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Jahresfrist zur Ablegung der praktischen Fahrprüfung nach Bestehen theoretischer Prüfung

Verlängerung der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung abgelehnt

In einem aktuellen Fall begehrte ein Antragsteller die Verlängerung der Gültigkeit seiner theoretischen Fahrerlaubnisprüfung um sechs Monate, da er aufgrund von COVID-19-Pandemiebedingungen und der „2-G-Regel“ keine Möglichkeit hatte, die praktische Fahrprüfung rechtzeitig abzulegen. Die Behörde lehnte jedoch den Antrag ab.

Direkt zum Urteil: Az.: 5 V 384/22 springen.

Probleme aufgrund der 2-G-Regel

Der Antragsteller hatte Schwierigkeiten, genügend praktische Fahrstunden zu absolvieren, da er aufgrund der „2-G-Regel“ nicht an der praktischen Prüfung teilnehmen durfte. Er argumentierte, dass diese Regelung verfassungswidrig sei und eine unzulässige Ungleichbehandlung darstelle.

Antrag auf Verlängerung und Sondergenehmigung

Der Antragsteller beantragte daraufhin erneut die Verlängerung der Gültigkeit seiner theoretischen Fahrprüfung und eine Sondergenehmigung zur Teilnahme an der praktischen Prüfung trotz der 2-G-Regelung. Die Antragsgegnerin lehnte jedoch beide Anträge ab.

Gerichtliche Entscheidung

Der Antragsteller legte Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin ein und stellte einen Eilantrag beim Gericht. Der Rechtsstreit wurde hinsichtlich des Hauptantrags für erledigt erklärt, während der Hilfsantrag auf Verlängerung der Gültigkeit der theoretischen Prüfung aufrecht erhalten blieb. Die Antragsgegnerin trat dem Eilantrag entgegen und verwies auf den Ablehnungsbescheid.

Verfahren und Antragszulässigkeit

Der Rechtsstreit hinsichtlich des Hauptantrags wurde eingestellt, jedoch wurde über den Hilfsantrag entschieden. Der Antrag ist zulässig, da der Antragsteller nach Ablauf der einjährigen Gültigkeit seiner theoretischen Prüfung eine Ausnahmegenehmigung nach § 74 Abs. 1 FeV begehrt. Da die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid fehlerhaft war, gilt anstelle der einmonatigen Klagefrist die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die noch nicht abgelaufen ist.

Antrag ohne Erfolg

Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Anspruchsgrundlage ist § 74 Abs. 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 FeV, die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Die Ablehnung des Antrags durch die Antragsgegnerin war jedoch rechtmäßig, da die Erteilung von Ausnahmen von den Vorschriften der FeV im behördlichen Ermessen steht. Der Antragsteller konnte nicht plausibel darlegen, dass eine frühere Ablegung der Prüfung im Einzelfall nicht möglich war und schwere Nachteile entstehen würden. Die unterbliebene Ablegung der Prüfung ist überwiegend seiner Risikosphäre zuzurechnen, da er freiwillig mehrere Pausen für sein Studium eingelegt hat und keine Umstände dargebracht hat, die einer Ausdehnung der Stundenanzahl entgegengestanden hätten.

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Das vorliegende Urteil

VG Bremen – Az.: 5 V 384/22 – Beschluss vom 22.04.2022

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verlängerung der Gültigkeit seiner vor mehr als einem Jahr abgelegten theoretischen Fahrerlaubnisprüfung um sechs Monate.

Jahresfrist zur Ablegung der praktischen Fahrprüfung nach Bestehen theoretischer Prüfung
(Symbolfoto: Animaflora PicsStock/Shutterstock.com)

Der Antragsteller beendete den theoretischen Grundunterricht zum Erwerb der entsprechenden Fahrerlaubnis im Dezember 2020 und bestand die theoretische Fahrerlaubnisprüfung am 23.12.2020. In der Zeit vom 30.03.2021 bis zum 07.07.2021 absolvierte er insgesamt 25 praktische Fahrstunden à 45 Minuten, im Schnitt ein bis zwei Fahrstunden pro Woche. Es folgten weitere vier Fahrstunden zwischen dem 04.08.2021 und 18.08.2021 und sodann zwischen dem 05.10.2021 und 30.11.2021 insgesamt elf weitere Fahrstunden, mit einem entsprechenden Rhythmus von ein bis zwei 45-minütigen Fahrstunden pro Woche.

Mit E-Mail vom 18.10.2021 bat der Antragsteller erstmals bei der Antragsgegnerin um Verlängerung der Frist zur Absolvierung der praktischen Fahrprüfung. Zur Begründung führte er aus, dass er aufgrund der COVID-19-Pandemie daran gehindert gewesen sei, ausreichend praktische Fahrstunden zu absolvieren. Zwar seien die Fahrschulen seit Juni 2020 wieder geöffnet gewesen. Durch den großen Rückstau an Bewerbern habe er aber in den ersten drei Monaten nach seiner theoretischen Prüfung gar keine Fahrstunden nehmen können. Zudem stelle der TÜV nicht ausreichend Prüfungstermine zur Verfügung. Die Behörde erwiderte, dass Prüfungstermine derzeit innerhalb eines Monats nach Anmeldung vergeben würden und der Antragsteller daher bis zum Ablauf der Gültigkeit seiner theoretischen Prüfung am 23.12.2021 genügend Möglichkeiten zur Absolvierung der Prüfung haben werde.

Die betreuende Fahrschule meldete den Antragsteller daraufhin für einen Prüfungstermin am 02.12.2021 in der Stadtgemeinde Bremen an. Mit Inkrafttreten der dritten Änderungsverordnung zur 29. Verordnung zum Schutz von Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 am 25.11.2021 (Brem.GBl. S. 730) (im Folgenden: Corona-Verordnung) führte der Landesgesetzgeber in Bremen mit dessen § 3 Abs. 4a für die Teilnahme an Veranstaltungen (ausgenommen religiöse Veranstaltungen) und Festen in geschlossenen Räumen außerhalb der eigenen Wohnung nebst dem befriedeten Besitztum für den Fall, dass nach Bekanntmachung des Senats in der Stadtgemeinde Bremen oder des Magistrats in der Stadtgemeinde Bremerhaven die Warnstufe 2 festgestellt wird, das sogenannte „2-G-Zugangsmodell“ ein. Da der Antragsteller zum Prüfungstermin am 02.12.2021 nicht gegen das Corona-Virus geimpft war und in der Stadtgemeinde Bremen eine entsprechende Warnstufe galt, blieb ihm die Teilnahme an der praktischen Prüfung verwehrt.

Mit Schreiben vom 13.12.2021 beantragte der Antragsteller daraufhin erneut die Verlängerung der Gültigkeit seiner theoretischen Fahrprüfung sowie eine Sondergenehmigung zur Teilnahme an der praktischen Prüfung trotz der 2-G-Regelung. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er sein Vorbringen aus dem Schreiben vom 18.10.2021. Des Weiteren berief er sich auf die Verfassungswidrigkeit der 2-G-Regelung: So gelte diese nicht für Fahrlehrer, sondern nur für Prüflinge. Auch in Niedersachsen sei sie bei der praktischen Führerscheinprüfung nicht vorgesehen. Die 2-G-Regelung sei zuvor nie Voraussetzung für die Fahrprüfung gewesen und habe ihn daher überraschend getroffen. Ein Führerschein sei heutzutage wichtig und gehöre nicht zu den Luxus-Bedürfnissen. In seinem Fall stehe zudem seine Anstellung als Zusteller bei der Deutschen Post auf dem Spiel, da diese plane, ab Anfang Januar 2022 nur noch Touren per Auto durchzuführen. Er könne sich nun nicht mehr in so kurzer Zeit impfen lassen. Am Tag der Prüfung sei er zur Durchführung eines PCR-Tests bereit. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stehe insoweit im behördlichen Ermessen.

Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14.01.2022 ab. Dazu führte sie aus, dass die praktische Fahrprüfung als Veranstaltung in geschlossenen Räumen außerhalb der eigenen Wohnung unter das 2-G-Erfordernis des § 3 Abs. 4a Corona-Verordnung falle. Für eine Ausnahmegenehmigung vom 2-G-Zugangserfordernis fehle es an einer Rechtsgrundlage. Zudem sei eine solche hinsichtlich der von einer ungeimpften Person ausgehenden hohen Ansteckungsgefahr für andere Fahrzeuginsassen, insbesondere den Fahrprüfer, nicht zumutbar. Auch eine Ausnahmegenehmigung für die Verlängerung der Gültigkeit der theoretischen Prüfung komme nicht in Betracht. Diese könne nur in begründeten Ausnahmefällen für die Dauer von längstens 6 Monaten erteilt werden. Der Antragsteller habe genügend Zeit zur Impfung gehabt. Auch das fristgerechte Ablegen der praktischen Fahrprüfung habe er selbst in der Hand gehabt. Nach Mitteilung der betreuenden Fahrschule habe der Antragsteller zudem mehrfach freiwillige Pausen vom praktischen Unterricht für sein Studium eingelegt, was zur fehlenden Prüfungsreife und daher Verzögerung der Anmeldung zur Prüfung geführt habe. Es sei keine besondere Härte zu erkennen, die das erneute Ablegen der theoretischen Prüfung für den Antragsteller unzumutbar mache. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach der statthafte Rechtsbehelf der Widerspruch bei der Antragsgegnerin sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 18.01.2022 Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.

Am 03.03.2021 hat der Antragsteller den vorliegenden Eilantrag gestellt. Er wiederholt insoweit zur Begründung seines Antrages sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Vertiefend führt er aus, sein grundsätzlicher Ausschluss des Antragstellers von der praktischen Prüfung aufgrund des 2-G-Zugangsmodells sei verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Hinsichtlich der Möglichkeit von Fahrlehrern und Prüfern, die Fahrstunden bzw. Prüfungen im Gegensatz zu Fahrschülern ungeimpft mit tagesaktueller Testung vorzunehmen, läge eine unzulässige Ungleichbehandlung vor. Der Antragsgegnerin sei bewusst gewesen, dass der Termin am 02.12.2021 für ihn die letzte Möglichkeit zur fristgemäßen Ablegung der praktischen Prüfung darstellte. Dies begründe einen Härtefall, sodass jedenfalls eine Verlängerung der Gültigkeit der theoretischen Prüfung von 6 Monaten angezeigt sei. Er sei weiterhin ungeimpft und nicht genesen. Ebenso sei er als Auslieferungsfahrer bei der Post hinsichtlich einer bevorstehenden Umstellung auf Autozustellungen auf den Führerschein zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, den er neben dem Studium vollständig selbst bestreite, angewiesen. Schließlich müsse er bei Wiederholung der theoretischen Prüfung nicht nur die entsprechende Verwaltungsgebühr von 22,49 Euro, sondern auch aufgrund einer erforderlichen Vertragsverlängerung mit der Fahrschule weitere 150 Euro bezahlen.

Nachdem der Antragsteller zunächst beantragt hat, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, ihm eine Sondergenehmigung zur Teilnahme an der praktischen Fahrerlaubnisprüfung trotz des 2-G-Zugangsmodells zu erteilen sowie hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm eine Ausnahme zur Verlängerung der Gültigkeit der von ihm am 23.12.2020 abgelegten theoretischen Fahrerlaubnisprüfung um 6 Monate zu genehmigen, haben die Beteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 31.03.2022 und 01.04.2022 hinsichtlich des Hauptantrags übereinstimmend für erledigt erklärt. Den Hilfsantrag hat der Antragsteller aufrecht erhalten.

Die Antragsgegnerin tritt dem Eilantrag entgegen. Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf den Ablehnungsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, es liege kein Härtefall nach §§ 74 Abs. 1, 18 Abs. 2 FeV vor. Die Kosten der theoretischen Prüfung lägen bei lediglich 22,49 Euro. Auch eine besondere Eilbedürftigkeit bestehe nicht. Der Antragsteller verliere mit Blick auf die Nichtzulassung zur praktischen Fahrerlaubnisprüfung keine bestehende Rechtsposition. Der bevorstehende Jobverlust werde schließlich lediglich unsubstantiiert behauptet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

1.

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Hauptantrags übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Über den Hilfsantrag ist trotz Erledigung des Hauptantrags zu entscheiden (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 12.07.2013 – 6 PB 9.13 –, juris Rn. 5).

2.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, da der Antragsteller als Voraussetzung zur Teilnahme an der praktischen Fahrprüfung nach Ablauf der einjährigen Gültigkeit seiner theoretischen Prüfung (§ 18 Abs. 2 FeV) eine Ausnahmegenehmigung nach § 74 Abs. 1 FeV begehrt. Dieses Begehren könnte er in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage verfolgen, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Eine solche Verpflichtungsklage wäre auch noch zulässig, insbesondere nicht verfristet. Zwar ist entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 14.01.2022 der Widerspruch unstatthaft. Zum einen handelte die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau als oberste Landesbehörde gemäß § 74 Abs. 1 FeV i.V.m. § 2 Bekanntmachung über die Zuständigkeiten nach der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 06.06.2017 (Brem.ABl. 2017, S. 339), sodass das Vorverfahren schon nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO ausscheidet. Ebenso ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 Nr. 8 BremAGVwGO bei Verwaltungsakten auf dem Gebiet des Fahrerlaubnisrechts kein Vorverfahren durchzuführen. Zu solchen zählen notwendigerweise auch die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 74 Abs. 1 FeV, sofern mit ihnen wie vorliegend Befreiungen von den grundsätzlichen Anforderungen der Erlaubniserteilung nach §§ 7 ff. FeV verbunden sind. Aufgrund der insoweit fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung gilt jedoch anstelle der einmonatigen Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch nicht abgelaufen ist.

3.

Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen des Gerichts zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, der Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Da der Antragsteller mit der Verlängerung der Gültigkeit seiner theoretischen Prüfung eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt (vgl. auch VG Neustadt (Weinstraße), Beschl. v. 10.12.2021 – 1 L 1113/21.NW –, juris Rn. 3), sind erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches zu stellen. Zulässig ist die Vorwegnahme der Hauptsache nur dann, wenn im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG die Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, also wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. etwa VG Bremen, Beschl. v. 24.06.2013 – 5 V 259/13 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antragsteller bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Auf die Frage, inwieweit – vor dem Hintergrund eines möglichen Verfalls seiner theoretischen Ausbildung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (§ 18 Abs. 2 Satz 3 und 4 FeV) sowie der behaupteten Gefahr eines Verlustes seines Arbeitsplatzes – auch ein Anordnungsgrund anzunehmen ist, kommt es insoweit nicht an.

a.

Anspruchsgrundlage für den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung ist § 74 Abs. 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 FeV. Danach kann die zuständige Behörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung genehmigen. § 18 Abs. 2 FeV trifft dabei grundsätzlich die Anordnung, dass die praktische Prüfung innerhalb von zwölf Monaten nach Bestehen der theoretischen Prüfung abgelegt werden muss; anderenfalls verliert die theoretische Prüfung ihre Gültigkeit. Es kommt insoweit auf das Bestehen der praktischen Prüfung an (vgl. Hahn/Kalus, in: Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2016, § 18 FeV Rn. 4).

b.

Die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat mit seinem Schreiben vom 13.12.2021 den erforderlichen Antrag gestellt. Die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau war gemäß § 74 Abs. 1 FeV i. V. m. § 2 der Bekanntmachung über die Zuständigkeiten nach der Fahrerlaubnis-Verordnung auch die zuständige Behörde.

c.

Die Ablehnung des Antrags durch die Antragsgegnerin war jedoch rechtmäßig. Die Erteilung von Ausnahmen von den Vorschriften der FeV sowie die Feststellung selbst, wann ein Ausnahmefall vorliegt, stehen gemäß § 74 Abs. 1 FeV vollständig im behördlichen Ermessen (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), a.a.O., Rn. 6 m.w.N.). Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragsgegnerin nach Überzeugung der Kammer die Erteilung einer Ausnahme von der Jahresfrist des § 18 Abs. 1 Satz 1 FeV an den Antragsteller ermessensfehlerfrei mit sachgerechten, am Sinn und Zweck der Norm orientierten und verhältnismäßigen Erwägungen abgelehnt (§ 114 Satz 1 VwGO).

Sinn und Zweck der grundsätzlich zwingenden Jahresfrist nach § 18 Abs. 2 FeV ist es sicherzustellen, dass im Zeitpunkt der praktischen Prüfung und der regelmäßig nachfolgenden Erteilung der Fahrerlaubnis die zuvor in der theoretischen Prüfung nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht bereits wieder verblasst sind. Dies dient der Gewährleistung der umfassenden Fahreignung und -befähigung des Bewerbers und damit letztlich dem öffentlichen Interesse der Verkehrssicherheit. Dementsprechend ist eine Ausnahme nach § 74 Abs. 1 FeV nur angezeigt, wenn im Einzelfall die Interessen des einzelnen Bewerbers überwiegen. Der Betroffene muss plausibel geltend machen können, dass eine frühere Ablegung der Prüfung im Einzelfall nicht möglich war. Zudem müssen schwere Nachteile entstehen, die das erhöhte Risiko für die Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten lassen (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), a.a.O. Rn. 8; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2015, juris Rn. 35).

Hieran gemessen wäre es dem Antragsteller bereits möglich gewesen, die Prüfung rechtzeitig abzulegen (hierzu aa.). Unabhängig davon liegen auch keine unter Abwägung der gegenläufigen Interessen zu berücksichtigenden schweren Nachteile für den Antragsteller vor (hierzu bb.).

aa.

Dem Antragsteller war es möglich, die Prüfung rechtzeitig abzulegen. Zwar sind pandemiebedingte Einschränkungen des Fahrschulbetriebs grundsätzlich geeignet, die rechtzeitige Ablegung einer Prüfung zu vereiteln (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), a.a.O., Rn. 9 ff.). Zum einen muss jedoch deren Kausalität für die eingetretene Verzögerung hinreichend feststehen, zum anderen darf diese nicht durch Umstände überlagert werden, die nach dem Schutzzweck der Norm in den Verantwortungsbereich des Fahrerlaubnisbewerbers fallen (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), a.a.O., Rn. 13 ff.). Die unterbliebene Ablegung der praktischen Prüfung genügt diesen Kausalitätsanforderungen nicht. Auch wenn der Antragsteller von den unmittelbaren und mittelbaren Folgen der Coronavirus-Pandemie betroffen war, so ist die unterbliebene Ablegung der Prüfung überwiegend seiner Risikosphäre zuzurechnen.

Ausweislich der Auskunft seiner Fahrschule hat der Antragsteller – obwohl er durch den „Rückstau“ bei den Fahrschulen in den ersten drei Monaten seiner Jahresfrist schon keine Fahrstunden absolviert hatte – freiwillig mehrere Pausen für sein Studium eingelegt. Dies wird durch die Ausbildungsnachweise des Antragstellers, die mehrwöchige Unterbrechungen insbesondere in den Monaten Juli sowie September 2021 belegen, bestätigt. Solche Pausen fallen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Fahrerlaubnisbewerbers. Sie stellen sich bereits nach dem Schutzzweck des § 18 Abs. 2 FeV nicht als atypisch dar, weil der Gesetzgeber gerade davon ausgeht, dass die Unterrichtsstunden parallel zu sonstigen alltäglichen Aufgaben, wozu der Beruf aber auch die eigene Ausbildung zählt, absolviert werden. Zu erbringende Studienleistungen sind in der Regel vorhersehbar. Etwaige Kollisionen kann der Fahrerlaubnisbewerber durch eine effektive Zeitplanung und Strukturierung seines Alltags selbst vermeiden. Dass den Unterbrechungen im Einzelfall für ihn nicht vorhersehbare atypische Umstände zugrunde lagen, die eine andere Bewertung im Einzelfall rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgebracht.

Darüber hinaus wird aus dem Vorbringen des Antragstellers auch nicht deutlich, warum nach Antritt der praktischen Ausbildung im März 2021 keine Möglichkeit bestanden haben soll, weitere Fahrstunden zu nehmen. Der Schnitt von 1-2 Einheiten a 45 Minuten pro Woche lässt dazu ausreichend Spielraum. Dies gilt erst recht, wenn in Anbetracht bereits absehbarer Unterbrechungen zu Studienzwecken ein zunehmender zeitlicher Druck entsteht. Auch diesbezüglich hat er keine Umstände dargebracht, die im Einzelfall einer Ausdehnung der Stundenanzahl entgegengestanden hätten. Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben ein Fahrschüler ist, der deutlich mehr Zeit benötigt. Gerade vor diesem Hintergrund erscheinen eine effektive zeitliche Planung und gegebenenfalls die Einplanung weiterer Fahrstunden geboten. Insoweit war der verbleibende Zeitraum von circa 9 Monaten bis Fristablauf ab März 2021 auch unter Berücksichtigung einer insoweit unterdurchschnittlichen Lerngeschwindigkeit des Antragstellers nicht zu kurz bemessen. Die Jahresfrist des § 18 Abs. 2 FeV ist von Vornherein hinreichend großzügig bemessen und trägt – wie bereits dargestellt neben einer etwaigen beruflichen Belastung – auch dem Umstand Rechnung, dass die praktische Ausbildung aufgrund von sonstigen persönlichen Umständen – wie beispielsweise der individuellen Lerngeschwindigkeit – langsamer oder mit Unterbrechungen absolviert wird. Insbesondere setzt die Frist keinen „Idealbewerber“ voraus.

Auch die kurz vor dem Prüfungstermin eingeführte 2-G-Regelung stellt insoweit keinen Umstand dar, der von der Behörde zugunsten des Antragstellers zwingend zu berücksichtigen gewesen wäre. Zwar erfolgte auch diese anlässlich der Pandemie, war im vorliegenden Fall aber nicht im Sinne der genannten Maßstäbe kausal für die Nichtabsolvierung der praktischen Prüfung innerhalb der Jahresfrist. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass mit Blick auf die andauernden pandemischen Umstände und dem seit dem Sommer 2021 bestehenden allgemeinen Impfangebot mit den steigenden Inzidenzwerten im Herbst 2021 entsprechende Zugangsbeschränkungen bereits über Monate öffentlich diskutiert wurden. Für den Antragsteller stellte sich daher die Entscheidung, sich nicht früher zur Prüfung anzumelden, eine bewusste Risikoentscheidung dar. Insbesondere musste dem Antragsteller aus dem vorangegangenen Lockdown bewusst gewesen sein, dass sich die Pandemie auch erneut auf den Fahrschul- und Fahrprüfungsbetrieb auswirken könnte.

Unabhängig davon fällt es generell in die Risikosphäre des Bewerbers, wenn er die Jahresfrist voll ausschöpft. Hätte der Antragsteller die Prüfung etwa nicht bestanden, so wäre die Jahresfrist ebenfalls abgelaufen und der Antragsteller hätte die theoretische Prüfung wiederholen müssen.

bb.

Unabhängig davon liegen auch keine unter Abwägung der gegenläufigen Interessen zu berücksichtigenden schweren Nachteile für den Antragsteller vor.

Zunächst ergibt sich aus finanzieller Sicht kein schwerer Nachteil für den Antragsteller. Die erneute Ablegung der theoretischen Fahrprüfung ist nur mit einem geringfügigen finanziellen Aufwand verbunden. Auch ist die 2-Jahresfrist des § 16 Abs. 3 Satz 7 FeV noch nicht abgelaufen, sodass auch kein Neubesuch des theoretischen Unterrichts erforderlich wäre. Der Antragsteller kann zudem auf seine bereits absolvierten Fahrstunden aufbauen, sodass die praktische Prüfungsreife nach Bestehen der theoretischen Prüfung zügig hergestellt werden kann. Der in Rede stehende Aufwand ist in Anbetracht des hohen Schutzgutes der Sicherheit des Straßenverkehrs insofern zumutbar. Soweit der Antragsteller – ebenfalls ohne jeglichen Nachweis – vorbringt, er müsse überdies eine Vertragsverlängerung mit der betreuenden Fahrschule in Kauf nehmen, die weitere 150 Euro kosten würde, so ändert dies an dieser Wertung nichts. Diese finanziellen Nachteile begründen keinen solchen Härtefall, dass die öffentlichen Belange der Verkehrssicherheit dahinter zurückstehen müssten.

Schließlich hat der Antragsteller die behaupteten nachteiligen beruflichen Folgen nicht ansatzweise substantiiert. Er hat insoweit in seinem Verlängerungsantrag vom 13.12.2021 vorgetragen, die Deutsche Post würde zu „Anfang Januar“ die von ihm mit dem Fahrrad bedienten Touren durch Autotouren ersetzen. Mit Schriftsatz vom 16.03.2022 hat er erneut behauptet, ihm drohe ein „kurzfristiger“ Verlust des Arbeitsplatzes, ohne dass er für diese Angabe irgendeinen Nachweis erbracht hat. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit dem Antragsteller in diesem Falle tatsächlich ein Arbeitsplatzverlust drohen würde, insbesondere ob nicht eine anderweitige Verwendung in Betracht käme. Selbst wenn eine Kündigung tatsächlich drohen würde, könnte er dieser dadurch entgehen, dass er die theoretische Prüfung erneut ablegt, was – wie ausgeführt – mit nur geringfügigen Nachteilen verbunden wäre.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass der Antragsteller die Kosten trägt. Der auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahme vom 2-G-Zugangsmodell gerichtete Hauptantrag wäre voraussichtlich ohne Erfolg geblieben. Zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses war die streitgegenständliche Jahresfrist bereits verstrichen, sodass der Hauptantrag nur Erfolg gehabt hätte, wenn auch der Hilfsantrag Erfolg gehabt hätte. Dieser Abhängigkeit ist die Antragstellung nicht gerecht geworden; im Übrigen bleibt auch der Hilfsantrag – wie ausgeführt – ohne Erfolg.

5.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Eine Verdoppelung des Streitwertes durch die Entscheidung über Haupt- und Hilfsantrag ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG i.V.m. Ziffer 1.1.4 des Streitwertkatalogs nicht angezeigt, da der Antragsgegenstand hinsichtlich der begehrten Zulassung zur praktischen Fahrprüfung für die Erlaubnisklasse B identisch ist. Eine Reduzierung des Streitwertes nach Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges ist hinsichtlich der Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls abzulehnen.

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