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Feststellung Nichteinhaltung Sicherheitsabstand auf Autobahn

AG Helmstedt – Az.: 15 OWi 912 Js 57459/19 – Urteil vom 17.12.2019

Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Verkehrsordnungswidrigkeit (ungenügender Sicherheitsabstand; weniger als 4/10 des halben Tachowertes) zu einer Geldbuße von 360,- € verurteilt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 4 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG.

Gründe

Der Betroffene hat keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht.

Am 13.06.2019 um 14:07 Uhr befuhr der Betroffene mit einem PKW die Bundesautobahn A2 in Fahrtrichtung Hannover. In Höhe Kilometer 150,4 fuhr der Betroffene dicht hinter einem anderen Fahrzeug. Bei einer Geschwindigkeit von 136 km/h betrug der Abstand lediglich 23 Meter und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes. Der Betroffene nahm dabei die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zumindest billigend in Kauf.

Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, den Bekundungen des Zeugen R. und dem in Augenschein genommenen Tatvideo.

Der Betroffene hat eingeräumt, dass er den PKW zum Tatzeitpunkt geführt hat. Er hat keine weiteren Angaben zur Sache gemacht und nur die ordnungsgemäße Funktion des Abstandsund Geschwindigkeitskontrollsystem angezweifelt.

Der Zeuge R. hat bekundet, die Messstelle an der genannten Stelle sei von ihm unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers eingerichtet worden. Er sei in der Einrichtung von Messstellen geschult und auch zur Einrichtung von Messstellen berechtigt. Er habe zum Tatzeitpunkt an der genannten Stelle eine Abstandsüberwachung mit einem Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem VKS 3.0 der Vidit Systems GmbH mit der Softwareversion 3.2 (Select) durchgeführt. Das verwendete Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem sei zum Tatzeitpunkt gültig geeicht gewesen Die Eichmarken an dem verwendeten Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem seien vor und nach der Abstandsüberwachung unversehrt gewesen. Er sei in der Handhabung des genannten Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem geschult. Er habe das Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers aufgebaut und betrieben. Das Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem habe während der Abstandsüberwachung störungsfrei gearbeitet. Er sei auch in der Auswertung von Tatvideos geschult. Er habe die Auswertung unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers durchgeführt. Die verwendete Auswerteeinheit sei zum Zeitpunkt der Auswertung gültig geeicht gewesen. Die Eichmarken an der verwendeten Auswerteeinheit seien vor und nach der Auswertung unversehrt gewesen. Die Auswertung des Tatvideos habe folgende Werte ergeben:

Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen: 141 km/h (abzüglich der Toleranz 136 km/h vorwerfbar)

Abstand zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem Fahrzeug des Betroffenen: 22,4 Meter (aufgerundet 23 Meter vorwerfbar)

Die Inaugenscheinnahme des Tatvideos hat ergeben, dass auf den letzten 400 Metern der dokumentierten Fahrtstrecke keine erkennbare Veränderung des Abstandsverhaltens des Betroffenen oder der Fahrgeschwindigkeit der hier betroffenen Fahrzeuge zu beobachten ist. Der Betroffene fährt in der Zeit von 14:07 Uhr und 31 Sekunden bis 14:07 und 44 Sekunden mit dem PKW durch die gesamte Strecke mit dichtem Abstand hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug her. Der Betroffene hatte mithin ausreichend Gelegenheit, durch entsprechende Verringerung der eigenen Fahrgeschwindigkeit für genügend Sicherheitsabstand nach vorne zu sorgen.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene den nach § 4 Abs. 1 StVO erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Er hat bei einer Geschwindigkeit von 136 km/h den erforderlichen Abstand von 68 Metern (halber Tachowert) nicht eingehalten; mit 23 Meter betrug sein Abstand weniger als 4/10 dieses Wertes.

Die beantragte Beweiserhebung (Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens) war zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Bei dem verwendeten Messverfahren handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 11. April 2016 – 4 RBs 74/16 -, Rn. 6, juris). Das Gericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Messung mit einem gültig geeichten Abstands- und Geschwindigkeitskontrollsystem von einer geschulten Person unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers durchgeführt wurde. Das Gericht ist zudem aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Auswertung des Tatvideos mit einer gültig geeichten Auswerteeinheit von einer geschulten Person unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers durchgeführt wurde. Auch ist das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Messstelle von einer geschulten Person unter Beachtung der Vorgaben des Geräteherstellers eingerichtet wurde. Das Gericht würde die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn es ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung an der Zuverlässigkeit des Messergebnisses zweifelt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1997 – 4 StR 24/97 -, Rn. 27, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. April 2013 – 1 Ss (OWi) 71/13 -, Rn. 22, juris, mit weiteren Nachweisen) und konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung sind weder vorgebracht dargetan noch ersichtlich. Dass die ordnungsgemäße Einrichtung der Messstelle lediglich aufs Geratewohl angezweifelt wird, genügt vorliegend nicht, um weitere Beweiserhebungen nahezulegen. Soweit moniert wird, dass nicht bekannt sei, wie die Werte von der Auswerteeinheit genau ermittelt werden, so war die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich. Die mangelnde Kenntnis von der Funktionsweise der Auswerteeinheit begründet nämlich keine Unverwertbarkeit des Messergebnisses, denn die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist auch in den Bereichen der Kriminaltechnik nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 26. Oktober 2015 – 21 Ss 651/15 -, Rn. 6, juris).

Der Betroffenen hat zumindest billigend in Kauf genommen, dass er zu dicht hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fuhr. Zwar kann die Annahme des bedingten Tatvorsatzes nicht allein auf das Ausmaß der Abstandsunterschreitung gestützt werden, sondern bedarf grundsätzlich einer gebührenden Auseinandersetzung mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen, um mit der notwendigen Überzeugung ausschließen zu können, dass sich der Fahrer nur verschätzt hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. September 2019 – 1 Rb 10 Ss 618/19 -, Rn. 17, juris). Ausgehend von der jedem Führer eines fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugs bekannten Faustregel, wonach der erforderliche Sicherheitsabstand die Hälfte des Tachowertes beträgt, muss jedenfalls – ohne Vorliegen konkreter dagegensprechender Anhaltspunkte – regelmäßig davon ausgegangen werden, dass einem Fahrzeugführer das Unterschreitung des Sicherheitsabstandes bewusst gewesen ist und er dies zumindest billigend in Kauf genommen hat, wenn er über einen Zeitraum, in dem er den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen, mittels der in der Fahrschülerausbildung üblicherweise gelehrten Methoden überprüfen und korrigieren konnte, bei nicht abnehmender Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs lediglich einen Abstand von weniger als ein Viertel des Tachowertes einhält, so dass ein Schätzfehler fernliegt und die Begründung von Fahrlässigkeit gleichsam rechtsfehlerfrei nicht mehr möglich wäre (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 18, juris). So verhält es sich vorliegend. Der Betroffene hat lediglich die Fahrereigenschaft eingeräumt und keine weiteren Angaben zur Sache gemacht. Nach den getroffenen Feststellungen betrug die Zeit, in der der Betroffenen ohne erkennbare Veränderung des Abstandsverhaltens mit dichtem Abstand hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fuhr mindestens 12 Sekunden (von 14:07:31 Uhr bis 14:07:44 Uhr), wobei zur Beurteilung des Fahrverhaltens eines Betroffenen im sogenannten Fernbereich die Inaugenscheinnahme des Tatvideos genügt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Oktober 1993 – 1 Ss OWi 426/92 -, NZV 1994, 120). Diese Zeit hätte ohne Weiteres ausgereicht, um den Abstand wahrzunehmen, zu überprüfen und durch Verringerung der Geschwindigkeit zu korrigieren (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 18, juris, wonach höchstens zwei Sekunden zur Wahrnehmung, höchstens fünf Sekunden zur Überprüfung und höchstens fünf Sekunden zur Korrektur erforderlich sind). Mit 23 Meter betrug der festgestellte Abstand auch deutlich weniger als ein Viertel der festgestellten Geschwindigkeit (136 km/h : 4 = 34 km/h), so dass der Betroffene lediglich einen Abstand von weniger als ein Viertel des Tachowertes eingehalten hat. Aufgrund der vorgenannten Umstände ist Schätzfehler des Betroffenen zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen. Der Betroffene ist demzufolge des vorsätzlichen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO schuldig.

Ausgehend von der Bußgeldkatalogverordnung (Nr. 12.7.2 BKat i.V.m. § 3 Abs. 4a BKatV) war gegen den Betroffenen auf eine Geldbuße in Höhe von 360,00 zu erkennen. Dies entspricht der für den vorsätzlichen Verstoß vorgesehenen Regelfolge. Es sind keine Gründe erkennbar geworden, die ein Abweichen hiervon rechtfertigen würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

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