Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 9/20 – Urteil vom 10.12.2020
I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 18.12.2019 (Aktenzeichen 9 O 138/16) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.985,76 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 465,65 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016, zu zahlen.
2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 900 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 36 v. H. und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 64 v. H. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 23 v. H. und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 77 v. H.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Am Freitag, dem 18.03.2016, gegen 16.15 Uhr ereignete sich auf der BAB 6 hinter der Grumbachtalbrücke im dreispurigen Bereich in Fahrtrichtung Saarbrücken auf der mittleren Fahrspur bei vorherrschendem starkem Verkehr ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Fahrerin, Halterin und Eigentümerin des Pkw Suzuki Swift mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX XXX und der Pkw Peugeot 306 mit dem französischen Kennzeichen XX XXX XX, versichert bei der französischen pp. Assurances geführt von der Zeugin Frau C. L., einer französischen Staatsbürgerin, beteiligt waren. Der Pkw Peugeot 306 stand im Unfallzeitpunkt auf der mittleren Fahrspur. Die Klägerin, welche die Autobahn ebenfalls in Richtung Saarbrücken auf der mittleren Spur befuhr, prallte frontal gegen das stehende Kraftfahrzeug. Durch den Unfall wurde die Klägerin verletzt und befand sich vom 18. bis zum 21.03.2016 in stationärer Behandlung. Sie litt unter Übelkeit und hatte im Bereich der unteren Extremitäten schwere und schmerzhafte Schwellungen und Hämatome. Außerdem litt sie mehrere Wochen unter Druckschmerzen über beide Schienbeinvorderkanten und an heftigen Druckschmerzen im Sternum, wodurch auch ihre Beweglichkeit im Oberkörper eingeschränkt war. Im Zeitraum vom 19.03. bis zum 22.04.2016 war sie arbeitsunfähig erkrankt.
Der Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs der Klägerin belief sich auf 11.400 €, der Restwert auf 1.800 €. Für die Begutachtung wandte die Klägerin 1.064,16 € auf. Ihr entstand ein Kleiderschaden in Höhe von 79,99 €. Weiter fielen Abschleppkosten in Höhe von 632,83 € an. Der Beklagte zahlte an die Klägerin auf den Sachschaden 3.985,76 € und ein Schmerzensgeld in Höhe von 600 € und auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten 492,54 €.
Die Klägerin hat behauptet, vor ihr sei ein Pkw, der ihr die Sicht auf den stehenden Pkw versperrt habe, plötzlich nach links ausgeschert. Praktisch im gleichen Moment habe sie den stehenden Pkw gesehen. Auf Grund des Berufsverkehrs sei ihr ein Ausweichen auf eine andere Fahrspur nicht möglich gewesen. Sie hat (über den unstreitigen Schaden und eine Kostenpauschale in Höhe von 25 € hinaus) einen Nutzungsausfall für ihren Pkw von 35 € für 14 Tage, also 490 €, geltend gemacht. Ferner hat sie Ersatz für den Zuzahlungsbetrag für den Klinikaufenthalt in Höhe von 40 € und von pauschal 25 € für das Restbenzin im Tank ihres Pkw begehrt. Sie hält ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.800 €, abzüglich vorgerichtlich gezahlter 600 €, für angemessen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 12.282,64 € abzüglich bereits gezahlter 3.985,76 € und 492,54 €, mithin 7.804,34 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen und
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2016, abzüglich am 30.06.2016 gezahlter 600 €, zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, der Motor des Pkw der Zeugin C. L. sei plötzlich ausgegangen und das Fahrzeug habe an Geschwindigkeit verloren. Die Zeugin habe versucht, das Fahrzeug neu zu starten und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Ein Wechseln auf die rechte Fahrspur sei wegen des vergleichsweise starken Verkehrs nicht möglich gewesen. Die Zeugin C. L. und der Zeuge La. hätten sich hinter der Schutzplanke in Sicherheit gebracht und den nachfolgenden Verkehr durch Handzeichen gewarnt. Dies habe auch gut funktioniert, lediglich nicht bei der Klägerin, die offenbar unaufmerksam gewesen sei. Selbst wenn die Klägerin nicht hätte ausweichen können, so hätte sie doch ihr Fahrzeug ohne Weiteres durch eine einfache Bremsung vor dem Pkw der Zeugin C. L. zum Stillstand bringen können.
Eine Nutzungsausfallentschädigung sei nicht geschuldet, da die Klägerin verletzungsbedingt kein Fahrzeug habe führen können und weder eine Reparatur noch eine Ersatzbeschaffung vorgetragen worden sei. Das restliche Benzin im Tank des Pkw der Klägerin sei mit dem Wiederbeschaffungswert abgegolten. Ein Anspruch auf Erstattung der Zuzahlung für den stationären Aufenthalt bestehe nicht, da ersparte Aufwendungen mit 10 € täglich gegenzurechnen seien.
Das Landgericht hat die Klägerin als Partei angehört (Bd. I Bl. 130 d. A.) und Beweis erhoben gemäß dem Beschluss vom 14.12.2016 (Bd. I Bl. 111 f. d. A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 21.07.2017 (Bd. I Bl. 139 f. d. A.), gemäß dem Beschluss vom 07.06.2018 (Bd. II Bl. 275 d. A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 06.07.2018 (Bd. II Bl. 285 f. d. A.), gemäß dem Beschluss vom 26.07.2018 (Bd. II Bl. 293 f. d. A.) und gemäß dem Beschluss vom 28.06.2019 (Bd. II Bl. 358 f. d. A.). Mit dem am 18.12.2019 verkündeten Urteil hat das Landgericht unter Klageabweisung im Übrigen den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.873,18 € und ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 300 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug (Bd. II Bl. 394 ff. d. A.).
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung rügt die Klägerin, das Landgericht habe fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die Zeugen C. L. und La. völlig unzureichende Maßnahmen ergriffen hätten, um das liegengebliebene Fahrzeug zu sichern und um nachfolgende Kraftfahrer auf ihr Fahrzeug aufmerksam zu machen. In Bezug auf die Klägerin habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass deren Sicht auf das stehende Fahrzeug durch das vorausfahrende Fahrzeug verdeckt gewesen sei. Nach dem erstinstanzlich eingeholten verkehrstechnischen Gutachten seien keine Anhaltspunkte für eine Unaufmerksamkeit der Klägerin zu erkennen. Fehlerhaft sei zudem die Wertung des Landgerichts, das Auffahren der Klägerin auf das gegnerische Fahrzeug sei genauso schwerwiegend wie das Stehenbleiben auf der Autobahn.
Bezugnehmend auf die Ausführungen in der Klageschrift habe die Klägerin ihren Schaden in Höhe von 12.282,64 € geltend gemacht. Abzüglich der gezahlten 3.985,76 € und 492,54 € und der vom Landgericht zugesprochenen 1.873,18 € beantrage die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 5.931,16 €. In dem unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung von 600 € zuerkannten Schmerzensgeld von weiteren 300 € sehe die Klägerin keinen angemessenen Ausgleich für die durch den Unfall erlittenen Verletzungen. Angesichts der Schwere der Verletzungen, des Krankenhausaufenthalts und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit von fünf Wochen erscheine ein Schmerzensgeld von mindestens 1.800 € angemessen.
Die Klägerin beantragt (Bd. III Bl. 465 d. A.),
1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18.12.2019, Aktenzeichen 9 O 138/16, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.931,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen und
2. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18.12.2019, Aktenzeichen 9 O 138/16, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 900 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2016 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Erwägung des Landgerichts für falsch, eine Mithaftung des Beklagten von 50 v. H. ergebe sich daraus, dass die Zeugin C. L. das Fahrzeug nicht nach rechts gelenkt habe. Denn es sei überhaupt nicht absehbar gewesen, wie weit sie hätte kommen können, und unter Umständen hätte das Beklagtenfahrzeug dann quer gestanden und sogar zwei Fahrspuren teilweise blockiert. Im Übrigen verteidigt der Beklagte die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 20.02.2017 (Bd. I Bl. 124 f. d. A.), vom 04.05.2017 (Bd. I Bl. 129 f. d. A.), vom 07.06.2018 (Bd. II Bl. 274 f. d. A.), vom 26.07.2018 (Bd. II Bl. 298 ff. d. A.) und vom 01.12.2019 (Bd. II Bl. 391 f. d. A.) und des Senats vom 26.11.2020 (Bd. III Bl. 529 f. d. A.) sowie die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (Aktenzeichen 20 Js 666/16), welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO insoweit begründet, als die Klägerin an dem Unfall vom 18.03.2016 nur ein Mithaftungsanteil von 25 v. H. trifft und ihr unter Berücksichtigung aller Umstände ein restliches Schmerzensgeld in Höhe von 900 € zusteht.
1. Auszugehen ist davon, dass beide Parteien grundsätzlich für die Folgen des Unfallgeschehens gemäß den hier nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO anzuwendenden §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG – der beklagte Verein gemäß §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 AuslPflVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG – einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind und die Ersatzpflicht auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVO ausgeschlossen ist, weil der Unfall offenkundig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist; schließlich lassen sich die Voraussetzungen, unter denen der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist (§ 17 Abs. 3 StVG), nicht feststellen. Auch der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG zum Ausschluss der Ersatzpflicht der Fahrerin erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht worden ist, ist nicht geführt. Da nach Aktenlage das liegengebliebene Fahrzeug ohne vorherige Untersuchung und Dokumentation verschrottet wurde (vgl. Bd. III Bl. 509 d. A.), ist nicht mehr zu klären, ob als Ursache für das Liegenbleiben ausschließlich ein technischer Fehler oder z. B. ein von der Zeugin C. L. als Fahrerin zu verantwortender Kraftstoffmangel in Betracht kommt. Die Zeugin C. L. hat im Rahmen ihrer Vernehmung im Wege der Rechtshilfe nicht sagen können, weshalb der Motor plötzlich ausgegangen sei (Bd. II Bl. 231 d. A.). Überdies hat keine Unfallbeteiligte entsprechend der nachfolgenden Ausführungen den Nachweis erbracht, dass sie sich verkehrsrichtig verhalten hat; denn für eine exakte Weg-Zeit-Betrachtung fehlt es nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Begutachtung insbesondere an gesicherten Anhaltspunkten für die Ausgangsgeschwindigkeit der Klägerin und den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der somit vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 2007, 506, 507 Rn. 18; 2012, 1953, 1954 Rn. 5; Senat OLGR 2009, 394; NJW-RR 2017, 350, 351 Rn. 37).
a) Auf Seiten des Beklagten ist in die Haftungsabwägung – nur – die durch das Stehen auf der mittleren Fahrspur der Autobahn gesteigerte Betriebsgefahr einzustellen.
aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Zeugin C. L. kein Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO anzulasten, der das Halten auf Autobahnen verbietet. Halten ist nach der Verwaltungsvorschrift zu § 12 Abs. 1 StVO und herrschender Auffassung eine gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlasst ist (OLG Düsseldorf NZV 2000, 339; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. (2020) § 18 Rn. 22 in Verbindung mit § 12 Rn. 3). Demnach hält nicht, wer auf Grund einer Betriebsstörung liegen bleibt (KG VRS 66, 153; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, aaO § 12 Rn. 4). Aus einem solchen Liegenbleiben wird auch nicht allein dadurch ein Halten im Sinne des § 18 Abs. 8 StVO, dass das liegengebliebene Fahrzeug länger als nötig auf der Autobahnspur belassen wird (Cramer, Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. (1977) § 18 Rn. 92). Auf der Grundlage der nicht zu widerlegenden Einlassung des Beklagten und der ebenfalls nicht zu widerlegenden Zeugenaussagen C. L. und La., es habe ein (ungeklärter) technischer Defekt vorgelegen, kann eine gewollte Fahrtunterbrechung, die Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO wäre, nicht angenommen werden. Auch die von der Berufung angeführte – nicht nachzuweisende – unzureichende Betankung und nicht ordnungsgemäße Beladung (Bd. III Bl. 468, 510 d. A.), ändern nichts daran, dass es sich – angesichts der durch das Stehenbleiben auf der mittleren Spur eingetretenen Gefahr für Leib und Leben – offensichtlich um eine nicht gewollte Fahrtunterbrechung handelte.
bb) Darüber hinaus vermag der Senat den an § 18 Abs. 8 StVO angeknüpften Ausführungen des Landgerichts, wonach die Zeugin C. L. nach rechts hätte lenken müssen (Bd. II Bl. 400 d. A.), nicht zu folgen.
(1) Zunächst ist festzuhalten, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Kraftfahrer, dessen Wagen auf der Überholspur der Bundesautobahn zum Halten kommt, zum sofortigen Freimachen der Fahrbahn verpflichtet, im Allgemeinen also gehalten ist, mit der ihm noch zur Verfügung stehenden Motorkraft auf den Mittelstreifen – also nicht nach rechts – zu fahren (BGH VersR 1967, 456), auch wenn es dann noch etwa 30 bis 40 cm in den linken Fahrstreifen hineinragen würde (BGH NZV 2010, 293, 294). Diese Verpflichtung folgt weder aus § 18 Abs. 8 StVO noch aus § 15 StVO, der eine Verkehrssicherung nur durch Warnblinklicht und anderes Sicherungsmittel vorsieht, sondern aus dem Zusammenhang der Vorschriften über das allgemeine Behinderungs- und Gefährdungsverbot (§ 1 Abs. 2 StVO), der Verpflichtung ein Fahrzeug bei unterwegs auftretenden Mängeln auf dem kürzesten Weg aus dem Verkehr zu ziehen (§ 23 Abs. 2 StVO) und der Verpflichtung, nach einem Unfall den Verkehr zu sichern, § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO (Cramer, aaO § 15 Rn. 14). Unbeschadet dessen und der vom Landgericht nicht weiter aufgeklärten Frage, ob die Zeugin C. L. mit der verbleibenden kinetischen Energie des ausrollenden Peugeot 306 auf erkennbar ansteigender Strecke noch an den rechten Fahrbahnrand hätte manövrieren können, konnte der Zeugin C. L. ein solches Unterfangen auf Grund des im unstreitigen Teil des Tatbestands der angefochtenen Entscheidung festgestellten (Bd. II Bl. 396 d. A. oben), im Unfallzeitpunkt herrschenden starken Verkehrs nicht angesonnen werden. Die Zeugin C. L. hat bei der Rechtshilfevernehmung durch die Gendarmerie Nationale erklärt, es habe „unglaublich viel Verkehr geherrscht“, und sie habe nicht auf die rechte Spur einscheren können, da diese „voll“ gewesen sei (Bd. II Bl. 230 d. A. unten). Diese Erklärung ist angesichts eines Unfalls am Freitag, dem 18.03.2016, gegen 16.15 Uhr auf einer dreispurigen Hauptverkehrsachse zur Landeshauptstadt hin durchaus plausibel, jedenfalls aber nicht zu widerlegen. Im Übrigen vermag der Senat auf Grund der örtlichen Besonderheiten, nämlich des auf den Lichtbildern (Beiakte Bl. 14 bis 18) erkennbaren Fehlens eines Standstreifens und des geringen Raumes zwischen der rechten Mittelleitplanke und dem linken Rand der linken Fahrspur und der rechten äußeren Leitplanke und dem rechten Rand der rechten Fahrspur nicht zu erkennen, dass ein in die rechte oder linke Fahrspur hineinragendes Fahrzeug eine geringere Gefahr als ein auf dem Mittelstreifen stehendes Fahrzeug dargestellt hätte.
(2) Dass die Zeugin C. L. entgegen § 15 Satz 1 StVO nicht sofort – nach Behauptung der Klägerin: überhaupt nicht – das Warnblinklicht eingeschaltet hätte, kann nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Die Aussage der Zeugin B., die vor dem stehenden Fahrzeug noch nach links ausweichen konnte, ist insoweit unergiebig (Bd. I Bl. 165 d. A. Mitte; vgl. auch Bd. II Bl. 291 d. A.); Entsprechendes gilt für die Aussage des Zeugen Schmidt, Bd. II Bl. 291 d. A.).
(3) Ebenso wenig ist dem Beklagten ein Verstoß der Zeugin C. L. gegen § 15 Satz 2 StVO anzulasten. Bereits aus dem Verkehrsunfallvermerk ergibt sich, dass eine Absicherung des Peugeot 306 mittels Warndreiecks aus Sicht der Polizei auf Grund des hohen Verkehrsaufkommens und der nicht vorhandenen Geschwindigkeitsbeschränkung an der Unfallstelle zu gefährlich war (Beiakte Bl. 10 unten). Gegenteiliges lässt sich weder der Parteianhörung der Klägerin noch den Zeugenaussagen entnehmen.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch auf Seiten der Klägerin lediglich die Betriebsgefahr ihres Pkw in die Haftungsabwägung einzustellen.
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der Klägerin in die Abwägung eingestellt, dass sie entweder gegen § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO verstoßen habe und/oder nicht genügend aufmerksam gewesen sei (Bd. II Bl. 400 d. A. unten). Auch auf Autobahnen sei es erforderlich, Geschwindigkeit und Abstand so zu bemessen, dass ein Anhalten auf Sichtweite möglich sei. Bei Einhaltung dieser Parameter und der gebotenen Aufmerksamkeit hätte die Klägerin die Kollision vermeiden können. Der vor ihr fahrenden Zeugin B., welche ebenfalls von dem stehenden Fahrzeug überrascht worden sei, sei dies auch gelungen. Soweit die Klägerin vortrage, ihr sei die Sicht auf den stehenden Pkw durch das vorausfahrende Fahrzeug, welches ausgewichen sei, versperrt gewesen, entlaste sie dies nicht. Wenn dem so gewesen sein sollte, dann müsse ihr Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug im Hinblick auf die eingehaltene Geschwindigkeit zu gering gewesen sein. Da auch das auf Antrag der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten keinen weiteren Aufschluss über den Unfallhergang erbracht habe, sei aus den vorstehenden Erwägungen heraus von einer hälftigen Haftungsverteilung auszugehen (Bd. II Bl. 401 d. A. oben).
bb) Diesen Ausführungen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
(1) Wie das Landgericht zu Beginn seiner Erwägungen zur Haftungsverteilung zutreffend ausgeführt hat, spricht gegen die Klägerin kein Anscheinsbeweis, weil es sich nicht um einen für einen Auffahrunfall typischen Verkehrsverlauf handelt (Bd. II Bl. 399 d. A. zweitletzter Abs.). Im Widerspruch dazu läuft die weitere Überlegung des Landgerichts, hätte die Klägerin Geschwindigkeit und Abstand so bemessen, dass ein Anhalten auf Sichtweite möglich sei, hätte die Klägerin bei der gebotenen Aufmerksamkeit die Kollision vermeiden können, in der Sache auf einen Anscheinsbeweis zu Lasten der Klägerin hinaus. Denn aus der Tatsache, dass die Klägerin mit dem auf der mittleren Fahrspur stehenden Pkw zusammengestoßen ist, wird der Schluss gezogen, dass die Klägerin mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren und/oder einen zu geringen Abstand eingenommen und/oder unaufmerksam gewesen sei.
(1.1) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass bei Auffahrunfällen, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO). Denn der Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht (BGH NJW 2017, 1177 Rn. 10). Das „Kerngeschehen“ – hier also der Auffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH NJW 2017, 1177 f. Rn. 11).
(1.2) Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall an der notwendigen Typizität. Denn die Klägerin ist unstreitig nicht auf ein vorausfahrendes Fahrzeug aufgefahren. Vielmehr ist sie, nachdem das vorausfahrende Fahrzeug auf die linke Spur ausgewichen ist, unstreitig auf ein auf ihrer (mittleren) Spur stehendes Fahrzeug gefahren. Dies erlaubt gerade nicht den Schluss auf zu hohe Geschwindigkeit, zu geringen Abstand oder Unaufmerksamkeit. In dem nachfahrenden Pkw konnte die Klägerin nach ihrer unwiderlegten Einlassung, anders als die Fahrerin des vorausfahrenden Fahrzeugs, den stehenden Pkw erst erkennen, als das vorausfahrende Fahrzeug unvermittelt auf die linke Fahrspur auswich.
(2) Davon ausgehend bedarf es konkreter Feststellungen zum Abstand und zur gefahrenen Geschwindigkeit, die erstinstanzlich nicht erfolgt sind. Unter Berücksichtigung des insoweit nunmehr vom Senat zu würdigenden Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die zu ergänzen kein Anlass besteht, ist der Beweis nicht geführt, dass die Klägerin in unfallursächlicher Weise zu schnell, mit zu geringem Abstand oder ohne die gebotene Beobachtung des voranfahrenden Verkehrs gefahren wäre.
(2.1) Der Gerichtssachverständige hat die Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw der Klägerin mit circa 65 bis 85 km/h nur grob eingrenzen können und die Ausgangsgeschwindigkeit mangels Spurenzeichnung auf der Fahrbahn nicht zu rekonstruieren vermocht (Bd. II Bl. 340 d. A.). Unter Berücksichtigung der von der Klägerin bei der Parteianhörung angegebenen, nicht zu widerlegenden Ausgangsgeschwindigkeit von „etwa 100 km/h …, auf keinen Fall schneller“ (Bd. I Bl. 130 d. A.) ergibt sich ein Anhalteweg von circa 65,5 bis 84,4 m (Bd. II Bl. 341 d. A.). Für einen Ausweichvorgang ergibt sich ein Gesamtwegebedarf von circa 55,5 bis 63,9 m (Bd. II Bl. 342 d. A.). Wie der Gerichtssachverständige zutreffend bemerkt hat, ist daraus zu ersehen, dass bei der Ausweichgeschwindigkeit von 100 km/h der Ausweichweg gegenüber dem Anhalteweg tendenziell kürzer ist (Bd. II Bl. 342 d. A.). Indessen kann dieser kürzere Weg der Klägerin nicht entgegengehalten werden, weil in diesem Punkt die Darstellung nicht zu widerlegen ist, sie habe verkehrsbedingt nicht auf eine andere Spur wechseln können. Der Sachverständige hat in seinem Ergänzungsgutachten in jeder Hinsicht überzeugend ausgeführt, dass er im Ausgangsgutachten die reine Spurwechselzeit ermittelt hat und diese sich selbstverständlich verlängert, falls ein Spurwechsel auf Grund des Verkehrsaufkommens nicht sofort möglich gewesen sein sollte; allerdings hat er sich angesichts der nicht hinreichenden Angaben der Beteiligten – drei Jahre nach dem Unfall – zur damaligen Verkehrslage nicht äußern können (Bd. II Bl. 368 f. d. A.).
(2.2) Wenn ein grundsätzlich als ordnungsgemäß anzusehender Abstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug gewählt worden ist, hatte die Klägerin demnach selbst unter günstigsten Annahmen keinen hinreichenden Anhalte- oder Ausweichweg zur Verfügung. Es ist zweckmäßig, sich – wie vom Gerichtssachverständigen zu Grunde gelegt (Bd. II Bl. 345 d. A. oben) – bei der Wahl des Abstandes an der am Tachometer abzulesenden Geschwindigkeit zu orientieren. Wählt der Kraftfahrer für den Abstand zu seinem Vordermann so viel Meter, wie die halbe Tachozahl ausmacht, so wird er in der Regel selbst unter schwierigen Verhältnissen in der Lage sein, auch bei plötzlichem Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs einen Zusammenstoß zu vermeiden (BGH NJW 1968, 450). Da keine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 100 km/h nachzuweisen ist, kann ein Abstand von 50 m nicht beanstandet werden.
(2.3) Wie der Gerichtssachverständige weiter überzeugend ausgeführt hat, lässt sich die genaue Sichtweite der Klägerin auf das stehende Fahrzeug der Beklagtenseite nicht eindeutig rekonstruieren (Bd. II Bl. 342 d. A. unten). Insbesondere ist verkehrstechnisch weder nachzuweisen noch zu widerlegen, dass das voranfahrende Fahrzeug aus Sicht der Klägerin, wie diese behauptet, das auf der mittleren Spur liegengebliebene Fahrzeug verdeckte (Bd. II Bl. 343 d. A.). Die voranfahrende Zeugin B., deren Sicht auf das stehende Fahrzeug durch kein weiteres Fahrzeug verdeckt war und die mit 100 km/h fuhr, konnte nach eigenen, glaubhaften Angaben dem stehenden Pkw „gerade so“ ausweichen, sah dann den Zusammenstoß im Rückspiegel und hat den Abstand der Klägerin zur ihr auf „vielleicht 200 oder 300 m“ geschätzt (Bd. II Bl. 291 d. A.). Freilich kann diese bloße Schätzung der verkehrstechnischen Begutachtung nicht als hinreichend verlässliche Entfernungsangabe zu Grunde gelegt werden, zumal es sich um eine Schätzung des Abstands aus einem mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit bewegten Pkw mit Hilfe des Rückspiegels in Bezug auf ein Fahrzeug aus dem rückwärtigen Verkehrsraum handelt, das mit etwa gleicher Ausgangsgeschwindigkeit gefahren sein dürfte.
c) Die Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG führt vorliegend zu einer Haftung des Beklagten von 75 v. H.
aa) Die Abwägung ist auf Grund aller festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH NZV 2010, 293, 294 Rn. 13). Bei einem Kraftfahrzeugunfall ist die Betriebsgefahr des Fahrzeugs stets eine der Ursachen des Unfalls und fällt in die Waagschale (BGH NJW 1953, 579 [Ls.], zu § 254 BGB). Ist beiderseits ein Verschulden nicht nachgewiesen, können dennoch die bei dem Unfall mitwirkenden Betriebsgefahren unterschiedlich hoch gewesen sein; der Verursachungsanteil wiegt dann aus diesem Grund schwerer (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, aaO § 17 StVG Rn. 21). Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges besteht in der Gesamtheit der Umstände, welche, durch die Eigenart des Kraftfahrzeuges begründet, Gefahr in den Verkehr tragen. Die Betriebsgefahr wird durch Schäden bestimmt, die dadurch Dritten drohen, wobei maßgebend dafür beispielsweise Fahrzeuggröße und -art, Gewicht, Fahrzeugbeschaffenheit, typische Eigenschaften im Verkehr, Beleuchtung, Fahrgeschwindigkeit, Ruhen im Verkehr, verkehrsgerechte oder verkehrswidrige Verwendung, stets bezogen auf den konkreten Fall und den beim Unfall konkret verursachten Fremdschaden ist. Der Betriebsgefahr der Fahrzeuge kommt insbesondere bei einer nicht weiter aufklärbaren Kollision eine sogar entscheidende Bedeutung zu. Bei gleicher Betriebsgefahr und nicht aufklärbarem weiteren Unfallgeschehen haften die Beteiligten nach einer Haftungsquote von 50/50. Weist aber eines der beteiligten Fahrzeuge nach den vorgenannten Kriterien in derselben Konstellation eine höhere Betriebsgefahr auf als das andere Fahrzeug, verschiebt sich diese Quote zugunsten des Fahrzeuges mit der niedrigeren Betriebsgefahr (MünchKomm-StVR/Engel, 1. Aufl. § 17 Rn. 18).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Betriebsgefahr des Peugeot 306 gesteigert und trug in wesentlich höherem Maße zum Unfall bei als die einfache Betriebsgefahr des Pkw der Klägerin. Das defektbedingt an einer auch unter normalen Umständen bereits unfallträchtigen Stelle, nämlich der mittleren Fahrspur einer stark befahrenen Autobahn ohne damalige Geschwindigkeitsbegrenzung, stehende Fahrzeug der Beklagtenseite stellte ein äußerst gefährliches Hindernis dar. Vor diesem Hindernis konnte der rückwärtige Verkehr zudem auf Grund der Verkehrslage nicht hinreichend deutlich und rechtzeitig durch ein Warndreieck gewarnt werden.
d) In Anwendung dieser Haftungsquote hat der Beklagte über die vom Landgericht ausgeurteilten Beträge hinaus (restlichen) Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 4.565,95 €, eines Schmerzensgeldes in Höhe von 900 € und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 465,65 € nebst Verzugszinsen zu leisten.
aa) Zutreffend hat das Landgericht den materiellen Gesamtschaden der Klägerin (§ 249 BGB) in unstreitiger Höhe 11.402,28 € zu Grunde gelegt. Der Wiederbeschaffungsaufwand beträgt (Wiederbeschaffungswert 11.400 € – Restwert 1.800 € =) 9.600 €. Hinzu kommen Kosten des Haftpflichtschadengutachtens in Höhe von 1.064,46 €, Ersatz für zerstörte Kleidung (Rock und Leggins) in Höhe von 79,99 €, Abschleppkosten in Höhe von 632,83 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 25 €. Die darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachten, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht streitigen Positionen hat das Landgericht mit Recht verneint. Die Berufung bringt hiergegen nichts Rechtserhebliches vor, sondern beschränkt sich auf eine Bezugnahme auf die Klageschrift (vgl. Bd. III Bl. 472 d. A. unter 5.).
(1) Eine Nutzungsentschädigung ist in Ermangelung eines Nutzungswillens und einer Nutzungsmöglichkeit der Klägerin, die nach eigener Darstellung nach dem Unfall nicht in der Lage war, ein Kraftfahrzeug zu führen, und die zu einer Reparatur oder einer Ersatzbeschaffung nichts dargelegt hat, nicht zu leisten. Der Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Vielmehr handelt es sich um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. So hängt er davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte (BGH NJW 2009, 1663, 1664 Rn. 9), was hier von Seiten der Klägerin nicht dargelegt ist.
(2) Der im verunfallten Fahrzeug befindliche Restkraftstoff ist regelmäßig nicht ersatzfähig, wenn die Menge in etwa der Kraftstoffmenge entspricht, die typischerweise im Tank eines wiederbeschafften Fahrzeugs vorhanden ist (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht 1. Aufl. (2016) § 249 BGB Rn. 263 m. w. Nachw.). Dies ist angesichts der von der Klägerin mit 25 € bewerteten Tankfüllung der Fall. Die geltend gemachte Zuzahlung für den Krankenhausaufenthalt in Höhe von 40 € hat das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit ersparten Aufwendungen in auf 10 € täglich für vier Tage geschätzter Höhe verrechnet (§ 287 ZPO).
(3) Bei Anwendung der vom Senat bemessenen Haftungsquote von 75 v. H. hat der Beklagte ausgehend von dem materiellen Gesamtschaden von 11.402,28 € den Betrag von 8.551,71 € zu ersetzen, so dass abzüglich gezahlter 3.985,76 € noch 4.565,95 € zu zahlen sind.
bb) Unter Berücksichtigung aller Umstände bemisst der Senat das der Klägerin auf Grund des Verkehrsunfalls zustehende Schmerzensgeld (§ 11 Satz 2 StVG) mit insgesamt 1.500 €, sodass abzüglich gezahlter 600 € noch 900 € verbleiben.
(1) Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien. Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht (Senat NJW 2011, 933, 935; 2011, 3169, 3170). Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es nicht zuletzt auf das Alter des Geschädigten an; denn ein und dieselbe Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden (Senat NJW 2011, 933, 935). Bei der Schmerzensgeldbemessung nach diesen Grundsätzen verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten „richtigen” Schmerzensgeldhöhe zu führen (Senat NJW 2011, 933, 935; NJW-RR 2015, 1119, 1120 Rn. 40). Bei Verkehrsunfällen – wie hier – tritt die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes in der Regel zurück und steht die Ausgleichsfunktion im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen und unfallbedingten Verletzungsfolgen im Vordergrund (Senat NJW-RR 2015, 1119, 1121 Rn. 45).
(2) Demnach war hier zu berücksichtigen, dass die am 01.04.1980 geborene Klägerin infolge des Verkehrsunfalls vom 18.03.2016, an dessen Verursachung ihr nur ein Mithaftungsanteil von 25 v. H. auf Grund der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs zuzumessen ist, laut dem Verkehrsunfallvermerk der Polizeiinspektion St. Ingbert infolge des Unfalls sichtlich unter Schock stand, mit dem Rettungswagen in das Klinikum Saarbrücken verbracht (Beiakte Bl. 7) und dort vom 18. bis zum 21.03.2016 stationär mit den Diagnosen HWS-Distorsion und Hämatom am Unterschenkel links aufgenommen worden war (Bd. I Bl. 40 d. A.). Sie litt insbesondere unter Druckschmerzen über beide Schienenbeinvorderkanten. Während des zur Überwachung erfolgten Klinikaufenthalts war die Klägerin allzeit kreislaufstabil und konnte bei rückläufigen Beschwerden und mit intakter peripherer Motorik, Sensibilität und Durchblutung nach Hause entlassen werden (Bd. I Bl. 41 d. A. oben). In der Folgezeit war die Klägerin, wie sich aus den vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergibt, mit der Diagnose ICD S13.4, also Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, arbeitsunfähig bis zum 22.04.2016 (Bd. I Bl. 43 ff. d. A.). Dabei litt sie ausweislich des unstreitigen Teils des Tatbestands der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 314 ZPO) mehrere Wochen unter Druckschmerzen über beide Schienbeinvorderkanten und an heftigen Druckschmerzen im Sternum, wodurch auch ihre Beweglichkeit im Oberkörper eingeschränkt war. Auf Grund der im Vergleich etwa zu unfallbedingten Frakturen geringen, offensichtlich folgenlos ausgeheilten Verletzungen einerseits und der längeren Arbeitsunfähigkeit andererseits hält der Senat ein Schmerzensgeld von 1.500 € für angemessen.
cc) Ferner hat der Beklagte der Klägerin restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 465,65 € zu ersetzen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen unter aa) und bb) ergibt sich ein berechtigter Gegenstandswert von (8.551,71 € + 1.500 € =) 10.051,71 €. Die Regelgebühr von 1,3 nach Nr. 2300 Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG hieraus beträgt gemäß Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG 785,20 € netto. Zuzüglich Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG in Höhe von 20 € und damaliger gesetzlicher Umsatzsteuer von 19 v. H. (Nr. 7008 Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) ergibt sich aufgerundet der geforderte Betrag von 958,19 €. Hierauf hat der Beklagte außergerichtlich 492,54 € gezahlt, so dass restliche 465,65 € zu leisten sind.
e) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. § 96 ZPO findet keine Anwendung zu Lasten der Klägerin. Als erfolglos im Sinne dieser Vorschrift ist ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, worunter auch jegliches Beweisangebot fallen kann, dann anzusehen, wenn es bei rückschauender Betrachtung den Ausgang des Rechtsstreits nicht in irgendeinem für die Partei günstigen Sinn beeinflusst hat (MünchKomm-ZPO/Schulz, 6. Aufl. § 96 Rn. 4). Das kann unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen in Bezug auf das auf Antrag der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten gerade nicht gesagt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.