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Geschwindigkeitsmessung von Fahrzeugen mit Tagfahrlicht mit ES3.0

OLG Karlsruhe, Az.: 2 Rb 8 Ss 621/18, Beschluss vom 13.11.2018

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 22.03.2018 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Titisee-Neustadt verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h zu der Geldbuße von 100 € und ordnete gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet der Betroffene u.a. die Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Damit sollte bewiesen werden, dass die mit einem Lichtsensorgerät vom Typ ES3.0 vorgenommene Messung fehlerhaft sei und der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um höchstens 25 km/h überschritten habe. Zur Begründung wurde unter Wiedergabe einer Veröffentlichung der VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG vom 14.11.2017, mit der die Bauartzulassung wegen der Auswirkungen von LED-Leuchten auf den Signalverlauf in Frage gestellt wurde (im Internet abrufbar unter https://vut-verkehr.de/downloads/2017-11-14-ES3.0%20LED.pdf), ausgeführt, dass die Messung durch das Tagfahrlicht mit LED-Leuchten am gemessenen Fahrzeug zuungunsten des Betroffenen verfälscht worden sei. Das Amtsgericht lehnte den Beweisantrag gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab, weil es die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hielt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Antragsschrift vom 12.09.2018, zu der der Betroffene am 02.10.2018 eine Gegenerklärung abgegeben hat, beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der originär zuständige Einzelrichter hat nach Einholung von Stellungnahmen des Herstellers und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die den Beteiligten bekanntgemacht wurden und zu denen sich der Betroffene geäußert hat, die Sache zur Fortbildung des Rechts dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.

Eines näheren Eingehens bedarf dabei nur die gerügte Ablehnung des vom Betroffenen gestellten Beweisantrags, die von der im Ablehnungsbeschluss getragenen Begründung allerdings nicht getragen wird. Nachdem der Betroffene mit der Vorlage der Stellungnahme der VUT GmbH & Co KG Anhaltspunkte dafür aufgezeigt hatte, dass die auf der Messung von Helligkeitsunterschieden basierende Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ES3.0 von dem von LED-Leuchten ausgesandten Lichtimpulsen beeinflusst werden könnte, konnte der Beweisantrag ohne weitere Aufklärung nicht abgelehnt werden.

Auf der Grundlage der dazu vom Senat eingeholten Stellungnahme der PTB vom 18.09.2018 kann jedoch ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 337 StPO).

Die PTB hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt: „LED-Scheinwerfer werden manchmal (nicht immer, denn das hängt vom Fahrzeug bzw. Scheinwerfertyp ab) in schneller Folge periodisch ein- und ausgeschaltet (schneller, als das menschliche Auge auflösen kann). Es wurde nun kürzlich die Vermutung geäußert, dass es passieren könnte, dass sich das Helligkeitsprofil des Fahrzeugs durch dieses schnelle Ein- und Ausschalten der LED-Lichtquelle unter sehr speziellen Umständen schneller nach vorne bewegt als die Karosserie des Fahrzeugs, zum Beispiel, wenn durch das Pulsieren der LEDs möglicherweise eine Art Lauflichteffekt nach vorne entstehen sollte. In diesem hypothetischen Szenario könnte dann unter Umständen eine zu hohe Geschwindigkeit angezeigt werden, eben die des sich aktiv verändernden Helligkeitsmusters und nicht die des Fahrzeugs als Ganzem. Konkrete Szenarien wurden jedoch nicht vorgestellt, sondern nur diese allgemeine, unspezifische Befürchtung geäußert. […]

Der PTB liegen bisher keine konkreten Anhaltspunkte dazu vor, dass es zu Fehlmessungen durch das Geschwindigkeitsmessgerät ES3.0 kommt, wenn das betreffende Fahrzeug mit LED-Scheinwerfern ausgestattet ist. Eigene spezifische Untersuchungen der PTB vor etwa einem Jahr haben ebenfalls keine Hinweise auf mögliche Fehlmessungen gebracht:

1. Eine theoretische Analyse möglicher Szenarien mit gepulsten LED-Scheinwerfern kommt zu dem Ergebnis, dass die ausgefeilten Annullationskriterien des ES3.0-Gerätes dafür sorgen, dass keine fehlerhaften geeichten Messwerte entstehen können. Jedoch kann die Annullationsrate für manche Fahrzeuge mit LED-Scheinwerfern stark ansteigen.

2. Das reale zeitliche Ein- und Ausschaltmuster von LED-Leuchten an Vorder- und Rückseite von Fahrzeugen wurde mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera (100.000 Bilder pro Sekunde) für verschiedene Fahrzeugtypen von vorne, von hinten und von der Seite untersucht, um sicherzustellen, dass die unter 1. genannten Szenarien den Parameterraum abdecken.

3. Die Sichtung der Aufzeichnungen der im Rahmen der Bauartprüfungen durchgeführten Praxistests auf den PTB-Referenzanlagen hat ergeben, dass auch bei mit LED-Leuchten ausgestatteten Fahrzeugen die Geschwindigkeit korrekt bestimmt wurde.

4. Um die Datenbasis weiter zu verbessern, wurden bei Dunkelheit gezielte Fahrversuche mit LED-Fahrzeugen gemacht. Dabei kam es in keinem einzigen Fall zu einer fehlerhaften Messwertbildung. Allerdings wurde ein großer Anteil aller Messungen vom Messgerät annulliert.

5. Es wurde zudem das Verhalten der Messgeräte-Software untersucht, wenn man ihr spezifisch zugeschnittene Signale einspeist, die denen von Fahrzeugen mit LED-Scheinwerfern entsprechen. Auch dabei konnte in keinem einzigen Fall eine falsche Messwertbildung beobachtet werden. Allerdings steigt auch hier die Annullationsrate.

Diese Untersuchungen ergeben also konsistent das Bild, dass es nicht zu Fehlmessungen, aber zu erhöhten Annulationsraten kommen kann.“

Entgegen der dazu vom Betroffenen abgegebenen Bewertung ist damit auf tragfähiger tatsächlicher Grundlage der für die Gerätezulassung zuständigen PTB dargetan, dass Einflüsse von LED-Leuchten auf den Messvorgang allenfalls zu einer ungültigen Messung führen können, eine verfälschte Messwertbildung jedoch ausgeschlossen ist.

Kann aber eine Fehlmessung im Zusammenhang mit LED-Leuchten bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät ES3.0 generell ausgeschlossen werden, gilt dies auch für den hier zu entscheidenden Einzelfall. Die unterbliebene Beweiserhebung kann sich deshalb auf die gerichtliche Entscheidung nicht ausgewirkt haben.

Da vorliegend die Zuordnung des Messwertes zu dem vom Betroffenen gesteuerten Fahrzeug nicht in Frage steht, kommt der unzureichenden Dokumentation der Fotolinie keine Bedeutung zu (OLG Hamm, Beschluss vom 02.08.2012 – III-3 Rbs 178/12 -, juris).

Im Übrigen wird auf die auch unter Berücksichtigung der dazu abgegebenen Gegenerklärung zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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