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Informationsanspruch zum Anzeigenerstatter im Ordnungswidrigkeitenverfahren

Kein Anspruch auf Akteneinsicht im Fall von mutmaßlicher widerrechtlicher Gehölzrodung.

Im Sommer 2020 wurden Gehölzrodungen auf dem Grundstück der Kläger gemeldet, welche in der Zeit des Sommerfällverbotes vom 01.03. bis 30.09. durchgeführt worden sein sollen. Die Beklagte wandte sich per E-Mail an die Kläger und forderte diese auf, die Rodungen einzustellen. Die Kläger forderten Akteneinsicht und Widerspruch ein, welcher jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin erhoben sie Klage, da sie einen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht nach § 29 BremVwVfG geltend machten. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, da der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 BremIFG greife und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Lasten der Kläger ausfalle. Das Informationsinteresse der Kläger sei nicht sonderlich schwerwiegend, während das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der anzeigenerstattenden Person schwerer wiege. Zudem habe die Anzeige nicht willkürlich stattgefunden, wodurch ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht gerechtfertigt sei. Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach § 29 BremVwVfG bestehe daher nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

VG Bremen – Az.: 4 K 2814/20 – Beschluss vom 16.09.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheids vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren vollständige Akteneinsicht in einen Verwaltungsvorgang der Beklagten.

Der Beklagten wurden im Juli 2020 Gehölzrodungen auf dem Grundstück der Kläger …, in der Zeit des Sommerfällverbotes vom 01.03. bis 30.09. durch einen Dritten gemeldet. Daraufhin wandte sich die Beklagte per E-Mail vom 13.07.2020 an den Prozessbevollmächtigten der Kläger und forderte die Kläger auf, widerrechtliche Rodungen auf ihrem Grundstück einzustellen.

Mit E-Mail des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 14.07.2020 wurde die Beklagte aufgefordert, anzugeben, um welche Art von Mitteilung es sich handele und von wem diese stamme. Zudem beantragten die Kläger Akteneinsicht, welche mit Bescheid vom 23.07.2020 gewährt, allerdings dahingehend beschränkt wurde, dass Daten und Schriftwechsel die auf die Person des Anzeigeerstatters hindeuteten, nicht Preis gegeben würden. Die Beklagte begründete dies damit, dass nach § 29 Abs. 2 BremVwVfG die berechtigten Interessen des Anzeigeerstatters an Anonymität das Interesse der Kläger an vollständiger Akteneinsicht überwögen.

Mit Schreiben vom 11.08.2020 legten die Kläger Widerspruch ein, welcher damit begründet wurde, dass die getätigte Anzeige rechtswidrig erfolgt sei und eine zivilrechtliche Unterlassungsklage angestrebt werde.

Mit Bescheid vom 04.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 1 BremIFG nicht bestehe. Da der Anzeigeerstatter nicht eingewilligt habe, habe es einer Interessenabwägung bedurft. Das Interesse der Kläger überwiege gegenüber dem schutzwürdigen Interesse des Anzeigeerstatters nicht.

Die Kläger haben am 09.12.2020 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht nach § 29 BremVwVfG bestehe und keine Ausnahme nach § 29 Abs. 2 BremVwVfG vorliege. Auch ein Ausschluss nach § 5 Abs. 1 BremIFG komme nicht in Betracht, da entgegen der Auffassung der Beklagten das Interesse des Anzeigeerstatters an Anonymität nicht überwiege. Der Hinweis des Anzeigeerstatters sei entgegen der Ansicht der Beklagten in rechtswidriger Weise erfolgt, da mitgeteilt worden sei, dass sie, die Kläger, rechtswidrige Rodungsarbeiten vorgenommen hätten, was nicht der Wahrheit entspreche. Vielmehr seien reine Gartenpflegearbeiten in Form von Zuschnitten und dem Zupfen von Unkräutern vorgenommen worden. Es seien schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung der Bäume getätigt worden, die nach § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG zulässig seien. Dies ergebe sich aus der Rechnung des Gärtners. Auch die hinzugezogenen Polizeibeamten hätten gesagt, dass es sich um ganz normale Gartenpflege gehandelt habe. Der Unterschied zwischen Rodungs- und Gartenpflegearbeiten sei offensichtlich. Aufgrund des Umstandes, dass der Anzeigeerstatter rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, bestehe ein rechtliches Interesse an einer effektiven Durchsetzung ihrer Rechte in Form einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich, den Bescheid der Beklagten vom 23.07.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen vollständige Akteneinsicht zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf den Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom 29.01.2021 darauf hingewiesen, dass es erwäge, über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Mit Beschluss vom 11.07.2022 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Über die Klage kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

B. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.07.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte vollständige Akteneinsicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BremIFG. Danach hat jeder nach Maßgabe des BremIFG gegenüber den Behörden des Landes, der Gemeinden und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen und auf Veröffentlichung der Informationen nach § 11 BremIFG.

Diesem Anspruch steht hier der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 BremIFG entgegen. Hiernach darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse der antragstellenden Person oder der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat.

Da der Anzeigeerstatter nicht eingewilligt hat, muss eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgen. Eine solche fällt hier zu Lasten der Kläger aus. § 5 Absatz 1 BremIFG bezweckt den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Anbetracht des Umstands, dass hier private Daten der anzeigenerstattenden Person betroffen sind, ist grundsätzlich von einer hohen Schutzwürdigkeit auszugehen (Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 5 Rn. 45). Demgegenüber ist das von den Klägern geltend gemacht Informationsinteresse – ein Informationsinteresse der Allgemeinheit liegt offensichtlich nicht vor – nicht sonderlich schwerwiegend. Soweit die Kläger vortragen, sie wollten die ihnen durch die Anzeige entstandenen Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber der anzeigenerstattenden Person geltend machen, ist schon nicht ersichtlich, inwiefern den Klägern (unmittelbar durch die Anzeige und nicht durch das vorliegende Verfahren den Informationszugang betreffend) Kosten entstanden sein sollen bzw. inwiefern es der Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten bedurfte, nachdem sich nach ihrem eigenen Vortrag anlässlich der Kontrolle herausstellte, dass keine unerlaubten Schnitt-bzw. Rodungsarbeiten stattgefunden hatten. Da zudem – unstreitig – Schnittarbeiten auf dem Grundstück der Kläger stattgefunden hatten, ist die Anzeige auch nicht derart willkürlich erfolgt, dass – insbesondere die erstmalige – Anzeigenerstattung einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen könnte.

2. Ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht ergibt sich auch nicht aus § 29 BremVwVfG.

Nach § 29 BremVwVfG haben die Behörden den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Nach § 29 Abs. 2 BremVwVfG ist die Behörde jedoch nicht zur Akteneinsicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt werden, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen. Aufgrund der oben gemachten Ausführungen bestehen hier berechtigte Interessen des Anzeigeerstatters, die einer vollständigen Akteneinsicht entgegenstehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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