LG Berlin, Az.: 517 Qs 140/11, Beschluss vom 16.12.2011
Auf die sofortige Beschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. November 2011 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene zu tragen.
Gründe
I.
Am 14. März 2011 wurde der Betroffene im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung als Fahrer eines Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit in einem verkehrsberuhigten Bereich polizeilich festgestellt und sogleich zu dem Verstoß angehört. Unter dem 15. April 2011 verfasste das Referat Verkehrsordnungswidrigkeiten und Bußgeldeinziehung des Polizeipräsidenten in Berlin ein Anhörungsschreiben an den Betroffenen, das jedoch wenige Tage später zurückgelangte, da dieser unter seiner Meldeanschrift … 95 nicht zu ermitteln war. In einem Datensatzauszug der Behörde vom 13. Mai 2011 heißt es unter anderem „Verfahrensstand: läuft“, „Beträge: Geldbuße 160,00 EUR“ sowie „Bußgeldbescheid: 03.06.2011“. Der Auszug endet mit der Verfügung: „Ermittlungen abgeschlossen, Bußgeldbescheid erlassen.“ Mit Verfügung vom 16. Mai 2011 wurde das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 Ziffer 5 OWiG vorläufig eingestellt, um den Aufenthalt des Betroffenen zu ermitteln. Am gleichen Tag wurde nach Einholung einer Meldeauskunft verfügt, der Betroffene sei erneut anzuhören. Das wiederum an die Meldeanschrift … 95 gesandte Schreiben gelangte erneut wegen Unzustellbarkeit zurück an die Behörde, die das Verfahren daraufhin durch Verfügung vom 24. Mai 2011 nochmals zwecks Aufenthaltsermittlung einstellte und mit Schreiben vom 22. Juni 2011 den Polizeiabschnitt 13 um Hausermittlungen an der Meldeanschrift des Betroffenen bat. Nachdem bekannt geworden war, dass der Betroffene seit dem 12. Juli 2011 über eine neue Meldeanschrift verfügte, erließ die Behörde unter dem 18. Juli 2011 einen Bußgeldbescheid, in dem gegen den Betroffenen wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 160,- Euro festgesetzt wurde. Gegen den dem Betroffenen am 22. Juli 2011 zugestellten Bußgeldbescheid legte dieser am 5. August 2011 Einspruch ein.
Nach Anhörung der Amtsanwaltschaft und des Betroffenen stellte das Amtsgericht Tiergarten das Verfahren durch Beschluss vom 15. November 2011 gemäß § 206a StPO ein, da mit Ablauf des 13. Juni 2011 Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Die vorläufige Einstellung des Verfahrens vom 16. Mai 2011 „überzeuge nicht“ und habe keine Unterbrechung der Verjährung bewirkt, da sie auf eine erneute Anhörung des Betroffenen bezogen gewesen sei, diesem aber schon am Tattag rechtliches Gehör verschafft worden sei. Hiergegen richtet sich die Amtsanwaltschaft Berlin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel der Amtsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg. Die Einstellung des Verfahrens mit dem angefochtenen Beschluss erweist sich als rechtsfehlerhaft, denn Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten.
Die Verfolgungsverjährung für die dem Betroffenen zur Last gelegte Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG beträgt gemäß § 26 Abs. 3 StVG drei Monate, solange kein Bußgeldbescheid erlassen ist. Mithin wäre Verjährung ohne unterbrechende Maßnahmen mit Ablauf des 13. Juni 2011 eingetreten. Nachdem der Betroffene bereits am Tattag erstmals mündlich angehört wurde, konnten spätere schriftliche Anhörungen die Verjährung nicht (nochmals) gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrechen, denn die Verjährung kann durch die in der genannten Vorschrift genannten Maßnahmen (erste Vernehmung des Betroffenen, Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe) nur einmal unterbrochen werden, da nur eine von ihnen die erste sein kann (Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 33 Rn. 13); dabei können auch mündliche Anhörungen durch die Polizei an Ort und Stelle Unterbrechungshandlung im Sinne der genannten Vorschrift sein (Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl., § 33 Rn. 12). Indes ist die Verjährung insgesamt drei Mal gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG unterbrochen worden. Nach dieser Vorschrift tritt eine Verjährungsunterbrechung durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen sowie jede Anordnung, die nach einer solchen Einstellung zur Ermittlung des Aufenthalts des Betroffenen ergeht, ein. Insoweit sind die vorläufigen Einstellungen durch die Behörde am 16. und 24. Mai 2011 sowie das Ersuchen um Hausermittlungen an den zuständigen Polizeiabschnitt vom 22. Juni 2011 zu nennen, die jeweils dazu geführt haben, dass die Verjährung von neuem begann (§ 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Der Umstand, dass die Behörde die Einstellungen zunächst in der Absicht vornahm, den Betroffenen nach der Ermittlung seines Aufenthalts vor Erlass eines Bußgeldbescheids erneut anzuhören, ist insoweit unschädlich. Dass eine Folgeanhörung die Verjährung nicht erneut unterbrechen kann, gilt lediglich im Rahmen von § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Dagegen ist im Rahmen einer Einstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG, die im Übrigen auch mehrmals hintereinander erfolgen kann (Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 33 Rn. 28; Weller, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl., § 33 Rn. 55) unbeachtlich, ob die Behörde das Verfahren nach Ermittlung des Aufenthalts des Betroffenen zunächst mit einer (weiteren) Anhörung des Betroffenen fortsetzen oder sogleich zum Erlass des Bußgeldbescheids schreiten will. Ohne, dass es aus Sicht der Kammer darauf entscheidend ankäme, ist die Absicht, einen Bußgeldbescheid zu erlassen, auch bereits am 13. Mai 2011 von Seiten der Behörde aktenkundig gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO.