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Führerscheinentzug wegen Alkoholkonsums

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 19.1041 – Beschluss vom 04.07.2019

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).

Aufgrund einer behördeninternen Mitteilung des Gesundheitsamts wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Cham bekannt, dass die Antragstellerin am 31. Dezember 2017 nach Art. 10 Abs. 2 UnterbrG für eine Nacht wegen Fremd- und Eigengefährdung im Bezirksklinikum Regensburg untergebracht worden war. Aus der Unterbringungsmitteilung hätten sich deutliche Hinweise auf eine bestehende Alkoholabhängigkeit ergeben. U.a. stellte die Polizei mittels eines freiwilligen Alkoholtests eine Blutalkoholkonzentration von 2 Promille fest.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2018 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, ein Gutachten eines weitergebildeten Arztes mit dem Zusatz „verkehrsmedizinische Qualifikation“ der Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie über ihre Fahreignung beizubringen. Es solle die Frage geklärt werden, ob sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen lasse, wenn nein, ob Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorlägen und ob ggf. eine Alkoholabhängigkeit überwunden sei, also eine stabile Abstinenz vorliege.

Am 22. März 2018 legte die Antragstellerin ein nervenärztliches Gutachten vor, wonach sich eine Alkoholabhängigkeit nicht sicher diagnostizieren lasse. Es fänden sich Anzeichen für eine chronische Alkoholproblematik und auch eine gesteigerte Gift- bzw. Trinkfestigkeit. Aus medizinischer Sicht bestehe Grund für die Annahme von Alkoholmissbrauch, aus verkehrsmedizinischer Sicht könne aber aus dem bisherigen aktenkundigen sicheren Trennen von Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr nicht sicher auf eine Nichteignung geschlossen werden. Die Frage der Überwindung einer Alkoholabhängigkeit könne mangels Bestätigung einer Abhängigkeit nicht beantwortet werden. Hinweise für eine stabile Abstinenz lägen nicht vor. Da nur für einen befristeten Zeitraum eine positive Verhaltensprognose abgegeben werden könne, werde empfohlen, der Antragstellerin die Fahrerlaubnis unter Auflagen zu gewähren. Bei erneutem Auffälligwerden mit hoher Blutalkoholkonzentration außerhalb des Verkehrs oder auch in Verbindung mit aktiver Teilnahme am Straßenverkehr wäre dann allerdings von einer Nichteignung auszugehen. In diesem Falle würde es zur Wiederherstellung der Eignung sicherlich der Auflage eines erfolgreich abgeschlossenen Rehabilitationskurses und der Forderung nach Abstinenz bedürfen.

Führerscheinentzug wegen Alkoholkonsums
(Symbolfoto: Marsan/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom selben Tag wies das Landratsamt die Antragstellerin unter Verweis auf das Gutachten darauf hin, dass die Fahreignung nur unter den Auflagen weiter gewährt werde: „Regelmäßige, mindestens quartalsweise Konsultation eines Nervenarztes/Psychiaters, in diesem Zusammenhang auch Bestimmung der Leberwerte im Blut. Gutachterliche Nachuntersuchungen im Abstand von 6, 12 und 24 Monaten und zu diesen Zeitpunkten eine Bestätigung über die zuvor genannten Konsultationen bzw. Bestimmungen der Laborwerte von sich aus vorlegen.“ In der Folge wurde dem Landratsamt bekannt, dass die Antragstellerin am 28. Juli 2018 wegen Selbstgefährlichkeit erneut gemäß Art. 10 Abs. 2 UnterbrG im Bezirksklinikum untergebracht worden war. Auch bei diesem Vorfall traf die Polizei sie in stark alkoholisiertem Zustand an und teilte ergänzend mit, sie sei bei verschiedenen polizeilichen Einsätzen immer stark alkoholisiert (meist um die 2 Promille) gewesen.

Daraufhin forderte das Landratsamt die Antragstellerin mit Schreiben vom 8. November 2018 unter Bezugnahme auf die Vorfälle vom 31. Dezember 2017 und 28. Juli 2018 sowie das vorgelegte Fahreignungsgutachten auf, bis zum 27. Dezember 2018 ein Fahreignungsgutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zu der Frage beizubringen, ob bei ihr eine sehr schwere Depression vorliege, welche nach Nr. 7.5.1 Anlage 4 zur FeV die Fahreignung infrage stelle, wenn ja, ob sie (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 (Klasse 3) gerecht zu werden, ferner, ob sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bei ihr bestätigen lasse. Ferner wurde eine mit der Gutachtensaufforderung vom 8. Januar 2018 identische Aufforderung vom 11. September 2018 aufgehoben.

Am 3. Dezember 2018 erklärte die Antragstellerin gegenüber dem Landratsamt, sich begutachten lassen zu wollen, nahm jedoch keinen Termin bei der ausgewählten Begutachtungsstelle wahr. In einem Telefonat begründete sie dies damit, dass sie vor Weihnachten zu viel Arbeit gehabt habe und danach in den dringend erforderlichen Urlaub gefahren sei. Sie überlege sich einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis bis 14. Januar 2019. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 14. Januar 2019 bat sie um eine Fristverlängerung zur Beibringung eines Gutachtens bis 14. Februar 2019.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 entzog das Landratsamt der Antragstellerin gestützt auf § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis aller Klassen und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete es den Sofortvollzug dieser Verfügungen an. Dem Antrag auf Verlängerung der Beibringungsfrist habe nicht entsprochen werden können, da diese ausreichend lange bemessen gewesen sei und die Antragstellerin offenbar nicht mit dem notwendigen Interesse die Erstellung des Gutachtens verfolgt habe. Die Erforderlichkeit eines neuen Gutachtens sei ihr seit 11. September 2018 bekannt gewesen.

Am 28. Januar 2019 gab die Antragstellerin ihren Führerschein ab. Am 6. Februar 2019 ließ sie durch ihren Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage (RO 8 K 19.191) erheben, über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids wiederherzustellen. Es wird geltend gemacht, dass die Begründung des Sofortvollzugs ungenügend, formularmäßig und nicht auf den Einzelfall bezogen und nach einem Zeitraum von mehr als einem Jahr seit dem ersten Vorfall im Dezember 2017 auch nicht mehr gerechtfertigt sei. Der Antragstellerin habe zu keinem Zeitpunkt ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss oder psychischer Belastung im öffentlichen Verkehr geführt und sei diesbezüglich nicht auffällig geworden. Der Antragsgegner lege zu Unrecht zugrunde, dass bei der Antragstellerin eine „alkoholische und psychische Erkrankung“ vorliege und stütze das Überwiegen des öffentlichen Interesses auf diese fehlerhafte Annahme. Auf das Fahreignungsgutachten vom 7. März 2018 habe der Antragsgegner nicht reagiert und keine entsprechenden Anordnungen getroffen. Dass die Gutachtensaufforderung vom 11. September 2018 mit der von dem ärztlichen Gutachter empfohlenen Untersuchung nach sechs Monaten zeitlich zusammenfalle, sei eine reine Schutzbehauptung. Auch erscheine unverständlich, dass der Antragsgegner zunächst nur die Alkoholproblematik habe klären wollen, mit Schreiben vom 8. November 2018 dann aber auch ein Gutachten zur Klärung einer psychischen Erkrankung angeordnet habe, obwohl sich seit der Aufforderung vom September 2018 nichts ereignet habe, was die Änderung der Begutachtungsrichtung gerechtfertigt habe.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag mit der Begründung ab, an den Inhalt der Begründung des Sofortvollzugs seien keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere, wenn – wie im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht zähle – immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liege, könne sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliege. Die Umstände, aus denen sich die fehlende Fahreignung ergebe, seien nach obergerichtlicher Rechtsprechung regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen. Vorliegend überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs, weil die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben werde. Die Fahrerlaubnisbehörde habe nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin schließen dürfen. Die Gutachtensanordnung sei formell und materiell rechtmäßig gewesen. Das Landratsamt habe unter Verweis auf die beiden Vorfälle vom Dezember 2017 und Juli 2018, das vorgelegte ärztliche Gutachten sowie einen vorangegangenen Suizidversuch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Zweifel an der Kraftfahreignung der Antragstellerin im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit und eine Depression bestünden. Die in der Anordnung festgelegte Frist von knapp sieben Wochen begegne keinen Bedenken, zumal der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 vor Erlass eines Entziehungsbescheids nochmals eine Äußerungsfrist bis 14. Januar 2019 eingeräumt worden sei. In einem Telefonat mit dem Landratsamt vom 10. Januar 2019 habe die Antragstellerin jedoch erklärt, dass sie keinen Termin bei der ausgewählten Begutachtungsstelle vereinbart habe. Sie habe zwar zwei Tage vor Weihnachten einen Termin erhalten, wolle das aber gar nicht machen und überlege sich nun einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis. Nachdem somit vor Fristablauf nach eigenen Angaben der Antragstellerin die Beibringung des Gutachtens, zumindest aber die Wahrnehmung eines Begutachtungstermins möglich gewesen wäre, habe das Landratsamt sein Ermessen fehlerfrei dahingehend ausüben können, eine Fristverlängerung abzulehnen. Materiell-rechtlich sei die Anordnung zu Recht auf § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV sowie auf § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV i.V.m. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV gestützt worden. Die vom Landratsamt angeführten Sachverhalte, die gutachtliche Einschätzung vom März 2018 und die sich anschließend ergebenden neuen Tatsachen würden die Anordnung tragen. Eine Alkoholabhängigkeit habe auch noch nicht festgestanden. Es hätten zwar alle Erkenntnisse auf eine Verschärfung der Alkoholproblematik hingedeutet, weshalb eine etwaige Alkoholabhängigkeit dringend klärungsbedürftig gewesen sei, jedoch habe das Landratsamt nicht schon aufgrund der Feststellungen im Gutachten vom 12. März 2018 von einer fehlenden Fahreignung ausgehen müssen. Soweit dort ausgeführt werde, dass bei erneutem Auffälligwerden mit hoher Blutalkoholkonzentration von einer Nichteignung auszugehen sei, sei das Gutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar. Es werde bereits nicht dargelegt, in welchem zeitlichen Rahmen eine erneute Auffälligkeit fahreignungsrelevant wäre, ob in diesem Fall von Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch auszugehen wäre und was genau unter einer „hohen Blutalkoholkonzentration“ zu verstehen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Landratsamt davon ausgehe, dass die Antragstellerin alkoholabhängig und sehr schwer depressiv erkrankt sei. Diese nicht tragende Feststellung sei unschädlich, da die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht hierauf gestützt worden sei, sondern richtigerweise darauf, dass die Antragstellerin die fristgemäße Erstellung und Vorlage eines Fahreignungsgutachtens verweigert habe und deshalb von ihrer Nichteignung auszugehen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Antragstellerin die Aufhebung des Gerichtsbeschlusses und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids begehrt. Dem ablehnenden Gerichtsbeschluss könne im Hinblick auf den Sofortvollzug der Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung nicht entnommen werden. Die Begründung des Sofortvollzugs habe Bausteincharakter. Darüber hinaus könne dem Gericht nicht gefolgt werden, wenn es den Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen dem ersten Vorfall und dem Erlass des Entziehungsbescheids für nicht durchgreifend im Rahmen der Interessenabwägung beurteile. Obwohl sich der zweite Vorfall bereits am 28. Juli 2018 ereignet habe, sei erst am 8. November 2018 ein Gutachten im Hinblick auf die Alkohol- und Depressionsproblematik angefordert worden, ohne dass es hierfür eine Begründung gebe. Die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt verkehrsrechtlich aufgefallen, weshalb nichts das Interesse an einer Vollzugsanordnung rechtfertige. Ferner könne dem Gericht nicht gefolgt werden, dass die fehlerhafte Annahme der Fahrerlaubnisbehörde einer Alkoholabhängigkeit und einer schweren Depression unschädlich sei. Da diese Aussage direkt im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis stehe, könne nicht sichergestellt werden, dass dem Antragsgegner bei Erlass des Bescheids der zugrunde liegende Wortlaut der einschlägigen Norm bekannt gewesen sei. Im Übrigen werde auf die Antragsbegründung Bezug genommen.

Der Antragsgegner entgegnet, bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sei vorliegend der weniger als sechs Monate betragende Zeitraum zwischen dem zweiten, erneute Fahreignungszweifel auslösenden Ereignis vom 28. Juli 2018 und der Entziehung der Fahrerlaubnis maßgeblich. Von einer überlangen Verfahrensdauer könne keine Rede sein. Jedoch könnte die Antragstellerin auch aus einer längeren Untätigkeit der Fahrerlaubnisbehörde nichts für sich herleiten, da das Fahrerlaubnisrecht die Behörde zum Ergreifen der jeweils erforderlichen Maßnahme verpflichte, solange von fehlender Fahreignung auszugehen sei oder diesbezüglich Zweifel bestünden. Der Verdacht einer Alkoholabhängigkeit sowie einer sehr schweren Depression begründe von sich aus Fahreignungszweifel, ohne dass es auf eine tatsächliche verkehrsrechtliche Auffälligkeit ankomme. Es sei daher ohne Belang, dass es zwischen dem 28. Juli 2018 und dem 8. November 2018 zu keinen weiteren aktenkundigen Auffälligkeiten gekommen sei. Weiter habe die Fahrerlaubnisbehörde ihre Entscheidung zutreffend und deutlich erkennbar auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützt. Soweit die Antragstellerin die im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Gesichtspunkte wiederhole, werde auf die Ausführungen im gerichtlichen Beschluss verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Soweit die Antragstellerin pauschal auf ihre Antragsschrift im erstinstanzlichen Verfahren Bezug nimmt, sind die Beschwerdegründe nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend dargelegt (BayVGH, B.v. 7.11.2018 – 11 CS 18.435 – juris Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22 ff.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 f.). Die darüber hinaus vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.

Die gegen die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Einwände greifen aus den in dem angegriffenen erstinstanzlichen Gerichtsbeschluss im Einzelnen dargelegten Gründen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist der ständigen Rechtsprechung des Senats gefolgt, wonach bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13 m.w.N.; ebenso SächsOVG, B.v. 10.12.2014 – 3 B 148/14 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 14.11.2014 – 16 B 1195/14 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 20.9.2011 – 10 S 625/11 – juris Rn. 4; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 46), was eine Wiederholung der für die Begründung des Verwaltungsakts maßgebenden Erwägungen oder eine Bezugnahme hierauf erlaubt (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 10 f. m.w.N.; Hoppe a.a.O. Rn. 55). Abgesehen davon, dass es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht ankommt, da es sich bei dem Begründungszwang des § 80 Abs. 3 VwGO um eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Vollzugsanordnung handelt (Hoppe, a.a.O. Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 80 Rn. 81), begegnet die behördliche Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr (vgl. OVG NW, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00 u.a. – juris Rn. 17) nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, keinen Bedenken (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 11 CS 16.2605 – juris Rn. 20; B.v. 22.10.2015 – 11 CS 15.1963 – juris Rn. 14; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Antragstellerin jemals ein Kraftfahrzeug in alkoholisiertem Zustand geführt hat. Denn nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zu der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), schließt Alkoholabhängigkeit die Fahreignung unabhängig von Auffälligkeiten im Straßenverkehr aus, weil bei alkoholabhängigen Personen krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss besteht (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2016 – 11 CS 17.2466 – juris Rn. 12; BVerwG, B.v. 21.10.2015 – 3 B 31.15 – DAR 2016, 216 = juris Rn. 5). Angesichts der irreparablen Folgen, zu denen ein von einem ungeeigneten Kraftfahrer verursachter Verkehrsunfall führen kann, ist auch unbedenklich, dass als Folge hieraus bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen die sofortige Vollziehung nicht nur ausnahmsweise, sondern in der großen Mehrzahl der Fälle angeordnet wird (vgl. Hoppe a.a.O. Rn. 46 a.E.; OVG Hamburg, B.v. 20.6.2005 – 3 Bs 214/05 – NJW 2006, 1367 = juris Rn. 2; VGH BW, B.v. 24.6.2002 – 10 S 985/02 – NZV 2002, 580 = juris Rn. 8). Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, wenn in einem derartigen Fall, soweit er keine Besonderheiten aufweist, der ihn aus vielen gleich gelagerten Fällen heraushebt, Textbausteine oder Standardbegründungen verwendet werden (vgl. Bostedt, a.a.O. § 80 Rn. 80; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 39 Rn. 18; BayVGH, B.v. 10.3.2008 a.a.O. Rn. 16 f.). Weiter würde auch eine – hier allerdings nicht gegebene – lange Verfahrensdauer die Dringlichkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis nicht entfallen lassen (vgl. OVG NW, B.v. 14.11.2014, a.a.O. Rn. 4). Maßgeblich wäre, dass die Gefahren für die Allgemeinheit unvermindert bestehen, solange die Fahreignung fehlt, wovon im Fall der Antragstellerin gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auszugehen ist.

Ferner trifft die Behauptung der Antragstellerin nicht zu, das Landratsamt habe den Entziehungsbescheid nicht auf § 11 Abs. 8 FeV, sondern auf das Vorliegen einer nicht festgestellten Alkoholabhängigkeit und sehr schweren Depression gestützt. Dies lässt sich anhand der Gründe des Bescheids, in denen als Rechtsgrundlage § 11 Abs. 8 FeV (Seite 4, 7), jedoch nicht § 11 Abs. 7 FeV zitiert wird, sicher ausschließen. In der Sachverhaltsdarstellung gibt das Landratsamt den gesamten Text der Gutachtensanordnung und den weiteren Verfahrenslauf mit Bezug zur Einholung eines Gutachtens wieder. In der rechtlichen Begründung stellt es darauf ab, dass vor dem Hintergrund der konkreten Ereignisse die Abklärung der Fahreignung unumgänglich gewesen sei (Seite 5), die Antragstellerin diese aber verweigert habe und deshalb vom Fehlen der Fahreignung auszugehen sei (Seite 7). Soweit es darüber hinaus auch auf das Vorliegen der abzuklärenden Krankheiten geschlossen hat, handelt es sich um einen unschädlichen Rechtsfolgenirrtum, der zu dem zuvor nach § 11 Abs. 8 FeV gezogenen Schluss auf das Fehlen der Fahreignung nicht in Widerspruch steht. Im Übrigen führt eine sachlich unrichtige Begründung eines Verwaltungsakts auch nicht zu dessen materieller Rechtswidrigkeit, sofern es sich wie hier um keine Ermessensentscheidung handelt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 30, Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 46).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Gutachtensanordnung vom 8. November 2018 rechtmäßig war, insbesondere mit dem Vorfall vom 28. Juli 2018 ein ausreichender Anlass für eine neue Begutachtung gegeben war. Das nervenärztliche Gutachten vom März 2018 hat lediglich eine klare Aussage zu einem der in Abschnitt 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl. S. 110) genannten sechs Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit, nämlich zum Nachweis einer Toleranz, getroffen, jedoch weder eine positive noch eine negative Feststellung zum Bestehen einer Alkoholabhängigkeit, und damit letztlich die zu klärende Frage offen gelassen. Die sichere Diagnose „Abhängigkeit“ soll nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der sechs Kriterien gleichzeitig vorhanden waren (Abschnitt 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien). Der Gutachter zweifelte, „ob eine uneingeschränkte Eignung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen zukünftig angenommen werden“ könne, bejahte aber vor dem Hintergrund der von der Antragstellerin behaupteten Trinkpause und dem Fehlen von Hinweisen auf eine Teilnahme am Straßenverkehr in alkoholisiertem Zustand sowie einer irreversiblen oder überdauernden Leistungsbeeinträchtigung eine bedingte Fahreignung, wobei er gewisse, nach Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV allerdings nicht vorgesehene und damit vom Antragsgegner auch nicht verfügbare (vgl. VGH BW, U.v. 11.12.2017 – 10 S 2263/16 – ZfSch 2018, 116 = juris Rn. 32 ff.) Auflagen empfahl. Mit der erneuten schweren Alkoholisierung der Antragstellerin unter wiederholter Äußerung von Suizidgedanken Ende Juli 2018 hatte sich diese Ausgangslage wesentlich geändert. Da dem Gutachten nicht schlüssig zu entnehmen ist, aus welchem Grund und unter welchen Umständen im Falle einer erneuten Alkoholisierung vom Wegfall der angenommenen bedingten Fahreignung auszugehen sein sollte, kam eine Entziehung der Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 11 Abs. 7 FeV nicht in Betracht, sondern nur eine weitere Aufklärungsmaßnahme. Nachdem es sich bereits um das zweite Mal innerhalb weniger Monate handelte, dass die Antragstellerin wegen Suizidäußerungen in stationärer Behandlung war, und die Art und Schwere der von ihr selbst eingeräumten Depression bisher nie aufgeklärt worden war, bestand auch ein hinreichender Anlass, dem Bestehen einer Erkrankung nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV nachzugehen.

Weder die Gutachtensanordnung noch die Entziehung der Fahrerlaubnis sind wegen Zeitablaufs oder der Länge des Verwaltungsverfahrens zu beanstanden. Der Antragsgegner weist zu Recht daraufhin, dass es insoweit auf den die erneute Begutachtung veranlassenden Vorfall vom 28. Juli 2018 ankommt und eine Verfahrensdauer von rund einem halben Jahr unter Berücksichtigung der erforderlichen Begutachtungs- und Anhörungszeiten nicht zu beanstanden ist. Doch selbst wenn der Antragsgegner das Verwaltungsverfahren nicht mit dem gebotenen Nachdruck betrieben hätte, würde das nicht bedeuten, dass er deshalb zum Schutz der Verkehrssicherheit erforderliche fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen zu unterlassen hätte. Es kann dahinstehen, ob eine Verwirkung im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stehen, überhaupt in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris Rn. 22 m.w.N.; B.v. 10.4.2019 – 11 CS 18.2334 – juris Rn. 23). Voraussetzung für eine Verwirkung wäre jedenfalls, dass neben dem Verstreichen eines längeren Zeitraums weitere Umstände hinzukommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, die Behörde werde von ihrer Befugnis auch künftig keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BayVGH, a.a.O.). Letzteres ist hier nicht der Fall, da das Landratsamt nie den Eindruck erweckt hat, es werde von einer Entziehung der Fahrerlaubnis Abstand nehmen, wenn die Fahreignung der Antragstellerin ungeklärt bleibt. Vielmehr hat es nach dem zuletzt bekannt gewordenen Vorfall vom 28. Juli 2018 mit Schreiben vom 11. September 2018 die Beibringung eines weiteren ärztlichen Gutachtens angeordnet, worauf die Antragstellerin bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht reagiert hat, und sich sodann nach weiteren behördeninternen Überlegungen, die in dem Aktenvermerk vom 8. November 2018 festgehalten sind, zur Rücknahme dieser Gutachtensanordnung und der Anordnung eines Gutachtens mit erweiterter Fragestellung entschlossen, was – wie bereits ausgeführt – hinsichtlich einer fahreignungsrelevanten Depression auch gerechtfertigt war. Ein Vertrauenstatbestand für ein Absehen von der verlangten Aufklärungsmaßnahme ist somit nicht ersichtlich. Da die maßgebliche Gutachtensanordnung vom 8. November 2018 rechtmäßig war und die Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt kein Gutachten beigebracht hatte, ist auch rechtlich unerheblich, ob ihr die Gründe für die Aufhebung der Gutachtensaufforderung vom 11. September 2018 bekannt gegeben worden sind.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – juris Rn. 21 f. ausführlich zum Streitwert der Fahrerlaubnisklasse 3 [alt]). Der Senat macht deshalb von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch, auch den erstinstanzlich festgesetzten Streitwert zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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