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Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed Messgerät – weiterer Toleranzabzug

AG Nauen, Az.: 34 OWi 445 Js-OWi 10854/16 (175/16), Urteil vom 16.06.2016

Gegen den Betroffenen wird wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160,00 Euro festgesetzt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gegeben worden ist, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Monaten ab Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. 1 i.V.m. 49 StVO, 24, 25 Abs. 2a StVG, 17 OWiG, 11.3.7 BKat

Gründe

I.

Der Betroffene hat zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Angaben gemacht.

Verkehrsrechtlich ist der Betroffene ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges vom 26.05.2016 bisher nicht in Erscheinung getreten.

II.

Der Betroffene befuhr am 24.09.2015 um 9.33 Uhr mit dem PKW, amtliches Kennzeichen …, die Bundesautobahn 10 zwischen den Autobahndreiecken Havelland und Werder, km 139,6, in Fahrtrichtung Autobahndreieck Werder mit einer Geschwindigkeit von mindestens 161 km/h. Am Messort, der sich außerhalb geschlossener Ortschaften zwischen den Anschlussstellen Falkensee und Nauen befindet, war die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 – 62 auf 120 km/h begrenzt. Die Begrenzung auf diese Geschwindigkeit begann etwa 4000 m vor der Messstelle durch das genannte, beidseits der Fahrbahn angebrachte Verkehrszeichen, welches ca. 1900 m vor der Messstelle wiederholt wurde, und endete ca. 2500 m hinter der Messstelle. Die Geschwindigkeit des Betroffenen wurde mit 166 km/h gemessen.

Die Messung erfolgte mit dem Messgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH Wiesbaden, Geräte-Nr. PS 639617. Das Gerät wurde am 03.09.2015 geeicht, die Eichung war bis Ende 2016 gültig. Messbeamter war die für dieses Messverfahren ausgebildete und geschulte POMin …. Das Messgerät wurde mit der Softwareversion 3.7.4 betrieben. Die Eichsiegel waren unversehrt. Die Geschwindigkeitsmessanlage wurde entsprechend der Gebrauchsanweisung des Herstellers zur Anwendung gebracht. Vor Beginn und am Ende der Messung hatte sich die Messbeamtin über den ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrszeichen überzeugt.

Infolge Unachtsamkeit achtete der Betroffene nicht auf seine Geschwindigkeit. Bei der Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass er sich im Bereich der Geschwindigkeitsbegrenzung befand und die Geschwindigkeit auf das zulässige Maß hätte reduzieren müssen.

III.

Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed Messgerät – weiterer Toleranzabzug
Symbolfoto: Von Grandpa /Shutterstock.com

Der Betroffene – selbst vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entbunden – gab über seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung an, er sei der Fahrer gewesen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde vom ihm bestritten. Der Betroffene hatte selbst ein Gutachten zur Frage der Geschwindigkeitsübertretung eingeholt. Der Gutachter stellte anhand der Überprüfung der Originaldaten fest, dass rechnerisch für die Messstrecke anhand der Daten für Beginn und Ende der Messung lediglich eine Geschwindigkeit von 162 km/h nachvollzogen werden könne. Gleichzeitig stellt er fest, dass das Messgerät die Geschwindigkeit aus 554 Einzelwerten ermittelt habe. Nach Auffassung des Betroffenen müsse von den rechnerisch nachvollziehbaren 162 km/h der Toleranzabzug von 3 % vorgenommen werden, so dass allenfalls eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 37 km/h vorliege.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des vom Betroffenen vorgelegten Gutachtens (Bl. 37 – 41 d. A.), des Messprotokolls (Bl. 2 d.A.), des Eichscheins (Bl. 3 und 4 d.A.) sowie des Ausbildungsnachweises des Messbeamten (Bl. 5 d.A.). Hieraus ergeben sich zur Überzeugung des Gerichts der genaue Messort einschließlich seiner Beschilderung, das verwendete Messgerät einschließlich Software sowie die Angaben des Messbeamten hinsichtlich der Prüfung der Verkehrszeichen und der Unversehrtheit der Eichmarken am Messgerät sowie zur ordnungsgemäßen Inbetriebnahme entsprechend der Gebrauchsanweisung des Herstellers. Ausweislich des Schulungsnachweises war die Messbeamtin für das Geschwindigkeitsmesssystem PoliScan Speed – auch hinsichtlich der aktuellen Softwareversion – geschult.

Die Inaugenscheinnahme des Messfotos, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 6 d.A.), ergab keine Auffälligkeiten. Im Messrahmen ist nur das Fahrzeug des Betroffenen abgebildet. Der Messrahmen erstreckt sich über den größten Teil der Vorderfront des Fahrzeugs einschließlich des überwiegenden Teils des Kennzeichens. Die Unterkante des Messrahmens befindet sich unterhalb der Vorderräder. Die Inhalte der verlesenen Datenzeilen des Messfotos stimmen mit den Angaben im Messprotokoll zu Messort und Messgerät überein. Als gemessene Geschwindigkeit ist in der Datenzeile des Messfotos angegeben: 166 km/h.

Hiervon ist ein Toleranzabzug von 3 % vorzunehmen, so dass das Gericht von einer vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit von 161 km/h ausgeht.

Nach Auffassung des Gerichts führen die Feststellungen des Gutachters des Betroffenen nicht dazu, dass vor dem eichrechtlich vorgeschriebenen Toleranzabzug ein weiterer Abzug von der gemessenen Geschwindigkeit vorzunehmen ist. Vielmehr bestätigt das Gutachten die Messung. Die vom Gutachter rechnerisch nachvollzogenen Werte ergeben einen Wert von 162,57 km/h für die Messstrecke und von 165,33 km/h für die gesamte Erfassungsstrecke. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, dass vom Gerät lediglich fünf Einzelwerte (Beginn und Ende des Erfassungsbereiches, Beginn und Ende des Messbereiches sowie der Fotopunkt) auslesbar hinterlegt werden, das Gerät selbst jedoch hier aus 554 Einzelwerten die Geschwindigkeit errechnet. Es liegt auf der Hand, dass eine Nachrechnung anhand der fünf Werte nicht vollständig den Wert wiedergibt, der aus 554 Werten errechnet wird, zumal bei den fünf Werten ein linearer Verlauf der Geschwindigkeit unterstellt wird, der tatsächlich nicht vorgelegen haben muss. Vielmehr sind Abweichungen bei dieser Art der Nachprüfung die Regel. Dies führt jedoch nicht automatisch dazu, dass lediglich der rechnerisch nachvollziehbare Wert der Messung zugrunde zu legen ist. Vielmehr ist zu beurteilen, ob der rechnerisch nachvollziehbare Wert in einem Bereich liegt, der plausibel ist, oder ob er auf Unregelmäßigkeiten in der Messung hindeutet. Ersteres ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Wert innerhalb des verkehrsrechtlichen Toleranzbereiches liegt. Der Toleranzabzug von 3 % bei Geschwindigkeiten über 100 km/h (bzw. 3 km/h unterhalb von 100 km/h) dient gerade dazu, nicht vollständig auszuschließenden technischen Unwägbarkeiten, die trotz aller Überprüfungen auftreten können, Rechnung zu tragen und zugunsten des Betroffenen von der danach höchstmöglich denkbaren Fehlerquote auszugehen (vgl. OLG Koblenz NZV 2003, 495). Diese liegt nach eichrechtlichen Vorgaben bei 3 %. Dass das Gerät diese Verkehrsfehlergrenzen im Rahmen der Messrichtigkeit und -beständigkeit einhält, ist im Rahmen der grundlegenden Bauartzulassung geprüft, da diese anderenfalls nicht erteilt wird. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem der Bauartzulassung entsprechenden, geeichten, unbeschädigten und ordnungsgemäß bedienten Messgerät wie hier der durch Abzug der „Toleranz“ errechnete Wert selbst im für den Betroffenen ungünstigen Fall nie höher sein kann als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).

Ein weiterer Abzug ist nur dann geboten, wenn es deutliche Hinweise auf einen technischen Fehler gibt, wenn etwa die errechneten Durchschnittsgeschwindigkeiten deutlich unterhalb der nach Toleranzabzug errechneten Geschwindigkeit liegen. Dabei ist nicht der Erfassungsbereich des Gerätes ausschlaggebend, sondern die Geschwindigkeit im Messbereich, denn dieser Wert ist nach der Bedienungsanleitung und der Bauartzulassung derjenige, der auch im Messfoto angegeben wird und daher für die weitere Beurteilung eines Messfotos zugrunde gelegt wird. Da die Messung nicht an einem Punkt, sondern über eine längere Distanz erfolgt, können diese beiden Werte bereits voneinander abweichen. Der Gutachter errechnete hier eine Geschwindigkeit im Messbereich von abgerundet 162 km/h. Da nach dem vorzunehmenden Toleranzabzug dem Betroffenen lediglich eine Geschwindigkeit von 161 km/h vorgeworfen wird, bleibt der Vorwurf noch unterhalb der vom Gutachter bestätigten Werte, so dass ein weiterer Abzug nicht geboten ist. Auch aus den weiteren Feststellungen des Gutachters ergeben sich keine entgegenstehenden Anhaltspunkte, da die Messung nach allen äußeren Kriterien den Vorgaben des Herstellers und aufgrund der Zulassung durch die PTB auch dieser Zulassung entsprechen. Da sich keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ergeben, geht das Gericht von einer Messung im standardisierten Messverfahren aus.

Die Feststellungen zu den verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen ergeben sich aus dem Verkehrszentralregisterauszug vom 26.05.2016, welcher vom Gericht verlesen worden ist.

IV.

Der Betroffene hat gemäß §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. § 24 StVG die außerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h fahrlässig überschritten.

V.

Bei der Bemessung der Geldbuße ist das Gericht zunächst gemäß § 1 BKatV von Tabelle 1 Buchstabe c der Anlage zum Bußgeldkatalogverordnung (Bußgeldkatalog), hier Punkt 11.3.7, ausgegangen. Dort ist für die begangene Geschwindigkeitsüberschreitung eine Regelgeldbuße von 160,00 Euro vorgesehen. Nach Auffassung des Gerichts liegt hier ein Regelfall vor. Gründe für ein Abweichen von der Regelbuße werden nicht gesehen, so dass diese hier nach Auffassung des Gerichts auch insgesamt angemessen ist.

Das Gericht schätzt das Einkommen des Betroffenen auf durchschnittlich ein. Entgegenstehende Angaben wurden vom Betroffenen nicht gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich, sodass der verhängten Geldbuße auch keine wirtschaftlichen Belange entgegenstehen. Ansatzpunkte für gerichtliche Weiterermittlungen waren insbesondere angesichts der Höhe des Bußgeldes nicht ersichtlich.

Gegen den Betroffenen war zusätzlich zur Geldbuße gem. § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat anzuordnen, weil er die Ordnungswidrigkeit unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Auch hinsichtlich des Fahrverbotes hat das Gericht die Wertung des Bußgeldkataloges zugrunde gelegt, welcher unter Punkt 11.3.7 des Anhangs zum Bußgeldkatalog, Tabelle c), ein Fahrverbot von 1 Monat bei der hier festgestellten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als Regelfolge vorsieht. Mangels besonderer Tatumstände handelt es sich auch in dieser Hinsicht um einen gewöhnlichen Fall, so dass die regelmäßig vorgesehene Rechtsfolge auch hier nach Auffassung des Gerichts tat- und schuldangemessen ist.

Von der Anordnung des Fahrverbotes war im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise abzusehen. Anhaltspunkte, dass das Fahrverbot für den Betroffenen eine unverhältnismäßige wirtschaftliche oder persönliche Härte darstellt, sind nicht ersichtlich, konnten auch von der Verteidigung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts nicht benannt werden.

Das Gericht konnte § 25 Abs. 2a StVG zur Anwendung bringen, da weder in den letzten zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit noch bis zur Hauptverhandlung ein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt worden ist, so dass das Fahrverbot erst spätestens nach Ablauf von 4 Monaten ab Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung wirksam wird.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

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