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Geschwindigkeitsmessung Riegl LR 90-235/P – Selbsttest und Displaytest im Dunkeln

AG Dortmund – Az.: 729 OWi-251 Js 1170/20-105/20 – Urteil vom 21.08.2020

In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht Dortmund aufgrund der Hauptverhandlung vom 21.08.2020, gem. §§ 71 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 226 Abs. 2 StPO ohne Hinzuziehung einer Urkundsbeamtin/eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle für Recht erkannt:

Die Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe:

Mit dem dem Verfahren zugrunde liegenden Bußgeldbescheid wurde der Betroffenen vorgeworfen, am 19.02.2020 einen fahrlässigen Geschwindigkeitsverstoß begangen zu haben gemäß den §§ 41 Abs. I in Verbindung mit Anlage 2, 49 StVO, 24 StVG, der nach 11.3.5 des Bußgeldkatalogs mit 130,00 € zu ahnden sei.

Dabei wurde der Betroffenen zur Last gelegt, am genannten Tage um 18.40 Uhr in Dortmund die Derner Straße/Feineisenstraße als Fahrzeugführerin eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XXX , Fabrikat Audi, mit einer Geschwindigkeit von (nach Toleranzabzug) 77 km/h trotz lediglich innerorts zulässiger 50 km/h gefahren zu sein.

Das Gericht konnte feststellen, dass die Betroffene tatsächlich mit dem genannten Fahrzeug an der fraglichen Tatörtlichkeit zur genannten Zeit unterwegs war. Bei der Tatörtlichkeit handelt es sich um eine in Fahrtrichtung der Betroffenen dreispurig ausgebaute Straße innerhalb geschlossener Ortschaften. Ob die Betroffene zu schnell gefahren ist oder nicht, konnte das Gericht nicht feststellen. Sie wurde jedenfalls im Rahmen einer Messung durch den Polizeibeamten C als zu schnell fahrende Fahrzeugführerin identifiziert und angehalten. Dabei nutzte der Zeuge C ein zur Tatzeit gültig geeichtes Lasermaßgerät des Typs Riegl LR 90-235/P. Er führte in 240 Meter Entfernung von seinem Standort aus eine Messung in den vorbeifließenden Verkehr durch. Zu dieser Zeit war es dunkel am Tatort. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass das Messgerät entsprechend der Bedienungsanleitung durch den Zeugen C eingesetzt wurde. Es konnte nämlich nicht festgestellt werden, dass von den 4 für den Einsatz des Gerätes erforderlichen Funktionstests die beiden ersten Tests, also der Selbsttest und der Displaytest, ordnungsgemäß durchgeführt wurden durch den Zeugen. Ferner konnte nicht festgestellt werden, wie der Zeuge die Messung durchgeführt hat und im Dunkeln festgestellt hat, dass das von ihm angemessene Fahrzeug auch dasjenige ist, das schließlich angehalten wurde.

Die Betroffene bestätigte, zur Tatzeit Fahrzeugführerin gewesen zu sein. Sie sei möglicherweise geringfügig zu schnell gefahren, jedoch nicht in dem Umfange, der ihr vorgeworfen werde. Sie habe sich auch gleich vor Ort bei dem Polizeibeamten beschwert. Aufgrund ihrer Eindringlichkeit der Beschwerde sei sie aufgefordert worden, die Tatörtlichkeit zu verlassen, da ihr ansonsten eine Anzeige drohe. Sie habe nämlich ein Fahrzeug mit einer App, mit der sie auch die Geschwindigkeit auf den jeweils gefahrenen Strecken ausmessen könne. Dieses System benutze sie für ihr Privatfahrzeug und auch für ihre Fahrzeuge, die sie als Fuhrunternehmerin besitze. Hieraus ergebe sich, dass sie allenfalls mit einer Geschwindigkeit von 65 km/h gefahren sei. Die Betroffene machte dies im Rahmen der Hauptverhandlung ebenso geltend. Sie räumte jedoch auch ein, dass es sich bei dem Tracking-System, das auf GPS-Basis messe, nicht um eine geeichte Geschwindigkeitsmessung handele.

Die Betroffene erklärte ferner, sie sei auf der mittleren der drei vorhandenen Fahrspuren unterwegs gewesen. Sie sei in einer Fahrzeugkolonne gefahren. Vor ihr seien 2 oder 3 weitere Fahrzeuge gewesen. Rechts von ihr sei schräg vorne ein LKW gewesen und links hätten sie mehrere Pkw überholt. In dieser Situation sei sie durch die Polizeibeamten aus dem Verkehr gewunken worden.

Der Zeuge C erinnerte sich ausdrücklich nicht an die Ereignisse vor Ort, zumal er nicht mehr in Unterlagen geschaut habe. Er erinnerte sich jedoch sofort an die Betroffene. Er konnte sich daran erinnern, um was für ein Fahrzeug es sich bei dem Fahrzeug der Betroffenen gehandelt habe und dass es um eine App gegangen sei, die die Geschwindigkeit gemessen habe. Die Betroffene habe vor Ort lautstark reagiert. Der Zeuge bestätigte, dass er ausweislich des urkundsbeweislich verlesenen Messprotokolls der Messbeamte zur Tatzeit gewesen sei. Protokollführer sei der PK D gewesen. Er selbst als Messbeamter habe das Messprotokoll ebenso unterschrieben. Dies konnte das Gericht feststellen durch die urkundsbeweisliche Verlesung des Messprotokolls, das sowohl die Unterschrift des Protokollführers als auch die des Messbeamten auswies. Der Betroffene erklärte, er übernehme die Gewähr für die durchgeführten Funktionstests entsprechend der gemachten und unterschriebenen Aufzeichnungen. Insoweit konnte das Gericht feststellen, dass zwar die Überprüfung der Visiereinrichtung als durchgeführt angekreuzt wurde und auch die Nullmessung in 254 Meter Entfernung. Selbsttest und Displaytest waren jedoch nicht als durchgeführt angekreuzt. Der Zeuge C erklärte, dass natürlich diese Tests von ihm immer durchgeführt würden. Aus dem Nichtankreuzen der beiden Tests und der Übernahme der Verantwortung des Zeugen C für die Richtigkeit der Aufzeichnungen insoweit lag es nahe, davon auszugehen, dass sogar positiv festzustellen ist, dass ein Selbsttest und ein Displaytest nicht stattgefunden haben. Lebensnah ist dieses Ergebnis freilich nicht. Es war jedoch auch festzustellen, dass das Messprotokolls hinsichtlich des Einsatzortes mit der Angabe „außerhalb geschlossener Ortschaften“ falsch ausgefüllt war. Es steht so zu vermuten, dass das Protokoll lediglich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt angelegt wurde. Dies führt natürlich nicht dazu, dass nicht vom Protokoll wiedergegebener Inhalt, an den sich der Messbeamte nicht erinnert, als trotzdem geschehen unterstellt werden konnte. Entsprechend der Angaben der Betroffenen gab das Messprotokoll einen lebhaften Fahrzeugverkehr wieder. Der Polizeibeamte schilderte insoweit, dass zahlreiche Fahrzeuge zur Tatzeit unterwegs waren. Er erklärte auch, dass entgegen früherer Jahre nicht mehr im Messprotokoll festgehalten werde, ob es sich um ein Einzelfahrzeug handele oder ein Fahrzeug als führendes Fahrzeug einer Kolonne. Dies sei auch nicht nötig. Vielmehr sei es so, dass an der fraglichen Stelle sich eine leichte Rechtskurve befinde und man so auch durchaus mitten in den Verkehr auch mitten in Fahrzeugkolonnen gut hereinmessen könne. Es sei durchaus möglich, dass die Messung so stattgefunden habe, wie dies die Betroffene erklärt hatte. Angesichts der Dunkelheit zur Tatzeit und der Messentfernung hielt das Gericht ein derartiges Messen in eine Fahrzeugkolonne hinein überhaupt nicht für zuverlässig zur Feststellung der Geschwindigkeit des angemessenen Fahrzeugs, zumal der Zeuge auch keinerlei weitere Erklärungen zur Zuordnungssicherheit abgeben konnte.

Die von der Betroffenen gemachten Angaben zu ihrer gefahrenen Geschwindigkeit hielt das Gericht nicht für eine ausreichende Verurteilungsgrundlage.

Dementsprechend war die Betroffene mit der Kostenfolge der §§ 467 StPO, 46 OWiG aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

 

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