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Geschwindigkeitsmessung – ProVida Modular 2000 durch Nachfahren

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 202/18 – 122 Ss 94/18 – Beschluss vom 02.08.2018

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Juni 2016 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 4. Juni 2018 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h eine Geldbuße von 450,00 Euro sowie ein mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 26. Juli 2018 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgezeigt, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die tatrichterlichen Feststellungen genügen den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Urteilsgründe.

a) Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die konkrete Messmethode im Rahmen des Messverfahrens ProVida 2000 Modular nicht mitgeteilt wird.

aa) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277) genügt, soweit ein standardisiertes Messerfahren zum Einsatz kam, für die Beweiswürdigung neben der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Messergebnisse die Mitteilung des Messverfahrens und des berücksichtigten Toleranzwerts (vgl. BGH a.a.O.). Diese rechtlichen Vorgaben hält das angefochtene Urteil ein. Die Mitteilung der konkreten Messmethode ist demgegenüber entbehrlich (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 25. Januar 2017 – 3 Ss OWi 1582/16 – [juris]; OLG Saarbrücken VRS 130, 118 m.w.N.). Dies wäre nur dann anders, wenn eine der in Frage kommenden Messmethoden andere Anforderungen an den vorzunehmenden Toleranzabzug stellen würde als die übrigen Methoden oder wenn es sich bei einer der möglichen Methoden nicht um ein standardisiertes Messverfahren handeln würde (vgl. OLG Bamberg a.a.O.). Beides ist hier nicht der Fall.

bb) Der Senat kann ausschließen, dass eine Messmethode mit abweichenden Toleranzvorgaben zum Einsatz gekommen ist. Bei allen vier menügesteuerten Betriebsarten zur Geschwindigkeitsmessung (AUTO 1, AUTO 2, MAN, SPLIT) ist nach der für das verwendete Messgerät maßgeblichen innerstaatlichen Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die dem Senat aus anderen Verfahren insofern bekannt ist, bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h ein Toleranzwert von 5 % des Messwerts abzuziehen. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Geschwindigkeit durch die ProVida-Modular-Anlage (automatisch) durch Nachfahren ermittelt wurde. Damit steht aber auch fest, dass die durchgeführte Messung nur mittels einer der vier menügesteuerten Messmethoden erfolgt sein kann.

cc) Aufgrund der Urteilsfeststellungen steht weiterhin zweifelsfrei fest, dass ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz kam.

dd) Denn bei allen menügesteuerten Betriebsarten zur Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ProVida Modular 2000 handelt es sich jeweils um standardisierte Messverfahren im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. OLG Bamberg a.a.O. m.w.N.). Auch vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner näheren Bezeichnung, welche der vier menügesteuerten Betriebsarten zum Einsatz gekommen war.

ee) Der Einwand des Betroffenen, die festgestellte Messstrecke von 349 m sei zu kurz gewesen, greift nicht. Denn bei dem hier zum Einsatz gelangten Messverfahren ist – anders als beim Nachfahren und Geschwindigkeitsübermittlung mittels Tachometer – eine Mindestmesstreckenlänge nicht gefordert (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 3 Ws (B) 302/17 –).

b) Dagegen, dass das Amtsgericht eine vorsätzliche Begehungsweise angekommen hat, ist nichts zu erinnern.

Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit drängt sich vorsätzliche Begehungsweise umso mehr auf, je massiver das Ausmaß der Überschreitung ist. Insoweit kann nach dem gegenwärtigen Wissensstand auf den Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% – vorliegend beläuft sich diese auf 56,25 % – von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur VRS 100, 471). Solche besonderen Umstände weisen die Urteilsgründe nicht aus. Es ist indes davon auszugehen, dass dem Betroffenen die zulässige Höchstgeschwindigkeit bekannt war.

Die Urteilsfeststellungen weisen die am Tatort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (UA S. 3) aus. Zutreffend führt der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 26. Juli 2018 aus, dass es, anders als die Generalstaatsanwaltschaft meint, eine gesetzliche Regelung für die allgemeine Begrenzung von Geschwindigkeiten auf Autobahnen – auch auf innerstädtischen – nicht gibt. Der von der Generalstaatsanwaltschaft angeführte § 18 Abs. 5 Satz 1 StVO sieht eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen lediglich für bestimmte Fahrzeuge, nicht jedoch allgemeingültig vor. Die vom Amtsgericht – ohne jegliche Einschränkung – festgestellte zulässige Höchstgeschwindigkeit kann nur durch das Zeichen 274 der Anlage 2 zur StVO bestimmt gewesen sein.

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass (ordnungsgemäß angebrachte) Vorschriftszeichen, auch solche, durch die eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt, wahrgenommen werden und ein fahrlässiges Übersehen die Ausnahme darstellt. Daher braucht die Möglichkeit, dass ein Betroffener das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben (vgl. BGHSt 43, 241; Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2017 – 3 Ws (B) 325/17 –; OLG Celle NZV 2014, 232). Solche Anhaltspunkte gab es ausweislich der Urteilsgründe nicht.

2.) Auch der Rechtsfolgenausspruch ist nicht zu beanstanden.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat, wobei die Entscheidung des Tatgerichts bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Februar 2018 – 3 Ws (B) 27/18 – m.w.N.; OLG Hamm NZV 2008, 306; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 278).

Im Rahmen dieses Prüfungsumfanges hält der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Das Festsetzen der Geldbuße in Höhe von 450,00 Euro und die Anordnung eines einmonatigen Regelfahrverbots weisen keinen Rechtfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

1. Das Amtsgericht hat sich bei der Bemessung der Geldbuße am Regelsatz der hier einschlägigen laufenden Nr. 11.3.7 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, hat diese sodann nach § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV aufgrund der vorsätzlichen Begehungsweise verdoppelt und die einschlägige, zur Zeit des Erkenntnisses noch nicht tilgungsreife verkehrsrechtliche Vorahndung des Betroffenen zu seinen Ungunsten angemessen berücksichtigt. Fehler beim Ausüben des tatrichterlichen Ermessens bei der Bußgeldbemessung sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Gericht dem Umstand, dass die Höhe der festgesetzten Geldbuße die Geringfügigkeitsgrenze des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG übersteigt, dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass es die wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen festgestellt und des Weiteren darauf geachtet hat, dass die Tilgung der Geldbuße den Betroffenen wirtschaftlich nicht überfordert.

2. Auch die Verhängung des Fahrverbots hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Liegen – wie hier – die Voraussetzungen der laufenden Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 zum Bußgeldkatalog vor, unter denen ein Fahrverbot als regelmäßige Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme angeordnet werden soll, so ist grundsätzlich von einer groben Pflichtverletzung des betroffenen Kraftfahrers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG auszugehen; sie ist in diesen Fällen bereits indiziert (tatbestandsbezogene Vermutungswirkung). Die Gerichte haben diese Vorbewertung des Verordnungsgebers zu beachten. Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen. Der Tatrichter ist in diesen Fällen gehalten, ein Fahrverbot anzuordnen. Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots wegen Wegfalls des Erfolgs- oder Handlungsunwerts kommt nur dann in Betracht, wenn entweder besondere Ausnahmeumstände in der Tat (z.B. atypischer Rotlichtverstoß wegen Ausschlusses einer Gefahrenlage) oder in der Persönlichkeit des Betroffenen (z.B. Augenblicksversagen beim Rotlichtverstoß) offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt. Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. Senat NZV 2017, 340; VRS 108, 286).

b) Nach diesem Maßstab ist die Verhängung des Fahrverbots hier frei von Rechtsfehlern. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, dass dem Geschwindigkeitsverstoß um mindestens 41 km/h die ihm besondere abstrakte Gefährlichkeit innewohnt, die der Gesetzgeber zum Anlass genommen hat, die Anordnung der erzieherischen Maßnahme des Fahrverbots als Regelfolge vorzuschreiben, sind nicht ersichtlich.

c) Die Urteilsgründe lassen schließlich auch erkennen, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst war, nach § 4 Abs. 4 BKatV von der Anordnung des Fahrverbots abzusehen, falls der notwendige Warneffekt durch eine angemessene Erhöhung der Geldbuße zu erreichen gewesen wäre (vgl. BGHSt 38, 125).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.

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