LG Kassel – Az.: 8 Qs 46/12 – Beschluss vom 17.12.2012
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 12.09.2012 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beschwerdeführerin zur Last.
Gründe
I.
Die Verfallsbeteiligte wendet sich als Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung eines Verfallsbetrages von 300,00 € in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 12.09.2012.
Hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts wird auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat insofern folgendes ausgeführt:
„Die Betroffene (gemeint ist die Verfallsbeteiligte) betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie ist Halterin des Sattelzuges mit dem amtlichen Kennzeichen „…“ und des Aufliegers mit dem amtlichen Kennzeichen „…“
Am 21.03.2011 hatte der Fahrer und Angestellte der Betroffenen, „…“, als Führer der genannten Fahrzeugkombination bei der Firma „…“. in “ „1222 Reifen im Gewicht von 11.500 kg geladen, um diese zur ca. 245 km entfernten Firma „…“ in „…“ Kreis „…“, gegen ein vereinbartes Entgelt von 420,00 € zuzüglich Umsatzsteuer zu transportieren.
Anlässlich einer Verkehrskontrolle am Autohof in „…“ um ca. 12:15 Uhr wurde am Kontrollort an der BAB 7 festgestellt, dass die transportierten Reifen zum Teil lediglich lose auf der Ladefläche ineinander gelegt, zum Teil senkrecht gestapelt waren. In der Folge war die Ladung verrutscht und drückte bereits seitlich gegen die Plane, welche sich bereits erheblich mindestens 20 cm nach außen wölbte und schon einen Riss aufwies, und gegen einen eingehängten Aluminiumspriegel -nicht in allen Halterungen waren Spriegel eingesetzt -, der durch die verrutschte Ladung nach außen gedrückt wurde. Jedenfalls in der Zusammenschau von Ladungsbeschaffenheit, federnde zusammendrückbare Reifen, der Masse der Ladung, der beschädigten Plane und dem verbogenen Spriegel, besteht bei typischen Fahrmanövern wie Vollbremsung oder plötzlichem Ausweichen evident die Gefahr des Ladungsverlustes sowie des Verrutschens der Ladung, was dann zum Verlust der Fahrstabilität und dem Kontakt eines oder mehrerer Räder mit der Fahrbahn führt. Die Ladungssicherung entsprach damit nicht den anerkannten Regeln der Technik, nach denen nach vorne mindestens 80 % und zu den Seiten und nach hinten mindestens 50 % des Ladungsgewichts abzusichern sind. Bereits die Plane, welche vorwiegend dem Schutz vor Witterungseinflüssen dient, bietet keine hinreichende ladungssichernde Funktion.“
Ergänzend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin die unterbrochene Transportfahrt unter Einsatz eines anderen LKW fortsetzte und die Ladung ablieferte, so dass sie die vereinbarte Frachtpauschale in Höhe von 420,00 € netto vereinnahmen konnte.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist als sofortige Beschwerde statthaft. Da das Amtsgericht außerhalb einer Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist gemäß §§ 46 Abs. 1, 87 Abs. 3 und 6 OWiG, 438 Abs. 2, 441 Abs. 2, 311 StPO die sofortige Beschwerde und nicht die Rechtsbeschwerde statthaft (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht StraFo 2011, S. 57 f., Göhler, 16. A., § 87 OWiG, Rn. 29, 58). Die Beschwerdeeinlegung ist zudem fristgerecht erfolgt.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die durch das Amtsgericht vorgenommene Festsetzung eines Verfallsbetrages in Höhe von 300,00 € ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die selbstständige Verfallanordnung ist § 29a Abs. 4, Abs. 1 OWiG.
Eine Geldbuße für die Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 23 Abs. 1 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO ist nicht festgesetzt worden, so dass der Anwendungsbereich des selbstständigen Verfalls zulasten der Beschwerdeführerin als verantwortlichem Transportunternehmen eröffnet ist.
Im Rahmen der Verfallsanordnung ist zunächst zu bestimmen, was aus der Tat erlangt wurde. „Aus der Tat erlangt“ sind alle Vermögenswerte, die dem Täter bzw. dem Verfallsbeteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Ablaufs zufließen (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2005, Az. 5 StR 119/05 zitiert nach Juris).
Die Verfallsbeteiligte hat zwar zum Zeitpunkt des Anhaltens des LKWs zunächst nur einen Zahlungsanspruch aus dem Frachtvertrag mit dem Abnehmer erlangt. Jedoch stellt auch dieser Anspruch einen Vermögenswert dar, und zwar in Höhe von 420,00 €. Hinzu kommt, dass dieser Betrag letztlich von der Verfallsbeteiligten nach Ablieferung der Reifenladung auch erlangt wurde. Insofern hat das Amtsgericht zu Recht auf den Frachterlös in Höhe von 420,00 € als das tatsächlich Erlangte abgestellt.
In einer Konstellation wie der vorliegenden gebietet es der Normzweck der Verfallsvorschriften, dass das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit nicht zu eng ausgelegt wird. Ansonsten wäre die Durchführung von Transporten mit nicht ordnungsgemäß beladenen bzw. gesicherten LKW für die jeweiligen Transportunternehmen jedenfalls im Hinblick auf die Verfallsvorschriften risikolos, da aufgrund der Vorschrift des § 420 Abs. 1 S. 1 HGB die Fracht erst bei Ablieferung des Gutes zu zahlen ist. Zum Zeitpunkt der Kontrolle und des Verbots der Weiterfahrt des ursprünglich eingesetzten LKWs ist damit stets noch kein Geldbetrag an das Transportunternehmen geflossen.
Die Kammer folgt insofern nicht der in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 30.08.2011 (Az. 322 SsBs 175/11, Rn. 11 zitiert nach Juris) vertretenen Ansicht, zwischen dem vereinbarten Entgelt und dem tatsächlich erlangten Entgelt zu unterscheiden. Zu beachten ist nämlich, dass der Präventionszweck des Verfalls gegen den Begünstigten darin liegt, diesen zur Einrichtung von Kontrollmechanismen anzuhalten, die die Begehung von Ordnungswidrigkeiten wie der vorliegenden verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 21.08.2002, Az. 1 StR 115/02, Rn. 26 zitiert nach Juris). Nicht außer Betracht bleiben kann in diesem Zusammenhang der Aspekt, dass es bei Verlust der Ladung zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hätte kommen können. Insofern erscheint es geboten, den Anspruch aus dem Frachtvertrag als Vermögenswert mit einzubeziehen und den vereinbarten Erlös über die Verfallsvorschriften abzuschöpfen.
Ferner hat das Amtsgericht in Anwendung des Bruttoprinzips die der Verfallsbeteiligten entstandenen zusätzlichen Kosten für den Einsatz eines weiteren LKWs und andere von der Verfallsbeteiligten angeführte Kosten zu Recht nicht in Abzug gebracht. Bruttoprinzip bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (vgl. BGH, ebd., Rn. 12).
Das Amtsgericht hat allerdings das ihm im Rahmen der Anordnung des Verfalls eingeräumte Ermessen ausgeübt und in nicht zu beanstandender Weise wegen der für die Verfallsbeteiligte entstandenen Mehraufwendungen einen Abzug von 120,00 € vorgenommen. Ein Verfallsbetrag von 300,00 € erscheint auch der Kammer vorliegend angemessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.