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Lenkzeitverstöße vor dem 30.6.2016 – Ahndung unzulässig

AG Sigmaringen, Az.: 5 OWi 15 Js 8342/16, Beschluss vom 30.05.2017

1. Der Bußgeldbescheid des Landratsamtes Sigmaringen vom 05.08.2016, Az. 505.91.018889.0 wegen Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz wird dahingehend abgeändert, dass nur folgende Geldbußen festgesetzt werden:

(Ziff. 8: fahrlässige Überschreitung der zulässigen Lenkdauer): 37,50 €

(Ziff. 10: fahrlässige Überschreitung der zulässigen Lenkdauer): 60,00 €

(Ziff. 13: fahrlässige Überschreitung der zulässigen Lenkdauer): 45,00 €

(Ziff. 15: fahrlässige Überschreitung der zulässigen Lenkdauer): 15,00 €.

Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen soweit Geldbußen festgesetzt wurden. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, trägt die Kosten des Verfahrens die Staatskasse. Seine gesamten notwendigen Auslagen trägt der Betroffene selbst.

Angewendete Vorschriften: §§ 8 a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4,5 FPersG, Art. 7 Satz 1 der VO (EG) Nr. 561/2006, 20 OwiG

Gründe

1.

Lenkzeitverstöße vor dem 30.6.2016 - Ahndung unzulässig
Symbolfoto:Yastremska/Bigstock

Der Betroffene als auch die Staatsanwaltschaft Hechingen haben einer Entscheidung im Beschlusswege im Sinne des § 72 OWiG nicht widersprochen.

2.

Der Betroffene hat einräumen lassen, die zulässige Lenkdauer von 4 1/2 Stunden als Fahrer des Fahrzeugs … (zulässiges Gesamtgewicht: 7,40 t), eingesetzt im Güterverkehr innerhalb von Deutschland, in vier Fällen an folgenden Tagen aus Unachtsamkeit überschritten zu haben:

a) (Ziff. 8): am 16.3.2016 in derzeit von 6.58 Uhr bis 14.21 Uhr um 51 Minuten.

b) (Ziff.10): am 17.3.2016 in derzeit von 6.48 Uhr bis 16.16 um 2.10 Stunden

c) (Ziff. 13): am 21.3.2016 in der Zeit von 6.46 Uhr bis 17.02 Uhr um 1.49 Stunden

d) (Ziff. 15): am 22.3.2016 in der Zeit von 6.41 Uhr bis 13.56 Uhr um 30 Minuten.

3.

Damit hat sich der Betroffene jeweils der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Lenkdauer nach §§ 8 a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4,5 FPersG, Art. 7 Satz 1 der VO (EG) Nr. 561/2006, 20 OwiG schuldig gemacht.

Hinsichtlich der weiteren im Bußgeldbescheid aufgeführten Verstöße wird das Verfahren nach §§ 46 Abs. 1 OwiG, 206 b StPO eingestellt. Die Verstöße wurden zwischen dem 24.2. und dem 23.3.2016 begangen.

Der Tatvorwurf stützt sich jeweils auf die VO (EU) Nr. 165/2014. Sie hat ab dem 2.3.2016 die VO (EWG) Nr. 3821/85 ersetzt. Dies ergibt sich aus Art.47,48 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 165/2014.

§ 23 FPersV, der Verstöße gegen die VO (EWG) Nr. 3821/85 bußgeldbewehrt hat, wurde durch den nationalen Gesetzgeber nicht sofort an die neue EU-Verordnung angepasst. Die Anpassung von § 23 FPersV erfolgte erst durch Art. 4 in der 51.Verordnung zur Änderung Straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 17.6,2016 (BGBl. I S. 1463), wobei die Anpassung am 30.6.2016 in Kraft trat. Damit war die Sanktionslücke geschlossen.

Die Anpassung hatte folgenden Inhalt:

„Die Fahrpersonalverordnung vom 27.6.2005 (BGBl. I S.1882) … wird wie folgt geändert:

1. § 23 wird wie folgt geändert:

a) In der Überschrift wird die Angabe „Verordnung (EWG) Nr. 3821/85“ durch die Angabe „Verordnung (EU) Nr. 165/2014“ ersetzt.

b) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Der Satzteil vor Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Unternehmer gegen die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 … Verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig“…

Damit können Verstöße gegen die ordnungsgemäße Benutzung des Fahrtenschreibers (Kontrollgeräts), die vor dem 30.6.2016 begangen wurden, nicht geahndet werden. Dies folgt aus § 4 Abs. 3 OwiG (Meistbegünstigungsklausel), da die Tat zwischen ihrer Begehung und gerichtlichen Entscheidung zeitweise nicht mit Geldbuße bedroht war, sowie dem Verbot der Rückwirkung. Wird ein Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung des Gerichts geändert, so ist gemäß § 4 Abs. 3 OwiG das mildeste Gesetz anzuwenden. Wenn die Tat in der Zeit zwischen der Begehung und der Ahndung einmal nicht mit einer Geldbuße bedroht war, wie hier zwischen dem 2. März und dem 30.Juni 2016, so ist diese Zwischenregelung als mildestes Gesetz anzusehen und eine Ahndung daher unzulässig.

Derartige Pannen bei der Umsetzung von EU-Vorschriften in deutsches Recht sind schon wiederholt passiert (Fromm, StraFo 2016,196-198). Im Jahr 2007 korrigierte der Gesetzgeber diese Panne dadurch, dass er im Dritten Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes die Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OwiG für nicht anwendbar erklärte. Diese Regelung verstieß nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (OLG Koblenz NZV 2008,311).

Bisher ist eine Korrektur der erneuten Panne durch den Gesetzgeber nicht erfolgt.

Zutreffend weist Häberle (Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 23 FPersV RdNr. 6; Stand: November 2016) daraufhin, dass die Ahndungslücke sich nur auf Verstöße gegen die ordnungsgemäße Benutzung des Fahrtenschreibers in dem genannten Zeitraum bezieht. Nicht davon betroffen sind Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeitbestimmungen. Dies deshalb, weil die VO(EU) Nr. 165/2014, um deren nicht rechtzeitige Umsetzung es geht, lediglich die Ausrüstung und Verwendung des Fahrtenschreibers (Kontrollgeräts) regelt, weshalb sich die Bußgeldtatbestände des § 23 FPersV nicht auf Verstöße gegen Lenk-und Ruhezeitbestimmungen beziehen.

Das Verfahren ist daher gemäß §§ 46 Abs. 1 OwiG, 206 b StPO einzustellen. Wenn ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird und ein gerichtlich anhängiges Strafverfahren eine Tat zum Gegenstand hat, die nach dem bisherigen Recht strafbar war, nach dem neuen Recht aber nicht mehr strafbar ist, so stellt das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluss ein. Diese Vorschrift der Strafprozessordnung ist auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten anwendbar. Ahndbar sind erst Verstöße, die ab dem Inkrafttreten des § 23 FPersV am 30.Juni 2016 begangen wurden.

4.

Die im Tenor aufgeführten Geldbußen richten sich nach der Höhe der jeweiligen Überschreitung der zulässigen Lenkdauer. Sie sind in der festgesetzten Höhe angemessen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OwiG, 465 Abs. 1,467 Abs. 1 StPO. Der Betroffene hat seine notwendigen Auslagen auch zu tragen, soweit das Verfahren eingestellt wurde. Das Verfahren wurde wegen dieser Verstöße nur deshalb eingestellt, weil ein Verfahrenshindernis bestand (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO). Die Verstöße wurden tatsächlich begangen, wie sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen H vom 16.2.2017 ergibt.

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