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Fehlerhafte Ersatzzustellung – Keine Heilung aufgrund Akteneinsicht Zustellungsempfänger

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OWi 2 SsRs 76/18 – Beschluss vom 21.03.2019

Der Beschluss des Amtsgerichts Speyer vom 8. Mai 2018, durch den der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 16. Februar 2018 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 16. Februar 2018 wegen vorsätzlichen Nichtbeachtens eines Verkehrsverbots (Zeichen 250) zu einer Geldbuße von 30 Euro verurteilt. Mit auf den 21. Februar 2018 datierten Schreiben hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und beantragt, das Rechtsmittel zuzulassen. Am 22. Februar 2018 hat der Vorsitzende die Zustellung des schriftlichen Urteils an den Betroffenen verfügt. Die Zustellung ist an die Anschrift „… Straße 20, … München“ erfolgt, der Betroffene wohnt im Anwesen … Straße 2 in München. In der Zustellungsurkunde vom 6. März 2018 sind die Felder „zu übergeben versucht“ und „Weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war, habe ich das Schriftstück in den zur Wohnung/zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“ angekreuzt.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2018 hat das Amtsgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die angefochtene Entscheidung sei dem Betroffenen am 6. März 2018 wirksam zugestellt worden. Innerhalb der durch die Zustellung in Gang gesetzten Monatsfrist sei das Rechtsmittel nicht mittels einer von einem Verteidiger unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet worden.

Gegen diesen, ihm am 16. Juni 2018 unter der tatsächlichen Wohnadresse zugestellten Beschluss hat der Betroffene mit am 20. Juni 2018 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt. Er führt aus, es sei ihm weder das Protokoll der mündlichen Verhandlung noch das Urteil zugestellt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Mai 2018 aufzuheben.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO) ist zulässig und begründet.

1.

Fehlerhafte Ersatzzustellung - Keine Heilung aufgrund Akteneinsicht Zustellungsempfänger
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Eine wirksame (Ersatz-)Zustellung einer Urteilsausfertigung ist nicht nachgewiesen. Die Postzustellungsurkunde ist zum Nachweis einer wirksamen Ersatzzustellung gem. § 180 ZPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 37 StPO nicht geeignet, weil der Betroffene nicht unter der dort angegebenen Anschrift wohnt. Die Postzustellungsurkunde enthält keinen Vermerk dahingehend, dass die zuzustellende Urkunde abweichend vom Adressfeld unter der tatsächlichen Wohnadresse des Betroffenen zugestellt worden ist. Zwar bestehen außerhalb der Zustellungsurkunde gelegene Hinweise darauf, dass die Zustellung unter der tatsächlichen Wohnadresse des Betroffenen ausgeführt worden sein kann. Denn sowohl der Bußgeldbescheid als auch die Ladung zum Termin vom 16. Februar 2018 waren ebenfalls an die unrichtige Hausnummer adressiert gewesen und haben den Betroffenen gleichwohl erreicht. Durch diesen Umstand wird die Möglichkeit, dass die Urteilsausfertigung an einer Adresse hinterlassen wurde, an der der Betroffene nicht wohnte, und die Ersatzzustellung daher unwirksam ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. 11. 1967 – RReg. 4 a St 117/67, NJW 1968, 513), jedoch nicht hinreichend ausgeräumt. Bleiben danach zumindest Zweifel daran, dass eine wirksame Zustellung der Urteilsausfertigung tatsächlich erfolgt ist, kann die Rechtsbeschwerde nicht als unzulässig verworfen werden (zur Revision: BGH, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 StR 34/17, juris Rn. 8 m.w.N.).

2.

Der Zustellungsmangel ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Betroffene im Rahmen der ihm am 3. Juli 2018 gewährten Akteneinsicht Kenntnis von den schriftlichen Urteilsgründen erlangt und im Schreiben vom 24. Juli 2018 hierzu inhaltlich Stellung genommen hat. Zwar lässt § 189 ZPO i.V.m. §§ 37 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG grundsätzlich eine Heilung von Zustellungsmängeln zu, wenn ein Zustellungswille auf Seiten des Gerichts vorgelegen hat (BGH, Beschluss vom 26.11.2002 – VI ZB 41/02 (KG), NJW 2003, 1192, 1193; KG, Beschluss vom 12. 10. 2010 – 2 Ws 521/10, NStZ-RR 2011, 86; Wittschier in Musielak/Voit, 15. Aufl. 2018, ZPO § 189 Rn. 2) und feststeht, dass der Zustellungsempfänger das zuzustellende Schriftstück tatsächlich erhalten hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 37 Rn. 28). Die Heilung einer missglückten Ersatzzustellung nach §§ 178, 180 ZPO durch tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks setzt allerdings voraus, dass der Adressat der Zustellung das Schriftstück so „in die Hand bekommen“ hat (BGH, Urteil vom 15.03.2007 – 5 StR 536/06, juris Rn. 14 = BGHSt 51, 257; s.a. zu § 180 ZPO: BFH, Beschluss vom 06.05.2014 – GrS 2/13, NJW 2014, 2524, 2528 = BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645), dass er es behalten und davon Kenntnis nehmen kann (BGH, Urteil vom 21.03.2001 – VIII ZR 244/00, NJW 2001, 1946; Häublein in MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, ZPO § 189 Rn. 8). Allein die Kenntnisnahme vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks reicht für dessen tatsächlichen Zugang nicht, nicht einmal die Übergabe eines gleichlautenden, aber anderen Schriftstücks (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.07.2005 – 6 UF 58/04, BeckRs 2005, 9733 Rn. 7; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. 3. 2008 – 7 U 152/07, NZG 2008, 714, 715; s.a.: OLG Hamburg, Urteil vom 30.06.2005 – 3 U 221/04, BeckRS 2006, 6553). An dieser, teilweise noch zu der Vorgängervorschrift in § 187 ZPO a.F. ergangenen Rechtsprechung sind aufgrund der Neufassung in § 189 ZPO keine Änderung im Sinne einer Ausweitung der Heilungsvoraussetzungen veranlasst (BFH aaO., Rn. 68). Eine Kenntniserlangung vom Inhalt der zuzustellenden Urteilsausfertigung im Rahmen einer Einsicht in die Akten reicht für einen tatsächlichen Zugang danach nicht aus (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 189 ZPO Rn. 4 m.w.N.). Soweit von Teilen der Rechtsprechung eine Heilung bei Kenntniserlangung des Verteidigers im Rahmen der Akteneinsicht erwogen worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2017 – 3 RBs 106/17, juris Rn. 22 m.w.N. sowie die Anm. Krenberger, DAR 2017, 646), betreffen diese Entscheidungen die hier nicht gegebene Konstellation einer fehlerhaften Zustellung an den Verteidiger gegen Empfangsbekenntnis.

III.

Die Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung (§ 345 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG) ist danach bisher nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Das Urteil wird dem Betroffenen deshalb zuzustellen sein.

 

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