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Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h innerorts – Absehen von Fahrverbot

AG Miesbach – Az.: 31 OWi 53 Js 14001/14 – Urteil vom 08.07.2014

1. Der Betroffene wird wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h zu einer Geldbuße von 480,– € verurteilt.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, 46 OwiG

Gründe

I.

Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten.

II.

Die Hauptverhandlung hat zur Überzeugung des Gerichts folgenden Sachverhalt ergeben:

Am 24.02.14 um 12:23 Uhr fuhr der Betroffene mit seinem PKW, VW, amtliches Kennzeichen: …, auf der Bundesstraße B xxx, in der Ortschaft B in Fahrtrichtung S. Bei einer innerorts zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h fuhr der Betroffene mindestens 81 km/h und überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit damit um mindestens 31 km/h. Eine Messtoleranz von 3 km/h wurde dabei berücksichtigt.

Die Messung erfolgte mit einem Laser-Handmessgerät Riegl FG 21 P, Gerätenummer: S 2100151, Softwareversion 1.12, geeicht bis Ende 2014, also im standardisierten Messverfahren, mit anschließender Sofortanhaltung des Fahrzeugs.

Der Betroffene hätte den Verkehrsverstoß erkennen und vermeiden können.

III.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der vollumfänglich geständigen Einlassung des Betroffenen sowie der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Inaugenscheinnahme des Messprotokolls und der Messanhörung.

Der Betroffene hatte bereits bei der Anhaltung vor Ort den Verkehrsverstoß zugegeben.

Er gab in der Hauptverhandlung an, dass sich die Messstelle in dem Bereich der Ortschaft Bayrischzell befunden habe, in welchem keine geschlossene Bebauung sich mehr befinde. Die Straße sei in diesem Bereich sehr breit und übersichtlich. Es sei der Bereich gewesen, nachdem die Staatsstraße Richtung Ö rechts abgezweigt war. In diesem Bereich sei die Straße breit und übersichtlich. Sie beschreibe dort fast einen 90° Winkel. Es befände sich in diesem Bereich weder rechts noch links eine Bebauung. Auf der rechten Seite sei ein Ski-Lift (Baby-Lift) mit zugehöriger Skipiste und einem zwischen Straße und Lift befindlichen, durch einen breiten Grünstreifen von der Straße abgegrenzten Parkplatz. Erst im weiteren Verlauf der Straße befänden sich wieder einzelne Häuser, die jedoch größtenteils von der Straße weit zurückgesetzt oder zum Straßenniveau tiefer liegend wären und nur vereinzelt stünden. Es ergäbe sich keinesfalls das Ortsbild einer geschlossenen Bebauung. Angesichts dieser Tatsache habe er wohl unbemerkt im Bereich der Kurve seine Geschwindigkeit erhöht bis auf die letztendlich gemessene Geschwindigkeit. Er habe es nicht eilig gehabt. Er habe offensichtlich aufgrund der fehlenden Bebauung seine Geschwindigkeit nicht sorgfältig genug beachtet.

Die Örtlichkeit ist gerichtsbekannt. Die Angaben des Betroffenen zu der völlig fehlenden Bebauung im Bereich der starken Kurve sind zutreffend.

Die Messung als solche wurde durch den Betroffenen voll umfänglich und glaubwürdig zugestanden, so dass auf eine Einvernahme des Messbeamten verzichtet werden konnte.

IV.

Der Betroffene war daher schuldig zu sprechen, einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h nach §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG.

V.

Als tat- und schuldangemessen erschien die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 480,– €, also dem Dreifachen des Regelsatzes gemäß 11.3.6 BKat, wobei zugleich von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wurde.

Nach dem Bußgeldkatalog, Ziffer 11.3.6 ist für den begangenen Verkehrsverstoß eine Regelgeldbuße von 160,– € sowie ein einmonatiges Fahrverbot vorgesehen. Die Regelahndungen sind Zumessungsrichtlinien, an die das Gericht grundsätzlich gebunden ist. Nach § 1 Abs. 2 BKatV liegt den Regelahndungen eine erstmalige und fahrlässige Begehung bei gewöhnlichen Tatumständen zugrunde. Der Einzelfall ist in objektiver und subjektiver Hinsicht dahingehend zu überprüfen, ob eine Abweichung von der Regelahndung geboten ist.

Vorliegend ist der Betroffene verkehrsrechtlich nicht vorgeahndet.

Vom Regelfahrverbot kann im Einzelfall, ggfls. gegen Erhöhung der Geldbuße, abgesehen werden, wenn das Fahrverbot zur Einwirkung auf den Betroffenen nicht unbedingt erforderlich ist und auf die Wirkung des Fahrverbots als nachhaltige Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme ausnahmsweise verzichtet werden kann.

Vorliegend weist der Einzelfall Besonderheiten auf, die ein Absehen vom Fahrverbot gegen eine Verdreifachung der Geldbuße ausnahmsweise rechtfertigen. Im vorliegenden Fall entspricht weder die Gefahrgeneigtheit des Verstoßes, noch der Sorgfaltsverstoß dem Regelfall.

Der unterschiedlichen Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen innerhalb bzw. außerhalb geschlossener Ortschaften liegt im Wesentlichen zugrunde, dass im Regelfall ein Geschwindigkeitsverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften ein deutlich höheres Gefahrenpotential aufweist, als ein Geschwindigkeitsverstoß außerhalb geschlossener Ortschaften. Regelmäßig ist das (objektive) Gefährdungspotential einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften zum einen deshalb wesentlich höher, weil aufgrund des dichteren Verkehrs und der engeren Bauweise die Straßen- und Verkehrsverhältnisse deutlich unübersichtlicher sind als auf einer überörtlichen Straße und zum anderen auch die Frequentierung einer innerörtlichen Straße regelmäßig höher ist, als die einer außerörtlichen Straße. Aus der subjektiven Sicht des betroffenen Autofahrers heraus ist dieses regelmäßig innerorts deutlich erhöhte Gefahrenpotential für diesen auch ohne weiteres erkennbar durch die innerörtlich typische engere Bauweise, Unübersichtlichkeit und höhere Frequentierung, sodass die Überschreitung der innerörtliche zulässigen Geschwindigkeit um mehr als 30 km/ bei den geschilderten Umgebungsbedingungen zwanglos auf groben Leichtsinn oder Gleichgültigkeit des Fahrers rückschließen lässt.

Im vorliegenden Fall entspricht das von einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehende Gefahrenpotential aufgrund der besonderen örtlichen Bedingungen an der Messstelle eher dem Gefahrenpotential auf einer außerörtlichen Straße, denn auf einer innerörtlichen. Hier ist zu berücksichtigen, dass über eine Wegstrecke von mindestens 600 m keine Bebauung sich rechts oder links der Straße befindet. Nachdem die Straße lediglich durch Wiesen eingefasst ist und noch dazu in einem großzügigen Linksbogen in Richtung S verläuft, ist dieser Bereich absolut übersichtlich. Dementsprechend ist auch im Messprotokoll, wie es in der Verhandlung in Augenschein genommen wurde, unter Ziffer 6 „Verkehr“ festgehalten: „Große abstrakte Gefährlichkeit für den Fahrer erkennbar: NEIN“. Auch im weiteren Straßenverlauf Richtung Ortsausgang sind nur vereinzelte Häuser entlang der Straße zu erkennen. Am konkreten Tattag herrschte im Messbereich laut Messprotokoll schwacher Verkehr. Damit war auch die abstrakte Gefährdungslage im Messbereich keine für den innerörtlichen Bereich typische Gefährdungslage. Sowohl Fußgängerverkehr, als auch einmündender Querverkehr ist aufgrund der örtlichen Verhältnisse hier kaum zu erwarten bzw. von weitem erkennbar.

Für den Betroffenen war auch subjektiv eine einer innerörtlichen Gefährdungslage entsprechende Verkehrssituation nicht erkennbar.

Andererseits war dem Betroffenen als ortskundiger Fahrer durchaus bewusst, dass er sich im Messbereich innerorts befand, bzw. musste ihm dies bewusst sein.

Aus diesen Erwägungen heraus ergibt sich für das Gericht, dass im vorliegenden Einzelfall zwar von Fahrlässigkeit, von einem groben Verkehrsverstoß jedoch nicht ausgegangen werden kann. Die tatbestandlich umschriebenen Regelbeispiele indizieren einen groben Pflichtverstoß nur für den Regelfall. Ein Regelfall liegt, wie oben ausführlich dargelegt, vorliegend nicht vor.

Grob verkehrswidrig handelt, wer objektiv besonders gefährlich gegen Verkehrsvorschriften verstößt. (BGH ST.5, 392). Ein objektiv besonders gefährlicher Verstoß liegt vorliegend gerade nicht vor. Subjektiv erfordert ein grober Verkehrsverstoß, dass der Betroffene aus groben Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit handelt. Dies war dem Betroffenen hier nicht nachzuweisen. Angesichts der örtlichen Gegebenheiten konnte die Einlassung des Betroffenen, dass er aufgrund leichter Unaufmerksamkeit seine Geschwindigkeit in dem festgestellten Maße überschritten hat, nicht widerlegt werden. Es war vielmehr von einem sog. Augenblicksversagen auszugehen.

Nach den Gesetzesmaterialien zu § 25 StVG sind grobe Pflichtverletzungen solche, „von besonderem Gewicht, namentlich abstrakt oder konkret gefährliche Ordnungswidrigkeiten“ (Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler, NZV 1995, 214 n.w.N.). Dementsprechend hat das OLG Saarbrücken (NZV 1993, 38) führt hierzu aus: „Die Tatbestände des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BKatV konkretisieren zwar in objektiver Hinsicht die grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG und enthalten insoweit eine Vorbewertung (….); es wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass das Überschreiten zulässiger Höchstgeschwindigkeit in dem erwähnten Ausmaß regelmäßig besonders gefährlich ist und auch ein höheres Maß an Leichtsinn und Gleichgültigkeit des betreffenden Kraftfahrers gegenüber den Erfordernissen der Verkehrssicherheit hindeutet (BayObLG NZV 1991, 360 +120…). Allerdings gilt dies nicht ausschließlich; weist der konkret zu beurteilende Fall zugunsten des betreffenden Kraftfahrers Besonderheiten auf, so obliegt es dem Tatrichter zu prüfen, ob über die objektiv gegebene grobe Pflichtverletzung auch in subjektiver Hinsicht der Vorwurf eines erheblichen Verstoßes gerechtfertigt ist. Erst wenn danach feststeht, dass ein verantwortungsloses Verhalten des Betroffenen zur Pflichtverletzung geführt hat, wird unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Anordnung eines Fahrverbotes erforderlich sein (…).“

Dementsprechend war hier von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen.

Die zweifellos dem Verkehrsverstoß zugrundeliegende Gedankenlosigkeit des Betroffenen war, auch wenn ein Fahrverbot nicht unbedingt erforderlich war, durch deutliche Erhöhung der Geldbuße zu ahnden. Dem Betroffenen musste durch eine Erhöhung der Geldbuße auf das Dreifache des Regelsatzes deutlich vor Augen geführt werden, dass es sich hier um einen Geschwindigkeitsverstoß handelt, der nicht mehr dem Bagatellbereich zugeordnet werden kann.

VI.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OwiG.

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