AG Tübingen, Az.: 16 OWi 16 Js 7027/17
Urteil vom 13.06.2017
Der Betroffene wird wegen unerlaubter Nutzung eines Mobiltelefons in Tateinheit mit fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 65,- Euro verurteilt.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 22 StVO, 24 StVG, 19 OWiG
Wurden Sie ebenfalls mit zu hoher Geschwindigkeit gemessen?
Gründe
I.
Der Betroffene ist am … in geboren. Er ist verheirateter Rechtsanwalt und lebt in geordneten Verhältnissen in .
Er hält seit … einen Kleinwagen des Herstellers P, mit dem amtlichen Kennzeichen … Er legt jährlich 15.000 – 20.000 Kilometer als Fahrzeugführer zurück.
Im Fahreignungsregister finden sich keine Eintragungen.
II.
Am 13. Dezember 2016 fuhr der Betroffene in seinem Fahrzeug von T stadtauswärts in Richtung R auf der R Straße.
Auf Höhe … befindet sich eine stationäre Verkehrsüberwachungsanlage des Herstellers ESO, Typ ES 3.0. Das Regierungspräsidium T eichte die Anlage zuletzt am 1. Juni 2016. Die Eichung ist bis Dezember 2017 gültig.
Ein Mitarbeiter der Stadt T legte am 12. Dezember 2016 einen neuen Meßfilm ein, den der Mitarbeiter V der Stadt T am 19. Dezember 2016 um 9.57 Uhr entnahm. Es wurden 103.552 Fahrzeuge gemessen und 271 Verstöße festgestellt.
Als der Betroffene um 8.19 Uhr die Verkehrsüberwachungsanlage erreicht hatte, löste diese ein Foto aus. Die Anlage ermittelte eine Geschwindigkeit von 61 km/h.
Nach Abzug der Gerätetoleranz führte der Betroffene das Fahrzeug mit 58 km/h. Außerdem hielt er in der linken Hand ein Mobiltelefon an sein linkes Ohr.
Der Betroffene wußte, daß es nicht erlaubt ist, während des Fahrens ein Mobiltelefon zu benutzen, wenn man es dazu in der Hand halten muß. Außerdem war der Betroffene abgelenkt. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er erkennen und vermeiden können, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten.
Die Stadt T holte eine Halterabfrage vom zentralen Fahrzeugregister ein und erließ am 14. März 2017 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen wegen unerlaubter Nutzung eines Mobiltelefons und Geschwindigkeitsüberschreitung, wobei die Stadt dem Betroffenen eine Geschwindigkeit von 58 km/h vorwirft. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Verteidiger des Betroffenen Einspruch ein.
III.
Die Feststellungen sind nach der Hauptverhandlung erwiesen.
1.)
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Betroffenen.
2.)
Zur Sache hat der Betroffene keine weiteren Angaben gemacht, über seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft letztlich aber eingeräumt. Dies entnimmt das Gericht insbesondere der Behauptung, daß sich der Betroffene weniger gegen die Geschwindigkeitsübertretung als vielmehr gegen die vorgeworfene Nutzung des Telefons wende. Diese Aussage interpretiert das Gericht als Teileingeständnis hinsichtlich der Geschwindigkeitsübertretung.
Das Gericht ist nach Einsicht in die Lichtbilder Bl. 3 d. A. davon überzeugt, daß der Betroffene das Fahrzeug führte. Wegen der Einzelheiten bezieht sich das Gericht ausdrücklich gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die drei Lichtbilder Bl. 3 d. A. Obwohl von schlechter Qualität, ist der Betroffene auf den Lichtbildern zu erkennen. Ergänzend hat das Gericht nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StPO die Halterauskunft verlesen. Das auf den Lichtbildern abgebildete Kennzeichen ermöglicht die Zuordnung, daß der Betroffene Halter des gemessenen Fahrzeugs ist. Dies und das Lichtbild überzeugen das Gericht davon, daß der Betroffene das Fahrzeug führte.
3.)
Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte im standardisierten Meßverfahren, so daß es ausreicht, wenn das Gericht den Gerätetyp und das Meßergebnis mitteilt. Diese ergeben sich aus dem nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesenen Meßprotokoll und Meßergebnis wie folgt:
Verwendetes Meßgerät: ESO ES 3.0 Matrix, Gerätenummer 5478
Festgestellte Geschwindigkeit; 61 km/h.
Vorgeworfene Geschwindigkeit: 58 km/h.
Der Toleranzabzug von 3 km/h ist bei Geräten dieses Typs ausreichend, um Meßungenauigkeiten zu begegnen. Das Gerät war ausweislich des nach § 249 StPO verlesenen Eichscheins auch gültig geeicht. Das Meßprotokoll, das das Gericht nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen hat, läßt keine Auffälligkeiten am Meßbetrieb erkennen.
Damit ist das Gericht von einer vorschriftsmäßigen Messung überzeugt.
4.)
Nach Einsicht in die Lichtbilder Bl. 3 und 6 ist das Gericht davon überzeugt, daß der Betroffene ein Mobiltelefon genutzt hat. Wegen der Darstellungen nimmt das Gericht gemäß §§ 46 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 3 und 6 Bezug.
Die Lichtbilder zeigen jeweils den Betroffenen von rechts vorne. Die linke Hand hält ein quaderförmigen dunklen Gegenstand. Daumenansatz und kleiner Finger sind zu erkennen, die übrigen Finger durch den Gegenstand verdeckt. Vom quaderförmigen Gegenstand ist die untere Breitseite vollständig zu erkennen, von der Längsseite nur ein Teil der Oberseite. Der Rest ist durch das Gesicht verdeckt.
Damit hält der Betroffene den Gegenstand an den Bereich des linken Ohres. Diese Haltung ist aus Sicht des Gerichts geradezu typisch für eine Telefonhaltung. Es mag auch andere Gegenstände geben, die sich ein Fahrzeugführer an diese Stelle hält, etwa einen Rasierapparat. Doch hält es das Gericht für ausgeschlossen, daß sich der Betroffene während der Fahrt rasiert. Der Betroffene kann nämlich die linke Gesichtshälfte nicht im Spiegel einsehen und sich schon daher nicht vernünftig rasieren.
Das Gericht hält es auch für ausgeschlossen, daß der Betroffene ein Diktiergerät benutzt hat. Zwar zeigte er über seinen Verteidiger in der mündlichen Verhandlung ein mobiles Diktiergerät, so daß der Betroffene möglicherweise tatsächlich über ein entsprechendes Gerät verfügt. Das Lichtbild ist undeutlich und läßt eine genauere Beschreibung des Gegenstands nicht zu.
Das in der Verhandlung gezeigte Diktiergerät war schwarz und ähnelt den in der Justiz verwendeten Modellen „Philips Digital Pocket Memo“, insbesondere hatte es einen vergleichbaren Bedienschalter auf der rechten Seite. Auch dieses Gerät hält der Nutzer aber nicht ans Ohr. Vielmehr hält es der Nutzer grundsätzlich vor den Mund, um etwas zu diktieren. Zum Abhören ist es ebenfalls nicht erforderlich, das Gerät ans Ohr zu halten, da die Wiedergabe über Lautsprecher erfolgt. Nur beim Telefon kann der Schall vom Nutzer dagegen in der Regel ausschließlich unmittelbar am Ohr empfangen werden. Dies gebietet das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), während beim Diktat das Fernmeldegeheimnis nicht betroffen ist und somit die Wiedergabe über Lautsprecher erfolgen kann.
Weil der Betroffene ein Gerät unmittelbar ans Ohr hält, ist das Gericht davon überzeugt, daß es sich um ein Telefon handelt. Dieses wird auch genutzt, sonst hielte es der Betroffene nicht ans Ohr.
IV.
Der Betroffene hat ein Mobiltelefon genutzt, indem er es während der Fahrt halten mußte, und somit gegen § 23 Abs. 1a StVO verstoßen. Der Verstoß ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO bußgeldbewehrt.
Der Betroffene hat zeitgleich die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften (50 km/h) um 8 km/h überschritten und somit gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen. Dieser Verstoß ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO bußgeldbewehrt.
Beide Verstöße stehen in Tateinheit, § 19 OWiG.
Der Betroffene hat einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO mindestens in Kauf genommen, als er das Mobiltelefon aufnahm. Als aufmerksamer Fahrer hätte er erkennen und vermeiden können, innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, etwa indem er nicht telefoniert hätte.
Das Gericht hält ebenso wie die Verwaltungsbehörde eine Ahndung für geboten.
V.
Als Rechtsfolge sieht § 24 StVG eine Geldbuße bis 2.000,- Euro vor.
Der Bußgeldkatalog sieht für die unerlaubte Nutzung eines Mobiltelefons eine Geldbuße von 60,- Euro und für die Geschwindigkeitsübertretung eine Geldbuße von 15,- Euro vor (Ziffern 246.1, 11.3.1. BKatV).
Das Gericht folgt der Entscheidung der Verwaltungsbehörde und erhöht die höhere Einzelbuße moderat. Die Geldbuße von 65,- Euro erscheint tat- und schuldangemessen.
VI.
Als Verurteilter trägt der Betroffene die Kosten des Verfahrens, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 StPO.