkeit von Anträgen auf gerichtliche Entscheidungen gegen Bußgeldbescheide und sind hier relevant, weil der Verteidiger form- und fristgerecht einen solchen Antrag gestellt hat, um die Korrektur des Kostenfestsetzungsbescheides zu erreichen.
- § 14 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz): Dieser Paragraph bestimmt die Rahmengebühren für anwaltliche Leistungen und ist zentral für den Fall, da der Streit um die angemessene Höhe der Mittelgebühr für den Verteidiger hier nach diesem Gesetz entschieden wurde. Er berücksichtigt Faktoren wie den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit.
- §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473, 467 StPO (Strafprozessordnung): Diese Regelungen betreffen die Kostenübernahme durch die Staatskasse in gerichtlichen Verfahren. Sie sind hier anwendbar, da die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen letztlich von der Staatskasse übernommen wurden, was eine wichtige Entlastung für den Betroffenen darstellt.
- Verfolgungsverjährung gemäß OWiG: Dies ist ein wichtiger Aspekt im Rahmen von Bußgeldverfahren, da sie dazu führen kann, dass ein Verfahren nicht weiter verfolgt wird. Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger erfolgreich auf die drohende Verfolgungsverjährung hingewiesen, was zur Einstellung des Verfahrens führte.
- FAER (Fahreignungsregister): Dieses Register ist relevant für die Dokumentation von Verkehrssünden und den damit verbundenen Punkten, die sich aus Verkehrsordnungswidrigkeiten ergeben können. Im Kontext dieses Falls hätte der Rotlichtverstoß zu Punkten im FAER geführt, was langfristige Konsequenzen für den Betroffenen gehabt hätte.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Leipzig
AG Leipzig – Az.: 227 OWi 953/23 – Beschluss vom 07.08.2023
1. Auf den Antrag des Verteidigers des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der Bußgeldbehörde vom 2.5.2023 wird dieser mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Verteidiger die begehrte Vergütung i.H.v. 598,67 € zu zahlen ist.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
1. Der Verteidiger begehrt aus eigenem Recht die Korrektur des Kostenfestsetzungsbescheides vom 2.5.2023. Der Antrag ist nach §§ 108, 62 OWiG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet.
Zugrunde liegt ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, welches mit einer Geldbuße i.H.v. 200 € und einem Fahrverbot von 1 Monat zu ahnden wäre und bei Verurteilung 2 Punkte im FAER als mittelbare Folge mit sich bringen würde.
Der Verteidiger hat sich zunächst bestellt und Akteneinsicht begehrt (Bl. 9 d.A.) und gegen den am 13.10.2021 erlassenen Bußgeldbescheid (Bl. 24 d.A.) form- und fristgerecht am 20.10.2021 Einspruch eingelegt (Bl. 26 d.A.). Mit eingegangenem Schriftsatz vom 2.6.2022 hat der Verteidiger auf Verfolgungsverjährung hingewiesen (Bl. 27 d.A.) und nach Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung durch die Ordnungsbehörde (Bl. 28 d.A.) Kostengrundentscheidung (Bl. 29 d.A.) beantragt, die am 20. 9.2022 mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse auf Leipzig auferlegt werden.
Am 6.10.2022 hat der Verteidiger Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Die Höhe entspricht der obigen Tenorierung (Bl. 46, 46 Rückseite der Akte).
Mit Kostenbescheid vom 2.5.2023 hat die Bußgeldbehörde die Gebühren auf 454,58 € gekürzt: Grundgebühr 65 €, Verfahrensgebühr 110 €, so dass der Gesamtbetrag auf 454,58 € festgesetzt worden ist. Die Ordnungsbehörde setzte die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr herab, weil sie der Auffassung ist, das nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen sei. Es handele sich bei den Bußgeldverfahren im Straßenverkehr um Massenverfahren, das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei gerechtfertigt, er habe umfangreich vorgetragen.
2. Dem Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung ist der Erfolg nicht zu versagen. Er hat ein Anspruch auf Erstattung der von ihm begehrten Gebühren nach dem RVG.
Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (Amtsgericht Hamburg-Harburg, Beschluss vom 3.6.2021 – 621 OWiG 128/21, Rn. 12, juris).
Anzusetzen ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr (Amtsgericht München, Urteil vom 2.12.2019 – 213 C 16136/19; Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 54-57), Abweichung davon sind im Einzelfall denkbar.
Eine Abweichung nach unten, die zur Herabsetzung der Gebühren des Verteidiger führen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Bei der konkreten Tätigkeit des Verteidigers ist seine beantragte Mittelgebühr festzusetzen. Dieser hat sich nicht nur bestellt und formal Akteneinsicht beantragt, sondern hat sich auch darüber hinaus mit dem Messsystem befasst und nach Erlass des Bußgeldbescheides die Verfolgungsverjährung geprüft, und diese erfolgreich durchgesetzt, sodass auch ein Hauptverfahren vermieden werden konnte.
Vorliegend handelte es sich auch um einen qualifizierten Rotlichtverstoß, der für den Betroffenen erhebliche Konsequenzen hätte, wenn es zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen sind vorliegend unerheblich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473, 467 StPO.