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Fahrtenbuchauflage – Wer ist Halter des Fahrzeugs?

VG Leipzig, Az.: 1 K 1784/15, Urteil vom 05.05.2017

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr vom 9.12.2015 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches für acht Monate nach Bestandskraft der Anordnung.

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Symbolfoto:Rawpixel.com/Bigstock

Am 20.3.2015 gegen 18:53 Uhr überschritt ein unbekannter Fahrer des Fahrzeuges Toyota Yaris Europe (B) mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der B 2, ca. 1000 m vor der Abfahrt M… in Richtung L… die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften nach Abzug der Messtoleranzen um 31 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h, während die gemessene Geschwindigkeit nach Toleranzabzug 131 km/h betragen hat. Das von der Messanlage angefertigte Lichtbild wies eine männliche Person auf. Eine von der zuständigen Bußgeldbehörde durchgeführte Verkehrszentralregister-Auskunft ergab, dass der Kläger als Halter des streitbefangenen Fahrzeuges eingetragen ist.

Mit Schreiben vom 20.4.2015 übersandte das Landratsamt des Landkreises L… als zuständige Bußgeldbehörde dem Kläger einen Anhörungsbogen, welchen der Kläger lediglich mit Angaben zu seiner Person am 30.4.2015 zurücksandte. Unter dem 11.5.2015 bat der Landkreis L… die Beklagte um Übersendung eines Lichtbildes des Klägers aus dem Pass- und Ausweisregister. Diesem Verlangen kam die Beklagte am 15.5.2015 nach. Mit Schreiben vom 20.5.2015 teilte der Landkreis … der Beklagten mit, dass dem Kläger ein Anhörungs- bzw. Zeugenfragebogen am 20.4.2015 zugesandt worden sei. Ein verantwortlicher Fahrzeugführer sei dem Landkreis bisher nicht benannt worden. Da die Verfolgungsverjährung bereits am 20.6.2015 eintrete, werde um sofortige Ermittlung und Vernehmung des verantwortlichen Fahrzeugführers gebeten. Es könne sich bei dem Fahrer um den Sohn des Fahrzeughalters handeln.

Am 1.6.2015 suchte die Beklagte den Kläger gegen 12:10 Uhr an dessen Wohnsitz auf. Dabei sei jedoch lediglich Frau … angetroffen worden. Sie habe angegeben, dass ihr Mann nicht zu Hause sei und erst nach 19:00 Uhr von der Arbeit komme. Das Kennzeichen des streitbefangenen Fahrzeuges sowie die Person des Fahrers habe sie nicht gekannt. Am 8.6.2015 um 18:23 Uhr sei der Kläger im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen der Beklagten persönlich aufgesucht worden. Gegenüber den Beauftragten der Beklagten habe er keine Auskunft gegeben. Auch auf die Frage, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte, habe er entgegnet, dass er gar keine Angaben mache. Ausweislich des Protokollvermerks komme jedoch der Kläger als Fahrzeugführer augenscheinlich nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 18.6.2015 teilte der Landkreis … dem Kläger mit, dass das Bußgeldverfahren nach § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG – i. V. m. § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO – eingestellt werde.

Unter dem 24.6.2015 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung einer Fahrtenbuchauflage an. Mit Schreiben vom 6.7.2015 teilte der Kläger mit, dass er davon ausgegangen sei, als Zeugnisverweigerungsberechtigter die Angaben auch ohne die Konsequenz der Fahrtenbuchauflage verweigern zu dürfen. Ihm tue die Sache leid. Nun wisse er für die Zukunft, dass er als Halter auf jeden Fall Angaben zu machen habe. Aus diesem Grunde rege er an, auf die Auferlegung eines Fahrtenbuches zu verzichten und dieses nur für den Fall des nächsten Verstoßes anzudrohen.

Mit Bescheid vom 10.7.2015 ordnete die Beklagte für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … -… bzw. für Ersatz- oder Nachfolgefahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches an (Ziffer 1 und 2). Unter Ziffer 3 befristete sie die Führung des Fahrtenbuches auf acht Monate. Die Pflicht, das Fahrtenbuch zu führen, beginnt ab Bestandskraft der Anordnung (Ziffer 4). Unter Ziffer 5 verfügte die Beklagte, dass das Fahrtenbuch zur Prüfung in der Zulassungsbehörde innerhalb der Sprechzeiten vorzulegen ist. Die erste Vorlage hat zwei Monate nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides zu erfolgen. Die weiteren Vorlagetermine werden am Tag ihrer Vorsprache angeordnet. Weiterhin drohte die Beklagte für die Zuwiderhandlung gegen Ziffer 5 des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro an (Ziffer 6). Zur Begründung führte sie aus, dass Rechtsgrundlage für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage § 31a Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung – StVZO – sei. Trotz der nach Sachlage nötigen, vor allem auch angemessenen und zumutbaren Nachforschungen der Behörde habe das Bußgeldverfahren eingestellt werden müssen, da der Fahrzeugführer nicht ermittelbar gewesen sei. Der mit dem Fahrzeug begangene Verkehrsverstoß wäre mit einem Bußgeld in Höhe von 120,00 Euro und einer Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister geahndet worden. Die Vorlagepflicht des Fahrtenbuchs beruhe auf § 31a Abs. 3 a) StVZO und die Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes auf § 19 Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz – SächsVwVG -.

Mit Schreiben vom 12.7.2015 legte der Kläger Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid ein. Mit Widerspruchsbegründung vom 22.7.2015 teilte er mit, dass nicht er, sondern sein Sohn Halter des streitbefangenen Fahrzeuges sei. Dieser sei auch Eigentümer des Fahrzeuges und trage die mit dem Betrieb des Fahrzeuges einhergehenden laufende Kosten. Der Wagen sei lediglich aus Gründen der Versicherung auf den Kläger zugelassen. Er selbst nutze den Wagen nie. Der Wagen befände sich im ständigen Besitz seines Sohnes. Darüber hinaus habe es keine Belehrung hinsichtlich der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gegeben. Zur Glaubhaftmachung fügte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung seines Sohnes vom 17.7.2015 bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.12.2015 wies das Landesamt für Straßenbau und Verkehr den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Beklagte mit der Anhörung des Klägers sowie der Befragung durch den Ermittlungsdienst am 8.6.2015 sämtliche notwendigen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergriffen habe. Der Kläger habe jedoch jegliche Mitwirkung abgelehnt. Der Kläger sei mit einem ausreichend deutlichem Foto angehört worden, um eine bekannte männliche Person zu erkennen. Er habe jedoch innerhalb der genannten Dreimonatsfrist keine Angaben hierzu gemacht. Auch sei der Argumentation des Klägers hinsichtlich der Inhaberschaft der Fahrzeughaltereigenschaft nicht zu folgen. Dieser Umstand sei vom Kläger schon nicht vor Erlass der Ordnungsverfügung vorgetragen worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Halterbegriff des § 31a StVZO nicht deckungsgleich mit dem des § 7 Straßenverkehrsgesetz – StVG – sei. Aufgrund der Formalisierung des Verwaltungsverfahrens (§ 32 Abs. 1. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVG) sei es gerechtfertigt, eine behördliche Ordnungsverfügung nach § 31a StVZO an den „Zulassungshalter“ und nicht an den „tatsächlichen Halter“ zu richten. Nur auf diese Weise könne den Besonderheiten des Straßenverkehrs-Zulassungsrechts Rechnung getragen werden. Im Übrigen habe auch das Zeugnisverweigerungsrecht des Klägers im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zur Folge, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu werden.

Am 23.12.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er nicht Halter des streitbefangenen Fahrzeuges sei. Dieses werde von seinem Sohn unterhalten. Die Kosten für Versicherung und Steuern bekomme dieser hälftig zu Weihnachten und zum Geburtstag geschenkt. Er wäre nicht in der Lage, diese Summe mit einem Mal zu bezahlen. Obwohl er voll beschäftigt sei, bliebe am Monatsende nach Abzug aller Kosten nichts übrig. Zudem sei er irrtümlich davon ausgegangen, dass er aufgrund des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechtes keine Angaben machen müsse. Er habe sich gegenüber der Polizei auch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass dies die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage zur Folge habe. Schließlich sei die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage auch ungeeignet, zukünftige Verstöße aufzuklären, da die Fahrtenbuchauflage lediglich in das örtliche Fahrzeugregister eingetragen würden, auf welches andere Behörden keinen Zugriff hätten.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr vom 9.12.2015 aufzuheben,

2. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass es ihr trotz Anhörung und persönlicher Befragung nicht möglich gewesen sei, den Fahrzeugführer rechtzeitig zu ermitteln. Der Kläger habe keine Angaben zur Sache gemacht. Auch die Ehefrau des Klägers sei am 1.6.2015 befragt worden. Sie habe jedoch angegeben, weder das Kennzeichen des Fahrzeuges noch den Fahrer selbst zu kennen. Vorliegend sei mit dem streitbefangenen Fahrzeug eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften begangen worden. Dieser Verstoß wäre mit einem Punkt im Fahreignungsregister geahndet worden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt an der Identifizierung des Fahrzeugführers mitgewirkt. Auch das möglicherweise bestehende Zeugnisverweigerungsrecht des Klägers führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, da insoweit anerkannt sei, dass es ein „doppeltes Recht“ nicht gäbe. Auch habe es keiner Belehrung bedurft, da eine derartige Belehrung über den Erlass einer möglichen Fahrtenbuchauflage im Gesetz nicht vorgesehen sei. Darüber hinaus sei eine Fahrtenbuchauflage auch geeignet, zukünftige Verstöße mit dem streitbefangenen Fahrzeug aufzuklären, da diese entgegen der Auffassung des Klägers gemäß § 33 Abs. 3 StVG durch das KraftfahrtBundesamt im Zentralen Fahrzeugregister gespeichert und gemäß § 35 Abs. 2a StVG zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet würden.

Mit Schreiben vom 5.1.2017 und 1.3.2017 haben die Beteiligten ihr Einverständnis zur Verhandlung und Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Haltereigenschaft bezüglich des streitbefangenen Fahrzeuges angehört. Weiterhin hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung durch Einvernahme des Zeugen … Beweis über die tatsächliche Verfügungsgewalt und die Lastentragung des Fahrzeuges Toyota Yaris Europe (B) mit dem amtlichen Kennzeichen … -… erhoben. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 5.5.2017 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 87a Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – konnte das Gericht aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten durch den Berichterstatter mündlich verhandeln und entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.12.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes oder künftig zuzulassendes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war. Sie kann dabei auch ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge benennen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da der Kläger nicht Fahrzeughalter des streitbefangenen Fahrzeuges ist.

Halter im Sinne des § 31a StVZO ist derjenige, der ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Dies ist derjenige, der die Nutzung aus der Verwendung zieht und die Kosten hierfür aufbringt. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Anlass, Ziel und Zeit der Fahrten selbst bestimmen kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 7.2.2017 – 8 A 671/16 -, juris, Rn. 16; OVG Nds., Beschl. v. 30.5.2016 – 12 LA 103/15 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.6.2010 – OVG 1 N 42.10 -, juris, Rn. 3; BayVGH, Urt. v. 13.3.2010 – 11 B 08.2521 -, juris, Rn. 32). Diese Begriffsbestimmung gilt entgegen der Ansicht der Widerspruchsbehörde nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung einheitlich für sämtliche straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (vgl. OVG Nds., Beschl. v. 30.5.2016, a. a. O., juris, Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 12.6.2014 – 8 B 110/14 – juris, Rn. 7; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 7 StVG, Rn. 14). Entscheidend für die Bestimmung der Haltereigenschaft ist dabei nicht das Rechtsverhältnis bzw. die Eigentümerstellung am Fahrzeug, vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt. Ebenso wenig ist derjenige zwingend Halter eines Fahrzeugs, auf den dieses zugelassen ist. Jedoch sind die Fahrzeugzulassung und die Eigentümerschaft des Fahrzeuges gewichtige Indizien für die Haltereigenschaft. Allerdings kann die Indizienwirkung durch plausiblen und substantiierten Vortrag entkräftet werden (vgl. OVG Nds., Beschl. v. 30.5.2016, a. a. O., juris, Rn. 11, VG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2016 – 14 K 1630/16 -, juris, Rn. 21; VG Arnsberg, Urt. v. 11.5.2015 – 7 K 855/14 -, juris, Rn. 28).

Ausgehend hiervon ist das Gericht im Ergebnis der informatorischen Anhörung des Klägers und der Beweisaufnahme überzeugt, dass nicht der Kläger, sondern der Zeuge … Fahrzeughalter des streitbefangenen Fahrzeuges ist.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen ist und dieser unstreitig im Wege der Schenkung auch die Versicherungsbeiträge und Steuern für das Fahrzeug zahlt. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass der Kläger nicht die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug besitzt, die ein Gebrauch des Fahrzeugs für eigene Rechnung voraussetzt, und der Zeuge auch durch Begleichung der laufenden Kosten für Benzin und Reparaturen die wesentlichen Lasten des Fahrzeuges trägt. Der Kläger insoweit ist nicht im Besitz der Schlüssel und der Zulassungspapiere für das Fahrzeug. Er hat das Fahrzeug auch noch nie selbst gefahren und hat angesichts des Umstandes, dass der Zeuge dieses für die tägliche Fahrt zu seiner Arbeitsstelle von Leipzig nach Zwickau benötigt, auch keine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug, so dass die Voraussetzungen des § 31a StVZO vorliegend nicht gegeben sind.

Im Rahmen der gerichtlichen Anhörung führte der Kläger aus, dass er das streitbefangene Fahrzeug vor 2 – 3 Jahren von der Firma abgekauft habe, in welcher er beschäftigt sei. Das Fahrzeug habe er sodann seinem Sohn geschenkt. Dieser sei auch alleiniger Besitzer des Fahrzeuges. Er nutze dies, um zu seiner Arbeitsstelle in … zu gelangen. Am Wochenende befinde sich das Fahrzeug am Wohnsitz seines Sohnes in … . Er selbst sei noch nie mit diesem Fahrzeug gefahren. Aufgrund des geringen Verdienstes seines Sohnes schenke er diesem jeweils hälftig zu Weihnachten und zu dessen Geburtstag die Kosten für Steuern und Versicherung. Er selbst fahre einen BMW X5, welchen er seit ca. 7 Jahren besitze. Die Zulassung auf ihn sei allein aufgrund der Ersparnis von Versicherungskosten erfolgt.

Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den Schilderungen des Zeugen. Dieser führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass er das streitbefangene Fahrzeug im Jahre 2014 von seinem Vater geschenkt bekommen habe. Dieser habe das Fahrzeug von der Firma abgekauft, in welcher er beschäftigt sei. Nur er habe die Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug. Nach seinem Wissen verfüge er über alle Fahrzeugschlüssel und sein Vater sei auch noch nie mit dem Fahrzeug gefahren.

Er nutze dieses, um täglich zu seiner Arbeitsstelle in … zu gelangen. Sofern er auf Montage sei, stelle er das Fahrzeug auf dem Firmengelände in … ab. Die laufenden Kosten für Reparaturen, Benzin und TÜV übernehme er selbst. Die Kosten für Steuern und Versicherung würden ihm jeweils hälftig zu Weihnachten und zum Geburtstag geschenkt.

Diese Ausführungen sind glaubhaft. Sowohl der Kläger als auch der Zeuge haben im Detail und ohne Widerspruch die Herkunft des Fahrzeuges, die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse, die Abwicklungsmodalitäten der Steuer- und Versicherungslasten und die Hintergründe für die Zulassung des streitbefangenen Fahrzeuges geschildert. Dabei ist aus Sicht des Gerichts insbesondere die Zulassung des Fahrzeuges auf den Kläger zur Ersparnis von Versicherungskosten plausibel und nachvollziehbar, da diese Vorgehensweise gerade innerhalb einer Familie durchaus üblich ist. Überdies hat der Zeuge die Glaubhaftigkeit seiner Aussage durch unaufgeforderte Vorlage der in seiner Geldbörse befindlichen Zulassungsbescheinigung Teil 1 bekräftigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend nicht von einer reinen Schutzbehauptung des Klägers auszugehen. Der Kläger hat insoweit glaubhaft in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass er selbst ausschließlich einen BMW X5 fahre und seine Frau keinen Führerschein besitze, sodass der Kläger aus Sicht des Gerichts schon kein Bedürfnis an der Nutzung des streitbefangenen Fahrzeuges hat. Auch der Umstand, dass der Kläger im vorgerichtlichen Schriftsatz vom 6.7.2015 zunächst selbst davon ausgegangen ist, Halter des Fahrzeuges zu sein, vermag dieses Ergebnis nicht zu erschüttern. Der Kläger hat diesbezüglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt, dass er zu diesem Zeitpunkt irrtümlich aufgrund seiner Eintragung in den Zulassungspapieren davon ausgegangen sei, Halter des Fahrzeuges zu sein. Zudem hat er diesen Irrtum schon mit der Widerspruchsbegründung vom 22.7.2015 versucht auszuräumen. Hierin legte er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Zeugen der Widerspruchsbehörde in Übereinstimmung mit seiner Schilderung im Rahmen der mündlichen Verhandlung dar, dass der Zeuge die tatsächliche Verfügungsgewalt über das streitbefangene Fahrzeug inne habe und dieser auch die laufenden Kosten trage. Infolgedessen hätte dieser Umstand von der Widerspruchsbehörde berücksichtigt werden müssen.

Demgemäß war der Bescheid der Beklagten vom 10.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.12.2015 mangels Haltereigenschaft des Klägers rechtswidrig und daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 S. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist auf den Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung für notwendig zu erklären.

Notwendig i. S. v. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten, wenn dies dem Widerspruchsführer nach seinen persönlichen Verhältnissen, d. h. aus seiner Sicht als einer verständigen, nicht rechtskundigen Person als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.12.1963 – VII B 14.63 -, BVerwGE 17, 245; Urt. v. 16.12.1980, – 8 C 10.80 -, DVBl. 1981, 680). Dies ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Sachen der Fall. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob es dem Widerspruchsführer zugemutet werden kann, das Vorverfahren allein zu betreiben, was bei nicht juristisch vorgebildeten Personen in der Regel nicht der Fall ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 162 Rn. 18 m. w. N.). Bei Beachtung dieser Maßstäbe war die Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt im Vorverfahren notwendig. Dies ergibt sich hier insbesondere daraus, dass es sich beim Straßenverkehrsrecht um keine einfach gelagerte Materie handelt, die auf mehreren Rechtsquellen beruht und auch Rechtsfragen einbezieht, die für den Kläger ohne rechtlichen Beistand nicht ohne Weiteres zu überblicken waren, etwa die hier relevante Frage des Halterbegriffs im Rahmen von § 31a StVZO. Wenn diese Frage schon aus Sicht der Widerspruchsbehörde nicht einfach zu beantworten erscheint, dann gilt dies erst recht für einen juristischen Laien. Im Hinblick darauf war es dem Kläger nicht zuzumuten, den Rechtsstreit allein zu führen.

Die nach § 124 Abs. 1 VwGO zulassungsbedürftige Berufung wird nicht zugelassen, da kein Berufungsgrund gemäß § 124a Abs. 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.200,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG – Gerichtskostengesetz -. Das Gericht hat sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2013 orientiert und für die Fahrtenbuchauflage pro Monat jeweils 400,00 Euro angesetzt (vgl. Nr. 46.13 Streitwertkatalog). Die Fahrtenbuchauflage wurde für 8 Monate angeordnet, so dass der Streitwert 3.200,00 Euro beträgt.

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