AG Alsfeld – Az.: 4 OWi – 805 Js 32700/13 – Urteil vom 10.02.2014
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Dem am 01.02.1975 in Montecatini-Terme (Italien) geborenen Betroffenen wird vorgeworfen, am 31.01.2013 in Lauterbach um 10:57 Uhr auf der B 254 in Maar – Fahrtrichtung Reuters eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben. In Höhe eines dort befindlichen Parkplatzes wurden durch die Polizei LKW-Kontrollen durchgeführt. Um ein Herauswinken der zu kontrollierenden Fahrzeuge und später ein Wiederbefahren der kontrollierten LKW auf die Bundesstraße zu ermöglichen, war durch aufklappbare Schilder die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h reduziert. Die Beschilderung erfolgte dergestalt, dass 132 m vor der Messstelle ein 50 km/h-Schild und 82,5 m vor der Messstelle ein 30 km/h-Schild aufgestellt war.
Das Messgerät war am 22. Januar 2013 (Dienstag) nach Wiesbaden zur Reparatur gebracht worden und wurde am gleichen Tag wieder repariert mitgenommen. Bei der Reparatur wurden eichrelevante Öffnungen vorgenommen. Am 28.01.2013 (Montag) wurde durch Herrn F, dem Verantwortlichen bei der Polizei, die Neueichung beantragt. Kurze Zeit später erhielt er die Mitteilung, dass der zuständige Eichbeamte erkrankt war. Am 19.03.2013, also rund 7 Wochen später, erfolgte durch Herrn F eine neuerliche Nachfrage. Auf diese wurde ihm mitgeteilt, dass der Mitarbeiter immer noch erkrankt sei. Schließlich wurde das Gerät am 09.04.2013 in einem anderen Bundesland geeicht.
Der Nachweis einer vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung wurde nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt, denn es liegt keine verwertbare Messung vor.
Offenbleiben kann dabei, ob das Unterschreiten des durch Rechtsverordnung regelmäßig einzuhaltenden Mindestabstand zum Schild (= 100 m) vorliegend durch eine besondere Gefahrensituation gerechtfertigt war. So gab der Messbeamte hierzu in der Hauptverhandlung an, dass bei LKW-Kontrollen, die die Polizei dort durchführt, die Schilder mit der Geschwindigkeitsreduzierung aufgeklappt werden, bei Kontrollen, die die BAG durchführt, hingegen nicht. Augenscheinlich wird von der einen staatlichen Stelle (= Polizei) die Situation als dermaßen gefährlich eingestuft, dass eine Reduzierung auf der ansonsten unbeschränkten Bundesstraße um 70 km/h, d. h. auf 30 km/h auf einer Bundesstraße erforderlich ist, die darüber hinaus auch noch ein Unterschreiten des regelmäßigen Abstandes Schild-Messstelle rechtfertigt. Von einer anderen Stelle (= BAG) wird keine Gefährdung angenommen, so dass nicht einmal die Schilder aufgeklappt werden.
Die Messung ist aber zumindest deshalb unwirksam, weil sie mit einem ungeeichten Messgerät durchgeführt wurde.
Gemäß § 13 EichO erlischt die Eichung vorzeitig, wenn wie hier (infolge von Reparaturen) Hauptstempel, Sicherungsstempel oder Kennzeichnungen entfernt werden mussten. Nach Abs. 2 gilt dies allerdings dann nicht, wenn die erneute Eichung „unverzüglich“ beantragt wurde.
Vorliegend liegen zwischen Reparatur und Eichantrag 6 Tage, dies kann nicht mehr als unverzüglich angesehen werden. „Unverzüglich“ ist nach allgemeiner Definition ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“. Dabei ist der Maßstab, der an eine „Unverzüglichkeit“ zu stellen ist, von der Art der verlangten Handlung (wie z. B. entsprechenden Vorbereitungen, Abläufen etc.) abhängig. Nach Auffassung des Gerichts ist für den vorliegenden Fall allerdings ein ebenso strenger Maßstab zu stellen, wie an die Verkehrsteilnehmer selbst oder an (wenn auch an anderer Stelle) an staatliche Stellen. Der Autofahrer hat nach ständiger Rechtsprechung zu § 142 StGB kaum 24 Stunden Zeit, einen Unfall zu melden, sofern er die Unfallstelle erlaubterweise verlassen hat. Auch die Vorführung einer Person, die aufgrund eines Haftbefehls ergriffen wurde, vor dem Haftrichter hat „unverzüglich“ zu erfolgen, wobei dies spätestens am Tage nach der Ergreifung stattzufinden hat. Vor diesem Hintergrund und auch angesichts der Tatsache, dass die Stellung des Antrags auf Neueichung – und nur darauf kommt es bei § 13 Abs. 2 EichO an – kein sonderlich schwerer bzw. komplizierter Vorgang ist, der einer besonderen Vorbereitung o. ä. bedürfte, ist vorliegend der Ablauf von fast 1 Woche nicht mehr als unverzüglich anzusehen.
Insofern kann auch die Frage, ob dem Sinn des Gesetzes damit genüge getan wurde, dass zwar ein Neueichungsantrag gestellt wurde, in Kenntnis der Tatsache, dass keine Eichung erfolgen kann, dennoch gemessen wurde und sich erst nach fast 2 Monaten darum gekümmert wurde, dass nun auch tatsächlich neugeeicht wurde, dahinstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO i. V. m. § 46 OWiG.