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Löschung von Daten aus Ordnungswidrigkeitsverfahren

VG Wiesbaden weist Klage ab

Ein Mann begehrt die Löschung seiner Daten aus einem Ordnungswidrigkeitsverfahren aus dem Jahr 2013. Damals wurde gegen ihn ein Bußgeldbescheid mit Fahrverbot wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung festgesetzt. Obwohl der Bescheid rechtskräftig wurde, trat der Mann das Fahrverbot nicht an und verlangt nun, dass die Daten aus dem Verfahren gelöscht werden. Der Verwaltungsgerichtshof Wiesbaden entschied jedoch, dass die Löschung nicht erfolgen kann, solange das Fahrverbot nicht vollstreckt wurde.

Direkt zum Urteil Az: 6 K 60/21.WI springen.

Weigerung, Löschfrist anzuerkennen

Der Kläger wandte sich an das zuständige Regierungspräsidium Kassel und machte unter anderem die Verletzung seines Auskunftsrechts geltend. Die Behörde gewährte ihm zwar eine vollständige Auskunft über die gespeicherten Daten, verweigerte jedoch die Löschung. Als Begründung wurde angeführt, dass die Löschfrist bezüglich der Bußgeldakte erst mit Abschluss des Verfahrens zu laufen beginne. Da der Kläger das Fahrverbot jedoch nicht angetreten und die Vollstreckung somit noch nicht abgeschlossen sei, könne die Löschung nicht erfolgen.

Keine Vollstreckungsverjährung vorgesehen

In dem Urteil vom 13.08.2021 (Az.: 6 K 60/21.WI) stellte der Verwaltungsgerichtshof Wiesbaden fest, dass es keine Vollstreckungsverjährung in Bezug auf das Fahrverbot nach § 25 StVG gibt. Die Verbotsfrist laufe erst ab dem Tag, an dem der Führerschein in die amtliche Verwahrung gelange. Dies sei bislang nicht geschehen, weshalb die Löschung der Daten aus dem Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht erfolgen könne.

Klage abgewiesen und Kostenauferlegung

Das Gericht wies die Klage des Mannes ab und entschied, dass er die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Außerdem wurde das Urteil hinsichtlich der Kosten als vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte vor der Vollstreckung keine Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Fazit: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Wiesbaden stellt klar, dass eine Löschung von Daten aus Ordnungswidrigkeitsverfahren nur erfolgen kann, wenn das Verfahren vollständig abgeschlossen ist, also auch das Fahrverbot vollstreckt wurde.


Das vorliegende Urteil

VG Wiesbaden – Az.: 6 K 60/21.WI – Urteil vom 13.08.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt letztendlich die Löschung seiner Daten aus einem Ordnungswidrigkeitsverfahren aus dem Jahre 2013.

Bezüglich des Klägers wurden am 22.7.2013 in F eine Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Fahrzeug xyz festgestellt und gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid mit Fahrverbot, der ihm am 26.10.2013 zugestellt worden war, festgesetzt. Das Einspruchsverfahren endete mit der Verwerfung des Einspruchs durch das zuständige Amtsgericht. Spätestens zum 12.6.2014 ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden. Bis zum heutigen Tage hat der Kläger das gegen ihn verhängte Fahrverbot von einem Monat nicht angetreten. Der Kläger verlangt nun die Löschung seiner Daten aus diesem Bußgeldverfahren.

Insoweit wandte er sich zunächst an die zuständige Bußgeldstelle, das Regierungspräsidium Kassel, und erstmals mit Fax vom 4.3.2019 an den Beklagten. Dabei machte er auch die Verletzung von Auskunftsrecht gelten. Eine Löschung seiner Daten sei bis heute nicht erfolgt. Die Behörde gebe an, dass eine Verjährung der Angelegenheit bis heute nicht eingetreten sei. Er begehre jetzt, dass das Bußgeldverfahren mit dem Geschäftszeichen 983……. endgültig gelöscht werde.

Nach diversesten Schriftwechseln erteilte das Regierungspräsidium Kassel dem Kläger eine vollständige Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten. Eine Löschung der Daten wurde jedoch verweigert, da die Löschfrist bezüglich der Bußgeldakte erst mit Abschluss des Verfahrens zu laufen beginne. Vorliegend sei das Fahrverbot jedoch noch nicht vollstreckt worden. Das Fahrverbot gemäß § 25 StVG werde dadurch vollstreckt, dass der Führerschein in amtliche Verwahrung genommen werde. Eine Vollstreckungsverjährung sei nicht vorgesehen. Die Verbotsfrist laufe erst ab dem Tage, an dem der Führerschein in die amtliche Verwahrung gelange. Dies sei vorliegend bis heute nicht geschehen.

Der Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit Verfügung vom 22.12.2020 mit, dass er den Auskunftsanspruch als erfüllt ansehe. Da die Vollstreckung des Fahrverbotes seitens der zentralen Bußgeldstelle noch nicht abgeschlossen sei, könne sich der Löschungsanspruch allenfalls aus einer Abwägungsüberlegung ergeben, die den Datenbestand beim Regierungspräsidium Kassel gegenüber dem Sanktionsanspruch des Staates ins Verhältnis setzte. Eine Verwirkung der Vollstreckung des Fahrverbots aufgrund einer Verfahrensdauer sei gesetzlich nicht geregelt und könne sich auch nicht aus allgemeinen Rechtsgedanken ergeben. Ein Löschungsanspruch nach § 58 Abs. 2 BDSG sei nicht gegeben. Denn der Antritt des Fahrverbots stehe im zeitlichen Zusammenhang mit der Rechtskraft des Bußgeldbescheides. Wäre das Fahrverbot vollstreckt, könne der Datenbestand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gelöscht werden. Ein Abschluss des Verfahrens als solches sei aber nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund sehe der Beklagte derzeit kein Anspruch auf Löschung der Daten des Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 18.1.2021, eingegangen per Fax am selben Tage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden, hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass bereits eine Befugnisnorm zum Erheben der Daten nicht gegeben sei. Bezüglich des Ordnungswidrigkeitenverfahrens sei Vollstreckungsverjährung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 OWiG eingetreten. Die Vollstreckungsverjährung verhindere die Ausführung von Strafen oder Maßnahmen, weshalb nicht mehr vollstreckt werden dürfe. Es bestehe ein Anspruch auf Vergessen. Es sei zwar zutreffend, dass nach dem Gesetz eine Nebenstrafe wie das Fahrverbot laut Gesetz nicht verjähren könne. Aber es verjähre die Vollstreckung der Ordnungswidrigkeit, was erst recht zur Verjährung der Nebenstrafe, also des Fahrverbots führe. Werde die Hauptstrafe gelöscht, so sei auch die Nebenstraße zu löschen.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der angeforderte Verwaltungsakt des Beklagten in der Subsumtion auf der Verletzung des Rechts des Klägers beruht und

festzustellen, dass der Bescheid an besonders schwerwiegenden Fehlern leidet, was bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommende Umstände offensichtlich sei.

Ferner wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides des Beklagten beantragt.

Hilfsweise wird beantragt, die Nichtigkeit im Sinne des § 44 VwVfG festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass dem Auskunftsanspruch des Klägers nunmehr durch das Regierungspräsidium Kassel vollumfänglich entsprochen worden sei. Der Auskunftsanspruch ergebe sich aus § 57 BDSG i.V.m. § 500 StPO.

Eine Löschung des Vorganges komme nicht in Betracht, da das Verfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Denn das zugrunde liegende Fahrverbot aus dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 983….. sei noch nicht vollstreckt worden. Ein Löschungsanspruch nach § 58 Abs. 2 BDSG liege insoweit nicht vor. Der Anspruch auf Löschung bestehe dann, wenn die betreffende Datenverarbeitung unzulässig sei, deren Kenntnisnahme für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sei oder diese zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müsse. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Kläger verlängere das Fahrverbot selbst, wenn er den Führerschein nicht bei der Verwaltungsbehörde abgebe. Die Verwaltungsbehörde könne ohne zeitliche Begrenzung die Beschlagnahme des Führerscheines versuchen.

Der Kläger hat sich ursprünglich durch den Verein Y vertreten lassen. Mit Beschluss vom 5.5.2021, ist der Verein Y als Bevollmächtigter des Klägers zurückgewiesen worden.

Mit weiterem Beschluss vom 13.4.2021 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden.

Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung am 13.8.2021 nicht erschienen. Am 12.8.2021 teilte der Kläger per Fax mit, dass er sich „seit heute Nacht in Quarantäne befinde“. Der Aufforderung des Gerichtes, die Quarantäne glaubhaft zu machen, mitzuteilen wer die Quarantäne angeordnet hat und den Quarantänebescheid vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie einen Heftstreifen Behördenakte Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung des Bescheides des Beklagten und eine Neubescheidung begehrt. Die so zu verstehende Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zulässig, denn der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde ein Einschreiten des Beklagten gegen das Regierungspräsidium Kassel als zentrale Bußgeldstelle.

Bei der Entscheidung des Beklagten, nicht zugunsten des Klägers gegen die zentrale Bußgeldstelle einzuschreiten, handelt sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Abs.1 HVwVfG. Der Beklagte wertet sein Schreiben vom 22.12.2020 an den Beklagten selbst als Verwaltungsakt und hat ihn mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Gemäß § 35 Abs. HVwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahmen, die eine Behörde zur Regelung des Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dies ist vorliegend der Fall (offengelassen: OVG Koblenz, Urteil vom 26.10.2020, Aktenzeichen 10 A 10613/20, Rn. 29 – nach juris; obwohl das OVG Koblenz selbst von einem „rechtsverbindlichen Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 DS-GVO, hier Art. 53 Abs. 1 Richtlinie (EU) 2016/680 ausgeht).

Der Kläger ist Adressat des „rechtsverbindlichen Beschlusses“ des Beklagten, mithin des Verwaltungsaktes und damit klagbefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO entfällt, da es sich bei dem Beklagten um eine oberste Landesbehörde handelt (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 1 HDSIG).

Die Monatsfrist zur Klageerhebung ist gewahrt.

Richtiger Klagegegner ist gemäß § 19 Abs. 1 und 2 HDSIG i.V.m. § 20 Abs. 5 Nummer 2 BDSG der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Er ist vorliegend die zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 41 Richtlinie (EU) 2016/680 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 6 HDSIG. Denn nach § 500 Abs. 2 Nr. 2 StPO tritt an die Stelle des Bundesbeauftragten der Landesdatenschutzbeauftragte.

Der hessische Beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ist gemäß § 19 Abs. 3 HDSIG auch beteiligtenfähig, wenn es um eine Streitigkeit zwischen einer natürlichen Person und einer Aufsichtsbehörde über die Rechte gemäß § 60 BDSG (§ 56 HDSIG) geht. Gemäß § 60 Abs. 1 BDSG (§ 56 Abs. 1 HDSIG) kann jede natürliche oder juristische Person unbeschadet anderer Rechtsbehelfe gerichtlich gegen die sie betreffende verbindliche Entscheidung des hessischen Datenschutzbeauftragten vorgehen.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist auch gemäß § 19 Abs. 2 HDSIG i.V.m. § 20 Abs. 2 und 3 BDSG örtlich zuständig.

Die insoweit zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 22.12.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten des Beklagten gegen das Regierungspräsidium Kassel.

Da bei Bußgeldverfahren die Strafprozessordnung Anwendung findet (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG) findet nach § 500 StPO für öffentliche Stellen der Länder (hier das Regierungspräsidium Kassel als zentrale Bußgeldbehörde) der Teil 3 des BDSG Anwendung, allerdings mit der Maßgabe, dass der Landesdatenschutzbeauftragte als Aufsichtsbehörde an die Stelle des Bundesbeauftragten für den Datenschutz tritt (§ 500 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Auf die entsprechenden Landesnormen kommt es insoweit vorliegend nicht an.

Gemäß § 60 Abs. 1 BDGS kann sich jede betroffene Person unbeschadet anderweitiger Rechtsbehelfe mit einer Beschwerde an den hessischen Datenschutzbeauftragten wenden, wenn er der Auffassung ist, bei der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen zu den in § 45 BDSG genannten Zwecken in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Dabei hat der hessische Datenschutzbeauftragte – statt des Bundesbeauftragten – die betroffene Person über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde zu unterrichten und hierbei auf die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsschutzes nach §§ 60 Abs. 1 S. 2, 61 BDSG hinzuweisen.

Soweit in der Rechtsprechung die Meinung vertreten wird, dass eine Bearbeitung der Beschwerde am Prüfungsmaßstab für Petitionen zu messen sei, also die Bearbeitung der Beschwerde als angemessen anzusehen sei, wenn der Beklagte den Sachverhalt ermittelt und seine rechtliche Bewertung bezogen auf das dem Beschwerdevorbringen wie auch auf dem Beschwerdegegenstand nicht lediglich floskelhaft begründet und dieses Ergebnis dem Beschwerdeführer mitteilt (in diesem Sinne OVG Koblenz, Urteil vom 26.10.2020, Az. 10 A10613/20), so vermag dem das erkennende Gericht nicht zu folgen. Es reicht nach Art. 52 f. Richtlinie (EU) 2016/680 gerade nicht, dass sich die Behörde nur mit der Beschwerde befasst, dem Beschwerdegegenstand angemessen untersucht und über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet. Denn die hier aufgestellten Grundsätze entsprechend der einer Petition schränken das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde gemäß Art. 53 Richtlinie (EU) 2016/680 ein.

Soweit geltend gemacht wird, dass sich durch Art. 52 Richtlinie (EU) 2016/680 (entspricht Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) gegenüber dem alten Recht nichts geändert habe, so ist dies falsch. Zwar war in Art. 28 Abs. 4 Richtlinie 95/46/EG, ähnliches wie in Art. 52 Richtlinie (EU) 2016/680 (entspricht Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) geregelt gewesen und hier ein petitionähnliches Verfahren in Deutschland angenommen worden. Die Richtlinie 95/46/EG enthielt aber keine Forderung nach einem wirksamen Rechtsbehelf, wie dies nun der Fall ist (Art. 78 DS-GVO; Art. 53 Richtlinie (EU) 2016/680). Denn nun wird europarechtlich an den wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 GrCh angeknüpft (vgl. Art. 1 Abs. 2 DS-GVO und Art. 1 Abs. 2 Richtlinie (EU) 2016/680). Mithin hat der europäische Gesetzgeber zwischen wirksamem Rechtsbehelf und Petition (Art. 44 GrCh) deutlich unterschieden. Eine petitionsähnliche Behandlung würde jedenfalls nicht zu einem wirksamen Rechtsbehelf, sondern nur zu einem „irgendwie“ gearteten Rechtsbehelf führen.

Insoweit hätte das OVG Koblenz die Frage bezogen auf die Datenschutzgrundverordnung, hier Art. 78 Abs. 1 DS-GVO, in dem dort vorliegenden Fall dem Europäischen Gerichtshof zur endgültigen Klärung vorlegen müssen.

Mit dem von dem OVG Koblenz (Urteil vom 26.10.2020, Aktenzeichen 10 A 10613/20) beschrittenen Weg wird ein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde jedenfalls nicht gewährt. Soweit dadurch eine gerichtliche Überprüfung darüber, ob die Beschwerdeentscheidung inhaltlich zutreffend ist ausgeschlossen wird, wird gegen Europarecht verstoßen. Das Beschwerderecht des Betroffenen gemäß Art. 52 Richtlinie (EU) 2016/680 (entspricht Art. 77 Abs. 2 DS-GVO) unterliegt im Kontext der Forderung eines wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelfes gerade nicht einer nur eingeschränkten richterlichen Kontrolle.

Allerdings steht der Aufsichtsbehörde ein Beurteilungs- und ein Ermessensspielraum zu. Nach Art. 46 Abs. 1 lit. a) Richtlinie (EU) 2016/680 (Art. 57 Abs. 1 lit. a) DS-GVO) muss jede Aufsichtsbehörde die Anwendung der Richtlinie (EU) 2016/680 überwachen und durchsetzen. Art. 47 Richtlinie (EU) 2016/680 (Art. 58 DS-GVO) regelt die Befugnisse der Aufsichtsbehörde (in diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 14.06.2021, Az. C-645/19). Insoweit unterscheidet sich das Verfahren in keinster Weise von Verfahren baurechtlicher Nachbarstreitigkeiten. Auch hier hat die Bauaufsichtsbehörde den Sachverhalt vollständig zu ermitteln und im Rahmen des ihr obliegenden Einschreitermessens tätig zu werden. Dabei ist jedoch das Ermessen dann auf null reduziert, wenn unmittelbare Nachbarrechte (zum Beispiel nachbarschützende Grenzabstände) verletzt worden sind. Insoweit spricht vorliegend nicht das geringste dagegen, die Beschwerdeverfahren gegen die Aufsichtsbehörde nach der Richtlinie (EU) 2016/680 bzw. DS-GVO bei einer drittbetroffenen Behörde – verantwortlichen Stelle – genauso zu behandeln, wie dies jahrzehntelange Praxis der Verwaltungsgerichte im Baurecht ist.

Dies zugrunde gelegt ist vorliegend festzustellen, dass der Beklagte den Sachverhalt vollumfänglich ermittelt und aufgeklärt hat. Dabei hat er auch dafür gesorgt, dass der Auskunftsanspruch des Klägers vollumfänglich erfüllt worden ist.

Im Übrigen besteht ein gerichtlich, im Wege der Verpflichtungsklage, durchsetzbarer Anspruch auf Einschreiten des Beklagten gegen das Regierungspräsidium Kassel als zentrale Bußgeldstelle nur, wenn das Einschreitermessen, also das behördliche Ermessen hinsichtlich des „Ob“ des Einschreitens gegen die Bußgeldbehörde, auf null reduziert ist.

Dies ist vorliegend nicht gegeben. Die Behörde hat neben der umfassenden Ermittlung des Sachverhaltes auch die Rechtslage vollständig erfasst und die anzuwendenden geltenden Normen in nicht zu beanstander Weise angewendet. Dabei hat der Beklagte herausgearbeitet, dass zwar der Bußgeldanspruch verjährt ist, die Nebenstrafe aufgrund des Konstruktes des Gesetzgebers jedoch nicht. Solange die Nebenstrafe nicht verjährt ist, hat die Verwaltungsbehörde auch die entsprechende Information zur Vollstreckung der Nebenstrafe vorrätig zu halten, mithin die Bußgeldakte. Insoweit hat der Beklagte den Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass wegen der fehlenden Vollstreckung des Fahrverbotes ein Löschungsanspruch gegen das Regierungspräsidium Kassel nicht besteht, mithin auch kein Grund zu einer Anordnung des Beklagten gegen das Regierungspräsidium Kassel besteht.

Dass der Beklagte dabei die Problematik der Anwendung des Geltungsbereiches der Richtlinie (EU) 2016/680 in Verbindung mit § 45 BDSG bezüglich der Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht weiter problematisiert hat, ist im Rahmen seiner Ermessensausübung in dem vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn hierzu fehlen Ausführungen des Klägers vollständig, so dass die Aufsichtsbehörde auch nicht im Ansatz aufgrund des Beschwerdevorbringens verpflichtet gewesen wäre, in eine Prüfung einzutreten, ob und inwieweit Ordnungswidrigkeiten (Verkehrsordnungswidrigkeiten) nach der Entkriminalisierung in den siebziger Jahren als Verwaltungsunrecht überhaupt von der Richtlinie (EU) 2016/680 erfasst sind. Im Gegenteil, die Aufsichtsbehörde hat den Kläger darauf hingewiesen, dass ihres Erachtens die DS-GVO gerade keine Anwendung findet, da insoweit der nationale Gesetzgeber mit § 45 BDSG bestimmt hat, dass Ordnungswidrigkeiten unter den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 sollen. Dem geltenden Recht ist der Kläger nicht entgegengetreten.

Mithin ist die Entscheidung des Beklagten, vorliegend nicht einzuschreiten, nicht zu beanstanden. Das Ermessen wurde im Rahmen der geltenden Gesetze ordnungsgemäß ausgeübt. Erst recht liegt keine Ermessensreduzierung auf null vor.

Dies mit der Folge, dass die Klage abzuweisen war. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 706 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.

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