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Geschwindigkeitsüberschreitung wegen Durchfalls – Absehen von Fahrverbot

Amtsgericht Lüdinghausen, Az.: 19 OWi-89 Js 155/14-21/14
Urteil vom 17.02.2014

Leitsätze:

1. Ein starker Stuhldrang als Ursache einer Geschwindigkeitsüberschreitung führt nicht zum Absehen vom Regelfahrverbot aus dem Gesichtspunkt einer so genannten „notstandsähnlichen Situation“, wenn der Betroffene sich dahin eingelassen hat, er habe bereits vor Erreichen der Geschwindigkeitsbegrenzungszone Probleme in seinem Darm wahrgenommen, unter denen er bereits seit geraumer Zeit leide.

2. Ein einmonatiges Regelfahrverbot kann auf „alle Fahrzeugarten mit Ausnahme von Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen C und CE“ beschränkt werden.

3. Eine Beschränkung eines Fahrverbots auf einzelne Fahrzeugarten stellt keinen Fall des Absehens von einem Regelfahrverbot im Sinne des § 4 Abs. 4 BKatV dar. Insbesondere enthält die Bußgeldkatalog-Verordnung keine Vorschrift, aus der sich ergibt, dass stets ein alle Fahrzeugarten betreffendes Fahrverbot als Regel festzusetzen wäre – vielmehr ist auf den Erziehungszweck des Fahrverbots abzustellen und der Umfang im Hinblick auf die betroffenen Fahrzeugarten hieran auszurichten.

Geschwindigkeitsüberschreitung

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 315,00 EUR verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge, mit Ausnahme von Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen C bzw. CE, jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 41, 49 StVO, 24, 25 StVG, 2 BKatV).

Tatbestandsnummer: 141725

Gründe:

 (abgekürzt wegen eingetretener Rechtskraft)

Der bereits verkehrsrechtlich vorbelastete Betroffene überschritt am 18.9.2013 um 8:14 Uhr in T auf der L 884 in Höhe km 0,800 und damit außerhalb geschlossener Ortschaften als Pkw-Fahrer die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von zuvor mehrfach beschilderten 70 km/h um 58 km/h. Er wurde durch eine von dem Zeugen P veranlasste Geschwindigkeitsmessung mit dem zur Tatzeit geeichten und nach der Bedienungsanleitung eingesetzten Messgerät eso ES 3.0 mit einer Geschwindigkeit von 132 km/h gemessen.

Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt, den Geschwindigkeitsverstoß jedoch nicht. Dieser wurde festgestellt durch Inaugenscheinnahme des Messfotos, urkundsbeweisliche Verlesung des Datenfeldes des Messfotos, urkundsbeweisliche Verlesung des Eichscheins, urkundsbeweisliche Verlesung des Messprotokolls, zeugenschaftliche Vernehmung des Messbeamten und Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der Messtelle bzw. der dieser vorausgehenden Beschilderung.

Der Betroffene war dementsprechend wegen Verstoßes gemäß §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2,49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße zu verurteilen. Die Höhe der Geldbuße ergibt sich aus Nr. 11.3.8 Bußgeldkatalog. Hierin wird für den Verstoß eine Geldbuße von 240 EUR vorgesehen. Angesichts der verkehrsrechtlichen Voreintragungen war die Geldbuße angemessen auf den Betrag von 315 EUR zu erhöhen.

Des Weiteren war ein einmonatiges Fahrverbot gegen den Betroffenen festzusetzen, da der Bußgeldkatalog für den in Rede stehenden Verstoß ein Regelfahrverbot dieser Dauer vorsieht. Soweit sich der Betroffene dahin eingelassen hat, er habe den Geschwindigkeitsverstoß deshalb begangen, weil er unaufmerksam gewesen sei infolge eines starken Stuhldrangs, so konnte dies nicht zu einem Absehen vom Fahrverbot aufgrund einer so genannten „notstandsähnlichen Situation“ führen. Zwar hat der Betroffene glaubhaft erklärt, er habe diesen Stuhldrang während der Fahrt verspürt, sei dann auch mit unangepasster Geschwindigkeit an der Messstelle entlang gefahren und habe schließlich wenige Meter nach dem Ende des Geschwindigkeitsbegrenzungsbereichs ein Maisfeld aufgesucht, um dort seine Notdurft zu erledigen. Dies entschuldigt jedoch den in Rede stehenden Geschwindigkeitsverstoß nicht, da der Betroffene ergänzend glaubhaft ausgeführt hat, er habe bereits vor Erreichen der Geschwindigkeitsbegrenzungszone Probleme in seinem Darm wahrgenommen, unter denen er bereits seit geraumer Zeit leide. Vor diesem Hintergrund hätte der Betroffene erwägen müssen, ob er überhaupt in der Lage war, die Fahrt anzutreten. Gegebenenfalls hätten Umwege gefahren werden müssen, um es jederzeit zu ermöglichen, einem plötzlichen Stuhldrang nachzukommen. Auch hätte sich eine frühzeitige Fahrtunterbrechung oder gar  -beendigung angeboten.

Das Gericht hat das Fahrverbot lediglich auf alle Fahrzeugarten mit Ausnahme von Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen C und CE beschränkt. Hintergrund waren die beruflichen Schwierigkeiten des Betroffenen, der als selbstständiger Lohnunternehmer seinen Lebensunterhalt mit Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen C und CE verdient. Da es sich bei dem in Rede stehenden Verstoß um einen solchen mit einem Pkw gehandelt hat, der angesichts der gefahrenen Geschwindigkeit zur Tatzeit mit Fahrzeugen der genannten Fahrerlaubnisklassen gar nicht begehbar scheint, konnte davon ausgegangen werden, dass auch ein nur begrenztes Fahrverbot ausreichend erzieherisch auf den Betroffenen einwirkt, um ihn auch in Zukunft an die Einhaltung von Pflichten eines Fahrzeugführers im Straßenverkehr zu erinnern. Durch ein voll umfassendes Fahrverbot könnte eine darüber hinausgehende, weitere gebotene Erziehungswirkung nach Überzeugung des Gerichts nicht eintreten.

§ 4 Abs. 4 BKatV („Erhöhung der Geldbuße bei Absehen vom Fahrverbot“) kam hier nicht zur Anwendung, da es sich nach Ansicht des Gerichtes bei der Beschränkung des Fahrverbotes auf einzelne Fahrzeugarten nicht um ein teilweise Absehen von einem Regelfahrverbot handelt (vgl. Krumm, in NK-GVR, 1. Aufl. 2014, § 25 StVG, Rn. 61; a.A aber die h.M., so u.a. Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Jahnker, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Rn. 6; OLG Jena zfs 2007, 412; OLG Hamm DAR 2006, 100). Insbesondere enthält die Bußgeldkatalog-Verordnung keine Vorschrift, aus der sich ergibt, dass stets ein alle Fahrzeugarten betreffendes Fahrverbot als Regel festzusetzen wäre – vielmehr ist auf den Erziehungszweck des Fahrverbots abzustellen und der Umfang im Hinblick auf die betroffenen Fahrzeugarten hieran auszurichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO i.V.m. § 46 OWiG.

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