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Fahrtenbuchauflagenanordnung – Zugang des Anhörungsschreibens

VG Göttingen – Az.: 1 B 447/18 – Beschluss vom 11.06.2019

Gründe

Der am 14.08.2018 beim beschließenden Gericht eingegangene Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer zeitgleich erhobenen Klage – 1 A 446/18 – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.07.2018 anzuordnen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zulässig. Denn die in der Hauptsache weiterhin anhängige Klage – 1 A 446/18 – gegen die mit Bescheid vom 24.07.2018 (Ziffer 1 des Bescheids) angeordnete Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX über einen Zeitraum von 12 Monaten ab Zustellung dieses Bescheids am 02.08.2018 entfaltet keine aufschiebende Wirkung, weil die Antragsgegnerin darin die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchauflage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat (Ziffer 2. des Bescheids).

Der Antrag ist aber unbegründet, denn die von der Antragsgegnerin vorgenommene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage begegnet keinen rechtlichen Bedenken (1.) und die nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO gebotene Abwägung zwischen dem besonderen öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Fahrtenbuchauflage und dem privaten Interesse der Antragstellerin, von diesem Vollzug bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihre in der Hauptsache – 1 A 446/18 – anhängige Anfechtungsklage verschont zu bleiben, fällt zu Lasten der Antragstellerin aus (2.).

1.

Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der von ihr angeordneten Fahrtenbuchauflage in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Die im Bescheid ausgeführte typisierende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO unterliegt keinen rechtlichen Bedenken (vgl. dazu ausführlich VG Göttingen, Beschluss vom 27.09.2018 – 1 B 289/17 –, juris, Rn. 6). Die Norm § 31a StVZO gehört zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für typische Gemeinschaftsgüter, nämlich die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfällt und sich die Behörde bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken kann, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Einzelfalls die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall erscheint. Dementsprechend ist auch den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bei der Anordnung des Sofortvollzugs einer Fahrtenbuchauflage bereits dann genügt, wenn die Begründung der Anordnung – wie hier – erkennen lässt, dass die Behörde diese Gesichtspunkte bei ihrer Interessenabwägung berücksichtigt hat (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 18.07.2016 – 1 B 131/16 –, juris, Rn. 7).

2.

In materiell-rechtlicher Hinsicht geht die vom Gericht im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gegen die von einer Behörde formell ordnungsgemäß begründete Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Fahrtenbuchauflage wendet, ist in der Regel der Erfolg zu versagen, wenn sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt, dass der Antragsteller in dem Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Es besteht zudem ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer offensichtlich rechtmäßigen Fahrtenbuchanordnung, weil im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht darauf verzichtet werden darf, das sofortige Führen eines Fahrtenbuchs durchzusetzen.

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist die Fahrtenbuchauflage (Ziffer 1 des Bescheids vom 24.07.2018) nicht zu beanstanden.

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, hat ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge – auch Ersatzfahrzeuge – die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

In formeller Hinsicht ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin im Anhörungsschreiben vom 23.04.2018 fälschlicherweise zur Fahrtenbuchauflage im Hinblick auf eine Ordnungswidrigkeit am 31.01.2018 um 18:03 Uhr und nicht – richtigerweise – am 08.12.2017 um 12:14 Uhr angehört hat. Die Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist – auch unter Berücksichtigung der Funktionen der Anhörung (vgl. dazu umfassend Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG, § 28, Rn. 3 ff.) – nichtsdestotrotz erfüllt. Denn bereits aus dem im Schreiben vom 23.04.2018 angegebenen Verstoß (samt genauer Ortsangabe der Rotlichtkamera) in Zusammenschau mit dem Anhörungsschreibens im Bußgeldverfahren vom 26.01.2018 war für die Antragstellerin ausreichend erkennbar, zu welchem Vorfall sie sich äußern konnte.

Die materiellen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO sind allesamt erfüllt.

Die Antragstellerin ist unstreitig Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX.

Der zum Anlass für die Fahrtenbuchauflage genommene Verkehrsverstoß steht auch mit hinreichender Sicherheit fest. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegt darin, dass die das Fahrzeug der Antragstellerin führende Person unter Verstoß gegen §§ 24 StVG, 41 StVO i. V. m. Anlage 2, 49 StVO am 08.12.2017 um 12:14 Uhr in D. auf der B X/ H. in Höhe I. / Fahrrichtung J., das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage missachtete. Die Rotphase dauerte dabei bereits länger als eine Sekunde.

Mit dem Einwand der Antragstellerin, bis heute sei nicht geklärt, ob überhaupt ein verwertbares Messergebnis und somit ein Rotlichtverstoß vorliege, dringt sie nicht durch. Messergebnisse, die – wie hier – mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, können von Behörden im Regelfall einer Fahrtenbuchauflage zugrunde gelegt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 04.12.2013 – 10 S 1162/13 –, juris, Rn. 6 m. w. N.). Die letzte Eichung der Rotlichtüberwachungsanlage erfolgte weniger als drei Monate vor der hier relevanten Verkehrsordnungswidrigkeit. Fehlerquellen brauchen nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt. Substantiierter Vortrag bezüglich der Tatsache, dass sich ein Verkehrsverstoß nicht oder nicht so abgespielt hat, insbesondere im Hinblick auf die Richtigkeit einer Messung, ist im Grundsatz bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlich. Bestreitet der Halter eines Fahrzeugs, der ein Fahrtenbuch führen soll, dass sich der Verkehrsverstoß ereignet hat, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren um die Fahrtenbuchanordnung substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.05.1999 – 12 L 2087/99 –, juris, Rn. 8; VG Göttingen, Urteil vom 16.12.2009 – 1 A 210/09 –, juris, Rn. 16; Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 31 StVZO, Rn. 31 f.). Diesen Anforderungen zur Substantiierung genügt die Antragstellerin mit ihrem pauschalen Einwand nicht, da sie nur vorbringt, es sei nicht geklärt, ob es ein verwertbares Messergebnis überhaupt gebe.

Die Feststellung derjenigen Person, die das Kraftfahrzeug der Antragstellerin bei dem Verkehrsverstoß geführt hat, war auch bis zum Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist des Bußgeldverfahrens (§ 26 Abs. 3 StVG) im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich. Eine Unmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen hierfür getroffen hat. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde kann sich dabei an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. An der zu fordernden Mitwirkung des Halters fehlt es bereits dann, wenn er den Anhörungs- oder Zeugenfragebogen nicht zurücksendet bzw. weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Damit hat es regelmäßig sein Bewenden. Weitere Bemühungen der Bußgeldstelle zur Feststellung des Fahrzeugführers ändern hieran nichts. Sie deuten nicht darauf hin, weitere Maßnahmen zur Feststellung des Fahrzeugführers seien geboten gewesen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, diese Feststellung sei im Sinn des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 01.02.2013 – 12 LA 122/12 –, juris Rn. 8; Beschluss vom 23.07.2009 – 12 ME 107/09 –, juris, Rn. 5; VG Göttingen, Beschluss vom 10.04.2019 – 1 B 488/18 –, juris, Rn. 11).

Gemessen an diesen Grundsätzen war der im Bußgeldverfahren von der Antragsgegnerin betriebene Ermittlungsaufwand angemessen und ausreichend. Die Antragstellerin hat im Bußgeldverfahren deutlich gemacht, an der Aufklärung des Vorfalls nicht mitwirken zu wollen. Sie hat den ihr übersandten Zeugenfragebogen vom 28.12.2017 (Bl. 13 d. BA 001 zu 1 A 446/18) und den Anhörungsbogen vom 26.01.2018 (Bl. 17 d. BA 001, a. a. O.) nicht zurückgesandt und sich auch nicht in anderer Weise im Bußgeldverfahren geäußert. Trotz der fehlenden Mitwirkung durch die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin am 16.04.2018 noch versucht, durch Aufsuchen der Wohnadresse und Bildabgleich, die fahrzeugführende Person zu ermitteln, was allerdings nicht erfolgreich war, da keine sichere Zuordnung möglich erschien (siehe Bl. 31 d. BA 001, a. a. O.).

Mit dem Einwand, sie habe den Zeugenfragebogen vom 28.12.2017 nicht erhalten und habe deswegen nicht an der Aufklärung mitwirken können, vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen. Im Ausgangspunkt zu Recht weist sie zwar darauf hin, dass die Verfolgungsbehörde die materielle Beweislast für die rechtzeitige Anhörung und den Zugang eines Anhörungsschreibens trägt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.10.2006 – 11 CS 06.607 – juris, Rn. 19; Urteil vom 18.02.2016 – 11 BV 15.1164 – juris, Rn. 20; VG Bayreuth, Beschluss vom 17.05.2018 – B 1 S 18.174 –, juris, Rn. 40). Dies ergibt sich aus den allgemeinen Beweislastregelungen über den Zugang von Willenserklärungen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG, der zufolge ein schriftlicher Verwaltungsakt bei (formloser) Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, ist vorliegend unanwendbar, da das Niedersächsische Verwaltungsverfahrensgesetz auf die behördliche Tätigkeit bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 NVwVfG) und es sich bei einem Anhörungsschreiben zudem nicht um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 06.04.2010 – 12 ME 47/10 –, juris, Rn. 7; BayVGH, Beschluss vom 10.10.2006, a. a. O.). Auch ein Rückgriff auf § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG im Wege einer Analogie scheidet aus, da diese Bestimmung nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 06.04.2010, a. a. O.; Stelkens: in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG, § 41, Rn. 10; anders noch VG Göttingen, Beschluss (Einzelrichter) vom 27.09.2018 – 1 B 289/17 –, juris, Rn. 9). Bei unselbständigen Verfahrenshandlungen kommt es wegen Fehlens einer gesetzlichen Regelung, die eine Zugangsvermutung aufstellt, entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB vielmehr uneingeschränkt auf den tatsächlichen Zugang der fraglichen Erklärung an den Adressaten an (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.10.2006, a. a. O.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 41, Rn. 3).

Gleichwohl kann die Behörde der ihr insoweit obliegenden Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. BayVGH, Urteil vom 18.02.2016, a. a. O.; Beschluss vom 11.05.2011 – 7 C 11.232 – juris, Rn. 2; SächsOVG, Beschluss vom 16.07.2012 – 3 A 663/10 – juris, Rn. 7). Dementsprechend kann ein Fahrzeughalter jedenfalls dann, wenn die Absendung eines Anhörungsschreibens durch die Behörde hinreichend belegt ist, nicht mit Erfolg einwenden, er habe den Anhörungsbogen nicht erhalten. Insoweit wird im Grundsatz als ausreichend erachtet, wenn die Übersendung anhand eines Datensatzauszugs nachvollzogen werden kann (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Nds. OVG, Beschlüsse vom 10.03.2006 – 12 ME 48/06 –, juris, Rn. 12 f.; vom 17.09.2007 – 12 ME 225/07 –, juris, Rn. 4; vom 06.04.2010, a. a. O., Rn. 6 f. m. w. N.).

Dies ist hier der Fall. Der in den Verwaltungsvorgängen enthaltene Datensatzauszug sieht einen ausdrücklichen Erledigungsvermerk bzgl. des Anhörungsbogens vom 28.12.2017 vor (siehe Bl. 49 d. GA). Zudem wurde das Anhörungsschreiben vom 28.12.2017 an die Antragstellerin korrekt adressiert (siehe Bl. 13 d. BA 001, a. a. O.) und ist nicht als unzustellbar in Rücklauf gekommen. Die Antragstellerin hat den Zugang auch lediglich pauschal bestritten und keinen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorgetragen, aus dem sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihr das Schreiben nicht zugegangen ist.

Unerheblich ist, dass die erfolgte Anhörung der Antragstellerin nicht innerhalb von 14 Tagen nach dem Verkehrsverstoß erfolgte, sondern der Zeugenfragebogen erst 20 Tage nach dem Vorfall in den Postlauf kam. Zwar gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem als Voraussetzung für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage zu fordernden angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d. h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein konkreter Anstoß innerhalb dieser Frist ausreicht, um zu verhindern, dass etwa die Erinnerung entscheidend verblasst, so dass es dem Fahrzeughalter in dem sich an den Verkehrsverstoß anschließenden Bußgeldverfahren möglich bleibt, seine Verteidigung auf dieser Grundlage einzurichten. Die Zweiwochenfrist gilt aber für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen – bei typisierender Betrachtung – auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder erkennbar ist, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen spätere Anhörung nicht beeinträchtigt wurde. Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen deshalb die Fahrtenbuchanordnung nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich war (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 – 7 B 139.87 –, Buchholz 442.16, Nr. 17 zu § 31 a StVZO; Nds. OVG, Beschluss vom 02.11.2004 – 12 ME 413/04 –, juris, Rn. 9). Die Kausalität zwischen der verzögerten Anhörung und der Nichtfeststellung des Kraftfahrzeugführers ist insbesondere auch dann zu verneinen, wenn sich der Fahrzeughalter nicht bereits im Ordnungswidrigkeitenverfahren, sondern erst in dem sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren betreffend die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs auf eine fehlende Erinnerung an den Fahrzeugführer beruft (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Nds. OVG, Beschluss vom 08.11.2004 – 12 LA 72/04 –, juris, Rn. 5 und VG Göttingen, Urteil vom 08.07.2013 – 1 A 239/11 –, juris, Rn. 18 m. w. N.). Hier ist nach Aktenlage nicht erkennbar, dass die Absendung des Anhörungsschreibens 20 Tage nach dem Vorfall für die unterbliebene Ermittlung des Täters kausal geworden wäre. Es ist weder konkret und substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Personen namentlich zu benennen, die ihren Pkw nutze. Die Antragstellerin hat sich im Übrigen erstmals im gerichtlichen Verfahren auf die verspätete Anhörung berufen und geltend gemacht, diese sei kausal für die fehlende Möglichkeit, den Fahrzeugführerkreis einzugrenzen.

Soweit sich die Antragstellerin auf den Standpunkt stellt, ihr sei eine Aufklärung des Verstoßes auch deswegen nicht möglich gewesen, weil im Anhörungsschreiben zur Fahrtenbuchauflage vom 23.04.2018 ein falsches Datum und eine falsche Uhrzeit angegeben gewesen sei, so greift diese Argumentation schon deswegen nicht durch, weil die Antragstellerin zuvor bereits ausreichend Gelegenheit zur Mitwirkung gehabt hätte. Zudem hätte ihr als objektive Empfängerin des Anhörungsschreibens vom 23.04.2018 – wie bereits ausgeführt – ohnehin klar sein müssen, dass sie zum Verstoß vom 08.12.2017 und einer damit im Zusammenhang stehenden Fahrtenbuchauflage angehört wird.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, nach dem ihr übersandten, bei der Geschwindigkeitsmessung angefertigten Foto sei ihr unmöglich gewesen, die fahrende Person zu identifizieren. Bei fehlender subjektiver Fähigkeit zur Identifizierung anhand des bei der Geschwindigkeitsmessung erstellten Fotos bleibt der Fahrzeughalter insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einzuschränken hat (vgl. etwa VG München, Beschluss vom 30. Juni 2014 – M 23 S 14.652 –, juris, Rn. 28; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31 a StVZO Rn. 31 m. w. N. zur Rechtsprechung). Unterbleiben dahingehende Angaben, so ist eine Fahrtenbuchauflage gegen den Fahrzeughalter gerechtfertigt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 08.03.2013 – 11 CS 13.187 –, juris, Rn. 20 ff.).

Die Antragsgegnerin hat bei Erlass der Fahrtenbuchauflage auch das ihr durch § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen (vgl. § 114 VwGO) ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere vermag die Kammer auch im Hinblick auf die Dauer der Fahrtenbuchauflage einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen. Dabei darf sich die Behörde – wie hier die Antragsgegnerin – bei der Bemessung des Gewichts einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften an dem Bewertungssystem nach der Anlage 13 zu § 40 FeV orientieren (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 08.07.2014 – 12 LB 76/14 –, juris, Rn. 28 und vom 10.02.2011 – 12 LB 318/08 –, juris, Rn. 21). Der mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene Verkehrsverstoß wäre gemäß § 24 StVG i. V. m. Nr. 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV (Bußgeldkatalog), Nr. 2.2.8 der Anlage 13 zu § 40 der FeV mit der Eintragung von zwei Punkten in das Verkehrszentralregister sowie einer Geldbuße von 200 Euro zu ahnden gewesen. Demnach ist die hier angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten nicht zu beanstanden. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchauflage ist im Übrigen unerheblich, ob es sich um einen erstmaligen Verstoß bei bisheriger Unfallfreiheit handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.07.1986 – 7 B 234/85 –, NJW 1987, 143; OVG NRW, Urteil vom 30.11.2005 – 8 A 280/05 –, juris, Rn. 32 ff. m. w. N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 46.11 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.), wonach in einem Hauptsacheverfahren 400,00 EUR je Monat der Dauer der Fahrtenbuchauflage festzusetzen sind. Die Summe von 4.800 EUR wird in Anwendung der Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs halbiert, weil das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache nicht vorwegnimmt, denn im Fall der Wiederherstellung des Suspensiveffekts wäre die Durchsetzung der Fahrtenbuchauflage bei einem späteren Unterliegen im Klageverfahren ohne Weiteres nachholbar gewesen.

 

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