Ein Elektroauto-Fahrer war überzeugt: Ein Tempolimit mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ konnte für sein emissionsfreies Fahrzeug nicht gelten, da es keine Abgase ausstößt. Er missachtete daher die Geschwindigkeitsbegrenzung auf einer innerstädtischen Straße. Doch der Bußgeldbescheid und ein Gerichtsurteil zwangen ihn zu einer unerwarteten Einsicht.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Musste ein Elektroauto auf der Autobahn langsamer fahren, um die Luft zu schützen?
- Warum glaubte der Fahrer, die Geschwindigkeitsbegrenzung gelte nicht für ihn?
- Wie reagierte das erste Gericht auf diese ungewöhnliche Argumentation?
- Welche Möglichkeit gibt es, eine solche Gerichtsentscheidung überprüfen zu lassen?
- Auf welchen Grundlagen fußen Geschwindigkeitsbegrenzungen mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“?
- Warum wies das höhere Gericht die Klage des Elektroauto-Fahrers ab?
- Was geschah mit den anderen Einwänden des Fahrers?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist der umfassende Zweck von Geschwindigkeitsbegrenzungen, die dem Ziel der „Luftreinhaltung“ dienen?
- Tragen Elektrofahrzeuge auch ohne Abgasemissionen zur Umweltbelastung bei?
- Unter welchen Voraussetzungen kann eine Entscheidung eines Amtsgerichts in einer Ordnungswidrigkeit von einem höheren Gericht überprüft werden?
- Gelten allgemeine Verkehrsregeln und -zeichen uneingeschränkt für alle Fahrzeugtypen im Straßenverkehr?
- Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen des Umweltschutzes angeordnet werden kann?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 ORbs 57/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Hamm
- Datum: 10. Juni 2025
- Aktenzeichen: 3 ORbs 57/25
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die wegen zu schnellen Fahrens zu einer Geldbuße verurteilt wurde. Sie beantragte die Zulassung einer Rechtsbeschwerde, um das Urteil überprüfen zu lassen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Eine Person wurde mit ihrem Elektrofahrzeug wegen Überschreitung der Geschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung war durch ein Zusatzzeichen „Luftreinhaltung“ gekennzeichnet.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Muss ein Elektroauto eine Geschwindigkeitsbegrenzung einhalten, die mit dem Zusatzschild „Luftreinhaltung“ versehen ist?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde abgelehnt.
- Zentrale Begründung: Die Rechtsfrage war bereits geklärt, da weder Gerichte noch Rechtsliteratur eine Ausnahme für Elektrofahrzeuge von solchen Geschwindigkeitsbegrenzungen vorsehen.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Betroffene muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Musste ein Elektroauto auf der Autobahn langsamer fahren, um die Luft zu schützen?
Eine gewöhnliche Autofahrt auf den Straßen einer norddeutschen Großstadt nahm für einen Verkehrsteilnehmer eine unerwartete Wendung. Er war mit seinem Elektrofahrzeug unterwegs, als er eine Geschwindigkeitsbegrenzung übersah – oder vielmehr ignorierte. Das Besondere an diesem Tempolimit war ein kleines, aber entscheidendes Zusatzzeichen unter dem gewöhnlichen runden Geschwindigkeitsverbotsschild: „Luftreinhaltung“. Für den Fahrer des emissionsfreien Autos war dies eine klare Botschaft: Dieses Limit könne für ihn nicht gelten. Schließlich produziere sein Fahrzeug keine Abgase, die die Luft verschmutzen. Doch die behördlichen Messgeräte sahen das anders, und so fand sich der Mann bald mit einem Bußgeldbescheid konfrontiert.
Warum glaubte der Fahrer, die Geschwindigkeitsbegrenzung gelte nicht für ihn?

Der Verkehrsteilnehmer, dessen Alltag von dieser Begegnung mit der Verkehrsregelung empfindlich gestört wurde, war überzeugt: Die Geschwindigkeitsbegrenzung von beispielsweise 50 km/h, versehen mit dem Hinweis „Luftreinhaltung“, sei für ihn irrelevant. Seine Argumentation schien auf den ersten Blick schlüssig: Der Hauptgrund für solche Beschränkungen ist üblicherweise die Reduzierung von schädlichen Abgasen. Da ein Elektrofahrzeug aber keine direkten Emissionen ausstößt, trage es nicht zur Luftverschmutzung durch Abgase bei. Für ihn war es eine Frage der Logik: Wo der Zweck – hier die Reinhaltung der Luft von Abgasen – nicht betroffen ist, da sei auch die Regel – das Tempolimit – nicht anzuwenden. Dies war der Kern seiner juristischen Haltung, die er später auch vor Gericht verteidigte.
Wie reagierte das erste Gericht auf diese ungewöhnliche Argumentation?
Die Angelegenheit landete zunächst vor einem örtlichen Gericht, einem sogenannten Amtsgericht. Dort wurde der Fahrer des Elektroautos für die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, die er trotz des Zusatzzeichens missachtet hatte, wegen vorsätzlichen Handelns zu einer Geldbuße verurteilt. Das Gericht sah seine Argumentation, das Tempolimit gelte nicht für Elektrofahrzeuge, nicht als stichhaltig an. Für den Verkehrsteilnehmer war das Urteil des Amtsgerichts jedoch nicht akzeptabel. Er wollte die Entscheidung nicht hinnehmen und beantragte daher, dass sein Fall von einer höheren Instanz überprüft werden sollte. Dieser Antrag zielte auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde ab, ein juristischer Schritt, der nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.
Welche Möglichkeit gibt es, eine solche Gerichtsentscheidung überprüfen zu lassen?
Um eine Entscheidung eines Amtsgerichts in Fällen geringfügigerer Vergehen, wie eben bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, überprüfen zu lassen, muss man die sogenannte „Zulassung der Rechtsbeschwerde“ beantragen. Dies ist kein automatischer Rechtsweg, sondern eine Art „Tor“, das nur in besonderen Fällen geöffnet wird. Das höhere Gericht, in diesem Fall das Oberlandesgericht, prüft dann, ob eine grundsätzliche Klärung der Rechtslage notwendig ist – man spricht hier von der „Fortbildung des Rechts“. Das wäre der Fall, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage noch nicht durch die Gerichte oder in der juristischen Fachliteratur geklärt ist und eine einheitliche Anwendung des Rechts dringend benötigt wird. Eine andere Möglichkeit zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht, wenn das Amtsgericht dem Betroffenen das „rechtliche Gehör“ versagt hat, also seine Möglichkeit, sich zu äußern oder gehört zu werden, nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Der Fahrer des Elektroautos sah beides als gegeben an: Er wollte die Rechtsfrage zur Geltung von „Luftreinhaltung“-Schildern für Elektrofahrzeuge grundsätzlich klären lassen und rügte zudem, dass die Feststellungen des Amtsgerichts, die zu seiner Verurteilung führten, nicht ausreichend begründet oder durch Beweise gedeckt seien.
Auf welchen Grundlagen fußen Geschwindigkeitsbegrenzungen mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“?
Das höhere Gericht, das Oberlandesgericht in einer norddeutschen Stadt, prüfte nun die Bitte des Verkehrsteilnehmers. Es musste bewerten, auf welcher rechtlichen Grundlage die Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ überhaupt angeordnet wird und ob diese tatsächlich Ausnahmen für bestimmte Fahrzeugtypen zulässt. Die Anordnung solcher Zusatzzeichen findet ihre Grundlage in den allgemeinen Verkehrsregeln. Ein Erlass des zuständigen Landesministeriums für Verkehr konkretisiert dabei, wann und unter welchen Voraussetzungen solche Zeichen angeordnet werden dürfen. Dieser Erlass legt fest, dass ein Tempolimit zum Zwecke der Luftreinhaltung nur dann eingerichtet werden darf, wenn ein wissenschaftlicher Nachweis vorliegt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung tatsächlich zur Verbesserung der Luftqualität beiträgt.
Warum wies das höhere Gericht die Klage des Elektroauto-Fahrers ab?
Das Oberlandesgericht wies den Antrag des Fahrers des Elektroautos auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Der zentrale Grund dafür war, dass die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage – ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ für Elektrofahrzeuge nicht gilt – aus Sicht des Gerichts bereits eindeutig geklärt ist und keine weitere Klärung zur „Fortbildung des Rechts“ benötigt.
Das Gericht stellte klar, dass der Zweck des Zusatzzeichens „Luftreinhaltung“ nicht ausschließlich auf die Reduzierung von Abgasemissionen abzielt. Die positiven Effekte eines Tempolimits für die Luftqualität gehen viel weiter. So können Geschwindigkeitsbegrenzungen:
- Lärm reduzieren: Weniger Lärm hat oft einen positiven Nebeneffekt auf die wahrgenommene und tatsächliche Lebensqualität, was indirekt auch mit Umweltzielen zusammenhängt.
- Feinstaub durch Abrieb verringern: Auch Elektrofahrzeuge verursachen durch den Abrieb von Reifen und Bremsbelägen Feinstaub. Eine geringere Geschwindigkeit kann diesen Abrieb reduzieren.
- Verkehrsfluss harmonisieren: Ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss, der oft durch niedrigere Geschwindigkeiten erreicht wird, kann insgesamt zu einer besseren Luftqualität beitragen, da er Stopp-and-Go-Verkehr minimiert.
Das Oberlandesgericht betonte, dass die Rechtsauffassung des Elektroauto-Fahrers, er sei von der Geschwindigkeitsbegrenzung ausgenommen, weder in früheren Urteilen anderer Gerichte noch in der juristischen Fachliteratur vertreten wird. Im Gegenteil, die bisherige Rechtsprechung und die gängige Fachmeinung unterstützen die allgemeine Geltung solcher Beschränkungen für alle Fahrzeuge, unabhängig von ihrer Antriebsart. Der Beschwerdeführer konnte seinerseits keine Gerichtsentscheidungen oder Fachartikel vorlegen, die seine Ansicht stützen würden. Da die Rechtsfrage somit als bereits geklärt galt, sah das Gericht keine Notwendigkeit für eine weitere Überprüfung des Falles durch eine höhere Instanz, die nur bei ungeklärten grundsätzlichen Rechtsfragen stattfindet.
Was geschah mit den anderen Einwänden des Fahrers?
Der Fahrer des Elektroautos hatte zudem gerügt, dass die Feststellungen des örtlichen Gerichts, auf denen seine Verurteilung basierte, nicht ausreichend begründet oder beweiswürdigend untermauert seien. Solche Einwände zielen darauf ab, Fehler bei der Beweisaufnahme oder der Anwendung des Rechts auf den konkreten Sachverhalt – sogenannte „Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall“ – aufzudecken. Das Oberlandesgericht verwarf auch diesen Einwand. Es erklärte, dass Fehler in der Sachverhaltsfeststellung oder der Würdigung von Beweisen in einem Einzelfall grundsätzlich kein Grund sind, eine Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist, wie bereits erwähnt, für die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen oder für die Behebung schwerwiegender Verfahrensfehler wie die Versagung des rechtlichen Gehörs vorgesehen, nicht aber für die Korrektur von Fehlern, die die konkrete Anwendung des Rechts betreffen und keine grundsätzliche Bedeutung haben. Zudem stellte das Gericht fest, dass selbst wenn dieser gerügte Fehler bestanden hätte, er die Höhe der festgesetzten Geldbuße nicht beeinflusst hätte, was seine Relevanz zusätzlich minderte.
Die Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens musste der Verkehrsteilnehmer tragen. Damit war der Fall für ihn in letzter Instanz entschieden.
Wichtigste Erkenntnisse
Verkehrszeichen entfalten ihre Wirkung weitreichend und fordern von allen Verkehrsteilnehmern uneingeschränkte Beachtung, selbst bei spezifischen Umweltauflagen.
- Umfassender Umweltzweck von Verkehrszeichen: Verkehrszeichen mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ dienen einem umfassenderen Umweltzweck, der über die reine Abgasreduktion hinausgeht, indem sie auch Lärm mindern, Feinstaub durch Abrieb verringern und den Verkehrsfluss harmonisieren.
- Zulassung einer Rechtsbeschwerde: Gerichte lassen eine Rechtsbeschwerde nur zu, wenn eine grundsätzliche Rechtsfrage zur Fortbildung des Rechts geklärt werden muss, nicht aber zur Korrektur von Fehlern in der Sachverhaltsfeststellung eines Einzelfalls.
Das Recht betont die allgemeine Gültigkeit und den breiten Anwendungsbereich von Verkehrsregeln, während es die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auf die Klärung grundlegender Rechtsfragen beschränkt.
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Das Urteil in der Praxis
Was auf den ersten Blick wie ein Kuriosum auf deutschen Straßen wirkt, entpuppt sich als richtungsweisende Klarstellung für die Elektromobilität. Dieses Urteil zerschlägt die Illusion, dass Elektrofahrzeuge pauschal von Umwelt-bedingten Verkehrsregeln ausgenommen seien. Es manifestiert, dass ‚Luftreinhaltung‘ weit über Abgasemissionen hinausgeht und auch Lärm, Reifenabrieb sowie einen harmonisierten Verkehrsfluss umfasst. Damit ist klar: Umweltschutz im Straßenverkehr ist ein ganzheitlicher Ansatz, der keinen Sondervorteil für E-Autos duldet und alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen in die Pflicht nimmt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der umfassende Zweck von Geschwindigkeitsbegrenzungen, die dem Ziel der „Luftreinhaltung“ dienen?
Der umfassende Zweck von Geschwindigkeitsbegrenzungen zur „Luftreinhaltung“ zielt nicht ausschließlich auf die Reduzierung von Abgasemissionen ab, sondern deckt ein breiteres Spektrum von Umweltzielen ab und gilt daher für alle Fahrzeugtypen. Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass solche Limits nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren betreffen.
Stellen Sie sich vor, wie bei schnellerer Fahrt ein Fahrzeug stärker abbremsen oder lenken muss. Dies führt zu vermehrtem Abrieb an Reifen und Bremsen, ähnlich wie schnelles Schleifen deutlich mehr Staub erzeugt. Eine geringere Geschwindigkeit reduziert diesen Abrieb und somit die Freisetzung von Feinstaub in die Luft, unabhängig von der Antriebsart des Fahrzeugs.
Das Oberlandesgericht hat klargestellt, dass die positiven Effekte eines Tempolimits für die Umweltqualität viel weitreichender sind. Neben der genannten Verringerung von Feinstaub durch Reifen- und Bremsabrieb tragen Geschwindigkeitsbegrenzungen auch zur Reduzierung von Verkehrslärm bei. Lärm wirkt sich ebenfalls auf die Umweltqualität und das Wohlbefinden aus.
Darüber hinaus fördern niedrigere und gleichmäßigere Geschwindigkeiten einen harmonischeren Verkehrsfluss. Dies minimiert sogenanntes Stopp-and-Go-Fahren, was insgesamt zu einer besseren Luftqualität beiträgt, da weniger Beschleunigungs- und Bremsvorgänge nötig sind. Dieses umfassende Verständnis des Zwecks ist entscheidend, um zu erkennen, warum solche Geschwindigkeitsbegrenzungen für alle Fahrzeuge gelten, auch für emissionsfreie Elektrofahrzeuge.
Tragen Elektrofahrzeuge auch ohne Abgasemissionen zur Umweltbelastung bei?
Ja, auch Elektrofahrzeuge tragen zur Umweltbelastung bei, obwohl sie keine Abgase ausstoßen. Sie verursachen beispielsweise Feinstaub durch Reifen- und Bremsabrieb und tragen zur Lärmbelästigung bei.
Stellen Sie sich einen Marathonläufer vor. Obwohl er keine Abgase wie ein Auto erzeugt, hinterlässt auch er Spuren – etwa durch den Abrieb seiner Schuhe auf dem Asphalt und den Lärm, den seine Schritte verursachen. Genauso ist es bei Elektrofahrzeugen.
Ein Gericht hat klargestellt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ nicht nur die Reduzierung von Abgasen zum Ziel haben. Eine geringere Geschwindigkeit verringert den Abrieb von Reifen und Bremsbelägen, der Feinstaub erzeugt. Dieser Feinstaub entsteht bei jedem Fahrzeug, unabhängig von seiner Antriebsart. Zudem tragen niedrigere Geschwindigkeiten dazu bei, den Verkehrslärm zu reduzieren. Ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss, der oft durch Geschwindigkeitsbegrenzungen erreicht wird, minimiert Stopp-and-Go-Verkehr und trägt so insgesamt zu einer besseren Luftqualität bei.
Diese umfassende Sichtweise stellt sicher, dass Umweltschutzmaßnahmen im Straßenverkehr wirksam sind und für alle Fahrzeuge gelten.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Entscheidung eines Amtsgerichts in einer Ordnungswidrigkeit von einem höheren Gericht überprüft werden?
Eine Entscheidung eines Amtsgerichts in einer Ordnungswidrigkeit kann nur unter sehr strengen Voraussetzungen von einem höheren Gericht überprüft werden. Dies geschieht nicht automatisch, sondern erfordert die sogenannte „Zulassung der Rechtsbeschwerde“.
Stellen Sie sich die Möglichkeit einer solchen Überprüfung wie ein enges Tor vor, das nur in ganz bestimmten Fällen geöffnet wird. Dieses Tor lässt man nur durch, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch ungeklärt ist oder wenn das Gericht schwerwiegende Verfahrensfehler gemacht hat.
Eine Überprüfung zum Zweck der „Fortbildung des Rechts“ ist dann notwendig, wenn eine aufgeworfene Rechtsfrage weder durch andere Gerichte noch in der juristischen Fachliteratur eindeutig geklärt ist und eine einheitliche Rechtsanwendung dringend benötigt wird. Eine weitere Möglichkeit zur Zulassung besteht, wenn das Amtsgericht dem Betroffenen das „rechtliche Gehör“ versagt hat, also dessen Möglichkeit zur Äußerung oder Anhörung unzureichend berücksichtigte.
Bloße Fehler, die die konkrete Feststellung des Sachverhalts oder die Bewertung von Beweisen in einem Einzelfall betreffen, reichen jedoch nicht aus, um diese hohen Hürden zu nehmen. Das höhere Gericht überprüft nicht die einzelnen Beweise neu.
Dieses Vorgehen stellt sicher, dass sich höhere Gerichte auf grundlegende Rechtsfragen konzentrieren und die Rechtseinheit gewährleisten können.
Gelten allgemeine Verkehrsregeln und -zeichen uneingeschränkt für alle Fahrzeugtypen im Straßenverkehr?
Ja, allgemeine Verkehrsregeln und -zeichen gelten grundsätzlich uneingeschränkt für alle Fahrzeugtypen im Straßenverkehr. Ein Oberlandesgericht hat kürzlich bestätigt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen selbst mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“ für alle Fahrzeuge verbindlich sind, unabhängig von deren Antriebsart.
Man kann dies mit einem Tempolimit auf einer Landstraße vergleichen: Es gilt für Pkw, Motorräder und Lkw gleichermaßen, es sei denn, es gäbe spezifische Zusatzzeichen, die bestimmte Fahrzeugarten ausdrücklich ausnehmen – was jedoch die absolute Ausnahme ist.
Die Gerichte haben klargestellt, dass der Zweck solcher Regeln breiter ist, als man vielleicht annimmt. So zielt beispielsweise eine Geschwindigkeitsbegrenzung zur „Luftreinhaltung“ nicht nur auf Abgase ab. Sie hilft auch, Lärm zu reduzieren, den Feinstaub durch Reifen- und Bremsabrieb zu verringern – den auch Elektrofahrzeuge verursachen – und den Verkehrsfluss zu harmonisieren.
Die Rechtsprechung bestätigt, dass solche Regeln grundsätzlich für alle Fahrzeuge gelten, da die aufgeworfene Rechtsfrage bereits als eindeutig geklärt angesehen wird. Es gibt keine Gerichtsentscheidungen oder Fachartikel, die eine Ausnahme für bestimmte Antriebsarten stützen würden.
Diese universelle Geltung stellt sicher, dass alle Verkehrsteilnehmer sich auf klare und einheitliche Regeln verlassen können und die angestrebten Schutzziele umfassend erreicht werden.
Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, damit eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen des Umweltschutzes angeordnet werden kann?
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung zum Schutz der Umwelt kann nur auf Basis einer klaren rechtlichen Grundlage und mit einem wissenschaftlichen Nachweis ihrer Wirksamkeit angeordnet werden. Dies regelt in der Regel ein Erlass des zuständigen Landesministeriums.
Man kann es sich wie bei der Einrichtung von Umweltzonen vorstellen: Auch diese basieren auf konkreten Messdaten und rechtlichen Vorgaben, um ihre Wirkung zu entfalten und als gerechtfertigt zu gelten. Willkürliche Anordnungen sind nicht erlaubt.
Ein solches Tempolimit darf nur eingeführt werden, wenn wissenschaftlich belegt ist, dass es tatsächlich zur Verbesserung der Luftqualität beiträgt. Dabei geht es nicht allein um Abgase; Geschwindigkeitsbegrenzungen können auch Lärm reduzieren, Feinstaub durch den Abrieb von Reifen und Bremsen verringern sowie den Verkehrsfluss harmonisieren, was insgesamt die Luftqualität verbessert.
Diese Anforderungen stellen sicher, dass solche Verkehrszeichen nicht beliebig, sondern auf Grundlage fundierter Erkenntnisse und rechtlicher Vorgaben angeordnet werden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erlass
Ein Erlass ist eine interne Anweisung oder Richtlinie, die von einer übergeordneten Behörde oder einem Ministerium an nachgeordnete Behörden oder Mitarbeiter gegeben wird. Er dient dazu, Verwaltungshandeln zu koordinieren, zu vereinheitlichen oder bestimmte Gesetze und Verordnungen zu konkretisieren, ohne selbst ein Gesetz oder eine Verordnung zu sein. Er schafft keine direkten Rechte oder Pflichten für Bürger, sondern bindet nur die Verwaltung intern.
Beispiel: Im Fall wurde erwähnt, dass ein Erlass des zuständigen Landesministeriums für Verkehr konkretisiert, wann und unter welchen Voraussetzungen Tempolimits zur Luftreinhaltung angeordnet werden dürfen, um einheitliche Regeln für die Behörden zu schaffen.
Fortbildung des Rechts
„Fortbildung des Rechts“ bezeichnet die Aufgabe höherer Gerichte, neue oder bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden und damit das Recht weiterzuentwickeln oder zu präzisieren. Dieser Prozess stellt sicher, dass das Recht aktuell bleibt und auf neue Sachverhalte oder gesellschaftliche Entwicklungen angewendet werden kann, wodurch eine einheitliche Rechtsanwendung gefördert wird.
Beispiel: Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde des Fahrers ab, weil die Frage, ob ein Tempolimit zur Luftreinhaltung für Elektroautos gilt, bereits als geklärt galt und somit keine „Fortbildung des Rechts“ durch eine neue Entscheidung nötig war.
Rechtliches Gehör
Das „rechtliche Gehör“ ist ein grundlegendes Recht jeder Person in einem Gerichtsverfahren, sich zu äußern, gehört zu werden und alle entscheidungserheblichen Punkte dem Gericht vorzutragen. Dieses Recht soll sicherstellen, dass niemand überraschend verurteilt wird und die Gerichte ihre Entscheidungen auf einer umfassenden Kenntnis aller relevanten Argumente und Fakten treffen können. Es ist ein zentraler Bestandteil eines fairen Verfahrens.
Beispiel: Der Fahrer des Elektroautos hatte gerügt, dass ihm vom Amtsgericht das „rechtliche Gehör“ versagt worden sei, was ein möglicher, aber im vorliegenden Fall nicht gegebener, Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gewesen wäre.
Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall
Ein „Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall“ liegt vor, wenn ein Gericht bei der Beurteilung eines konkreten Sachverhalts einen Fehler gemacht hat, etwa bei der Beweiswürdigung oder der Anwendung einer Rechtsnorm auf die spezifischen Fakten des Falles. Solche Fehler betreffen nicht die grundsätzliche Klärung einer Rechtsfrage, sondern die korrekte Umsetzung des Rechts im individuellen Fall, ohne dass dabei eine neue juristische Auslegung oder Entwicklung erforderlich wäre.
Beispiel: Der Fahrer des Elektroautos hatte gerügt, dass die Feststellungen des Amtsgerichts, auf denen seine Verurteilung basierte, nicht ausreichend begründet oder beweiswürdigend untermauert seien – dies wäre ein solcher „Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall“, der jedoch das Oberlandesgericht nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasste, da dies kein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist.
Vorsätzliches Handeln
„Vorsätzliches Handeln“ bedeutet im juristischen Kontext, dass jemand eine Tat wissentlich und willentlich begeht, also mit Absicht oder zumindest mit Kenntnis der möglichen Folgen seines Tuns. Dies unterscheidet sich von fahrlässigem Handeln, bei dem jemand die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt, ohne die schädlichen Folgen direkt zu beabsichtigen oder für möglich zu halten. Vorsatz führt in der Regel zu einer strengeren Bestrafung.
Beispiel: Der Fahrer des Elektroautos wurde vom Amtsgericht wegen „vorsätzlichen Handelns“ zu einer Geldbuße verurteilt, weil er das Tempolimit nicht nur übersehen, sondern bewusst ignorierte, da er der Meinung war, es gelte nicht für ihn.
Zulassung der Rechtsbeschwerde
Die „Zulassung der Rechtsbeschwerde“ ist ein besonderes Verfahren, durch das ein höheres Gericht prüft, ob ein Urteil eines Amtsgerichts in einem Fall von geringerer Bedeutung (wie einer Ordnungswidrigkeit) überhaupt zur Überprüfung durch eine höhere Instanz zugelassen wird. Es ist kein automatischer Rechtsweg, sondern eine Art „Tor“, das nur dann geöffnet wird, wenn die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist (zur „Fortbildung des Rechts“) oder wenn schwerwiegende Verfahrensfehler, wie die Versagung des rechtlichen Gehörs, vorliegen.
Beispiel: Der Fahrer des Elektroautos musste die „Zulassung der Rechtsbeschwerde“ beantragen, um das Urteil des Amtsgerichts durch das Oberlandesgericht überprüfen zu lassen, da er das Urteil für nicht akzeptabel hielt und eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage wünschte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Geltung von Verkehrszeichen (§ 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO)Verkehrszeichen und ihre Anordnungen sind für alle Verkehrsteilnehmer verbindlich und müssen beachtet werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Fahrer des Elektroautos missachtete ein geltendes Geschwindigkeitsbegrenzungsschild, und das Gericht bestätigte, dass dieses Schild für ihn uneingeschränkt galt, unabhängig von seiner persönlichen Auslegung des Zusatzzeichens.
- Zweckauslegung von Verkehrsregelungen mit spezifischem Zusatz (Allgemeine Rechtsprinzipien)Der Zweck eines Verkehrszeichens mit einem Zusatz wie „Luftreinhaltung“ ist umfassend und schließt neben der Reduzierung von Abgasemissionen auch die Verminderung von Lärm und Feinstaub sowie die Harmonisierung des Verkehrsflusses ein.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte klar, dass diese breitere Definition des Zwecks bedeutet, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auch für Elektrofahrzeuge gilt, da diese ebenfalls zu Lärm und Feinstaub durch Reifen- und Bremsabrieb beitragen und vom gleichmäßigeren Verkehrsfluss profitieren.
- Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG)Eine Gerichtsentscheidung wird von einer höheren Instanz nur dann zur Überprüfung zugelassen, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und zur Weiterentwicklung des Rechts geklärt werden muss.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antrag des Fahrers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde abgelehnt, weil die Frage der Geltung von „Luftreinhaltung“-Schildern für Elektrofahrzeuge aus Sicht des Gerichts bereits durch die bisherige Rechtsprechung und Fachliteratur geklärt war und keine grundsätzliche Klärung mehr erforderte.
- Keine Zulassung zur Rechtsbeschwerde bei einfachen Rechtsanwendungsfehlern (Grundsätze des Rechtsmittelrechts)Fehler bei der konkreten Anwendung des Rechts oder der Würdigung von Beweisen in einem Einzelfall sind grundsätzlich kein Grund, eine Rechtsbeschwerde zuzulassen, da diese der Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen oder schwerwiegender Verfahrensfehler dient.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Einwand des Fahrers, die Feststellungen des Amtsgerichts seien unzureichend begründet, wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen, da solche Fehler im Einzelfall nicht die Zulassung einer Rechtsbeschwerde rechtfertigen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Hamm – Az.: 3 ORbs 57/25 – Beschluss vom 10.06.2025
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