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Körperliche oder geistige Kraftfahreignung – Einholung eines ärztlichen Gutachtens

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes

Az: 1 A 289/14

Urteil vom 01.10.2014

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1947 geborene Kläger begehrt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse B, wobei diese im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer räumlichen und zeitlichen Beschränkung unterliegen soll.

Seine 1965 erworbene Fahrerlaubnis war ihm durch Verfügung der Kreisverwaltung Pirmasens vom 8.1.1987 entzogen worden, weil er infolge eines Unfallgeschehens vom 20.6.1984 ausweislich des Krankheitsberichts des erstbehandelnden Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität M. vom 30.8.1984 schwere Hirnverletzungen erlitten hatte und eine fachärztliche Untersuchung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ausweislich des Attestes vom 18.12.1986 zu dem Ergebnis führte, dass eine Fahrtauglichkeit nicht gegeben war.

In den Folgejahren beantragte der Kläger mehrfach, erstmals am 23.11.1987, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die Verfahren, in deren Verlauf zur Frage der Fahreignung des Klägers diverse ärztliche Atteste und Gutachten von Fachärzten bzw. von Begutachtungsstellen vorgelegt bzw. eingeholt wurden, die in psychischer Hinsicht als Unfallfolge ein hirnorganisches Psychosyndrom, das verschiedentlich als „ausgeprägt“ bzw. „schwer“ bezeichnet wurde (nervenärztliches Gutachten Dr. K vom 14.12.1987; Gutachten der Universität Homburg vom 24.7.1989 und vom 20.4.1993), feststellten, endeten teils durch Rücknahme bzw. nicht Nichtweiterverfolgung des Antrags (Schreiben vom 8.7.1988: Untätigkeit auf behördliche Mitteilung vom 23.8.1996; Schreiben vom 9.1.1998; Aktenvermerk vom 26.1.2000), teils durch ablehnende Bescheide (Verfügung vom 15.1.1991; angefochtene Verfügung vom 18.8.1993 – insoweit Verfahrensabschluss durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.3.1995). Unter anderem absolvierte der Kläger am 20.12.1995 eine Fahrprobe im Stadtgebiet und der näheren Umgebung von Mainz, anlässlich derer er zwar über weite Strecken unauffällig fuhr, andererseits aber wiederholt auf Verkehrssituationen verspätet oder gar nicht reagierte.

Nach Wechsel seines Wohnsitzes in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten erfolgte die erste Antragstellung am 7.8.1998. Diesen Antrag verfolgte der Kläger in Konsequenz eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 14.12.1999 nicht weiter (Aktenvermerk vom 26.1.2000). Am 14.10.2003 beantragte er unter Beifügung eines Schreibens vom 10.10.2003 erneut die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, wobei er den Antrag auf das Führen eines Pkw’s in den Landkreisen Homburg und A-Stadt und dem Gebiet der Gemeinde B. in der schnee- und eisfreien Zeit beschränkte, sich mit der Einholung eines die Beschränkung der Fahrerlaubnis berücksichtigenden Gutachtens einverstanden erklärte und einen Hinweis unterzeichnete, wonach das Verfahren behördlicherseits abgeschlossen wird, wenn die notwendigen Prüfungen nicht binnen näher bezeichneter Fristen abgelegt werden. Hieraufhin gab der Beklagte ihm mit Anordnung vom 18.11.2003 auf, bis zum 18.2.2004 ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Kraftfahreignung vorzulegen und vorab sein Einverständnis mit der Aktenübersendung zu erklären. Eine entsprechende Einverständniserklärung unterzeichnete der Kläger am 16.6.2004, woraufhin der Beklagte das medizinisch-psychologische Institut der Universitätsklinik in Homburg mit Schreiben vom 17.6.2004 unter Hinweis auf die vom Kläger gewünschte örtliche Beschränkung des Geltungsbereichs der Fahrerlaubnis mit der Gutachtenerstellung beauftragte.

Mit Schreiben vom 16.8.2004 teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger wolle das Verfahren durchführen, vorab jedoch eine andere zeitaufwendige Angelegenheit zu Ende bringen. Er werde – voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2005 – auf die Angelegenheit zurückkommen.

Dies geschah mit Schreiben vom 2.1.2008, in welchem der Kläger die Ansicht vertrat, die geforderte medizinisch-psychologische Untersuchung sei entbehrlich und die entsprechende Anordnung daher ermessenswidrig. Durch die ärztlichen Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N vom 9.4.1997 und des Facharztes für Neurologie Dr. W vom 10.11.2003 sei belegt, dass unter der Bedingung ausreichender Sehfähigkeit aus nervenärztlicher Sicht dem Führen eines Kraftfahrzeugs nichts im Wege stehe; insbesondere sei eine deutliche Besserung der anfänglichen posttraumatischen Halbseitenstörungen zu verzeichnen und es lägen keine Indizien einer drohenden Gefährdung durch Krampfanfälle vor. Angesichts dessen und da nicht die generelle Fahreignung zur Überprüfung anstehe, sei die Fahrprobe – ebenso wie bei Eignungszweifeln wegen altersbedingter Entwicklungen – das geeignete Mittel, um über einen wichtigen Teilbereich der Fahreignung, nämlich die praktische Fahrfertigkeit, Aufschluss zu geben. Zu einer Fahrprobe sei er bereit.

Der Beklagte verwies mit Schreiben vom 11.2.2008 auf das Bestehen einer durch den Zeitablauf bedingten Notwendigkeit einer neuen Antragstellung.

Mit Schreiben vom 15.10.2009 bekräftigte der Kläger seinen Wunsch, dass über den Antrag aus dem Jahre 2003 entschieden werde. Auf den Hinweis des Beklagten vom 29.10.2009, dass für einen rechtsmittelfähigen Bescheid Gebühren in Höhe von rund 100,– Euro anfallen würden, hielt der Kläger ausweislich seines Schreibens vom 7.7.2010 an dem Wunsch auf Verbescheidung des alten Antrags fest und bekräftigte dies auf den erneuten Hinweis vom 29.7.2010 mit Schreiben vom 11.8.2010 ein weiteres Mal.

Hieraufhin erging der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 13.8.2010, durch den der Beklagte die Neuerteilung der beantragten Fahrerlaubnis unter Hinweis auf die Nichtbeibringung des durch Anordnung vom 18.11.2003 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens in Anwendung des § 11 Abs. 8 FeV ablehnte.

Der fristgerecht eingelegte Widerspruch des Klägers wurde durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.6.2012 ergangenen Widerspruchsbescheid, dem Kläger zugestellt am 12.7.2012, zurückgewiesen. Der Beklagte habe angesichts der medizinischen Vorgeschichte des Klägers zur Abklärung der hieraus resultierenden Zweifel an seiner Kraftfahreignung zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Insbesondere sei die klägerseits angebotene Fahrprobe kein geeignetes Mittel. Bei Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms müsse die Schwere der durch dieses bedingten Leistungsmängel festgestellt werden und dies sei nur mit Hilfe eines medizinischen/psychologischen Sachverständigen möglich. Da das geforderte Gutachten nicht beigebracht worden sei, rechtfertige § 11 Abs. 8 FeV die Ablehnung des Neuerteilungsantrags.

Das Verwaltungsgericht hat die am 13.8.2012, einem Montag, unter Wiederholung der Einwände aus dem Verwaltungs- und dem Widerspruchsverfahren erhobene Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30.10.2013 ergangenes Urteil, dem Kläger zugestellt am 18.11.2013, zurückgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei die Ablehnung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Ergebnis rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zwar sei zweifelhaft, ob § 11 Abs. 8 FeV die Ablehnung des Neuerteilungsantrags rechtfertige, da fraglich sei, ob die behördliche Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 18.11.2003 gemäß § 11 Abs. 6 FeV die Fragen, die von der Gutachterstelle zu klären sind, hinreichend präzisiere, und die nichtbefolgte Anordnung zudem im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidungen schon mehrere Jahre alt gewesen sei. Letzteres sei problematisch, weil die Vermutung, dass ein Fahrerlaubnisbewerber, der einer Gutachtenanordnung ohne ausreichenden Grund nicht nachkomme, etwas zu verbergen habe, ihre Berechtigung verlieren könne, wenn zwischen Gutachtenanordnung und Versagung der Fahrerlaubnis mehrere Jahre liegen, in denen sich die Gesundheitssituation des Fahrerlaubnisbewerbers grundlegend geändert haben könne. Dies könne aber ebenso wie die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in seinem Fall überhaupt gerechtfertigt gewesen sei, dahinstehen, denn nach dem Sachstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erfülle der Kläger die Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht.

Nach Nr. 7.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung bestehe bei einem schweren chronischen hirnorganischen Psychosyndrom keine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Eine leichte Ausprägung schließe nach Nr. 7.2.1 vorbezeichneter Anlage demgegenüber die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht zwingend aus. In diesem Falle bestehe die Eignung abhängig von Art und Schwere der Erkrankung. Zwar sei die neueste ärztliche Bescheinigung, die sich bei den Akten befinde, schon im November 2003 von Dr. W erstellt worden, weswegen eine Beurteilung der aktuellen Gesundheitssituation des Klägers nicht abschließend möglich sei. Indessen könne aber nach derzeitigem Sachstand auch nicht mit Sicherheit von einer nur leichten – der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht zwingend entgegenstehenden – Ausprägung des hirnorganischen Psychosyndroms im Sinne der Nr. 7.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ausgegangen werden. Die Ergebnisse der bislang letzten ausführlichen verkehrspsychologischen Begutachtung vom 14.12.1999 stünden nach wie vor unwiderlegt im Raum. Die dem Kläger günstigen Atteste des Dr. N vom 9.4.1997 und des Dr. W vom 10.11.2003, auf die der Kläger sich berufe, beträfen ebenso wie die dem Kläger günstigen nervenärztlichen Begutachtungen vom 22.3.1990 und vom 6.5.1992 nur den neurologischen Gesundheitszustand des Klägers. Damit sei aber nicht die gesamte beim Kläger vorhandene, fahreignungsrelevante Gesundheitsproblematik abgedeckt. So stünden kognitive und andere Einschränkungen in Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Belastungsresistenz und Affektsteuerung in Rede. Während die neurologische Beurteilung seines Gesundheitszustandes schon seit Jahrzehnten vergleichsweise günstig sei, seien die während desselben Zeitraums vorgenommenen (verkehrs-) psychologischen Untersuchungen allesamt negativ verlaufen. Demgemäß sei schon in dem nervenärztlichen Gutachten des Zentrums für Psychologische Medizin vom 22.3.1990 auf die dringende Notwendigkeit einer medizinisch-psychologischen Abklärung des Ausmaßes seines chronischen hirnorganischen Psychosyndroms hingewiesen worden. Ebenso habe Dr. W in seinem Attest vom 10.11.2003 festgestellt, dass zur „Beurteilung der generellen Fahreignung das Ergebnis einer psychiatrisch-psychologischen Untersuchung (z.B. MPI des technischen Überwachungsvereins) maßgeblich“ sei. Auch wenn man statt einer medizinisch-psychologischen Begutachtung die nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung für Demenz- und organische Persönlichkeitsveränderungen empfohlene Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie und nach dessen Empfehlung eine neuropsychologische Zusatzuntersuchung als ausreichend ansehen wollte, ändere dies nichts daran, dass eine gründliche ärztliche Abklärung der verkehrsrelevanten Fähigkeiten des Klägers durch einen entsprechenden Facharzt, der zugleich über eine verkehrsmedizinische Qualifikation verfügen müsse, bzw. durch einen Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 der Fahrerlaubnisverordnung erfülle, unbedingt erforderlich sei. Diese gründliche ärztliche Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit des Klägers könne durch eine Fahrprobe nicht ersetzt werden. Eine solche könne nur einen Augenblicksbefund ermitteln und bewerten und sei schon deswegen nicht ausreichend, weil nach den bisherigen Erkenntnissen die Befindlichkeit des Klägers als wechselnd beschrieben werde. Auch die Ergebnisse der 1995 vorgenommenen Fahrprobe und die Bewertung der dort gezeigten Leistungen durch den Kläger selbst, die im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung am 14.12.1999 zu Tage getreten sei, zeigten, dass eine Fahrprobe zum Beleg der Fahreignung des Klägers nicht in gleichem Maße geeignet sei wie eine gründliche psychiatrische und gegebenenfalls neuropsychologische Exploration durch einen hierfür ausgebildeten (Fach-) Arzt. Die Forderung einer ärztlichen Untersuchung belaste den Kläger nicht unverhältnismäßig, da im Interesse aller Verkehrsteilnehmer am Ausschluss ungeeigneter Fahrer vom Kraftfahrzeugverkehr die früheren dem Kläger ungünstigen ärztlichen und psychiatrischen Untersuchungsergebnisse widerlegt werden müssten, was nur durch gleichwertige aktuelle (fach-) ärztliche Untersuchungen geschehen könne. Demgemäß lasse auch § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV die Anordnung einer Fahrprobe erst zu, wenn dies nach der Würdigung eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 oder Abs. 3 FeV erforderlich sei. Die insoweit klägerseits aufgeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs betreffe – wie im Einzelnen dargelegt wird – andere Fallgestaltungen und sei nicht übertragbar. An alldem ändere auch der Umstand, dass nur eine räumlich und zeitlich beschränkte Fahrerlaubnis beantragt sei, nichts. Denn auch unter dieser Prämisse könnten unvorhergesehene – zu schneller Reaktion zwingende – Umstände auftreten bzw. Wetterlagen – wie Starkregen oder Nebel – bestehen, die die Übersicht erschweren.

Schließlich habe der Beweisanregung des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Frage der Geeignetheit einer Fahrprobe zur Überprüfung seiner Fähigkeit, mit den „Überforderungen des Straßenverkehrs“ hinreichend zurecht zu kommen, einzuholen, nicht nachgegangen werden müssen. Insoweit sei bereits dargelegt, dass den rechtlichen Vorgaben im Fall des Klägers allein durch eine Fahrprobe nicht genügt werden könne, zumal eine solche nur einen stichprobenhaften Charakter aufweise und daher wegen der nach den bisherigen Untersuchungen im Raum stehenden Wechselhaftigkeit seiner Befindlichkeit die Gefahr eines falsch-positiven Ergebnisses in sich berge.

Auf den am 18.12.2013 eingegangenen Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 26.5.2014, dem Kläger zugestellt am 30.5.2014, zur Ermöglichung einer Abklärung des aktuellen fahreignungsrelevanten Gesundheitszustandes des Klägers zugelassen.

Nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30.7.2014 hat der Kläger seine Berufung unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 7.7.2014 begründet und ergänzend ausgeführt, die Gutachtenanordnung und die aus der Nichtbeibringung des Gutachtens behördlicherseits gezogenen Schlüsse seien rechtswidrig. Der Beklagte müsse erneut über die beantragte Wiedererteilung entscheiden. Das Verwaltungsgericht sei gehindert, die Versagung der Fahrerlaubnis aus Gründen, die der Beklagte bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, im Ergebnis aufrecht zu erhalten. Die behördlicherseits geforderte Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei vom Gesetz nicht zwingend vorgesehen, sondern stehe im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Diese habe jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine medizinisch-psychologische Untersuchung im Hinblick auf das verfolgte Ziel notwendig und angemessen sei, da die Erhebung insbesondere der psychologischen Befunde nicht unerheblich in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen eingreife. Zu berücksichtigen sei bei der Ermessensausübung, dass keine sensorische oder organische Beeinträchtigung vorliege, sondern vielmehr Bedenken bestünden, ob der Kläger den besonderen Belastungen des Straßenverkehrs gewachsen sei. Der Kläger nehme seit Jahren Fahrstunden und verfüge daher über eine kontinuierliche Fahrpraxis. Durch eine von einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr abgenommene Fahrprobe könnten sein Fahrverhalten und seine praktischen Fahrfertigkeiten verlässlich beurteilt werden. Der Ablauf der Fahrprobe könne so gestaltet werden, dass die Erfüllung der an einen Kraftfahrer konkret zu stellenden Anforderungen nachgewiesen werden könnten.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30.10.2013 – 10 K 739/12 – den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 13.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses vom 26.6.2014 zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis mit der Einschränkung, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs räumlich auf die Kreise Homburg und A-Stadt und das Gebiet der Gemeinde B. sowie zeitlich auf die schnee- und eisfreie Zeit beschränkt wird, wieder zu erteilen, soweit der Kläger seine Fahreignung durch eine Fahrprobe bei einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr nachgewiesen hat, hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers zu entscheiden, ihm die Fahrerlaubnis mit der Einschränkung, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs räumlich auf die Kreise Homburg, A-Stadt und das Gebiet der Gemeinde B. sowie zeitlich auf die schnee- und eisfreie Zeit beschränkt wird, wieder zu erteilen, soweit der Kläger seine Fahreignung durch eine Fahrprobe bei einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr nachgewiesen hat.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ausweislich eines zur Akte gereichten Schreibens vom 24.7.2014 an den Kläger fordert der Beklagte diesen auf, die Eignungszweifel spätestens bis zum 24.10.2014 durch Vorlage eines fachärztlichen psychiatrischen Gutachtens, das klären soll, ob die vorliegende Gesundheitsstörung unter Nr. 7.2.1 (leicht) oder unter Nr. 7.2.2 (schwer) der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung fällt, ggf. ob und in welchem Umfang Nachuntersuchungen erforderlich sind, auszuräumen.

Gegen diese Untersuchungsanordnung hat der Kläger mit Schreiben vom 4.8.2014 Widerspruch eingelegt und mitgeteilt, infolge eines am 28.7.2014 erlittenen Oberschenkelhalsbruches zur Zeit in stationärer Behandlung zu sein. Er werde nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen, voraussichtlich in etwa fünf Monaten, auf die Angelegenheit zurückkommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Ordner) sowie der Akte des Widerspruchsverfahrens (1 Heft), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige – unter Anerkennung bestimmter Beschränkungen räumlicher und zeitlicher Art – auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B zielende Klage abgewiesen. Die Klage ist unbegründet, denn ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis steht dem Kläger nicht zu.

Ein Wiedererteilungsanspruch setzt nach § 20 Abs. 1 FeV in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG unter anderem voraus, dass der Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Dabei ist in körperlicher und geistiger Hinsicht geeignet, wer die diesbezüglich notwendigen Anforderungen erfüllt (§§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, 11 Abs. 1 FeV). Diesen ist nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann nicht genügt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung vorliegt, durch die oder den die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Behörde bei Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken an der körperlichen oder geistigen Fahreignung begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. In Ergänzung hierzu gibt Vorbemerkung 2 zu besagter Anlage 4 allgemein vor, dass Grundlage der im Rahmen des § 11 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 FeV) und in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV) ist.

Gemessen an diesen Vorgaben setzt ein Erfolg des verfahrensgegenständlichen Wiedererteilungsbegehrens voraus, dass ein fachärztliches Gutachten dem Kläger seine körperliche und geistige Fahreignung bescheinigt. Es steht nicht im Ermessen des Beklagten, dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, seine Fahreignung durch erfolgreiches Ablegen einer Fahrprobe nachzuweisen.

Fallbezogen steht nach den im Verlauf der verschiedenen Wiedererteilungsverfahren eingeholten bzw. vorgelegten Arztberichten fest, dass sich bei dem Kläger infolge des Unfallgeschehens von 1984 eine psychische Störung in Gestalt eines chronischen hirnorganischen Psychosyndroms eingestellt hat. Dieses Krankheitsbild schließt nach Nr. 7.2.2 der – häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel, die die Kraftfahreignung längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können, enthaltenden – Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (vgl. Vorbemerkung 1 zu Anlage 4) die Kraftfahreignung bezüglich der Klasse B ausnahmslos aus, wenn es sich um eine schwere Schädigung handelt. Handelt es sich um einen leichteren Fall, so kann die Fahreignung nach Nr. 7.2.1 der Anlage 4 in Abhängigkeit von Art und Schwere des hirnorganischen Psychosyndroms fortbestehen. Damit sind in Bezug auf den Kläger im Sinn des § 11 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 FeV Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen seine körperliche beziehungsweise geistige Eignung begründen. Es bedarf mithin der in § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV vorgesehenen Abklärung des Ausmaßes der Schädigung durch ein ärztliches Gutachten.1

Nach Bekunden seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Kläger – auch aktuell – nicht bereit, sich einer solchen fachärztlichen Begutachtung zu unterziehen. Er bietet die Durchführung einer Fahrprobe an, die in seinem Fall ein adäquates Mittel zum Nachweis seiner Kraftfahreignung sei. Seine diesbezügliche Argumentation verfängt indes nicht.

Nach den Vorgaben der Fahrerlaubnisverordnung besteht keine Möglichkeit, das ärztliche Gutachten durch eine Fahrprobe zu ersetzen.

Zunächst ist klarzustellen, dass der Umstand, dass der Wiedererteilungsantrag nicht wegen Nichtvorlage eines fachpsychiatrischen Gutachtens, sondern wegen der Nichtbeibringung des 2003 angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens abgelehnt worden ist, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen kann. Der Kläger meint insoweit, der Ablehnungsbescheid sei rechtswidrig, da er auf eine bereits formal rechtswidrige, zudem nicht hinreichend aktuelle Gutachtenanordnung gestützt sei und der Beklagte ermessenswidrig verkannt habe, dass die Anordnung einer Fahrprobe als weniger belastendes Erkenntnismittel ausreichend gewesen wäre. Es sei den Gerichten verwehrt, die Versagung der Wiedererteilung mit einer anderen als der vom Beklagten angeführten – rechtswidrigen – Begründung aufrechtzuerhalten. Diese Argumentation geht bereits im Ansatz fehl.

Der Kläger verkennt, dass Streitgegenstand des Rechtsstreits das Bestehen eines Wiedererteilungsanspruches ist, der nur unter den aufgezeigten Voraussetzungen zu bejahen ist. Ungeachtet einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Begründung des Ablehnungsbescheids kann die Klage nur Erfolg haben, wenn der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat alle für die Erteilung der Fahrerlaubnis notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger kann durch die Versagung der Wiedererteilung nicht im Sinn des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt werden, wenn ihm ein Anspruch auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht zusteht.

In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Relevanz, dass die den Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis regelnden – körperliche und geistige Fahreignung voraussetzenden – gesetzlichen Vorschriften des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 und Abs. 8 StVG in der Ausgestaltung, die sie durch die auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 c StVG erlassene Fahrerlaubnisverordnung gefunden haben, an deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht keine Zweifel dargetan oder erkennbar sind, der Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich der Durchführung der Eignungsprüfung kein Ermessen im klassischen Sinn einräumen.

Vor Erlass der am 1.1.1999 in Kraft getretenen Fahrerlaubnisverordnung war die (Neu-) Erteilung der Fahrerlaubnis in der Straßenverkehrszulassungsordnung geregelt. Nach deren § 15 c Abs. 1 in Verbindung mit deren § 9 hatte die Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers bestehen. § 12 Abs. 1 StZVO ergänzte dies dahingehend, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Bekanntwerden von Tatsachen, die Eignungsbedenken begründen, die Beibringung eines amts- oder fachärztlichen Gutachtens, des Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder des Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle fordern konnte. Die Befugnis, zur Abklärung eventueller körperlicher oder geistiger Mängel einzelfallbezogen nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen verschiedenen Aufklärungsmöglichkeiten auszuwählen, besteht in dieser Form unter der Geltung der Fahrerlaubnisverordnung nicht mehr. Die Fahrerlaubnisverordnung enthält in § 11 Abs. 2 bis Abs. 4 Vorgaben dazu, welche Aufklärungsmaßnahmen den jeweiligen Gegebenheiten gerecht werden. So lautet die amtliche Begründung zu § 11 Abs. 2 und Abs. 3 FeV wie folgt:

 „Die Absätze 2 und 3 ersetzen die bisherige Regelung in §§ 9, 12 15 b 15 c StVZO. Dort war allerdings keine detaillierte Regelung bezüglich der anzuordnenden Untersuchung getroffen, sondern die möglichen Untersuchungsarten waren in einer Ermessensvorschrift aufgeführt. Die Neuregelung legt demgegenüber selbst fest, in welchen Fällen ein ärztliches Gutachten oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten durch eine Begutachtungsstelle für Fahreignung zulässig ist. Bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung kommt zunächst grundsätzlich nur ein fachärztliches Gutachten in Frage.

Die Anlässe für ein medizinisch-psychologisches Gutachten sind im Einzelnen in Abs. 3 aufgeführt. Sie beziehen sich auf den gesamten Eignungsbereich, nicht nur die körperliche und geistige Eignung. Für den Bereich „Alkoholproblematik“ und „Betäubung- und Arzneimittel“ enthalten §§ 13 und 14 spezielle Zuweisungsregelungen (siehe auch Abs. 3 Satz 2).“ 2

Hieraus folgt, dass der Fahrerlaubnisbehörde bei Vorliegen einer Erkrankung oder eines Mangels nach Maßgabe der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – wie die dortigen Vorbemerkungen 2 und 3 ausdrücklich bekräftigen – zumindest für den Regelfall durch den Verordnungsgeber vorgegeben ist, dass in Fällen, in denen die Erkrankung oder der Mangel der Fahreignung nicht zwingend entgegensteht, zur Abklärung der Frage, ob das Ausmaß der Erkrankung bzw. des Mangels die Fahreignung ausschließt oder einschränkt, ein ärztliches Gutachten nach § 11 Abs. 2 FeV einzuholen ist. Erst wenn ein solches vorliegt, eröffnet § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, wenn nämlich ein solches nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich ist. Die klägerseits in seinem Fall als allein sachgerecht erachtete Fahrprobe ist in § 11 Abs. 4 FeV (Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr) geregelt und setzt gemäß Nr. 1 der Vorschrift hinsichtlich aller Erkrankungen oder Mängel, die nicht der – vorliegend nicht einschlägigen – Nr. 2 der Vorschrift betreffend Behinderungen des Bewegungsapparates unterfallen, voraus, dass eine Fahrprobe nach Würdigung des ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens zusätzlich zu diesem erforderlich ist. Mithin ist nach der Konzeption des Verordnungsgebers für eine Eignungsüberprüfung im Wege einer Fahrprobe nur Raum, wenn dies nach dem Ergebnis eines ärztlichen und/oder medizinisch-psychologischen Gutachtens angezeigt erscheint.

Dass fallbezogen auch die unmittelbare Anordnung einer Fahrprobe zulässig wäre, ergibt sich insbesondere nicht aus der klägerseits zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs3. Dort lagen bereits ein HNO-fachärztliches Gutachten und ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten zur Kraftfahreignung, mithin ärztliche Gutachten im Sinn des § 11 Abs. 2 FeV, vor. Damit war der Fahrerlaubnisbehörde die Möglichkeit eröffnet, auf der Grundlage einer Würdigung dieser Gutachten entweder ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV oder eine Fahrprobe nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV anzuordnen. Die Auswahl zwischen diesen Möglichkeiten stand mithin im pflichtgemäßen Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Vorliegend ist der Sachverhalt anders gelagert, da ein aktuelles ärztliches Gutachten zum Ausmaß des hirnorganischen Psychosyndroms des Klägers zwar notwendig ist, aber nicht vorliegt. Ein die weitere Vorgehensweise betreffendes Auswahlermessen zwischen einer Anordnung nach Abs. 3 oder einer Anordnung nach Abs. 4 der Vorschrift besteht daher nicht.

Nach alldem rechtfertigt die Verwendung des Wortes „kann“ in § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV nicht die vom Kläger gezogene Schlussfolgerung, die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens sei eine unter mehreren gleichwertig nebeneinander bestehenden Möglichkeiten, Bedenken bezüglich der körperlichen oder geistigen Eignung auszuräumen, und die Vorschrift eröffne der Fahrerlaubnisbehörde diesbezüglich ein Auswahlermessen.

Auch fallbezogen ist die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung der entscheidungserheblichen Frage der Kraftfahreignung des Klägers notwendig. Denn sein Vorbringen zu den Umständen seines Einzelfalls gibt keine Veranlassung zur Annahme einer besonderen Konstellation, die einen ganz speziellen Aufklärungsbedarf bedingen könnte, dem ausnahmsweise durch die unmittelbare Anordnung einer Fahrprobe zu genügen wäre.

Der Kläger beruft sich auf das Attest des Dr. N vom 9.4.1997, nach welchem dem Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Voraussetzung eines ausreichenden Sehvermögens aus nervenärztlicher Sicht nichts entgegenstehe. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf den vorbezeichneten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 20074, in dem festgestellt sei, dass auch eine Fahrprobe das geeignete Mittel sein könne, um über einen wichtigen Teilbereich der Fahreignung, nämlich der praktischen Fahrfertigkeit, Aufschluss zu geben, sowie auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts5 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg6 zu Eignungszweifeln aufgrund altersbedingter Entwicklungen, hinsichtlich derer im Wege einer Fahrprobe überprüft werden könne, ob altersbedingte psycho-physische Leistungsmängel durch Erfahrung und gewohnheitsmäßig ausgeprägte Bedienungshandlungen ausgeglichen werden könnten. Ausweislich des Widerspruchsbescheids stehe das bei ihm festgestellte hirnorganische Psychosyndrom seiner Fahreignung als solches nicht im Wege. Bedenken bestünden hingegen, ob er in besonderen Belastungssituationen, wie sie im Straßenverkehr auftreten könnten, angemessen reagiere. Gerade die diesbezüglichen Fähigkeiten könnten durch eine Fahrprobe überprüft werden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass er zum Zweck der Risikominimierung nur eine auf die ihm seit langem vertraute Umgebung und die schnee- und eisfreie Zeit beschränkte Fahrerlaubnis beantragt habe sowie Fahrstunden zur Erhaltung seiner Fahrpraxis nehme. Diese Argumentation rechtfertigt ein ausnahmsweises Zurückgreifen allein auf eine Fahrprobe nicht.

Zunächst mangelt es dem Attest des Dr. N vom 9.4.1997 bereits an Aktualität. Zudem bescheinigt es einen im Wesentlichen gleichen nervenärztlichen Befund wie bei der Erstuntersuchung am 6.5.1992, aufgrund derer Dr. N zu dem Ergebnis kam, aus nervenärztlicher Sicht stehe dem Führen eines Kraftfahrzeugs nichts im Wege. Jegliche Auseinandersetzung mit dem dem Arzt wohl nicht bekannten Umstand, dass der Kläger zwischen beiden Untersuchungen, am 20.12.1995, eine Fahrprobe nicht bestanden hat, fehlt. Damals musste der Fahrlehrer zweimal eingreifen, weil der Kläger auf Verkehrssituationen verspätet oder gar nicht reagiert hat. Vor diesem Hintergrund ist dem Attest des Dr. N keine verlässliche Aussage zu dem Ausmaß der Leistungseinschränkungen infolge des hirnorganischen Psychosyndroms des Klägers zu entnehmen.

Ferner betrifft die klägerseits zitierte Rechtsprechung anders gelagerte Fallgestaltungen und eine entsprechende Heranziehung der dortigen Erwägungen auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt scheitert schon im Ansatz daran, dass gerade nicht feststeht, dass das hirnorganische Psychosyndrom des Klägers seiner Fahreignung nicht im Wege steht. Ob es die Fahreignung ausschließt oder nicht, hängt vielmehr davon ab, ob es schwer oder leicht ausgeprägt ist, was bisher nicht zuverlässig – erst recht nicht aktuell – geklärt ist. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Widerspruchsbescheid. Abgesehen davon, dass die dortige Beurteilung keine Bindungswirkung hätte, steht dort nicht das, was der Kläger meint, den Ausführungen entnehmen zu können. Wenn es dort heißt, die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs als solches sei nicht in Frage gestellt, so bedeutet dies, dass dem Kläger das technische Bedienen eines Fahrzeugs möglich ist, was indes nicht garantiert, dass er Belastungssituationen, wie sie im Straßenverkehr jederzeit auftreten können, hinreichend gewachsen ist.

Die Schwere der durch das hirnorganische Psychosyndrom bedingten Leistungsmängel bedarf nach alldem der Abklärung. Wie diese zu erfolgen hat, ergibt sich mangels eines vom Regelfall abweichenden Sachverhalts aus § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV.

Insbesondere lässt sich eine untypische Fallgestaltung nicht daraus herleiten, dass der Kläger angibt, regelmäßig Fahrstunden zu nehmen. Abgesehen davon, dass diese Behauptung bisher nicht unter Beweis gestellt wurde, ist sie nicht geeignet, die Voraussetzungen einer Ausnahme von den Regelvorgaben zu rechtfertigen. Denn die Tatsache regelmäßiger Fahrstunden könnte nicht belegen, dass der Kläger den Anforderungen des Straßenverkehrs trotz des hirnorganischen Psychosyndroms vollumfänglich gewachsen ist. Sie besagt nichts zum Ob und zur Häufigkeit der Notwendigkeit korrigierender Eingriffe des Fahrlehrers und vermag daher nicht verlässlich zu indizieren, dass das Krankheitsbild im Sinn der Nr. 7.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung nicht schwer, sondern nur leicht ausgeprägt ist. Ebenso wenig ist die räumliche und zeitliche Beschränkung der begehrten Fahrerlaubnis geeignet, eventuelle Leistungsdefizite so auszugleichen, dass die Teilnahme des Klägers am motorisierten Straßenverkehr mit keinem im Vergleich zum Regelfall erhöhten Sicherheitsrisiko verbunden wäre. Denn entscheidend ist, ob der Kläger auf plötzliche Verkehrssituationen hinreichend schnell und angemessen reagieren kann. Da solche plötzlichen Herausforderungen immer mit der Verkehrsteilnahme anderer in unmittelbarem Zusammenhang stehen, können sie überall – auch in bestens vertrauten Straßen – und zu jeder Jahreszeit unvermittelt auftreten. Die vorgeschlagenen Einschränkungen können die mit einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom einhergehenden Leistungsdefizite daher nicht so mindern, dass jegliche Risiken auszuschließen wären. Angesichts dessen kann die Eignungsfrage nicht ohne ein aktuelles ärztliches Gutachten zur Schwere des Krankheitsbildes abgeklärt werden. Ob gegebenenfalls im Anschluss daran zusätzlich eine medizinisch-psychologische Begutachtung im Sinn des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV und/oder eine Fahrprobe im Sinn des § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV notwendig werden kann, ist derzeit nicht abzusehen.

Jedenfalls steht es bei dem derzeitigen Sachstand nicht im Belieben des Beklagten oder der Gerichte, dem Kläger den Nachweis seiner Kraftfahreignung durch Anordnung einer Fahrprobe zu ermöglichen. Zur Ausräumung der bestehenden Bedenken ist die Einholung eines ärztlichen Gutachtens erforderlich. Nach Nr. 3.10.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand 2.11.2009, bzw. – wortgleich – Nr. 3.12.2 der Begutachtungsleitlinien, Stand 1.5.2014, ist die Beauftragung eines Facharztes für Psychiatrie das adäquate Mittel zur Abklärung des Ausmaßes eines hirnorganischen Psychosyndroms und der durch dieses bedingten Einschränkungen der psychischen Leistungsfähigkeit, wobei nach Empfehlung des Facharztes eventuell eine neuropsychologische Zusatzuntersuchung angezeigt sein kann.

Da der Kläger sich weiterhin weigert, sich einer fachpsychiatrischen Begutachtung zu unterziehen, unterliegt die Berufung hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag der Zurückweisung. Letzteres ergibt sich nach allem Vorgesagten daraus, dass die Sache spruchreif ist, es insbesondere nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht im behördlichen Ermessen steht, dem Kläger den Nachweis seiner Kraftfahreignung mittels einer Fahrprobe zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Fußnoten

1) vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.12.2001 – 10 S 572/01 -, juris Rdnr. 3

2) abgedr.in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 11 FeV, Rdnr. 4

3) BayVGH, Beschluss vom 3.4.2007 – 11 C 07.331 -, juris Rdnr. 16

4) BayVGH, Beschluss vom 3.4.2007, a.a.O.

5) BVerwG, Urteil vom 17. 9. 1987 – 7 C 79/86 –

6) VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.7.1990 – 10 S 1428/90 –

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