Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Rechtskonformität im Ordnungswidrigkeitenrecht: Darf das Gericht ohne Anhörung urteilen?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was sind die rechtlichen Folgen einer fehlenden Verteidigervollmacht im Bußgeldverfahren?
- Welche Anforderungen stellt das Gericht an eine wirksame Verteidigervollmacht?
- Kann ein Bußgeld trotz Verfahrensfehler rechtmäßig erhöht werden?
- Wann muss ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid durch Prozessurteil verworfen werden?
- Welche Pflichten hat ein Verteidiger bei der Aufklärung über seine Vertretungsbefugnis?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Das Urteil betrifft die Frage der Vertretungsbefugnis eines Verteidigers im Bußgeldverfahren und die damit verbundenen Verfahrensfehler.
- Der Verteidiger war nicht mit der erforderlichen Vollmacht ausgestattet, um für den Betroffenen zu handeln, was das Amtsgericht ignoriert hat.
- Es gibt eine prozessordnungswidrige Verhandlung, die zu einer Erhöhung der Geldbuße führte, was als Verfahrensfehler gewertet wird.
- Trotz des Verfahrensfehlers wird die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund, wie Verletzung des rechtlichen Gehörs, vorliegt.
- Die Vornahme des Fehlers durch das Amtsgericht basiert auf einer irreführenden Vermerkung der Verteidigervollmacht.
- Die ordnungsgemäße Vorgehensweise wäre die Verwerfung des Einspruchs ohne mündliche Verhandlung gewesen.
- Das Urteil zeigt, dass prozessrechtliche Fehler im Bußgeldverfahren schwerwiegende finanziellen Auswirkungen auf den Betroffenen haben können.
- Die Kosten des Verfahrens muss der Betroffene selbst tragen.
Rechtskonformität im Ordnungswidrigkeitenrecht: Darf das Gericht ohne Anhörung urteilen?
In der komplexen Welt des Ordnungswidrigkeitenrechts ist das rechtliche Gehör ein grundlegendes Prinzip, das die Verteidigungsrechte der betroffenen Personen schützt. Laut § 74 Abs. 2 OWiG steht jedem Beschuldigten eine angemessene gerichtliche Anhörung zu, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte des Sachverhalts geprüft werden können. In einem Verhandlungsverfahren ist dies essenziell, denn nur durch die Möglichkeit der Stellungnahme kann der Betroffene seine Sicht der Dinge darlegen und Verfahrensfehler vermeiden.
Doch wie verhält es sich, wenn das Gericht entgegen dieser Vorschrift zur Sache verhandelt? Hier entsteht eine juristische Auseinandersetzung über die Einhaltung des Verhandlungsgrundsatzes und die Wahrung von Billigkeitsinteressen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall analysiert, der diese Thematik beleuchtet und zeigt, unter welchen Umständen eine solche Verhandlung möglicherweise rechtskonform ist.
Der Fall vor Gericht
Fehlerhafte Vertretung führt zu erhöhtem Bußgeld im Verkehrsverfahren
Das Kammergericht Berlin hat einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten verworfen.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte das Amtsgericht die ursprüngliche Geldbuße von 140 Euro auf 240 Euro erhöht, obwohl der Verteidiger des Betroffenen keine nachgewiesene Vollmacht vorgelegt hatte.
Mangelnde Vertretungsbefugnis bleibt unentdeckt
Der Fall nahm eine ungewöhnliche Wendung, als das Amtsgericht trotz fehlender Vertretungsvollmacht eine Hauptverhandlung durchführte. Ein irreführender Vermerk auf dem Aktendeckel suggerierte fälschlicherweise die Einreichung einer schriftlichen Verteidigervollmacht. Dieser Umstand führte dazu, dass das Gericht den Fall inhaltlich verhandelte, statt den Einspruch direkt zu verwerfen.
Verfahrensrechtliche Fehleinschätzung mit Folgen
Nach den Bestimmungen der Ordnungswidrigkeitengesetzes hätte das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen ohne Verhandlung zur Sache durch ein Prozessurteil verwerfen müssen. Der Grund: Der Verteidiger war nicht „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und somit auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen. Diese rechtlichen Voraussetzungen sind durch gefestigte Rechtsprechung klar definiert.
Rechtliche Bewertung des Kammergerichts
Das Kammergericht stellte fest, dass die fehlerhafte Durchführung der Hauptverhandlung zwar einen Verfahrensfehler darstellt, dieser jedoch keinen Zulassungsgrund für die Rechtsbeschwerde begründet. Die Erhöhung der Geldbuße resultierte nicht aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern aus der irrtümlichen Annahme des Amtsgerichts bezüglich der Vertretungsbefugnis des Verteidigers.
Kostenfolgen für den Betroffenen
Die prozessuale Konsequenz dieser Entscheidung ist eindeutig: Der Betroffene muss die Kosten seiner Rechtsbeschwerde tragen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen als zurückgenommen gilt. Das Kammergericht betonte dabei, dass der Verteidiger den Irrtum über seine fehlende Vertretungsbefugnis hätte aufklären können und dies angesichts der drohenden Verschlechterung für seinen Mandanten auch hätte tun müssen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Ein Verteidiger muss in Bußgeldverfahren zwingend eine nachgewiesene Vollmacht vorlegen, um seinen Mandanten wirksam vertreten zu können. Fehlt diese Vollmacht, darf das Gericht nicht zur Sache verhandeln, sondern muss den Einspruch direkt verwerfen. Verhandelt das Gericht trotz fehlender Vollmacht und erhöht dabei das Bußgeld, liegt zwar ein Verfahrensfehler vor – dieser berechtigt aber nicht automatisch zur Rechtsbeschwerde, selbst wenn sich die Situation für den Betroffenen verschlechtert hat. Besonders bedeutsam ist die Klarstellung, dass Verteidiger bei fehlender Vollmacht keine Entbindungsanträge für ihre Mandanten stellen können.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Anwalt mit Ihrer Verteidigung im Bußgeldverfahren beauftragen, müssen Sie sicherstellen, dass dieser eine schriftliche Vollmacht vorlegt. Geschieht dies nicht, riskieren Sie eine Erhöhung des Bußgeldes ohne wirksame Rechtsmittel dagegen – in diesem Fall stieg das Bußgeld von 140 auf 240 Euro. Besonders wichtig ist auch, dass Sie nicht davon ausgehen können, dass Ihr Anwalt Sie vor Gericht vertreten darf, nur weil er dort erscheint und für Sie spricht. Die Vorlage einer korrekten Vollmacht liegt in Ihrer Verantwortung und sollte vor der Verhandlung geklärt sein.
Benötigen Sie Hilfe?
In Bußgeldverfahren entscheiden oft kleine formale Details über den Ausgang des Verfahrens. Eine rechtssichere Vertretung durch einen erfahrenen Anwalt mit korrekter Vollmacht kann den entscheidenden Unterschied machen. Als Experten für Verkehrsrecht unterstützen wir Sie mit fundierter Beratung und stellen sicher, dass alle formalen Anforderungen gewissenhaft erfüllt werden, um unnötige Kostenrisiken zu vermeiden. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind die rechtlichen Folgen einer fehlenden Verteidigervollmacht im Bußgeldverfahren?
Eine fehlende Verteidigervollmacht im Bußgeldverfahren hat unterschiedliche rechtliche Konsequenzen, je nachdem, in welchem Stadium des Verfahrens sie fehlt und welche Prozesshandlung betroffen ist.
Zustellung von Dokumenten
Bei der Zustellung von Dokumenten gilt eine besonders strenge Regelung: Die Zustellung an den Verteidiger ist nur dann wirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist – mindestens durch die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht. Erfolgt eine Zustellung ohne nachgewiesene Vollmacht, ist sie unwirksam und kann wichtige Fristen nicht in Gang setzen.
Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
Wenn ein Rechtsanwalt einen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegt, wird grundsätzlich vermutet, dass er dazu bevollmächtigt ist. Diese Vermutung gilt aufgrund seiner Stellung als Organ der Rechtspflege. Eine schriftliche Vollmacht muss zunächst nicht vorgelegt werden.
Beschränkung des Einspruchs
Bei der Beschränkung eines bereits eingelegten Einspruchs gelten besondere Anforderungen. Eine nachträgliche Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch erfordert eine ausdrückliche Ermächtigung des Betroffenen. Diese Ermächtigung muss in der Verteidiger-Vollmacht enthalten sein oder separat erteilt werden.
Rechtsmissbräuchliche Berufung
Die Berufung auf eine fehlende Vollmacht kann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn das Verhalten des Verteidigers eindeutig auf das Vorliegen einer Verteidigungsvollmacht schließen lässt. Dies gilt besonders dann, wenn der Verteidiger über längere Zeit im Verfahren aufgetreten ist und Prozesshandlungen vorgenommen hat.
Heilung von Vollmachtsmängeln
Ein anfänglicher Mangel der Vollmacht kann durch eine nachträgliche Genehmigung geheilt werden. Wird eine Vollmacht erst nach Ablauf einer Frist vorgelegt, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Prozesshandlung nicht bestand.
Welche Anforderungen stellt das Gericht an eine wirksame Verteidigervollmacht?
Grundsätzliche Anforderungen
Bei der Einschaltung eines Verteidigers wird grundsätzlich eine Vermutung der Bevollmächtigung angenommen, wenn ein Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege tätig wird. Eine schriftliche Vollmacht muss nicht zwingend vorgelegt werden, außer das Gesetz ordnet dies ausdrücklich an.
Form der Vollmacht
Die Vollmacht kann formfrei erteilt werden und muss nicht schriftlich sein. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Das Original der Vollmacht kann nachgefordert werden, wobei hierfür eine Frist gesetzt werden kann.
Besondere Vertretungsbefugnisse
Für bestimmte Verfahrenssituationen sind spezielle Vollmachten erforderlich:
- Für die Vertretung in der Berufungshauptverhandlung reicht eine allgemeine Verteidigervollmacht nicht aus. Es bedarf einer besonderen Vertretungsvollmacht mit spezifischer Ermächtigung, verbindliche Erklärungen für den Angeklagten abgeben zu können.
- Bei der Rechtsmittelbeschränkung benötigt der Verteidiger eine ausdrückliche Ermächtigung des Betroffenen. Diese kann mündlich erteilt werden und wird durch die anwaltliche Versicherung des Verteidigers nachgewiesen.
Zeitliche Aspekte
Die Vollmacht muss zum Zeitpunkt der jeweiligen Verfahrenshandlung bereits bestehen. Eine nachträglich vorgelegte Vollmacht kann jedoch als Nachweis einer bereits früher erteilten Bevollmächtigung dienen. Die Gerichte dürfen die Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht nicht überspannen.
Kann ein Bußgeld trotz Verfahrensfehler rechtmäßig erhöht werden?
Nein, ein Bußgeld darf nach einem Verfahrensfehler grundsätzlich nicht zu Ihren Ungunsten erhöht werden. Dies basiert auf dem Verbot der Schlechterstellung (Verschlechterungsverbot).
Wenn ein Gericht ein ursprüngliches Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufhebt, darf die neue Entscheidung keine höhere Geldbuße als die ursprüngliche festsetzen. Dies gilt auch dann, wenn sich im neuen Verfahren zusätzliche belastende Umstände herausstellen.
Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot
In bestimmten Fällen kann das Gericht dennoch eine höhere Strafe verhängen:
- Wenn Sie selbst eine höhere Strafe beantragen
- Wenn neue Beweise auftauchen, die eine schwerere Tat nachweisen
- Bei einer Änderung der Rechtslage während des laufenden Verfahrens
Bedeutung für die Verfahrenspraxis
Das Gericht darf zwar den Schuldspruch verschärfen (etwa von fahrlässig auf vorsätzlich), aber die Rechtsfolgen wie Geldbuße oder Fahrverbot dürfen nicht verschlechtert werden. Wird beispielsweise eine Geldbuße von 500 Euro verhängt und das Urteil später wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben, darf die neue Geldbuße diese 500 Euro nicht übersteigen.
Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Verstößt ein Gericht gegen das Verschlechterungsverbot, können Sie dagegen Rechtsbeschwerde einlegen. Das Rechtsbeschwerdegericht wird dann die Geldbuße auf den ursprünglichen Betrag zurücksetzen.
Wann muss ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid durch Prozessurteil verworfen werden?
Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid muss durch Prozessurteil verworfen werden, wenn die formellen Voraussetzungen für einen wirksamen Einspruch nicht erfüllt sind. Dies ist in folgenden Fällen zwingend:
Unentschuldigtes Ausbleiben in der Hauptverhandlung
Wenn Sie als Betroffener in der Hauptverhandlung unentschuldigt fehlen, muss das Gericht den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG durch Urteil verwerfen. Ein Ermessensspielraum besteht für das Gericht dabei nicht.
Fristversäumnis
Wenn Sie den Einspruch nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids einlegen, wird dieser kostenpflichtig verworfen. Eine Ausnahme besteht nur bei erfolgreicher Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, etwa bei nachgewiesenem Krankenhausaufenthalt oder Urlaub während der Einspruchsfrist.
Unzureichende Entschuldigung
Eine bloße Krankmeldung reicht für die Entschuldigung des Nichterscheinens nicht aus. Das Gericht kann die Verhandlungsunfähigkeit überprüfen. Bei einer unzureichenden Entschuldigung muss der Einspruch verworfen werden.
Formelle Mängel
Der Einspruch wird auch verworfen, wenn er nicht den formellen Anforderungen entspricht. Dazu gehört die schriftliche Form mit Angabe des Aktenzeichens sowie Datum, Ort und Unterschrift. Eine einfache E-Mail genügt diesen Anforderungen in der Regel nicht.
Rechtsmittel gegen die Verwerfung
Gegen die Verwerfung des Einspruchs können Sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG stellen. Das Gericht prüft dann allerdings nur die Rechtmäßigkeit der Verwerfung, nicht die inhaltlichen Einspruchsgründe.
Welche Pflichten hat ein Verteidiger bei der Aufklärung über seine Vertretungsbefugnis?
Der Verteidiger muss seine Vertretungsbefugnis eindeutig und nachweisbar darlegen, insbesondere wenn er den Betroffenen in dessen Abwesenheit vertreten möchte.
Nachweis der Vertretungsvollmacht
Eine allgemeine Verteidigervollmacht reicht nicht aus. Der Verteidiger benötigt eine spezifische Ermächtigung, die ihm erlaubt, für den Mandanten verbindliche Erklärungen abzugeben und Erklärungen wirksam entgegenzunehmen.
Bei der Vertretung in Abwesenheit muss die Vollmacht ausdrücklich die Abwesenheitsvertretung umfassen. Dies gilt besonders für Berufungshauptverhandlungen, da hier die letzte Tatsacheninstanz betroffen ist.
Umfang der Vertretungsbefugnis
Der bevollmächtigte Verteidiger kann in der Hauptverhandlung:
- Erklärungen für den Betroffenen abgeben
- Zeugen oder Sachverständige befragen
- Anträge stellen
Klarstellungspflicht
Will der Verteidiger in der Hauptverhandlung als Vertreter des abwesenden Betroffenen auftreten, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen. Dabei ist entscheidend, ob er im eigenen Namen als Verteidiger oder als Vertreter des Betroffenen handelt.
Besonderheiten bei Pflichtverteidigern
Auch ein Pflichtverteidiger benötigt als Beistand des Angeklagten eine ausdrückliche Vertretungsvollmacht. Wurde ein Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt, muss die Vollmacht gegebenenfalls neu erteilt werden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)
Das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) ist ein zentrales Gesetz in Deutschland, das die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten regelt. Ordnungswidrigkeiten sind geringfügige Verstöße, die nicht als Straftaten gelten, aber dennoch Bußgelder nach sich ziehen können. § 74 Abs. 2 OWiG ist besonders relevant, da er das rechtliche Gehör eines Beschuldigten garantiert, also das Recht, vor einer Entscheidung angehört zu werden. Ein Beispiel: Wenn jemand im Straßenverkehr geblitzt wird, wird das Verfahren zur Festsetzung des Bußgeldes oft nach den Regeln des OWiG geführt.
Rechtliches Gehör
Das rechtliche Gehör ist ein fundamentales Prinzip des deutschen Rechts, das sicherstellt, dass jede Person das Recht hat, vor einem Gericht oder einer Behörde ihre Sichtweise zu einem Vorwurf darzulegen. In Verfahren, insbesondere bei Ordnungswidrigkeiten, soll dadurch verhindert werden, dass Entscheidungen einseitig getroffen werden. Es sind die Grundlage für eine faire und ausgewogene Entscheidung, da sie alle relevanten Informationen in Betracht zieht. Ein Beispiel: Wenn jemand gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch erhebt, muss das Gericht den Betroffenen anhören, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Vertretungsvollmacht
Eine Vertretungsvollmacht ist eine gesetzliche oder vertragliche Ermächtigung, die einer Person (oft einem Anwalt) erlaubt, im Namen einer anderen Person Rechtsgeschäfte oder Handlungen vorzunehmen. In rechtlichen Verfahren muss eine solche Vollmacht in der Regel nachgewiesen werden, damit der Vertreter berechtigt ist, zu handeln. Im Kontext des Textes war die fehlende Vorlage einer solchen Vollmacht durch den Verteidiger ein kritischer Punkt, da sie die Rechtswirksamkeit seiner Handlungen in Frage stellte. Ein Beispiel: Ohne nachgewiesene Vollmacht kann ein Anwalt keine rechtsgültigen Anträge im Namen seines Mandanten stellen.
Verfahrensfehler
Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn im rechtlichen Verfahren geltende Vorschriften missachtet werden, was die Entscheidung beeinflussen kann. Solche Fehler können zu einer Neubeurteilung des Falls führen, sind jedoch nicht immer ein Grund für eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde, wie im vorliegenden Fall beschrieben. Hier verhandelte das Gericht, obwohl eine Vollmacht des Anwalts fehlte, was eigentlich nicht zulässig war. Ein Beispiel: Wird ein Betroffener nicht rechtzeitig über einen Verhandlungstermin informiert, könnte dies ein Verfahrensfehler sein.
Zulassungsgrund für die Rechtsbeschwerde
Ein Zulassungsgrund ist eine Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit eine Rechtsbeschwerde vor einem höheren Gericht angenommen wird. Ohne einen solchen Grund wird eine Beschwerde oft abgewiesen. Das Kammergericht stellte fest, dass der Verfahrensfehler im gegebenen Fall keinen solchen Grund darstellte. Ein Beispiel: Ein wesentlicher Rechtsfehler oder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs könnte einen Zulassungsgrund darstellen.
Prozessurteil
Ein Prozessurteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die nicht die inhaltliche Frage, sondern formale Punkte betrifft, z.B. ob eine Klage überhaupt zulässig ist. Im beschriebenen Fall hätte das Amtsgericht ein Prozessurteil fällen können, da die Vollmacht des Anwalts fehlte, was die Unzulässigkeit des Einspruchs begründete. Beispiel: Wenn eine Klage zu spät eingereicht wird, könnte sie ohne inhaltliche Prüfung durch ein Prozessurteil abgewiesen werden.
Vertretungsbefugnis
Die Vertretungsbefugnis ist das Recht einer Person, für eine andere zu handeln oder zu sprechen, insbesondere in rechtlichen Kontexten. Sie basiert meist auf einer Vollmacht oder gesetzlichen Vorschriften. Im gegebenen Fall war die Vertretungsbefugnis des Anwalts des Verkehrssünders strittig, da keine Vollmacht vorgelegt wurde. Ein Beispiel: Ein Anwalt benötigt die Vertretungsbefugnis, um im Namen seines Mandanten vor Gericht zu sprechen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 73 Abs. 3 OWiG: Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger zur Vertretung des Betroffenen im Bußgeldverfahren befugt ist. Insbesondere ist eine nachgewiesene Vollmacht erforderlich, um sicherzustellen, dass der Verteidiger ordnungsgemäß im Namen des Betroffenen handelt. Im vorliegenden Fall war der Verteidiger nicht mit einer nachgewiesenen Vollmacht ausgestattet, was zur Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen führte.
- § 74 Abs. 2 OWiG: Hier wird geregelt, dass ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ohne Verhandlung verworfen werden kann, wenn die erforderlichen Verteidigungsrechte nicht gegeben sind. In diesem Fall hätte das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gemäß dieser Vorschrift verwerfen müssen, da der Verteidiger nicht berechtigt war, die Interessen des Betroffenen zu vertreten. Das Amtsgericht hat hier jedoch fälschlicherweise zur Sache verhandelt.
- § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG: Diese Bestimmung definiert die Zulassungsgründe für eine Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren. Eine Rechtsbeschwerde kann nur zugelassen werden, wenn die Beurteilung des Falles eine grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Divergenz in der Rechtsprechung vorliegt. Im vorliegenden Fall gab es jedoch keinen Zulassungsgrund, da die relevanten rechtlichen Grundsätze bereits geklärt waren und kein Raum für eine unterschiedliche Auslegung bestand.
- § 338 Nr. 5 StPO: Nach dieser Norm liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn das Gericht in Abwesenheit der Angeklagten oder Betroffenen verhandelt, obwohl diese an der Verhandlung teilnehmen wollten. Im aktuellen Fall wurde zwar in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt, jedoch war diese Verhandlung aufgrund der fehlenden Vollmacht des Verteidigers prozessordnungswidrig, was nicht zu einem Gehörsverstoß führte, sondern zu einer zwingenden Einspruchsverwerfung.
- § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO: Diese Regelung behandelt die Kostentragung im strafprozessualen Verfahren. Der Betroffene hat die Kosten seiner Rechtsbeschwerde zu tragen, die als zurückgenommen gilt. Dies steht im Zusammenhang mit der im Urteil festgestellten Prozessordnung, die klärt, dass der Betroffene trotz der prozessordnungswidrigen Verhandlung die Verantwortung für die Kostenübernahme trägt, da die Einspruchsverwerfung aufgrund der rechtlichen Mängel erfolgte.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORbs 82/24 – 122 SsRs 13/24 – Beschluss vom 14.06.2024
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