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Geschwindigkeitsmessung mit Messgerät ESO ES 8.0 – Rohmessdaten

AG Schleiden – Az.: 13 OWi-304 Js 802/22-179/22 – Urteil vom  02.09.2022

In dem Bußgeldverfahren hat das Amtsgericht Schleiden aufgrund der Hauptverhandlung vom 02.09.2022 für Recht erkannt:

Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

I.

Der am pp. in Y geborene Betroffene lebt als Geschäftsführer in geordneten finanziellen wie persönlichen Verhältnissen. Er ist geschieden.

Ausweislich seines Fahreignungsregisterauszugs vom pp. war der Betroffene zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung verkehrsrechtlich wie folgt vorbelastet:

pp.

II.

Dem Betroffenen wird mit Bußgeldbescheid vom 30.03.2022 vorgeworfen, am 09.02.2022 um pp. Uhr in Dahlem auf der B 51 in Höhe des Abschnitts 3, km 1,6 in Höhe der Brücke, Fahrtrichtung A1 Auffahrt bei Blankenheim als Führer des Pkw Skoda mit dem amtlichen Kennzeichen pp. die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h überschritten zu haben.

Die Geschwindigkeit des von dem Betroffenen geführten Fahrzeugs wurde mit einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage des Typs ESO ES 8.0 ermittelt. Die Anlage mit der Gerätenummer pp. war zum Zeitpunkt der Messung am 09.02.2022 gültig geeicht und mit der Softwareversion 1.1.0.2 ausgestattet. Sie wurde durch den Regierungsbeschäftigten A entsprechend der Gebrauchsanweisung aufgebaut und bedient. Die gemessene Geschwindigkeit des Betroffenenfahrzeugs betrug unbereinigt 97 km/h. Abzüglich einer Toleranz von 3 km/h ist dem Betroffenen vorgeworfen worden, anstelle der durch Verkehrszeichen Nr. 274 angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eine Geschwindigkeit von 94 km/h gefahren zu sein.

Es ist gerichtsbekannt, dass das bei der vorliegenden Messung verwendete Messgerät ursprünglich bei Markteinführung Daten speicherte, die üblicherweise mit dem Begriff „Rohmessdaten“ bezeichnet wurden. Tatsächlich handelte es sich bei diesen Rohmessdaten nach Angabe der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (im Folgenden PTB) gegenüber dem Gericht um Hilfsgrößen, nämlich um intern bereits in ersten Auswerteschritten bearbeiteten Primärdaten in Form von zeitlichen Verläufen der Helligkeitsdifferenzprofile der optischen Sensoren des Geräts. Aus diesen Hilfsgrößen werden im weiteren Verlauf geräteintern durch weitere Verarbeitungsschritte sowie durch eine Korrelationsrechnung der Geschwindigkeitswert und der seitliche Abstand zwischen Messgerät und Fahrzeug ermittelt. Diese Daten machten es möglich, die Messungen mit diesem Gerät sachverständig überprüfen zu lassen, was das Gericht bei entsprechender Veranlassung auch in diversen Verfahren veranlasste. Nach den Angaben gerichtlich bestellter Sachverständiger waren diese aufgrund der bisher gespeicherten Daten bisher durchweg in der Lage, Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Messungen zu ziehen und so deren Fehlerhaftigkeit auszuschließen oder eben Auffälligkeiten aufzuzeigen, indem sie die besagten Helligkeitsprofile mittels spezieller Software auslasen und visualisierten. Die so gewonnenen visuellen Profile erlaubten es insbesondere unter anderem, eine Kompatibilität mit dem Tatfahrzeug zu prüfen und die Messung von Fremdkörpern im Profil (Drittfahrzeuge, Tiere, aufgewirbelte Gegenstände) substantiiert auszuschließen und so eine eindeutige Zuordnung des Messvorgangs zum Tatfahrzeug zu gewährleisten.

Diese Daten werden sowohl nach den Angaben des Landesamtes für polizeiliche Dienste der Polizei NRW als auch der PTB seit der 3. Revision (28.02.2020) der von der Konformitätsbewertungsstelle der PTB ausgestellten Baumusterprüfbescheinigung nicht mehr gespeichert, obwohl dies technisch nach wie vor möglich ist. Zum Hintergrund teilte die PTB gegenüber dem Amtsgericht mit, dass es offenbar nicht die Absicht des Herstellers sei, Geräte mit Rohmessdatenspeicherung auf den Markt zu bringen. Es entspräche auch nicht den „Wünschen des Herstellers“, dass Messdaten im Nachhinein zugänglich seien. Insoweit habe der Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik e.V. der PTB mitgeteilt, dass „für die bereits am Markt befindlichen Messgeräte pp. seitens der PTB und seitens der betreffenden beiden Hersteller die Empfehlung der Umrüstung auf die aktuelle Software im Rahmen der nächsten Eichung [besteht]“.Weiter: „pp. Damit ist gewährleistet, dass es nunmehr bei keinem der nach neuem Eichrecht geregelten und neu in Verkehr gebrachten Messgeräte verwechslungsfähige „Rohmessdaten“ gibt.“ Die PTB führte zur Begründung ihres Anschlusses an dieses rein privatwirtschaftliche Anliegen der Hersteller gegenüber dem Gericht aus, dass die Rohmessdaten ungeeignet seien, einen geeichten Geschwindigkeitsmesswert unabhängig zu überprüfen. Die Zulassung des Messgerätes nunmehr ohne entsprechende Speicherung der Rohmessdaten entspreche dem Stand der Technik und sei als solche vom Regelermittlungsausschuss festgestellt. Mit dem Umstand, dass bundesweit in tausenden Verfahren zu ESO 3.0 und 8.0 erfolgreich belastbare sachverständige Gutachten mittels der angeblich wertlosen Daten durchgeführt wurden und werden, setzt die PTB sich nicht auseinander.

Bereits mit Schriftsatz vom 03.05.2022 (Bl. 33 GA) hat der Verteidiger unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2020 (Az. 2 BvR 1616/18, zitiert nach juris) die Übersendung der Messdaten verlangt, um konkrete Anhaltspunkte zu ermitteln, die für Messfehler sprechen könnten. Ihr Verlangen wiederholte die Verteidigung durch Schriftsatz vom 15.08.2022 (Bl. 54 ff GA) in dem sie ausdrücklich einen Verstoß gegen das faire Verfahren anführte. Unter anderem berief sich die Verteidigung in dem Schriftsatz auf das beigefügte, von der Verteidigung eingeholte Gutachten des Dipl.-Ing. Y (Bl. 58 ff GA), in dem der Gutachter ausdrücklich ausführte, dass ihm eine umfängliche Überprüfung der Messung aufgrund der fehlenden Daten nicht möglich sei. Die entsprechenden Einwendungen wiederholte der Verteidiger in der Hauptverhandlung und stellte klar, dass es ihm aufgrund der fehlenden Daten nicht möglich sei mögliche Fehlerquellen aufzuzeigen und die Annahme eines standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des sogenannten „fair trial“ dar.

III.

Der Betroffene war aus Sicht des Gerichts freizusprechen, da die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit aus rechtlichen Gründen nicht festgestellt werden konnte.

Zunächst geht das Gericht davon aus, dass die Tatsache, dass das Messgerät seit der 3. Revision keine Messdaten mehr speichert, einen Verstoß gegen den Grundsatz des „fair trial“ darstellen kann.

Insoweit ist zunächst anzumerken, dass das Gericht bei dem Messgerät Eso 8.0, wie auch bei dessen Vorgänger Eso 3.0 von einem sogenannten standardisierten Messverfahren ausgeht. Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Beschluss vom 30.10.1997, Az. 4 StR 24/97, mwN zitiert nach juris) gegeben, wenn es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren handelt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind, wobei dies nicht bedeutet, dass die Messung in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren stattfindet.

Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12.11.2020 (Az. 2 BvR 1616/18, zitiert nach juris) ausdrücklich ausgeführt, dass es von Verfassungswegen nicht zu beanstanden ist, dass die Fachgerichte von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht der Gerichte ausgehen.

Maßgeblich ist allerdings im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens und in Ansehung aller damit verbundenen Beweiserleichterungen nach den eindeutigen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 12.11.2020 (Az. 2 BvR 1616/18, zitiert nach juris) auch, dass der Betroffene seine Verfahrensrechte wirkungsvoll wahrnehmen kann. Insoweit ist es anerkannt, dass ein rechtsstaatliches und faires Verfahren „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits fordert. Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Betroffenen grundsätzlich auch ein Anspruch auf den Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen (hier: Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr) folgt.

Wird ihm dieser Zugriff erlaubt, ist dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, das Tatgericht ggf. auf Zweifel aufmerksam zu machen und entsprechende Beweisanträge zu stellen.

Aus der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgt demnach, dass die Figur des standardisierten Messverfahrens zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Gleichfalls wird aber auch mehr als deutlich, dass die Figur des standardisierten Messverfahrens nicht dazu führt, dass dem Betroffenen ohne Not Verteidigungsmöglichkeiten abgeschnitten werden dürfen – zumal auch die Beweiserleichterungen des OWiG ein „kann“ für das Gericht darstellen und kein „muss“.

Nach Ansicht des Gerichts werden im vorliegenden Verfahren indes die vorausgeführten Rechte des Betroffenen verletzt, indem ihm nunmehr Daten, die bis Anfang 2020 noch zur Verfügung standen, nicht mehr zugänglich gemacht werden können. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die entsprechenden Daten auch den Behörden nicht mehr zur Verfügung stehen und man dementsprechend davon ausgehen könnte, dass eine „Waffengleichheit“ nach wie vor gegeben wäre (so: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.12.2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21, zitiert nach juris). Das Amtsgericht Schleiden steht jedoch auf dem Standpunkt, dass mit der neuen Zulassung der Software ohne Datenspeicherung dem Betroffenen gezielt durch den Herstellerverband eine Möglichkeit zur effektiven Verteidigung genommen wurde.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Schleiden steht nach seinem Verständnis auch der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 27.09.2019, Az. III-RBs 339/19, zitiert nach juris) nicht entgegen. Denn der Senat hat klargestellt, dass seine Entscheidung die Konstellation betrifft, in der von vornherein keine Messdaten gespeichert worden sind. In diesen Fällen geht das Amtsgericht mit dem Oberlandesgericht Köln dahingehend konform, dass bei Geräten, die nie Daten gespeichert haben, auch kein Anspruch darauf besteht, die Möglichkeit einer Datenspeicherung zu schaffen. Hier steht es jedoch anders.

Es ist nämlich nicht so, dass es sich bei dem Messgerät Eso 8.0 um ein solches handelt, dass noch nie Daten gespeichert hat. Vielmehr standen die Messdaten, unerheblich davon ob man sie als Rohmessdaten oder Hilfsgrößen bezeichnet, den Betroffenen, der Behörde und den Gerichten zur Verfügung. Dies führte in einigen Verfahren vor dem Amtsgericht Schleiden dazu, dass die Betroffenen aufgrund einer vorher durch sie selbst veranlassten gutachterlichen Prüfung der Daten mit Beweisanträgen durchzudringen vermochten, die eine Überprüfung durch einen gerichtlichen Sachverständigen nach sich zogen. Dabei ließ sich durch diese Sachverständigen nach ihrer eigenen Aussage durchaus die Messung nachvollziehen, wobei im Regelfall keinerlei Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion des Messgeräts aufgezeigt werden konnten.

Dementsprechend ist es aus Sicht des Amtsgerichts Schleiden nicht so, dass den Hilfsgrößen bzw. Rohmessdaten keinerlei Beweiswert zugemessen werden kann, so dass eine Entfernung der Datenspeicherung den Betroffenen in seinen verfahrensmäßigen Rechten verletzt. Dass den Daten ein Beweiswert durch die Gerichte zugemessen wird, musste dem Hersteller bewusst sein. Außerdem musste es ihm bewusst sein, dass eine Änderung in der Praxis der Datenspeicherung sich unter Umständen auf die Verfahren auswirken könnte. Diese Überzeugung hegt das Gericht unter anderem aufgrund der Urteile des Landgerichts Halle an der Saale vom 05.12.2013 (Az. 5 O 110/13) und des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 27.08.2014 (Az. 6 U 3/14, jeweils zitiert nach juris). Den Verfahren lag zu Grunde, dass die Beklagten, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Geschwindigkeitsgutachten erstatteten, Zugriff auf die Messdateien des Vorgängergerätes Eso 3.0 erhielten und die Daten auswerteten. In diesem Zusammenhang gelang es den Beklagten die damalige Verschlüsselung der Daten zu überwinden. Die Herstellerfirma Eso fühlte sich dadurch in ihren Rechten verletzt und hat die Ansicht vertreten, dass allein sie berechtigt sei, über die gesicherten Messrohdaten zu verfügen. Indem die Beklagten die Daten unter Überwindung der Verschlüsselung dennoch auslesen und auswerten bzw. eine solche Vorgangsweise anbieten würden, begründe dies einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog i. m. V. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 202a, 202c StGB. Dem haben die genannten Gerichte eine eindeutige Absage. Insoweit haben beide Gerichte übereinstimmend ausgeführt, dass der Hersteller jedenfalls nach dem Verkauf der Geräte nicht mehr Berechtigter bezüglich der von diesen Geräten erzeugten Daten ist. Vor diesem Hintergrund hat vor allem das Landgericht Halle (Urteil vom 05.12.2013, Az. 5 O 110/13, zitiert nach juris) zutreffend ausgeführt, dass die Herstellung eines Geschwindigkeitsmessgerätes ist kein Selbstzweck ist, sondern dass das Gerät ist für die Behörde ein Hilfsmittel ist, die Geschwindigkeit zu messen.

Diese Hilfeleistung führt aber nicht dazu, dass der Hersteller bestimmen darf, wer Zugang zu den Daten erhält. Weitergehend erklärt das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt im Urteil vom 27.08.2014 (Az. 6 U 3/14, zitiert nach juris), dass allein aus dem Umstand, dass der Hersteller ein Gerät zur Datenerzeugung verkauft hat, nicht die Berechtigung an den damit erzeugten Daten abgeleitet werden kann.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen war der Hersteller also nicht berechtigt, bei einem Gerät, dass vormals beweiserhebliche Daten zuverlässig gespeichert hat, diese mutwillig zu unterdrücken. Denn aus dem Umstand, dass das Gerät überhaupt einen Messwert aus den – angeblich wertlosen – Daten gewinnen kann, folgt, dass diese Daten vorhanden waren. Die Löschung einmal vorhandener beweiserheblicher Daten erfüllt indes den Tatbestand der Unterdrückung. Da diese Unterdrückung technisch flächendeckend und fortgesetzt mit Blick gerade auf rechtsstaatliche Gerichtsverfahren durchgeführt wird, ist ihr seitens des Gerichts eine strikte Absage zu erteilen.

Denn wie bereits ausgeführt, genügt es im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens nicht, wenn der Betroffene sich mit der pauschalen Behauptung, er sei nicht zu schnell gefahren oder die Messung sei fehlerhaft gewesen, verteidigt. Vielmehr muss er konkrete Anhaltspunkte benennen, die einen Fehler der Messung als möglich erscheinen lassen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Gericht gehalten, etwaigen Beweisanträgen nachzugehen. Das Aufzeigen von Auffälligkeiten in den Messdaten ist eine der wenigen Möglichkeiten eines Betroffenen konkrete Einwendungen gegen eine Messung vorzubringen. Nimmt man nun nachträglich, nach der ursprünglichen Zulassung mit Datenspeicherung diese Möglichkeit, hat dies zur Folge, dass pauschale Einwendungen von Betroffenen mit dem Hinweis auf ein standardisiertes Messverfahren zurückgewiesen werden, er aber faktisch außerstande gesetzt wird, von ihm geforderte konkrete Einwendungen vorzubringen, da ihm jede Prüfungsmöglichkeit, um solche Einwendungen zu ermitteln, nach der 3. Revision der Baumusterprüfbescheinigung genommen ist. Damit steht ihm zwar theoretisch eine Verteidigungsmöglichkeit offen, praktisch ist diese – zumindest im Hinblick auf die Datenauswertung – aber nicht gegeben. Folglich sind viele Fachgerichte in den letzten Jahren dazu übergegangen, auch schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Betroffenen ein Einsichtsrecht in die sogenannten Rohmessdaten zuzubilligen (vgl. nur die zahlreichen Hinweise in AG Hildesheim, Beschluss vom 20.11.2015, Az. 112 OWi 35 Js 26360/15, zitiert nach juris).

Dementsprechend ist das Gericht davon überzeugt, dass es zwar keinen Anspruch auf die Schaffung einer Möglichkeit zur Datenspeicherung durch einen Betroffenen gibt, wenn das Gerät ohne eine solche ursprünglich zugelassen und in den Verkehr gebracht wurde. Eine entsprechende Vorgabe dergestalt, dass die Verwaltungsbehörden durch entsprechende technische Maßnahmen (insbes. mittels Speichermedien) sicherzustellen haben, dass sämtliche Informationen und Daten, die aus Sicht eines Betroffenen in einem späteren Bußgeldverfahren möglicherweise relevant werden können, gespeichert und später reproduziert werden können, ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen. Im Gegenzug verstößt es jedoch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn ein Hersteller – ohne dazu berechtigt zu sein – bei einem ursprünglich mit Datenspeicherung zugelassenen Messgerät diese Möglichkeit nimmt (andere Ansicht: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01.12.2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21, zitiert nach juris).

Weiterhin hat das Gericht beachtet, dass der Grundsatz des „fair trial“ keinen Selbstzweck bildet, sondern sich der Betroffene hierauf berufen muss. Das bedeutet, dass das Gericht bei einem Betroffenen, der die Messung gar nicht überprüfen lassen möchte und keine Einsicht in die betreffenden Daten begehrt, auch keinen Verstoß gegen das faire Verfahren annehmen muss, da er sich dieser „Waffe“ offensichtlich nicht bedienen möchte.

Vorliegend hat der Betroffene durch seinen Verteidiger jedoch explizit Einsicht in die Daten begehrt, um eine eigenständige Überprüfung des Messvorgangs vornehmen zu lassen, um bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme eines standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können. Eine entsprechende Prüfung war dem von der Verteidigung bestellten Gutachter aber aufgrund der fehlenden Daten gerade nicht möglich. Dem Betroffenen ist dadurch eine jedenfalls nicht abwegige Möglichkeit einer effektiven Verteidigung genommen.

Vor diesem Hintergrund konnte aus Sicht des Gerichts eine Verurteilung aus rechtlichen Gesichtspunkten nicht erfolgen.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 464, 467 StPO.

 

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