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Geschwindigkeitsmessung – Recht auf Einsicht in die komplette Messreihe vom Tattag

AG Leverkusen – Az.: 55 OWi 120/2 (b) – Beschluss vom 08.02.2021

Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Verteidiger die digitalen Falldateien der kompletten Messreihe vom Tattag (25.11.2020) mit Passwort sowie ggf. Token-Datei zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Gegen die Betroffene ist unter dem 02.12.2020 ein Bußgeldverfahren von der Bußgeldstelle Ordnung und Straßenverkehr der Stadt Leverkusen eingeleitet worden. Mit Schriftsatz vom 04.12.2020 beantragte der Verteidiger der Betroffenen u. a. Einblick in die unverschlüsselten Messdaten des Tattages sowie hinsichtlich der seine Mandantin selbst betreffenden Messdatei inklusive der Rohmessdaten zu gewähren. Für den Fall der unterbleibenden Übermittlung der angeforderten Daten stellte er Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Am 22.01.2021 übersandte Bußgeldstelle Ordnung und Straßenverkehr der Stadt Leverkusen dem Verteidiger der Betroffenen „die gewünschten Bilddateien im Originalformat“ per Post sowie zusätzlich per E-Mail den Schlüssel zum Öffnen der Dateien. Mit Schreiben vom 28.01.2021 wies der Verteidiger der Betroffenen nochmals darauf hin, dass durch den Antrag vom 04.12.2020 Einblick in die unverschlüsselten Messdaten des Tattages, also auch derjenigen gebeten wurde, welche nicht die Mandantin betreffen und bat für den Fall der unterbleibenden Erledigung um Abgabe an das zuständige Amtsgericht zwecks Entscheidung über seinen Antrag.

Die Verwaltungsbehörde hat den Antrag zur Entscheidung-dem Amtsgericht vorgelegt.

II.

Der nach §§ 69 Abs. 1, 62 OWiG zulässige Antrag ist begründet. Die Betroffene hat ein Recht auf Einsicht in die komplette Messreihe vorn Tattag (25.11.2020).

Ein solcher Anspruch ergibt sich – auch beim standardisierten Messverfahren – aus dem Gebot des fairen Verfahrens, welches sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ableitet und zudem in Art. 6 EMRK statuiert ist. Das Gebot einer rechtsstaatlichen, insbesondere auch fairen Verfahrensgestaltung wendet sich dabei nicht nur an die Gerichte, sondern ist auch von allen anderen staatlichen Organen zu beachten, die auf den Gang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens Einfluss nehmen, mithin vorliegend auch von der Verwaltungsbehörde. Aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und des hieraus folgenden Gebots der Waffengleichheit kann sich insbesondere ein Recht auf Einsicht in Akten oder Daten ergeben, welches über das Recht auf Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Akten (§ 147 Abs. 1 StPO) hinausgeht.

Bezogen auf das Bußgeldverfahren ergibt sich auf dieser Grundlage, dass ein Betroffener wegen der zu garantierenden „Parität des Wissens“ bzw. der „Waffengleichheit“ verlangen kann, Einsicht in sämtliche existente, zur Überprüfung der Messung erforderliche Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten, sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden (vgl. dazu insgesamt LG Köln, Beschl. v. 08.12.2020, 323 Qs 109/20).

Mithin hat die Betroffene einen Anspruch auf Einsicht in die digitalen Falldateien der kompletten Messreihe vom Tattag (25.11.2020). Der Anspruch bezieht sich dabei auf diejenigen Daten, die der Verwaltungsbehörde aufgrund des konkreten Messsystems zur Verfügung stehen. Dass die digitalen Falldateien, deren Einsicht die Betroffene begehrt, nicht existent wären, ist schließlich jedoch nicht ersichtlich.

Da eine Überprüfung dieser Daten in Bezug auf die Ordnungsgemäßheit des Messvorgangs aufgrund der Verschlüsselung nur bei Zugänglichmachung des dazugehörigen Passworts bzw. der ggf. dazugehörigen Token-Datei möglich ist, ist die Verwaltungsbehörde daneben auch anzuweisen, der Betroffenen das Passwort bzw. ggf. die Token-Datei mitzuteilen bzw. zur Verfügung zu stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 467 Abs. 1 S. 1 StPO. Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.

 

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