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Formanforderungen für Einspruchseinlegung gegen Bußgeldbescheid durch Rechtsanwalt

Raser in Heidelberg verurteilt: 400 € Geldbuße und einmonatiges Fahrverbot.

Das Amtsgericht Heidelberg verurteilte am 19.12.2022 einen Autofahrer wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h zu einer Geldbuße von 400 € und einem einmonatigen Fahrverbot. Der Betroffene war am 25.1.2022 auf einer Landstraße mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h unterwegs, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort 70 km/h betrug. Der Fahrer legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein und machte Verfahrensfehler bei der Identifizierung sowie die fehlende Möglichkeit der Überprüfung der Messwertbildung geltend. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragte jedoch, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Das Gericht bestätigte das Urteil und wies die Rechtsbeschwerde zurück.

OLG Karlsruhe – Az.: 2 ORbs 35 Ss 125/23 – Beschluss vom 22.03.2023

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 19.12.2022 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Formanforderungen für Einspruchseinlegung gegen Bußgeldbescheid durch Rechtsanwalt
(Symbolfoto: Tricky_Shark/Shutterstock.com)

Mit dem angefochtenen Urteil vom 19.12.2022 verurteilte das Amtsgericht Heidelberg den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h zu der Geldbuße von 400 € und einem einmonatigen Fahrverbot. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 25.1.2022 eine Landstraße, auf der die Geschwindigkeit durch mehrfach wiederholte Beschilderung auf 70 km/h beschränkt war, mit einer Geschwindigkeit von – nach Toleranzabzug – 110 km/h. Das Amtsgericht ist nach sachverständiger Überprüfung zur Überzeugung einer ordnungsgemäßen Geschwindigkeitsmessung mit einem Gerät vom Typ Poliscan FM 1 gelangt. Das Fahrverbot wurde angeordnet, weil zuvor mit am 9.4.2021 bzw. 30.4.2021 rechtskräftig gewordenen Entscheidungen Geschwindigkeitsübertretungen um 33 km/h bzw. 41 km/h geahndet worden waren.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde werden Verfahrensfehler bei der Identifizierung des Betroffenen geltend gemacht; im Rahmen der außerdem erhobenen Sachrüge wird die fehlende Möglichkeit der Überprüfung der Messwertbildung mangels Speicherung von Rohmessdaten beanstandet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Antragsschrift vom 24.2.2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der originär zuständige Einzelrichter hat die Sache zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern im Hinblick auf die umstrittene, durch obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht geklärte Frage übertragen, ob für die Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid durch einen Rechtsanwalt die Formvorschriften der §§ 110c Satz 1 OWiG, 32d Satz 2 StPO gelten.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

1. Der Bußgeldbescheid des Landratsamts des X-Kreises vom 3.6.2022 ist nicht bestandskräftig geworden, weshalb das Amtsgericht nicht am Erlass des angefochtenen Urteils gehindert war.

a) Aus den Akten, die dem Senat bei der Prüfung von Verfahrenshindernissen uneingeschränkt zugänglich sind, ergibt sich dazu folgender Verfahrensablauf: Einen ersten am 19.4.2022 erlassenen und dem Betroffenen am 22.4.2022 zugestellten Bußgeldbescheid nahm die Bußgeldbehörde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids vom 3.6.2022, der dem Betroffenen am 9.6.2022 zugestellt wurde, zurück. Der Betroffene legte gegen den Bescheid vom 3.6.2022 am 17.6.2022 Einspruch mittels Schriftsatz seines Verteidigers ein, der als Telefax eingereicht wurde.

b) In der Instanzrechtsprechung ist bisher unterschiedlich beurteilt worden, ob die Formvorschriften der §§ 110c Satz 1 OWiG, 32d Satz 2 StPO auch für die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid gelten, bei der Einlegung durch Rechtsanwälte also nur die Einreichung als elektronisches Dokument zugelassen ist und ansonsten die Erklärung unwirksam ist. Dies ist vom Amtsgericht Hameln (Beschluss vom 14.2.2022 – 49 OWi 23/22 = NZV 2022, 333, ebenso Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 67 Rn. 21a; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl./32. Lfg., § 110c Rn. 24; wohl auch KK-Graf, OWiG, 5. Aufl., § 110c Rn. 49, 53) verneint, vom Amtsgericht Tiergarten (Beschluss vom 5.4.2022 – 310 OWi 161/22 = StraFo 2022, 318; ebenso Stahnke in Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl., § 110c Rn. 25 unter Bezugnahme auf die in der 5. Aufl. von Krenberger/Krumm, OWiG, § 110c Rn. 13 vertretene Auffassung, wohingegen dort die Frage in der aktuellen 7. Aufl. offen gelassen wird; ebenso offenlassend BeckOK-OWiG/Valerius, 37. Ed., § 110c Rn. 1.1) hingegen unter Hinweis auf die Regelung in § 335 Abs. 2a HGB und die Entstehungsgeschichte bejaht worden. Obergerichtlich ist die Frage bislang – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden.

c) Der Senat schließt sich der vom Amtsgericht Hameln vertretenen Auffassung an; die hiergegen in der Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Soweit dabei an Materialien zum Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 29/28399) angeknüpft wird, geht dies schon deshalb fehl, weil die Vorschriften des § 110c OWiG und § 32d StPO gar nicht Gegenstand dieses Gesetzes waren. In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, mit dem die genannten Vorschriften eingeführt wurden, heißt es hingegen zur maßgeblichen Bestimmung des § 32d StPO unmissverständlich: „Satz 2 sieht demgegenüber eine Rechtspflicht zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die hier abschließend aufgeführten Erklärungen beschränkt werden soll.“ (BR-Drs. 236/16 S. 49 f.) Mit dieser bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für das Enumerationsprinzip ist es unvereinbar, die Rechtspflicht des § 32d Satz 2 StPO auf dort nicht genannte Rechtshandlungen bzw. über § 110c OWiG ihre Entsprechungen im Bußgeldverfahren auszudehnen. Da § 110c OWiG die entsprechende Anwendung von § 32d Satz 2 StPO anordnet, aber § 32d Satz 2 StPO die Rechtspflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument nicht für eine dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entsprechende Handlung im Strafverfahren vorschreibt, wird danach der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid von diesen Vorschriften nicht erfasst.

d) Infolge der danach wirksamen rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs ist der Bußgeldbescheid vom 3.6.2022 nicht in Bestandskraft erwachsen.

2. Im Übrigen wird zur Begründung auf die ausführlichen und – auch unter Berücksichtigung der dazu abgegebenen Gegenerklärung – zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 24.2.2023 Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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