Ein Autofahrer in Dortmund erhielt einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, erfasst durch eine Lasermessung aus 344 Metern. Doch die eindeutige Zuordnung des Messwerts zum Fahrzeug warf Fragen zu Herstellervorgaben und Verkehrsaufkommen auf.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Messfehler gibt es noch bei Lasergeräten?
- Welche Unterlagen kann ich zur Prüfung meines Blitzers anfordern?
- Wie lege ich erfolgreich Einspruch gegen meinen Bußgeldbescheid ein?
- Mein Kennzeichen ist auf dem Blitzerfoto kaum lesbar, was nun?
- Wann lohnt sich für mich ein Anwalt bei einem Blitzer-Einspruch?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 729 OWi – 265 Js 2346/24 – 161/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Dortmund
- Datum: 06.05.2025
- Aktenzeichen: 729 OWi – 265 Js 2346/24 – 161/24
- Verfahren: Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Beweisrecht
- Das Problem: Ein Autofahrer sollte ein hohes Bußgeld zahlen, weil er angeblich viel zu schnell fuhr. Er bestritt die Höhe der gemessenen Geschwindigkeit und zweifelte, ob die Messung seinem Fahrzeug korrekt zugeordnet war.
- Die Rechtsfrage: Kann eine Geschwindigkeitsmessung zweifelsfrei einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet werden, wenn sie bei großer Entfernung und viel Verkehr durchgeführt wurde?
- Die Antwort: Nein, das Gericht sprach den Fahrer frei. Es gab zu große Zweifel, ob die gemessene Geschwindigkeit eindeutig seinem Auto zugerechnet werden konnte, weil wichtige Kontrollen und Nachweise fehlten.
- Die Bedeutung: Geschwindigkeitsmessungen müssen bei komplexen Bedingungen absolut eindeutig einem Fahrzeug zugeordnet werden können. Fehlen hier Nachweise, kann dies zu einem Freispruch führen.
Der Fall vor Gericht
Warum schien der Fall für die Behörden zunächst sonnenklar?
Ein Laserstrahl, dünner als ein Haar, schießt durch die Dortmunder Nacht. Er trifft einen weißen BMW M4, misst seine Geschwindigkeit und sendet das Ergebnis zurück: 172 km/h. Für die Polizei ein klarer Fall, für den Fahrer ein drohendes Fahrverbot. Doch dieser Fall sollte nicht durch die Präzision des Lasers entschieden werden, sondern durch ein paar unscheinbare Sätze in seiner Bedienungsanleitung. Es war, als hätte man das modernste Skalpell der Welt – aber die Anweisung missachtet, wie man es steril hält.

Die Ausgangslage wirkte erdrückend. Am 18. September 2024 erfasste das Messgerät vom Typ Riegl LR 90-235/P den BMW auf der Ruhrallee mit besagten 172 km/h. Erlaubt waren dort 80 km/h. Nach Abzug einer Toleranz von 6 km/h stand der Vorwurf im Raum: eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 86 km/h. Alles war sauber protokolliert. Das Gerät war geeicht, die Beamten hatten vor dem Einsatz die notwendigen Tests durchgeführt. Der Fahrer selbst räumte ein, etwas zu schnell gewesen zu sein, da sein Beifahrer einen gesundheitlichen Notfall hatte. Die gemessene Höhe der Geschwindigkeit bestritt er aber vehement. Für die Bußgeldstelle schien die Sache dennoch eindeutig. Ein Messwert ist ein Messwert.
Welchen entscheidenden Schwachpunkt fand die Verteidigung in der Messung?
Die Verteidigung konzentrierte sich nicht auf das „Ob“ der Messung, sondern auf das „Wie“. Ihr Hebel lag in einem Detail, das auf den ersten Blick nebensächlich wirkt: der Entfernung. Das Messprotokoll vermerkte eine Distanz von 344 Metern zwischen dem Lasergerät und dem BMW. Genau hier setzte die Argumentation an, die den gesamten Fall drehen sollte.
Der Knackpunkt fand sich in der Bedienungsanleitung des Messgeräts. Dort steht, dass der Laserstrahl bis zu einer Entfernung von 300 Metern so schmal gebündelt ist, dass eine sichere Zuordnung zu einem einzelnen Auto gewährleistet ist. Bei Messungen über 300 Meter Distanz weitet sich der Strahl auf. Er könnte dann breiter sein als das anvisierte Fahrzeug. Die Anleitung schreibt für solche Fälle klare Sicherheitsmaßnahmen vor: Entweder muss der Messbereich manuell erweitert oder eine Plausibilitätsprüfung der Entfernung durchgeführt werden, um eine Verwechslung auszuschließen.
Dieses technische Detail verband die Verteidigung mit einem weiteren Vermerk im Protokoll: „lebhaftes Verkehrsaufkommen“. Die Kombination war brisant. Ein breiterer Laserstrahl bei hohem Verkehrsaufkommen auf über 300 Meter Entfernung – konnte man da wirklich sicher sein, dass der gemessene Wert von 172 km/h zweifelsfrei zum BMW gehörte und nicht zu einem anderen Fahrzeug, das sich im Messkegel befand?
Wieso folgte das Gericht der Argumentation des Fahrers?
Das Gericht tauchte tief in die technische Logik ein und legte die Bedienungsanleitung quasi wie ein Gesetz neben die Aussage der Polizisten. Der Richter wollte wissen: Wurden die vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen für eine Messung aus 344 Metern Entfernung getroffen? Die Antwort darauf pulverisierte den Vorwurf der Anklage.
Die als Zeugen geladenen Messbeamten konnten sich an die konkrete Messsituation nicht mehr erinnern. Das ist nachvollziehbar und nicht ungewöhnlich. Es wurde aber zum Problem, weil das Messprotokoll schwieg. Es gab keinen Vermerk über eine durchgeführte Plausibilitätsprüfung. Keine Notiz über eine manuelle Erweiterung des Zielbereichs. Der Beamte, der die Messung durchführte, gab sogar zu, bei seinen Eintragungen nicht zu unterscheiden, ob ein einzelnes Fahrzeug oder eine ganze Kolonne gemessen wurde.
Damit stand das Gericht vor einer unüberwindbaren Lücke. Die eigenen Regeln des Herstellers für eine saubere Messung waren bei einer Distanz von über 300 Metern nicht nachweislich eingehalten worden. Die Eichung des Geräts beweist nur, dass es korrekte Werte liefert – nicht, dass der korrekte Wert auch dem richtigen Auto zugeordnet wurde. Der Vermerk „lebhaftes Verkehrsaufkommen“ war kein unbedeutender Nebensatz, sondern der Kontext, der die fehlenden Sicherheitschecks erst richtig problematisch machte.
Das Gericht musste nicht beweisen, dass die Messung falsch war. Es reichte der begründete Zweifel, dass sie fehlerhaft sein könnte. Die Staatsanwaltschaft konnte diesen Zweifel nicht ausräumen. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ griff. Die Zuordnung des Messwerts zum BMW war nicht hieb- und stichfest. Der Fahrer wurde freigesprochen.
Wer muss am Ende für das Verfahren aufkommen?
Ein Freispruch hat eine klare finanzielle Konsequenz, die im Gesetz geregelt ist. Die Kosten des gesamten Gerichtsverfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Das schließt auch die sogenannten notwendigen Auslagen des Betroffenen ein. Im Klartext bedeutet das: Die Kosten für seinen Rechtsanwalt muss ebenfalls der Staat übernehmen. Der Sieg vor Gericht kostete den Fahrer am Ende nichts.
Die Urteilslogik
Präzise Geschwindigkeitsmessungen erfordern eine akribische Beachtung aller Herstellervorgaben; jede Abweichung kann die Beweiskraft infrage stellen.
- Sichere Zuordnung der Messung: Gerichte verlangen, dass die Behörden lückenlos nachweisen, dass Messgeräte streng nach Herstellervorgaben betrieben wurden, um ein Messergebnis einem spezifischen Fahrzeug eindeutig zuzuordnen.
- Recht auf Zweifelsvorteil: Gelingt es den Behörden nicht, die lückenlose Einhaltung technischer Messvorschriften zu belegen, entsteht ein begründeter Zweifel, der immer zugunsten des Beschuldigten wirkt.
- Kosten bei Freispruch: Spricht ein Gericht den Angeklagten frei, trägt die Staatskasse sämtliche Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Die strikte Einhaltung von Verfahrensvorschriften und technischen Vorgaben ist unerlässlich, um das Vertrauen in die gerichtliche Wahrheitsfindung zu bewahren.
Benötigen Sie Hilfe?
Zweifeln Sie die eindeutige Zuordnung einer Geschwindigkeitsmessung zu Ihrem Fahrzeug an? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls.
Experten Kommentar
Man vertraut auf die moderne Lasertechnik, die Geschwindigkeiten auf den Kilometer genau erfasst. Aber selbst der präziseste Messstrahl ist nur so verlässlich wie seine Bedienungsanleitung – besonders wenn es um die korrekte Zuordnung des Tempos zum richtigen Auto geht. Das Gericht hat hier konsequent klargestellt: Wer über die vorgegebene Maximalentfernung misst, muss die dortigen Sicherheitsvorkehrungen lückenlos dokumentieren. Fehlen diese Nachweise im Protokoll, entsteht ein berechtigter Zweifel an der eindeutigen Zuordnung des Messwerts zum beanstandeten Fahrzeug, selbst bei hoher Geschwindigkeit. Das ist eine klare Ansage für die Messpraxis und zeigt, wie entscheidend die genaue Einhaltung von Herstellervorgaben für die Beweissicherheit bleibt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Messfehler gibt es noch bei Lasergeräten?
Der prominenteste Messfehler bei Lasergeräten wie dem Riegl LR 90-235/P liegt in der Missachtung der Herstellervorgaben zur Messdistanz: Über 300 Meter kann der Laserstrahl so weit werden, dass eine eindeutige Zuordnung des Messwerts bei lebhaftem Verkehr nicht mehr gewährleistet ist, besonders wenn notwendige Sicherheitsprüfungen fehlen.
Viele Menschen glauben, ein Laser sei immer punktgenau. Tatsächlich weitet sich der Messstrahl bei Systemen wie dem Riegl LR 90-235/P über größere Entfernungen hinweg. Ab etwa 300 Metern kann der Laserstrahl bereits breiter sein als das anvisierte Fahrzeug. Die Bedienungsanleitung des Geräts kennt diese physikalische Eigenschaft und ihre potenziellen Folgen. Sie schreibt daher für solche Messungen – also alles über 300 Meter Distanz – spezifische Sicherheitsmaßnahmen vor. Dazu gehören beispielsweise eine manuelle Erweiterung des Messbereichs oder detaillierte Plausibilitätsprüfungen der Entfernung. Das Ziel ist stets, eine Verwechslung des Fahrzeugs in lebhaftem Verkehr auszuschließen.
Häufig fehlen jedoch solche Dokumentationen über durchgeführte Sicherheitschecks im Messprotokoll. Dies schafft einen ernsthaften, begründeten Zweifel an der Messgenauigkeit und der eindeutigen Zuordnung des gemessenen Wertes. Die Konsequenz ist, dass nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden kann, welchem Fahrzeug die gemessene Geschwindigkeit tatsächlich zugeordnet werden muss.
Denken Sie an eine Taschenlampe: Nah am Ziel ist ihr Lichtkegel klein und präzise. Je weiter Sie sich entfernen, desto breiter wird der Kegel, bis er mehrere Objekte gleichzeitig beleuchtet. Ähnlich verhält es sich mit dem Laserstrahl; bei größerer Distanz und mehreren Fahrzeugen kann die eindeutige Zuordnung des Messergebnisses problematisch werden.
Handeln Sie proaktiv: Fordern Sie umgehend das vollständige Messprotokoll und die Bedienungsanleitung des verwendeten Geräts (wie des Riegl LR 90-235/P) bei Ihrer Bußgeldstelle an. So überprüfen Sie die gemessene Distanz und die Einhaltung der Herstellervorgaben, um potenzielle Angriffspunkte für Ihren Einspruch zu finden.
Welche Unterlagen kann ich zur Prüfung meines Blitzers anfordern?
Um einen Blitzer-Bescheid fundiert zu hinterfragen, fordern Sie unbedingt das vollständige Messprotokoll, die aktuelle Eichbescheinigung des Geräts sowie die spezifische Bedienungsanleitung des verwendeten Messtyps an. Diese Dokumente sind entscheidend, um Verfahrens- und Messfehler aufzudecken, die weit über die reine Funktionsfähigkeit des Messgeräts hinausgehen. Nur so können Sie eine zweifelsfreie Zuordnung des Verstoßes zum Fahrzeug überprüfen.
Viele denken, die Eichbescheinigung sei das Wichtigste. Doch diese beweist lediglich, dass das Gerät selbst kalibriert ist und korrekte Werte liefern könnte. Viel entscheidender sind das Messprotokoll und die Bedienungsanleitung. Das Protokoll enthält Details wie die Messdistanz, das Verkehrsaufkommen und etwaige durchgeführte Sicherheitsprüfungen. Fehlende Einträge oder Ungereimtheiten hier können gravierende Mängel aufzeigen.
Die Bedienungsanleitung des spezifischen Messgeräts ist ein echter Game-Changer. Sie legt exakt die Herstellervorgaben und Einsatzgrenzen fest, beispielsweise die maximale Messdistanz für eine sichere Zuordnung. Wird diese nicht eingehalten, ist die gesamte Messung angreifbar. Juristen nennen das einen „Verstoß gegen die Bedienungsanleitung“. Solche Fehler machen die Zuordnung des gemessenen Wertes zum vermeintlichen Fahrzeug unsicher.
Denken Sie an die Situation eines Chirurgen, der ein hochpräzises Skalpell besitzt, aber die Gebrauchsanweisung für spezielle Eingriffe ignoriert. Das Instrument mag perfekt funktionieren, doch seine falsche Anwendung kann gravierende Folgen haben. Ähnlich ist es bei Blitzer-Messungen: Die Technik ist gut, aber die Art der Anwendung ist der Schlüssel zur Validität.
Zögern Sie nicht. Verfassen Sie umgehend einen schriftlichen Antrag an die zuständige Bußgeldstelle. Fordern Sie darin dezidiert die Herausgabe des vollständigen Messprotokolls, der aktuellen Eichbescheinigung und der Bedienungsanleitung des spezifisch verwendeten Messgeräts. Diese Dokumente sind die Basis für eine fundierte Prüfung und mögliche Anfechtung Ihres Bußgeldbescheids.
Wie lege ich erfolgreich Einspruch gegen meinen Bußgeldbescheid ein?
Ein erfolgreicher Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid erfordert mehr als nur die Behauptung, nicht zu schnell gewesen zu sein. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf das Aufzeigen technischer oder verfahrenstechnischer Mängel, besonders bei der Einhaltung von Herstellervorgaben zur Messdistanz oder der Dokumentation. Solche Fehler begründen Zweifel an der Zuordnung des Messwerts und können den Bescheid kippen.
Ihr Ziel sollte es sein, nicht nur die gemessene Geschwindigkeit zu bestreiten. Vielmehr greifen Sie die Art und Weise der Messung an. Es geht darum, ob das Messgerät gemäß den strikten Herstellervorgaben bedient und der Vorgang ordnungsgemäß dokumentiert wurde. Jedes Messgerät hat seine spezifischen Einsatzgrenzen und Protokollpflichten.
Juristen nennen das, die Angriffsfläche beim „Wie“ der Messung zu suchen. Prüfen Sie, ob technische Details wie die Messdistanz, die Strahlweitung des Lasers oder das Verkehrsaufkommen korrekt berücksichtigt wurden. Auch fehlende oder widersprüchliche Einträge im Messprotokoll können entscheidende Hebel sein, um eine Messung als nicht verwertbar darzustellen. Denken Sie daran: Sie müssen nicht beweisen, dass die Messung definitiv falsch war. Es genügt, einen begründeten Zweifel an der Richtigkeit oder Eindeutigkeit der Zuordnung des Messwertes zum Fahrzeug zu schaffen. Dann greift der wichtige Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Ein passender Vergleich ist der eines Chirurgen: Selbst das schärfste Skalpell nützt nichts, wenn es nicht sterilisiert wurde oder der Arzt die Bedienungsanleitung missachtet. Genauso kann ein geeichtes Messgerät ungenaue Ergebnisse liefern, wenn die Einsatzbedingungen oder die Dokumentation nicht stimmen.
Handeln Sie proaktiv: Sichten Sie umgehend Ihren Bußgeldbescheid. Notieren Sie akribisch alle Details zum verwendeten Messgerät, der exakten Messstelle und vor allem zur angegebenen Messdistanz. Anschließend fordern Sie schriftlich die vollständigen Messunterlagen an. Dazu gehören das Messprotokoll, die Bedienungsanleitung des Geräts und die aktuelle Eichbescheinigung. Erst mit diesen Dokumenten können Sie oder Ihr Anwalt eine fundierte Strategie für Ihren Einspruch entwickeln.
Mein Kennzeichen ist auf dem Blitzerfoto kaum lesbar, was nun?
Ein kaum lesbares Kennzeichen auf einem Blitzerfoto bietet tatsächlich einen substanziellen Ansatzpunkt für einen Einspruch. Es sät ernsthafte Zweifel an der eindeutigen Identifikation Ihres Fahrzeugs und somit an der zweifelsfreien Zuordnung des Geschwindigkeitsverstoßes zum Halter. Fehlt diese Eindeutigkeit, kann der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zum Freispruch führen.
Juristen nennen das den Grundsatz der eindeutigen Identifikation. Behörden sind verpflichtet, den Verstoß und das verantwortliche Fahrzeug zweifelsfrei zu dokumentieren. Ein Blitzerfoto dient genau diesem Zweck: Es muss ermöglichen, dass der Fahrzeughalter oder der Fahrer klar mit dem gemessenen Vergehen in Verbindung gebracht werden kann. Ist das Kennzeichen auf dem Foto unleserlich oder unvollständig, entsteht hier eine massive Beweislücke. Wer kann dann mit absoluter Sicherheit sagen, dass es sich genau um Ihr Fahrzeug handelt?
Dieser Mangel an Eindeutigkeit schafft einen sogenannten „begründeten Zweifel“. Im Straf- und Bußgeldrecht ist die Beweisführung entscheidend. Wenn die Bußgeldstelle nicht zweifelsfrei nachweisen kann, dass Ihr Fahrzeug dasjenige war, das den Verstoß begangen hat, ist ihre Position stark geschwächt. Ein kleiner Fleck oder eine Unschärfe auf dem Foto kann so zu einem großen Problem für die Anklage werden.
Denken Sie an die Situation in einem Gerichtssaal: Wenn der Richter nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen kann, dass Sie die Person auf einem unscharfen Überwachungsvideo sind, wird er Sie nicht verurteilen. Ähnlich verhält es sich mit Ihrem Kennzeichen: Die eindeutige visuelle Zuordnung muss gegeben sein.
Fordern Sie umgehend das Blitzerfoto in der höchstmöglichen Auflösung bei der zuständigen Bußgeldstelle an. Prüfen Sie das Bild sorgfältig: Sind Ihr Kennzeichen und andere spezifische Fahrzeugmerkmale (z.B. ein Aufkleber, eine Delle) wirklich zweifelsfrei zu erkennen? Dokumentieren Sie jede Unschärfe oder Unleserlichkeit mit Screenshots oder Ausdrucken. Dies ist die Basis für einen fundierten Einspruch, der über bloße Vermutungen hinausgeht.
Wann lohnt sich für mich ein Anwalt bei einem Blitzer-Einspruch?
Ein Anwalt lohnt sich insbesondere dann, wenn der Bußgeldbescheid mit einem drohenden Fahrverbot oder hohen Geldbußen verbunden ist und potenzielle technische oder verfahrensrechtliche Fehler (wie im Laserfall) vermutet werden. Er besitzt die Expertise, diese aufzudecken, und bei einem Freispruch werden die Anwaltskosten sogar vom Staat übernommen.
Ein erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht bringt eine spezialisierte Sichtweise ein. Er durchleuchtet Messprotokolle, Eichscheine und die spezifischen Bedienungsanleitungen der verwendeten Blitzergeräte. Nur so lassen sich komplexe technische Schwachpunkte, wie präzise Messdistanzen oder die potenzielle Ausweitung des Laserstrahls bei bestimmten Geräten, identifizieren. Diese Feinheiten übersieht man als Laie leicht und kann sie ohne Fachwissen kaum wirksam vor Gericht vorbringen.
Darüber hinaus weiß der Jurist, wie man begründete Zweifel an der Messung oder der korrekten Anwendung von Vorschriften vor Gericht überzeugend darstellt. Er schafft eine fundierte Basis, damit der wichtige Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ zum Tragen kommt. Dies kann letztlich zu einem vollständigen Freispruch führen, wodurch das finanzielle Risiko für Sie entfällt, da die Staatskasse sämtliche Verfahrenskosten trägt.
Denken Sie an die Wartung eines Hochleistungsautos: Wer würde wichtige Reparaturen ohne Spezialwerkzeug und das genaue Handbuch durchführen? Genauso ist es im Verkehrsrecht: Ohne die Fachkenntnis eines Anwalts bleiben viele entscheidende „Schrauben“ bei der Blitzer-Messung unentdeckt, die den Fall kippen könnten.
Zögern Sie also nicht, bei drohendem Fahrverbot oder hohen Geldbußen (etwa ab 100 Euro) umgehend eine Erstberatung bei einem Fachanwalt für Verkehrsrecht in Anspruch zu nehmen. Er kann Ihre individuellen Erfolgsaussichten fundiert einschätzen und Ihnen den richtigen Weg aufzeigen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Begründeter Zweifel
Juristen sprechen von einem begründeten Zweifel, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, die die Richtigkeit oder Eindeutigkeit eines Sachverhalts oder Beweismittels infrage stellen. Dieser Zweifel ist entscheidend, denn ein Gericht darf eine Verurteilung nur aussprechen, wenn es von der Schuld des Angeklagten vollumfänglich überzeugt ist und keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen.
Beispiel: Die fehlende Dokumentation der Sicherheitsmaßnahmen bei einer Messdistanz von über 300 Metern schuf einen begründeten Zweifel an der Zuordnung des Messwertes zum BMW.
Bußgeldstelle
Eine Bußgeldstelle ist die staatliche Behörde, die für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsüberschreitungen zuständig ist. Diese Behörden sind geschaffen, um kleinere Vergehen effizient zu bearbeiten und so die Gerichte von Massenfällen zu entlasten, während sie gleichzeitig die Einhaltung von Regeln im Straßenverkehr sicherstellen.
Beispiel: Für die Bußgeldstelle war der Fall zunächst klar, da ein hoher Messwert vorlag und alle Standardprüfungen des Geräts scheinbar in Ordnung waren.
Eichbescheinigung
Eine Eichbescheinigung ist ein amtliches Dokument, das die korrekte Funktionsweise und Messtoleranz eines Messgerätes, wie eines Blitzers, zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt. Durch die Eichung wird sichergestellt, dass Messgeräte zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse liefern, was eine wichtige Grundlage für die rechtliche Verwertbarkeit von Messergebnissen ist.
Beispiel: Obwohl das Messgerät im vorliegenden Fall eine gültige Eichbescheinigung besaß, konnte die Messung dennoch angezweifelt werden, weil die Bedienungsanleitung missachtet wurde.
Fahrverbot
Ein Fahrverbot ist eine amtliche Anordnung, die einem Verkehrsteilnehmer für eine bestimmte Zeit das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt. Das Gesetz verhängt Fahrverbote als Sanktion bei schwerwiegenden Verkehrsverstößen, um Verkehrssünder zu erziehen und die allgemeine Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Beispiel: Das drohende Fahrverbot im vorliegenden Fall hätte den Fahrer für mindestens einen Monat vom Steuer genommen, was für ihn erhebliche Konsequenzen gehabt hätte.
Im Zweifel für den Angeklagten
Dieses Prinzip, lateinisch „in dubio pro reo“ genannt, besagt, dass ein Gericht einen Angeklagten freisprechen muss, wenn nach der Beweisaufnahme noch ernsthafte Zweifel an seiner Schuld bestehen. Der Rechtsstaat schützt damit das Recht des Einzelnen auf ein faires Verfahren und stellt sicher, dass niemand ohne zweifelsfreien Nachweis seiner Schuld verurteilt wird – lieber ein Schuldiger frei als ein Unschuldiger verurteilt.
Beispiel: Da die Staatsanwaltschaft die Zweifel an der korrekten Messzuordnung nicht ausräumen konnte, griff das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“, und der Fahrer wurde freigesprochen.
Notwendige Auslagen
Notwendige Auslagen sind die unvermeidbaren Kosten, die einer Partei während eines Gerichtsverfahrens entstehen, beispielsweise für Reisekosten oder die Anwaltsvergütung. Dieses Recht stellt sicher, dass eine Partei, die in einem Verfahren obsiegt (gewinnt), nicht auf den Kosten sitzen bleibt, sondern diese von der unterlegenen Partei oder im Falle eines Freispruchs von der Staatskasse erstattet bekommt.
Beispiel: Nach dem Freispruch musste die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Fahrers, inklusive seiner Anwaltskosten, vollständig übernehmen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo)
Wenn nach der Beweisaufnahme noch vernünftige Zweifel an der Schuld einer Person bestehen, muss diese freigesprochen werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht konnte nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass der Laserstrahl bei der großen Entfernung und dem hohen Verkehrsaufkommen ein falsches Fahrzeug erfasst hatte, wodurch ein begründeter Zweifel an der korrekten Zuordnung des Messwertes zum BMW entstand und zum Freispruch führte.
- Anforderungen an die Messsicherheit und Beweiswürdigung (Allgemeiner Rechtsgrundsatz)
Gerichte müssen die Zuverlässigkeit von Beweismitteln, insbesondere von technischen Messungen, kritisch prüfen und dabei auch die vom Hersteller vorgegebenen Anweisungen zur korrekten Durchführung berücksichtigen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte die Bedienungsanleitung des Messgeräts als Maßstab an und stellte fest, dass die dort bei Messungen über 300 Metern vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen (Plausibilitätsprüfung, manuelle Bereichserweiterung) nicht nachweislich eingehalten wurden, wodurch die Messung als unsicher eingestuft wurde.
- Beweislast im Bußgeldverfahren (Allgemeiner Rechtsgrundsatz)
Die Behörden müssen zweifelsfrei nachweisen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, und alle Umstände ausräumen, die berechtigte Zweifel an der Schuld begründen könnten.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatsanwaltschaft konnte die vom Verteidiger aufgezeigten Zweifel an der korrekten Messung und Zuordnung zum BMW nicht widerlegen und somit nicht beweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung zweifelsfrei dem Fahrer zuzurechnen war.
- Kostenfolgen bei Freispruch (§ 46 OWiG i.V.m. § 464 StPO und § 467 Abs. 1)
Wird der Angeklagte freigesprochen, trägt die Staatskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Fahrer freigesprochen wurde, musste er weder die Gerichtskosten tragen, noch die Kosten für seinen Rechtsanwalt, diese wurden vollständig von der Staatskasse übernommen.
Das vorliegende Urteil
AG Dortmund – Az.: 729 OWi – 265 Js 2346/24 – 161/24 – Urteil vom 06.05.2025
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