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Geschwindigkeitsüberschreitung – Fahrereigenschaft – Übereinstimmung mit Beweisfoto

Beweisfoto: Schlüssel zur Fahreridentifikation bei Verkehrsverstößen

Im Verkehrsrecht sind Geschwindigkeitsüberschreitungen ein häufiger Anlass für Bußgeldbescheide. Dabei steht nicht nur die gemessene Geschwindigkeit im Fokus, sondern auch die Frage, ob der Fahrer des Fahrzeugs eindeutig identifiziert werden kann. Das Beweisfoto spielt hierbei eine zentrale Rolle. Doch wie zuverlässig sind die Geschwindigkeitsmessgeräte? Die PTB-Zulassung soll die Messgenauigkeit solcher Geräte sicherstellen. Doch was, wenn Zweifel an der Magnetfeldresistenz des Geräts und somit an seiner Genauigkeit aufkommen? Dies wirft komplexe Fragen im Verkehrsrecht auf und stellt die Zuverlässigkeit von Messverfahren und die damit verbundenen Verkehrsverstöße in den Mittelpunkt juristischer Debatten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:12 OWi 122/16 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht hat die ordnungsgemäße Zulassung des Geschwindigkeitsmessgeräts bestätigt und den Wert der Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten anerkannt. Der Betroffene wurde wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangt.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Geschwindigkeitsüberschreitung: Der Betroffene wurde außerhalb geschlossener Ortschaften mit einer Geschwindigkeit von 111 km/h gemessen, wobei die erlaubte Geschwindigkeit 70 km/h betrug.
  2. Beweisfoto: Es gab Diskussionen über die Übereinstimmung des Fahrers auf dem Beweisfoto mit dem Betroffenen.
  3. Zuverlässigkeit des Messgeräts: Es gab Bedenken bezüglich der Magnetfeldresistenz des Geschwindigkeitsmessgeräts.
  4. PTB-Zulassung: Das Gerät wurde von der PTB zugelassen, obwohl es Bedenken hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Zulassungsbedingungen gab.
  5. Sachverständigengutachten: Ein Sachverständiger äußerte Zweifel an der Genauigkeit des Messgeräts aufgrund von Magnetfeldempfindlichkeiten.
  6. Bewertung der PTB: Die PTB hat die Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Messgeräts bestätigt und die Bedenken des Sachverständigen zurückgewiesen.
  7. Entscheidung des Gerichts: Das Gericht hat die ordnungsgemäße Zulassung des Geschwindigkeitsmessgeräts bestätigt und die Bedenken des Sachverständigen zurückgewiesen.
  8. Endurteil: Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Messung korrekt war und der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte.

Identifikation des Fahrers durch Beweisfoto

Geschwindigkeitsüberschreitung - Beweisfoto - Bußgeld
Identifizierung des Fahrers: Beweisfoto bestätigt Übereinstimmung (Symbolfoto: RMC42 /Shutterstock.com)

Ein Fahrer wurde wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangt. Das Hauptbeweismittel war ein Foto, das den Fahrer während der Geschwindigkeitsüberschreitung zeigte. Das Gericht war überzeugt, dass der auf dem Foto abgebildete Fahrer tatsächlich der Betroffene war. Diese Überzeugung basierte auf mehreren Übereinstimmungen zwischen dem Fahrerfoto und dem Betroffenen, insbesondere hinsichtlich bestimmter Gesichtsmerkmale wie Augenbrauenabstand, Gesichtsform, Form des linken Ohrs, Breite des Nasenrückens und der Nasenflügel, Form des Haaransatzes und der Stirn.

Bedenken hinsichtlich des Geschwindigkeitsmessgeräts

Das Hauptproblem in diesem Fall war jedoch die Zuverlässigkeit des Geschwindigkeitsmessgeräts. Das Gerät wurde von der PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) zugelassen, obwohl es Bedenken hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Zulassungsbedingungen gab. Insbesondere gab es Bedenken hinsichtlich der Magnetfeldresistenz des Geräts. Ein Sachverständiger stellte fest, dass das Gerät Platinen und andere Teile enthielt, die empfindlich auf Magnetfelder reagieren könnten. Dies führte zu Zweifeln an der Messgenauigkeit.

Rechtsprechung und PTB-Zulassung

Das Gericht musste entscheiden, ob das Messgerät trotz dieser Bedenken zuverlässig war. Die PTB hatte das Gerät als zuverlässig eingestuft, und das Oberlandesgericht Frankfurt stellte fest, dass die PTB-Zulassung des Geräts als eine Art „antizipiertes Sachverständigengutachten“ angesehen werden sollte. Das bedeutet, dass das Gericht im Allgemeinen keine weiteren technischen Prüfungen des Geräts durchführen muss, wenn es von der PTB zugelassen wurde.

Schlussfolgerung und Urteilsfazit

Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass das Amtsgericht den Beweiswert der Bauartzulassung des Messgeräts nicht richtig eingeschätzt hatte. Das Amtsgericht hätte das strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen müssen. Die PTB hatte jedoch klargestellt, dass das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät die EMV-Anforderungen erfüllt und dass die zentrale Sensorik des Geräts auf einem optischen Messverfahren basiert, das gegenüber Magnetfeldern unempfindlich ist.

Das Fazit des Urteils war, dass die ordnungsgemäße Zulassung des Geschwindigkeitsmessgeräts nicht mehr in Zweifel stand. Die PTB hatte umfassend Stellung genommen und die notwendigen Prüfungen durchgeführt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Messung ordnungsgemäß war und dass es keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung gab. Das bedeutet, dass der Fahrer tatsächlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte und daher das Bußgeld zahlen musste.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Fahreigenschaft

Die Fahrereigenschaft bezeichnet den rechtlichen Status einer Person als Fahrer eines Fahrzeugs. Sie ist relevant, um eine Person für einen Verkehrsverstoß oder Unfall haftbar zu machen.

  • Die Fahrereigenschaft muss in Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren festgestellt werden, wenn sie vom Betroffenen bestritten wird. Dies geschieht üblicherweise anhand von Beweisfotos, die den Fahrer zeigen.
  • Für eine Identifizierung des Fahrers anhand eines Beweisfotos müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein. Das Foto muss eine ausreichende Qualität haben und das Gesicht bzw. individuelle Merkmale wie Augenbrauen, Nase, Ohren etc. erkennen lassen. Je individueller die abgebildeten Merkmale sind, desto weniger müssen beschrieben werden. Bei schlechter Fotoqualität müssen mehr charakteristische Merkmale beschrieben werden.
  • Räumt der Betroffene die Fahrereigenschaft ein, ist seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung nicht mehr erforderlich. Er kann dann entbunden werden.
  • Der Fahrzeughalter ist nicht verpflichtet, den Fahrer zu benennen. Tut er dies nicht, kann er nach der Rechtsprechung unter Umständen sanktioniert werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Person als Fahrer vorliegen.
  • Bei Zweifeln an der Fahrereigenschaft kann ein anthropologisches Gutachten eingeholt werden. Dieses sollte aber mit Bedacht eingesetzt werden.
  • Insgesamt kommt es auf eine sorgfältige Prüfung aller Umstände und eine überzeugende Begründung durch das Gericht an, um die Fahrereigenschaft rechtskonform festzustellen.

PTB-Zulassung (Physikalisch-Technische Bundesanstalt)

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist eine Bundesbehörde in Deutschland, die für die technische Prüfung und Zulassung von Messgeräten und technischen Produkten verantwortlich ist. Die PTB-Zulassung bestätigt, dass das Messgerät den gesetzlichen Anforderungen entspricht und korrekte Messungen durchführen kann. Die Zulassungsvoraussetzungen für Messgeräte sind in der Regel in den PTB-Anforderungen festgelegt, die auf nationalen und internationalen Normen basieren. Eine gültige Akkreditierungsurkunde als Inspektionsstelle gemäß ISO 17020 ist eine Voraussetzung für die Bewerbung um eine Zulassung bei der PTB. Die PTB führt im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine Begutachtung besonderer Fähigkeiten durch, die für die Ausführung der Inspektionen verlangt wird.

Die Magnetfeldempfindlichkeit von Geschwindigkeitsmessgeräten ist ein Aspekt, der bei der Zulassung durch die PTB berücksichtigt werden kann. In einem Fall hat das OLG Celle entschieden, dass das Auslassen einer vollständigen Magnetfeldprüfung im Zulassungsverfahren für das Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 durch die PTB die ordnungsgemäße Zulassung dieses Messgerätes nicht in Frage stellt. Die PTB hat in einer Stellungnahme vom 20.03.2018 erklärt, dass das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3 alle EMV-Anforderungen (Elektromagnetische Verträglichkeit) erfüllt und gegenteilige Behauptungen weder eine messtechnische noch eine gesetzliche oder normative Grundlage haben.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil:


  1. Verkehrsrecht: Dieser Rechtsbereich ist relevant, da der vorliegende Text sich mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung und der Fahrereigenschaft des Betroffenen befasst. Im Text wird auf die fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eingegangen, was ein Kernthema des Verkehrsrechts ist. Es werden auch Informationen zur Überzeugung des Gerichts bezüglich der Fahrereigenschaft und der Übereinstimmung mit Beweisfotos gegeben.
  2. Messgerätezulassung nach Mess- und Eichgesetz (MessEG): Dieser Rechtsbereich betrifft die Zulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten, die für die Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen verwendet werden. Im Text wird auf die Zulassung des Messgerätes und die Rolle der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde eingegangen. Die Frage der Zulässigkeit der Messung und die Anforderungen an die Messgeräte sind relevante Aspekte dieses Rechtsbereichs.
  3. Beweiswert und Sachverständigengutachten: Dieser Rechtsbereich betrifft die Frage, wie der Beweiswert von Sachverständigengutachten und Behördengutachten in Gerichtsverfahren bewertet wird. Im Text wird darauf hingewiesen, dass die Zulassung des Messgerätes als antizipiertes Sachverständigengutachten betrachtet wird und wie die Gerichte die Gutachten der PTB und anderer Sachverständiger bewerten.
  4. Verwaltungsverfahren und Antragsbewertung: Dieser Rechtsbereich betrifft die Verfahren und Kriterien für die Zulassung von Messgeräten und die Überprüfung von Sachverständigengutachten in Verwaltungsverfahren. Im Text wird darauf eingegangen, wie das Amtsgericht die Beweisanträge und die Stellungnahme des Sachverständigen ZZ. behandelt hat.

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Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Jülich-  Az.: 12 OWi 122/16 – Urteil vom 02.11.2018

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anl. 2 lfd. Nr. 49, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG, zu einer Geldbuße von 120,00 EUR verurteilt. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.

G r ü n d e

Der Betroffene befuhr am 04.08.2016 um 14:17 Uhr mit einem BMW, amtliches Kennzeichen XX – Y 1 in Jülich die L 213 in Höhe Einmündung B 55  in Fahrtrichtung Niederzier/Stetternich. Er befand sich außerhalb geschlossener Ortschaften in einer durch Verkehrszeichen Nr. 274 StVO gekennzeichneten Zone, in welcher die Geschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt ist. Das durch den Messbeamten L aufgebaute Messgerät Leivtec XV 3 stand aus Fahrtrichtung des Betroffenen gesehen rechtsseitig am Straßenrand gegenüber der Einmündung und maß die Geschwindigkeit des ankommenden Verkehrs in Fahrtrichtung Stetternich. Der Betroffene wurde mit einer Geschwindigkeit von 111 km/h gemessen. Abzüglich des erforderlichen Toleranzwertes von 4 km/h ergab sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 107 km/h. Der Betroffene hatte damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 37 km/h überschritten.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Bekundungen des Zeugen L, dem durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Messprotokoll, dem Gutachten des Sachverständigen Bladt vom 14.08.2017 einschließlich des durch ihn eingeholten Gutachtens der Fa. GHMT (Sonderheft), des Messprotokolls Bl. 1 d.A., des Fallprotokolls Bl. 3 d.A., des Eichscheins Bl. 36 d.A., des Schulungsnachweises Bl. 37 d.A., der Halter-Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes  Bl. 8 d.A., des Kaufvertrages über das gemessene Fahrzeug Bl. 9 d.A. sowie der Stellungnahmen der PTB vom 03.11.2017 Bl. 136f d.A., vom 10.11.2017 Bl. 138f d.A. und vom 20.03.2018 Bl. 250 ff d.A. und der Fa. M vom 23.01.2018 Bl. 245 ff d.A.

Der Betroffene hat sich sowohl zu seiner Person als auch zur Sache, mit Ausnahme der Behauptung, dass auch sein Bruder, der Zeuge D das Fahrzeug am Tattag geführt haben könnte, nicht eingelassen.

Aus dem in die Hauptverhandlung gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 OWiG eingeführten Kaufvertrag Bl. 9 d.A. ergibt sich, dass das gemessene und auf dem Foto im Fallprotokoll abgebildete Fahrzeug zum obigen Kennzeichen von dem beim KBA eingetragenen Halter A. S. durch diesen am 01.08.2016 an den Betroffenen verkauft und übergeben wurde, so dass dieser seitdem die Verfügungsgewalt hierüber ausübte.

Die Fahrereigenschaft des Betroffenen zum Tatzeitpunkt steht fest aufgrund der Übereinstimmung mit dem Beweisfoto des Fallprotokolls Bl. 3 der Akte, welches im Termin in Augenschein genommen wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten der Abbildung wird auf das Foto Bl. 3 d.A. verwiesen; §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei dem dort abgebildeten Fahrer um den Betroffenen handelt. Übereinstimmungen zwischen dem Fahrerfoto und dem Betroffenen ergeben sich insbesondere hinsichtlich des Augenbrauenabstands, der runden Gesichtsform insgesamt, der Form des linken Ohrs, des Breite des Nasenrückens und der Nasenflügel, der eher rechteckigen Form des Haaransatzes sowie der Form der Stirn und der linken Ohrmuschel, soweit sie auf dem Bild sichtbar ist. Aufgrund dieser Übereinstimmungen und im Hinblick auf den Gesamteindruck von der abgebildeten Person ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich hierbei um den Betroffenen handelt.

Dass auch der Zeuge der Fahrer sein könnte ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt. Der Zeuge hat im Hauptverhandlungstermin nach besonderer Belehrung über sein Verweigerungsrecht gemäß § 52 StPO die Aussage verweigert. Nach Inaugenscheinnahme des Zeugen D konnte dieser als Fahrer entsprechend dem Bild Bl. 3 d.A. ausgeschlossen werden. Seine Stirn war wesentlich schmaler als die des Betroffenen, der Augenbrauenabstand geringer, der Haaransatz eher rund und geschwungen als rechteckig, der Augenabstand geringer und das Gesicht insgesamt eindeutig wesentlich schmaler.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung ist sicher festgestellt durch die Bekundungen des vernommenen Zeugen L sowie die im Hauptverhandlungstermin nach § 78 Abs. 2 S. 2 OWiG in die Hauptverhandlung eingeführten Unterlagen, namentlich das Messprotokoll Bl. 1 d.A., das Fallprotokoll Bl. 3 d.A., der Eichschein Bl. 36 d.A., der Schulungsnachweis Bl. 37 d.A. sowie die Stellungnahmen der PTB vom 03.11.2017 Bl. 136f d.A., vom 10.11.2017 Bl. 138f d.A. und vom 20.03.2018 Bl. 250 ff d.A. und der Fa. M vom 23.01.2018 Bl. 245 ff d.A. An der Richtigkeit des Messergebnisses bestehen keine begründeten Zweifel. Bei der Messung mit dem Gerät Leivtec XV3 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. OLG Celle NZV 2014, 232 m.w.N.).

Die Problematik, ob das Gerät trotz Unvollständigkeit der Prüfungen nach PTB.A auf Magnetfeldresistenz ordnungsgemäß zugelassen wurde, stellt sich nicht mehr, nachdem die PTB umfassend und nachvollziehbar schriftlich dazu Stellung genommen hat, dass diese Prüfungen nicht erforderlich waren und darüber hinaus die fehlenden Magnetfeldresistenzprüfungen auch nachgeholt wurden.

Zunächst hatte das hiesige Amtsgericht in selber Besetzung in seiner Entscheidung vom 08.12.2017 hierzu ausgeführt:

„Das Gerät wurde durch die PTB zugelassen, obwohl die Zulassungsbedingungen der PTB.A nicht eingehalten worden sind. (…) Im Rahmen der Überprüfung der EMV-Gutachten sind weitere Fehler im Zulassungsverfahren durch den Sachverständigen festgestellt worden, die nicht mit der Kabellänge des streitgegenständlichen Kabels zwischen Rechner- und Bedieneinheit zusammenhängen. Hinsichtlich der Prüfung zum Unterpunkt 4-2 der Entladung statischer Elektrizität (ESD) wurde zwar die Prüfung im ursprünglichen EMV-Gutachten aus dem Jahre 2005 nur mit einer Stärke von +/- 4 kV statt +/- 6 kV durchgeführt, dies wurde jedoch durch die PTB laut ihrer Stellungnahme vom 3.11.2017 (Bl. 137 d. A.), die ebenfalls gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 OWiG  zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde, nachgeholt. Die entsprechenden Prüfberichte wurden trotz telefonischer Anfrage des Gerichtes (Telefonvermerk vom 04.12.2017 Bl. 137a Rück d .A.) dem Sachverständigen Bladt jedoch nicht zur eigenen Überprüfung vorgelegt. Hinsichtlich der Prüfung zum Unterpunkt 4-4, der schnellen transienten elektrischen Störgröße („burst“), wurde die Prüfung durch das EMV-Gutachten aus dem Jahre 2015 mit einer höheren Prüfschärfe, nämlich +/- 2 kV statt +/- 1 kV nachgeholt, so dass insoweit, auch nach Auffassung des Sachverständigen ZZ, keine Bedenken mehr gegen die Einhaltung der Voraussetzungen der PTB/A bestehen.

Hinsichtlich der Vorgaben zur Resistenz gegen hochfrequente elektromagnetische Felder des Gehäuses (Ziff. 4-3) und der Leitungen (Ziff. 4-6) sowie Magnetfeldern mit energietechnischen Frequenzen (Ziff. 4-8) ist jedoch das Gerät nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden. Insbesondere bezüglich der Prüfungen zu Ziff. 4-8 ist das Gerät nur in der X-Achse geprüft worden, in Y- und Z-Achse wurde das Gerät jedoch nicht geprüft. Warum die Prüfung insoweit nur in Teilen erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Aus den Gutachten der hierzu beauftragten Firma GHMT GmbH ergibt sich, dass diese Prüfung auf Vorgabe des Herstellers auf die X-Achse beschränkt wurde (S. 8 des EMV Gutachtens Anlage A4 des Gutachtens der GHMT Anmerkung 2: „Auf Kundenwunsch nur in der X-Achse auf >115 A/m durchgeführt“). Die PTB erklärte in ihrer Stellungnahme vom 3.11.2017 hierzu, dass Magnetfeldresistenzprüfungen nicht erforderlich gewesen seien, da das Gerät keine magnetfeldsensiblen Bauteile enthalte. Nachdem der Sachverständige ZZ. im Termin erläuterte, dass dies für ihn nicht nachvollziehbar sei und mit Sicherheit magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut seien, wurde im Hauptverhandlungstermin vom 08.12.2017 mit der PTB telefonisch Rücksprache genommen. Der durch den Sachbearbeiter hinzugezogene Fachbereichsleiter für Geschwindigkeitsmessgeräte Dr. N erklärte diesbezüglich, dass er versichern könne, dass magnetfeldsensible Bauteile nicht verbaut seien. Er sei sich dessen sicher, da die Bauteile durch den Hersteller durch Offenlegung der kompletten Bauanleitung mitgeteilt worden seien. Auf Nachfrage, warum die Prüfung dann nur  im Hinblick auf die X-Achse erfolgt sei, erklärte Dr. N dass auch diese Prüfung nicht erforderlich gewesen wäre. Auf Nachfrage, wie es zu der Beschränkung der Prüfung auf die X-Achse gekommen sei, erklärte er, dies könne auf Seiten der PTB nicht mehr nachvollzogen werden, da der damalige Sachbearbeiter für Rückfragen nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Sachverständige ZZ. bestätigte hierzu nochmals, dass es aus seiner sachverständigen Sicht nicht möglich sei, dass keine magnetfeldsensiblen Teile verbaut wären. In dem Gerät seien mit Sicherheit Platinen und ähnliche Geräteteile verbaut, die magnetfeldsensibel reagierten. Da der hinzugezogene Sachverständige ZZ. als renommierter und öffentlich vereidigter Sachverständiger für Geschwindigkeitsmesstechnik zu dem eindeutigen Ergebnis kam, dass diese Prüfungen bei dem vorliegenden Gerät erforderlich gewesen wären, bestehen insoweit zumindest begründete Zweifel, zumal nicht mehr nachvollziehbar war, warum eine Prüfung teilweise durchgeführt worden ist, wenn sie grundsätzlich nicht erforderlich sein soll. Zugunsten des Betroffenen war daher im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugehen. Nach Angaben des Sachverständigen ZZ. hätten die Abweichungen von den Zulassungsbedingungen der PTB.A auch nach § 16 Abs. 3 Eichordnung in der Zulassung festgelegt werden müssen. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Außerdem betreffe der vorliegende Test im Wesentlichen auch das Gehäuse und nicht nur Bauteile des Gerätes. (…)Seit Aufspielung der im 1. Nachtrag zur 1. Neufassung der Bauartzulassung vom 30.12.2014 zugelassenen Programmversion der Betriebssoftware 2.0 der Rechnereinheit werden diese Messdaten jedoch nicht mehr in dem entsprechenden Falldatensatz gespeichert. Das Gerät speichert nur noch die Daten „Messung Start- und Ende-Distanz“, „Auswertung Start- und Ende-Distanz“ und „Zeitdifferenz zwischen Messung Start- und Ende-Bild“, alle anderen Daten werden systematisch in der Speicherung auf Null gesetzt (Feststellungen des Sachverständigen ZZ., S. 29 f des Gutachtens). Eine nachträgliche Überprüfung der konkreten Messung durch einen Sachverständigen ist daher nicht mehr möglich, so dass der Geschwindigkeitsverstoß dem Betroffenen nicht nachzuweisen war.“

Hiergegen wurde durch die Staatsanwaltschaft Aachen Rechtsbeschwerde eingelegt. Das OLG Köln hat hierzu in seinem die hiesige Entscheidung aufhebenden Beschluss vom 20.04.2018 ausgeführt:

„Das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät  LEIVTEC XV3 ist von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) unter dem Zulassungszeichen 18.11/09.04, Erstzulassung 02.07.2009) zur Eichung zugelassen worden.

Von der PTB als Bundesoberbehörde zugelassene Systeme zur Geschwindigkeitsmessung sind grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anzuerkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14, zitiert aus juris; OLG Bamberg DAR 2016, 146f). Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB, die Zugriff auf alle maßgeblichen Herstellerinformationen hat, nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren im Wege eines Behördengutachtens, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Damit ist die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Gerätes festgestellt, die Informationen zu dessen genauer Funktionsweise durch den Tatrichter entbehrlich macht (vgl. OLG Bamberg a.a.O.)

Der Senat schließt sich in diesem Zusammenhang – wie zuvor bereits andere Oberlandesgerichte – ausdrücklich der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt an, nach der der Bauartzulassung durch die PTB die Funktion eines Behördengutachtens im Sinne eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ zukommt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2014,Az. 2 ss-Owi 1041/14, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 15; OLG Bamberg, Beschluss vom 22.10.2015,Az. 2 Ss Owi 641/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.07.2015, Az. 2 SsBs 212/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 6; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.04.2017,  Az. 1 OWi 2 Ss Bs 18/17, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 7). Mit der Zulassung erklärte die PTB als Bundesoberbehörde im Wege eines solchen Gutachtens, dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgerätes, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat u.a. ausgeführt (a.a.O., Rn. 21):

„Soll der mögliche Fehler hingegen wie im Beschluss dargelegt in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware strukturell angelegt sein und damit eine Vielzahl von Messvorgängen an unterschiedlichen Orten und Zeiten betreffen, steht diesem Vortrag grds. die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegen. Zunächst muss der die Zweifel begründende Vortrag ergeben, dass ein Phänomen vorliegt, das bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, bevor beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen müssen. Bestellt ein Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen und kommt dieser zu der Bewertung es liege trotz einer Messung innerhalb der PTB-Zulassung eine Fehlmessung vor, muss der Sachverständige in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Form darlegen, wie diese Fehlmessung trotz Zulassungsprüfung durch die PTB möglich ist. Erst wenn er das kann, liegen zwei widerstreitende Sachverständigengutachten vor, dass Gutachten der PTB in Form der Zulassung und das gerichtliche Gutachten. In diesen Fällen kann das Gericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was angesichts der Materie naheliegend ist, das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. Die PTB verfügt über die notwendigen technischen Prüfungsmöglichkeiten und hat Zugriff auf die patent- und urheberrechtlichen geschützten Herstellerinformationen. Sollte sich die Fehlmessung als Strukturfehler herausstellen, ist die PTB in der Lage die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnisse aufzuheben oder anzupassen, wozu auch eine gesetzliche Verpflichtung besteht (§ 25a EO-AV).“

Dem folgt auch der Senat.

Soweit das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine umfassende Prüfung des Geschwindigkeitsmessgeräts LEIVTEC XV3 auf Magnetfeldresistenz erforderlich gewesen wäre, jedoch allenfalls teilweise – nämlich nur in der X-Achse des Geräts – durchgeführt worden ist, und davon ausgehend zu Gunsten des Betroffenen im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugegangen ist, entbehrt seine Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze einer tragfähigen Tatsachengrundlage, die dem Senat eine Überprüfung ermöglicht.

Um tragfähig begründen zu können, dass das ermittelte Messergebnis keine hinreichende Grundlage für die zu treffenden Feststellungen bildet, hätte das Tatgericht nach Maßgabe der aufgezeigten Grundsätze nachvollziehbar darlegen müssen, dass die PTB im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulassung des Messgeräts ein strukturelles Phänomen nicht berücksichtigt hat, das jedoch der umfassenden Prüfung und Erfassung bedurft hätte. Dem genügen die Ausführungen des Tatgerichts nicht.

Die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen ZZ. erschöpfen sich in der Auskunft, es seien „mit Sicherheit“ magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut worden. Das Amtsgericht hat daraufhin im Hauptverhandlungstermin vom 8. Dezember 2017 mit der PTB telefonisch Rücksprache genommen und demgegenüber die Auskunft erhalten, dass magnetfeldsensible Bauteile nicht verbaut seien. Dazu hat der Sachverständige ZZ. wiederum Stellung genommen und ausgeführt, es sei aus seiner sachverständigen Sicht „nicht möglich, dass keine magnetfeldsensiblen Teile verbaut wären, da in dem Gerät mit Sicherheit Platinen und ähnliche Geräteteile verbaut seien, die magnetfeldsensibel reagierten“. Da der „renommierte und öffentlich vereidigte Sachverständige“ zu dem „eindeutigen Ergebnis“ gekommen sei, dass umfassende Magnetfeldresistenzprüfungen erforderlich gewesen wären, hat das Tatgericht insoweit zumindest „begründete Zweifel“ gesehen, zumal nicht mehr nachvollziehbar sei, warum eine Prüfung teilweise durchgeführt worden ist, wenn sie grundsätzlich nicht erforderlich sein soll.

Diese Feststellungen genügen nicht, um den Betroffenen nach dem Zweifelssatz freizusprechen. Sieht das Tatgericht sich nicht in der Lage, sich eine eigene Überzeugung zu bilden, hat es alle Möglichkeiten dazu auszuschöpfen, bevor es den Betroffenen freispricht. Vorliegend hat das Amtsgericht den Beweiswert der Bauartzulassung des Messgerätes als antizipiertes Sachverständigengutachten verkannt und im Übrigen die Möglichkeiten der eigenen Überzeugungsbildung nicht ausgeschöpft. Worauf der Sachverständige ZZ. , dem das Tatgericht entgegen der widersprechenden telefonischen Auskunft der PTB gefolgt ist, seine als „sicher“ bezeichnete Annahme hinsichtlich in dem Gerät verbauter magnetfeldsensibler Teile gründet, wird nicht mitgeteilt; der Senat muss daher davon ausgehen, dass diese Einschätzung ohne Kenntnis des Detailaufbaus des Messgerätes erfolgt ist und insoweit nicht auf einem „eindeutigen Ergebnis“, sondern auf einer unfundierten Annahme ohne Tatsachengrundlage beruht. Wie ausgeführt müssen im Hinblick auf die amtliche Zulassung des Messgeräts durch die PTB im Wege eines antizipierten Sachverständigengutachtens bei dem Tatrichter Zweifel an der Richtigkeit der Messung in solchen Fällen erst aufkommen, wenn ein Sachverständiger in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise Zweifel an den strukturellen Grundlagen der Zulassung wecken kann. Jedenfalls durfte sich das Amtsgericht nicht ohne Weiteres den ungesicherten Annahmen des von ihm bestellten Sachverständigen anschließen und den Betroffenen nach dem Zweifelssatz freisprechen, sondern hätte das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen müssen. Die in der Verhandlung „auf Zuruf“ eingeholte telefonische Auskunft eines Mitarbeiters der PTB, der in der Hauptverhandlung nicht anwesend war und die Anhörung des Sachverständigen nicht verfolgen konnte, genügt – will das Tatgericht von der PTB-Stellungnahme abweichen – angesichts der Komplexität der Fragestellung unter keinen Umständen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Überzeugungsbildung, die Grundlage eines Freispruches sein könnte.

Hätte das Tatgericht der PTB die Fragestellung zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt, wäre eine schriftliche Stellungnahme erfolgt, wie sie nunmehr durch die PTB nachträglich unter dem 20. März 2018 gefertigt worden ist und im Internet eingesehen werden kann (vgl. „Das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 erfüllt alle EMV-Anforderungen. Stand 20 der März 2018/Physikalisch- Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin. Verfügbar unter: https://doi.org/10.7795/52.201803312“). Darin führt die PTB im Einzelnen aus, dass auch das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät XV3 der Firma LEIVTEC die EMV-Anforderungen erfüllt und gegenteilige Behauptungen weder eine messtechnische noch eine gesetzliche oder normative Grundlage haben. Zum einen basiere die zentrale Sensorik des Gerätes auf einem optischen Messverfahren, welches gegenüber Magnetfeldern unempfindlich sei; eine Prüfung auf Magnetfeldempfindlichkeit sei deswegen in Übereinstimmung mit den Festlegungen der Fachgrundnorm nicht erforderlich. Aus aktuellem Anlass – gemeint ist offenbar das vorliegende Bußgeldverfahren – habe der Hersteller aber inzwischen auch die an sich unnötigen Magnetfeldprüfungen in allen drei Raumrichtungen durchführen lassen und dabei kein unzulässiges Geräteverhalten festgestellt.“

Vorliegend steht die ordnungsgemäße Zulassung unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des OLG Köln nicht mehr in Zweifel. Der Zulassung des Gerätes und den Ausführungen der PTB ist der Wert eines Behördengutachtens in Form eines antizipierten Sachverständigengutachtens beizumessen und die Anwendung des Im-Zweifel-Satzes ist in diesem Zusammenhang nicht zulässig. Die PTB hat nunmehr – über die nach Übersendung des Gutachtens Bladt pauschale Behauptung in der Stellungnahme vom 03.11.2017 Bl. 136 d.A. in ihrer Stellungnahme vom 20.03.2018 Bl. 250ff d.A. nachvollziehbare Ausführungen hierzu gemacht. Demnach wurde die Störfestigkeit anhand der Magnetfeldamplitude 30A/m getestet worden, obwohl diese entsprechend der DIN EN 61000-6-2 anhand der Vorgaben der DIN EN 61000-4-8 Anhang C bei nur für Umgebungen der Klasse 4 (Industrieumgebungen mit starken Stromkreisen von z.B. Hochspannungsanlagen in geringer Entfernung) erforderlich sei. Gerichtsbekannt und nach Angaben des Zeugen L befanden sich weder Umspannwerke noch solche Hochspannungsleitungen in Nähe der Messstelle. In DIN-EN 61000-6-2 ist darüber hinaus auch festgelegt, dass diese Prüfungen nur erforderlich sind, wenn die Geräte entsprechend empfindliche Bauteile enthalten. Der Detailaufbau des Messgerätes wurde der PTB im Zulassungsverfahren durch die Fa. Leivtec – unter dem Vertraulichkeitsgrundsatz – offen gelegt. Die Messung basiert nach Angaben der PTB auf einem optischen Messverfahren, die elektronischen Bauteile als solche seien nicht magnetfeldsensibel. Diesen Ausführungen ist im Hinblick auf das überlegene Wissen der PTB aus den urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen zum Detailaufbau des Gerätes und ihren technischen Prüfungsmöglichkeiten ein höherer Beweiswert beizumessen, als den Einschätzungen des Sachverständigen ZZ., der über keine solchen Kenntnisse verfügt. Eine Offenlegung des Bauteilzusammensetzung des Messgerätes wurde nicht beantragt, würde aber ohnehin auch § 15 Abs. 9 MessEG widersprechen.

Im Übrigen wurden die Magnetfeldresistenzprüfungen in der Y- und Z-Achse aber nunmehr nach Befassung des OLG Köln mit dieser Streitfrage auch nachgeholt; hierbei war nach Angaben des Herstellers und der PTB kein unzulässiges Geräteverhalten feststellbar (Stellungnahme der PTB vom 20.03.2018 Bl. 250 ff d.A. und der Fa. Leivtec vom 23.01.2018 Bl. 245 ff d.A.). Eine externe Überprüfung der Prüfberichte hierzu ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Die PTB ist eine Öffentliche Zulassungs- und Aufsichtsbehörde; ohne handfeste und konkrete Anhaltspunkte ist keinesfalls einfach ins Blaue hinein zu unterstellen, dass es diese Berichte nicht gibt oder gar unzulässiges Geräteverhalten festgestellt und durch die PTB verschwiegen wurde. Die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts erging allein im Hinblick darauf, dass die Prüfung der Magnetfeldresistenz – laut Unterlagen allein auf Anweisung des Herstellers – nur teilweise durchgeführt wurde und gleichzeitig und trotz vorheriger Übersendung des vollständigen Gutachtens ZZ. , der die unterlassene Magnetfeldresisitenzprüfung in der Y- und Z-Achse monierte, von der PTB nur pauschal versichert wurde, dass diese insgesamt nicht erforderlich gewesen sein soll. Nachdem nunmehr umfassend Stellung genommen und die Prüfungen auch nachgeholt wurden bestehen unter Berücksichtigung der Wertungen des OLG Köln in seiner aufhebenden Entscheidung keine Zweifel mehr an der ordnungsgemäßen Zulassung unter Berücksichtigung aller Anforderungen der PTB-A. Nach Auffassung des OLG Köln hätte eine solche Entscheidung nur nach nochmaliger Einholung einer umfassenden Stellungnahme der PTB und Einholung eines – den Ausführungen des externen Erstgutachters folgenden – Einholung eines Obergutachtens durch einen weiteren Sachverständigen ergehen dürfen. Im Hinblick darauf, dass eine solche weitere sachverständige Stellungnahme ohne komplette Offenlegung des Gerätesaufbaus inhaltsleer wäre, ist von der Einholung eines weiteren Gutachtens abzusehen.

Insoweit handelt es sich auch nicht um eine – nunmehr nach MessEG unzulässige –  Nachtragszulassung, da keine Veränderung der Zulassungsvoraussetzungen erfolgte, wie es z.B. die Erweiterung der Zulassung auch auf solche Geräte mit einer Kabellänge über 3 m zwischen Rechner und Bedieneinheit gewesen wäre, sondern um eine Nachholung von Magnetfeldresistenzprüfungen, die laut nunmehr nachvollziehbaren Darlegungen der PTB nichtmals erforderlich gewesen wären.

Die im Termin gestellten Beweisanträge auf Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen ZZ. sowie Beiziehung der Unterlagen zur 5. EMV-Prüfung bzw. Ladung des zuständigen Mitarbeiters der PTB zur Vorlage der EMV-Prüfung wurden zurückgewiesen, da die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nach Ermessen des Gerichtes im Hinblick auf die obigen Ausführungen nicht erforderlich war; § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG.

Die Überprüfung der Messung in Anlegung der Maßstäbe des standardisierten Messverfahrens ergaben keine Anhaltspunkte für eine über den Toleranzabzug hinausgehende Fehlmessung. Das Gerät war laut Eichschein zum fraglichen Tatzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht; laut Messprotokoll und Aussage des vernommenen Messbeamten wurde die Unversehrtheit der eichamtlichen Sicherungen durch ihn vor der Messung kontrolliert. Auch aus dem Messvorgang als solches ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung. Der Zeuge L hat bekundet, er habe die Messeinheit entsprechen der Bedienungsanleitung aufgebaut und die Funktionstests vorgenommen; Selbsttest und Displaytest (Segmenttest) seien ohne Fehler gewesen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, die Aussage war frei von inneren Widersprüchen und entsprach den Angaben im Messprotokoll.

Auch an der Verwertbarkeit des Messergebnisses bestehen keine Zweifel; die Vorgaben der Bedienungsanleitung sind eingehalten; auf dem Messung-Anfang-Bild Bl. 4 d.A. und dem Messung-Ende-Bild Bl. 3 d.A. ist kein anderes Fahrzeug in gleicher Fahrtrichtung zu sehen; mindestens Teile des Kennzeichens befinden sich im Auswerterahmen. Der Messbeamte ist laut Schulungsnachweis Bl. 37 d.A. auch geschult, Messungen mit dem streitgegenständlichen Gerät sowohl durchzuführen als auch auszuwerten. Er gab an, er habe in Vorbereitung des Termins die Messung nochmals mit dem Programm Speed Check ausgewertet und es seien keine Gründe ersichtlich, die Richtigkeit des Messergebnisses in Frage zu stellen. Im Übrigen wurde die Einhaltung der erforderlichen 8 m – Messstrecke und Einhaltung des Messbereichs von 50-30 m anhand der Zeugenaussage belegt; der Messbeamte hat in Aufrufen des Datensatzes nachgeprüft, dass das Anfangsbild (Messung Start) in 49,83 m Entfernung aufgenommen wurde. Beginn der Auswertung war in 46,16 m Entfernung und das Messung-Ende-Bild wurde in 34,10 m Entfernung aufgenommen. Die Auswertestrecke beträgt damit 12,06 m, also über 8 m und liegt auch innerhalb des zulässigen Messbereichs zwischen 30 und 50 m.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Betroffene zumindest fahrlässig verkehrsordnungswidrig gemäß §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anl. 2 lfd. Nr. 49, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG verhalten.

Gegen ihn war gem. § 24 StVG in Verbindung mit dem Bussgeldkatalog eine Geldbuße festzusetzen, Gründe für eine Abweichung von der Regelbuße bestehen nicht.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 Abs. 1 Satz 1, 473 StPO.

 

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