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Geschwindigkeitsüberschreitung – Feststellungen zu einer unangepassten Geschwindigkeit

OLG Koblenz – Az.: 2 OWi 6 SsBs 214/19 – Beschluss vom 19.09.2019

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 8. Juli 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Koblenz hat den vom persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen durch Urteil vom 8. Juli 2019 wegen vorsätzlichen verbotswidrigen Überholens außerhalb geschlossener Ortschaften in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit in Anbetracht der besonderen örtlichen Verkehrsverhältnisse zu einer Geldbuße in Höhe von 350 € verurteilt und zugleich ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Dem liegen folgende Feststellungen zugrunde:

„Am 8. Januar 2019 um 11:35 Uhr befuhr der Betroffene mit dem PKW Mercedes … außerorts die B… aus Richtung …[Y] kommend in Richtung …[Z] Innenstadt. Die Fahrbahn war nass und es regnete.

Der Zeuge …[A] befuhr im Rahmen einer Dienstfahrt als Polizeibeamter ebenfalls die B… aus Richtung …[Y] kommend in Richtung …[Z] Innenstadt. Zum Überholen eines vor ihm langsamer fahrenden Fahrzeugs auf der rechten Spur befuhr der Zeuge …[A] die linke Fahrspur mit ca. 105 km/h. Der Betroffene, der sich mit seinem Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt hinter dem Zeugen …[A] befand, fuhr sodann die Lichthupe betätigen, so dicht auf den PKW des Zeugen …[A] auf, dass dieser die vorderen Fahrzeuglichter des Pkws des Betroffenen nicht mehr sehen konnte. Sodann zog der Betroffene – allein im Interesse des schnelleren Vorankommens – seinen PKW auf die rechte Spur, überholte das Fahrzeug des Zeugen …[A] mit überhöhter Geschwindigkeit auf der rechten Spur und scherte kurz vor diesem wieder auf die linke Spur ein.“

Gegen das dem bevollmächtigten Verteidiger am 24. Juli 2019 zugestellte Urteil wendet sich der Betroffene mit der am 10. Juli 2019 eingelegten und am 12. August 2019 mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer dem Betroffenen über seinen Verteidiger bekannt gemachten Stellungnahme vom 4. September 2019 beantragt, das angegriffene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Koblenz zurückzuverweisen.

Der Betroffene hat sich dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16. September 2019 angeschlossen.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen ordnungsgemäß angebrachte Rechtsbeschwerde erzielt mit der Sachrüge den angestrebten zumindest vorläufigen Erfolg, da die Darstellung des neben dem rechtsfehlerfrei festgestellten Verstoß des vorsätzlichen verbotswidrigen Überholens außerhalb geschlossener Ortschaften tateinheitlich angenommenen Verstoßes des vorsätzlichen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit in Anbetracht der besonderen örtlichen Verkehrsverhältnisse gemäß §§ 3 Abs. 1 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, 24 StVG, 1 BKatV, Nr. 8.1 BKat nur lückenhaft erfolgte.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2019 hierzu Folgendes ausgeführt:

„Zwar dürfen die Anforderungen an die Urteilsgründe gerade in massenhaft vorkommenden Bußgeldsachen nicht überspannt werden. Aber auch in Ordnungswidrigkeitsverfahren müssen die Feststellungen so ausführlich sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung auf richtige Rechtsanwendung hinsichtlich aller objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale überprüfen kann (OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2018, 1 RBs 324/18). Hieran fehlt es vorliegend.

Der Vorwurf, der Betroffene sei entgegen § 3 Abs. 1 StVO zu schnell gefahren, setzt klare Feststellungen im Urteil darüber voraus, welche Geschwindigkeit den erwiesenen Umständen nach im Hinblick auf Sichtweite, Straßen-, Verkehrs- und Wetterverhältnisse sowie Eigenschaften des Fahrzeugs und die persönlichen Fähigkeiten des Fahrers höchstens zulässig war, und dass der Betroffene diese zulässige Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschritten hat (BGH, Urteil vom 05.03.1965, 4 StR 41/65). Der Tatrichter muss daher auch die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit zahlenmäßig so genau wie möglich feststellen, im Zweifel von der seiner Überzeugung nach geringsten möglichen Geschwindigkeit des Betroffenen ausgehen. Auf die Feststellung sowohl der wirklich gefahrenen wie auch der zulässigen Geschwindigkeit kann nur verzichtet werden, wenn sich aus dem Geschehensverlauf ergibt, dass der Täter offensichtlich zu schnell gefahren ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.08.1998, 2 Ss (OWi) 289/98, (OWi) 85/98 III).

Gemessen hieran reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus. Sie enthalten keinen Sachverhalt, der die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer nicht angepassten Geschwindigkeit, wiederspiegelt. Aus den Urteilsgründen ist zunächst nicht ersichtlich, wie hoch die zulässige Höchstgeschwindigkeit überhaupt war. Zwar ist grundsätzlich nach § 3 Abs. 3 Nr. 2c StVO die Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich auf 100 km/h beschränkt. Dazu gibt es nach § 3 Abs. 3 Nr. 2c S. 2, 3 StVO jedoch Ausnahmen, so dass aus dem Umstand, dass sich der Überholvorgang auf der B9 ereignete nicht auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h geschlossen werden kann. Zwar stellt das Gericht fest, dass es zum Tatzeitpunkt regnete und die Fahrbahn nass war. Aus den Urteilsgründen geht jedoch nicht hervor, wie schnell der Betroffene unter diesen Umständen hätte fahren dürfen. Darüber hinaus ist den Urteilsgründen auch nicht zu entnehmen, wie schnell der Betroffene denn tatsächlich gefahren sein soll. Das Gericht stellt lediglich die Geschwindigkeit des Zeugen fest, ohne hieraus Rückschlüsse auf die geschätzte Geschwindigkeit des Betroffenen zu ziehen. Diese Feststellungen lassen eine Überprüfung, ob der Betroffene tatsächlich zu schnell gefahren ist, durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht zu.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

III.

Das Urteil war daher insgesamt mit den zugrundeliegenden Feststellungen gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 353, 354 Abs. 2 StPO aufzuheben und gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückzuverweisen.

Soweit sich in der erneuten Verhandlung tragende Feststellungen für die beiden zuvor festgestellten Verstöße treffen lassen, dürfte trotz einer natürlichen Handlungseinheit eine ungleichartige Idealkonkurrenz zu prüfen sein (KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl., OWiG, § 19 Rn. 14). Bei der Bestimmung und ggf. Erhöhung des Regelsatzes wird im Rahmen der Begründung der festgesetzten Bußgeldhöhe in diesem Fall § 3 Abs. 4a S. 1, Abs. 5 BKatV zu beachten sein.

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