OLG Oldenburg (Oldenburg), Az: Ss 170/92, Beschluss vom 26.05.1992
I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 14. Februar 1992 wird zugelassen.
II. Das Urteil wird aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
III. Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen Teilnahme am öffentlichen Verkehr mit einer Sattelzugmaschine, an welcher eine Gefahrgutwarntafel nicht abgedeckt war, obwohl kein Gefahrgut transportiert wurde, eine Geldbuße von 75 DM verhängt (angewendete Vorschriften § 10 GGG, § 10 Abs. 1 Nr. 4 g GGVS i. V. m. Rdnr. 10500 der Anlage B zur GGVS). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 30. April 1991 reiste der Betroffene mit einem Sattelzug auf der Bundesautobahn A 30 von den Niederlanden in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Da sich in dem Tank des Aufliegers eine gefährliche Flüssigkeit befand, war an seinem Fahrzeug vorne und hinten eine orangefarbene, den Bestimmungen der Gefahrgutverordnung für den Straßenverkehr entsprechende, Warntafel angebracht. Aus einem nicht bekannten Grund mußte er den Auflieger im Bereich der Zollabfertigung abkoppeln. Bei der Weiterfahrt mit der Zugmaschine wurde er von einer Polizeistreife überprüft. Dabei stellte sich heraus, daß er vergessen hatte, die vorne an der Zugmaschine angebrachte Warntafel nach dem Abkoppeln des Aufliegers abzudecken.“
Der Betroffene hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Kennzeichnungspflicht nach Anlage B Rdnr. 10500 zur GGVS bezieht sich nach Ziffer 1 nur auf „Beförderungseinheiten, in denen gefährliche Stoffe befördert werden“. Gemäß Ziffer 8 dürfen diese Kennzeichen nicht mehr sichtbar sein, wenn die gefährlichen Stoffe entladen und – bei Beförderungseinheiten mit Tanks – die Tanks gereinigt und entgast sind. Immer ist jedoch Voraussetzung, daß es sich um Beförderungseinheiten im Sinne der Anlage B handelt. Hieran fehlt es, weil nach der Begriffsbestimmung in Rdnr. 10014 Ziffer 1 Stichwort „Beförderungseinheit“ ausdrücklich klargestellt ist, daß dies für Sattelzugmaschinen gerade nicht zutrifft – ein Ergebnis, das auf der Hand liegt, weil eine Fehleinschätzung im Falle eines Verkehrsunfalls nicht nur, wie das Amtsgericht meint, sehr gering, sondern ausgeschlossen ist.
Die Entscheidung war daher aufzuheben und der Betroffene freizusprechen.
Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.