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Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahn – Aufhebungspflicht

VG Düsseldorf, Az: 6 K 2251/14, Urteil vom 30.10.2014

Die durch die Verkehrszeichen 274 auf der Bundesautobahn 00 auf der Rheinbrücke G. („G1. Brücke“) in Fahrtrichtung O. /I. an km 76,1, km 75,5 und km 75,2 angeordnete Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung gegen Hinterlegung oder Leistung einer Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahn - AufhebungspflichtDas damalige Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen bat die Bezirksregierung E. und den damaligen Landesbetrieb Straßenbau (heute: Straßen.NRW) am 3. September 2010, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Bundesautobahn 00, G1. Brücke in E. , auf 80 km/h zu beschränken, weil bis in das Jahr 2013 Brückenbauarbeiten stattfinden würden. Gleichzeitig bat es zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine dauerhafte Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen gegeben seien. Auf Veranlassung der Bezirksregierung E. ordnete der Landesbetrieb Straßen.NRW die Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatzzeichen „Brückensanierung“ an und stellte die entsprechenden Verkehrszeichen am 10. September 2010 auf. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, ob die erbetene Prüfung einer dauerhaften Geschwindigkeitsbegrenzung stattgefunden hat und welche Ergebnisse sie ggfs. erbracht hat. Das beklagte Land hat dazu auch nichts vorgetragen.

Am 10. Juni 2014 teilte der für Bauarbeiten auf der BAB 00 zuständige Landesbetrieb Straßen.NRW mit, dass aktuell keine Bau- oder Sanierungsarbeiten im Bereich der Rheinbrücke G. stattfinden und weitere voraussichtlich erst im dritten Quartal 2015 stattfinden werden. Im Übrigen sprächen derzeit keine baulichen Gründe dafür, die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen.

Der Kläger hat am 1. April 2014 gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Rheinbrücke G. in Fahrtrichtung I. /O. Klage erhoben und trägt unwidersprochen vor, er sei am 7. August 2013 auf der G1. Brücke in eine Radarkontrolle durch die dort fest installierte Verkehrsüberwachungsanlage geraten. An diesem Tag habe er das Verkehrszeichen erstmals passiert und wahrgenommen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Geschwindigkeitsbeschränkung sei von einer unzuständigen Behörde angeordnet worden; jedenfalls seien mit dem Abschluss der Brückenbauarbeiten die Voraussetzungen für die Geschwindigkeitsbegrenzung entfallen.

Der Kläger beantragt, die durch die Verkehrszeichen 274 auf der Bundesautobahn 00 auf der Rheinbrücke G. („G1. Brücke“) in Fahrtrichtung O. /I. an km 76,1, km 75,5 und km 75,2 angeordnete Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hält die Geschwindigkeitsbegrenzung für ermessensfehlerfrei und rechtmäßig.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die in der Entscheidungsformel näher bezeichnete Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf der BAB 00 (G1. Brücke in E. ) wegen Brückenbauarbeiten ist nach inzwischen erfolgtem Abschluss der Arbeiten rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage gegen die eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h anordnenden Verkehrszeichen statthaft, die Allgemeinverfügungen i.S.v. § 35 Satz 2 VwVfG NRW darstellen. Im Verhältnis zur – in Fahrtrichtung gesehen – ersten Anordnung von 80 km/h stellen die nachfolgenden Verkehrszeichen inhaltsgleiche, aber eigenständige Zweitverfügungen dar. Die Klage ist fristgemäß erhoben. Der Kläger hat nach seinem unwiderleglichen Vortrag die Verkehrszeichen erstmals am 7. August 2013 wahrgenommen und damit am 1. April 2014 rechtzeitig Klage erhoben. Gegen Verkehrszeichen beginnt die Klagefrist nicht mit deren Aufstellung, sondern für jeden Verkehrsteilnehmer gesondert erst dann, wenn er dem Verkehrszeichen erstmals gegenübertritt. Da Verkehrszeichen keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigegeben sind, beträgt die Klagefrist nicht gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einen Monat, sondern nach § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09, BVerwGE 138, 21.

Ein Widerspruchsverfahren war nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 110 JustizG NRW nicht durchzuführen.

Der Kläger ist klagebefugt, weil die angegriffenen Verkehrszeichen ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränken, und zwar hier in Gestalt des straßenverkehrsrechtlichen Rechts, eine Autobahn im Grundsatz ohne Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit befahren zu dürfen, vgl. § 3 StVO. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit von dem Verkehrszeichen betroffen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15/03 -, NJW 2004, 698.

Die Klage ist auch begründet.

Maßgeblich für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung. Der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nach ständiger Rechtsprechung solche Dauerverwaltungsakte sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09, BVerwGE 138, 21 m.w.N.

 

ergibt sich damit aus § 45 StVO in der am 1. April 2013 in Kraft getretenen Neufassung gemäß der Verordnung vom 6. März 2013, BGBl. I S. 367. In tatsächlicher Hinsicht sind die Verhältnisse am Tag der mündlichen Verhandlung ausschlaggebend.

Ob die Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 StVO bei der Aufstellung der Verkehrszeichen zur Durchführung von Straßenbauarbeiten gerechtfertigt war, kann offen bleiben. Denn inzwischen sind die Straßenbauarbeiten jedenfalls beendet. Im Vorgriff auf die ins Auge gefassten, aber nach der Auskunft von Straßen.NRW noch nicht einmal feststehenden Baumaßnahmen Ende 2015 lässt sich die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht rechtfertigen.

Die Erfüllung anderer Tatbestände des § 45 StVO, etwa zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO, hat das beklagte Land nicht einmal vorgetragen. Da sich über Anwohnerbeschwerden (Beiakte, „G1. Bürger-Interessengemeinschaft“) hinaus, die in ihrer Pauschalität keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine unzumutbare Lärmbelastung bieten, nichts in den Akten findet, und das beklagte Land zu Fragen des Lärmschutzes nichts vorgetragen hat, obwohl das Gericht hierzu – letztmals mit der Ladung unter erneuter Fristsetzung bis zum 22. Oktober 2014 – aufgefordert hat, besteht für das Gericht trotz seiner aus § 86 Abs. 1 VwGO folgenden Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, kein Anlass, diesem Gesichtspunkt weiter nachzugehen. Diese Bemühungen hätten auch keinen Erfolg gezeitigt, weil der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass bislang keine Lärmuntersuchungen an der G1. Brücke stattgefunden hätten.

Nur vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass eine (künftige) Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der G1. Brücke aus anderen Gründen als den inzwischen vorläufig abgeschlossenen Brückenbauarbeiten durch dieses Urteil nicht ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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