VG München – Az.: M 23 K 19.5607 – Urteil vom 17.01.2020
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der in München wohnhafte Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur sechsmonatigen Führung eines Fahrtenbuchs zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter der Kläger ist.
Am 17. September 2018 um 6:24 Uhr wurde mit diesem Fahrzeug außerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 22 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten. Diese Feststellung wurde durch ein Geschwindigkeitsmessgerät und Frontfoto dokumentiert.
Im mit einen Frontfoto versehenen Schreiben vom 2. Oktober 2018 hörte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt den Kläger hierzu als Betroffenen an. Hierin wurde dem Kläger der Tatvorwurf einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG, § 49 StVO als verantwortlicher Fahrer eröffnet. Gleichzeitig wurde der Kläger darum gebeten, den Fahrzeugführer mitzuteilen, sofern nicht der Kläger Fahrzeugführer war. Auf sein Aussageverweigerungsrecht als Betroffener wird er hingewiesen, ebenso darauf, dass gegen den Kläger im Falle erfolgloser Ermittlungen die Auferlegung eines Fahrtenbuchs in Betracht kommt.
Der Anhörungsbogen geriet nicht in Rücklauf. Der Klägerbevollmächtigte wies mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 mit seinem Akteneinsichtsgesuch gegenüber dem Polizeiverwaltungsamt darauf hin, dass der Kläger einen eineiigen Zwillingsbruder (Herr A. C.) habe, dessen Anschrift er mitteilte.
Das Polizeiverwaltungsamt hörte Herrn A. C. mit Schreiben vom 2. November 2018 ebenfalls als Betroffenen an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. November 2018 machte Herr A. C. von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.
Das Polizeiverwaltungsamt ersuchte die örtliche Polizeiinspektion mit Schreiben vom 23. November 2020 zur Vornahme weiterer Ermittlungen, u.a. um Vorlage eines Vergleichsbildes zwecks Erstellung eines anthropologischen Gutachtens, sollte der Kläger einer Vorladung keine Folge leisten. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass der Kläger bereits in mehreren vergangenen Ordnungswidrigkeitenverfahren auf seinen Zwillingsbruder hingewiesen habe. Der Vorladung der ersuchten Polizeiinspektion kam Herr A. C. nicht nach und er verweigerte diese. Ausweislich eines Vermerks der Polizeiinspektion ergaben Vergleichsfotos vom Kläger und Herrn A. C. eine große Ähnlichkeit, ebenso zu weiteren Brüdern.
Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde am 27. Dezember 2018 gem. § 46 Abs. 1 OWiG, § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die Auferlegung eines Fahrtenbuchs in Aussicht gestellt.
Mit Schreiben vom 6. Februar und 20. August 2019 kündigte die Beklagte dem Kläger die Auferlegung eines Fahrtenbuchs an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Hierzu nahm der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 14. Februar 2019 und ergänzend vom 7. März 2019 im Wesentlichen dahingehend Stellung, die Ermittlungsbehörde habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen von weiteren Ermittlungen abgesehen. So habe sie zunächst beabsichtigt, ein anthropologisches Gutachten in Auftrag zu geben, dies schließlich aber ohne Angaben von Gründen unterlassen.
Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. C. wurde am 6. September 2019 gem. § 46 Abs. 1 OWiG, § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Mit am 6. November 2019 zugestelltem streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Oktober 2019 verpflichtete die Beklagte den Kläger, bis zum 30. April 2020 für das Tatfahrzeug (Ziff. 1) und etwaige Nachfolgefahrzeuge ein Fahrtenbuch zu führen (Ziff. 2). Weiter verfügte die Beklagte eine Pflicht zur jederzeitigen Aushändigung und Aufbewahrung bis zum 30. Oktober 2020 (Ziff. 3) sowie zur Vorlage bis spätestens zum 28. Mai 2020 (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 3 und 4 wurde angeordnet (Ziff. 4), für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i.H.v. 500 Euro angedroht (Ziff. 6) und die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt sowie eine Gebühr von EUR 175,– und Auslagen i.H.v. EUR 2,61 festgesetzt (Ziff. 7 und 8). Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, ein anthropologisches Gutachten sei nicht zielführend gewesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Am 25. November 2019 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2020 aufrechterhaltenen Antrag, den Bescheid aufzuheben.
Gleichzeitig beantragte der Kläger im Verfahren M 23 S 19.5609 Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Zur Begründung nahm er auf die im Verwaltungsverfahren getätigten Stellungnahmen Bezug und führt ergänzend aus, die Ermittlungsbehörden hätten als weitere angemessene und zumutbare Ermittlungsmaßnahme die Einholung des beabsichtigten anthropologischen Gutachtens unterlassen. In der mündlichen Verhandlung nahm er Vertrauensschutzgesichtspunkte für sich in Anspruch und wies darauf hin, dass die der Bescheid spät erging, nachdem der Beklagte habe bewusst sein müssen, dass das gegen A. C. geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren bereits im März wegen Verjährung ergebnislos erfolgt sein müsse.
Die Beklagte beantragte, Klageabweisung und erwiderte mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 unter Wiederholung der Bescheidsbegründung ergänzend, die Erstellung eines anthropologischen Gutachtens sei vorliegend angesichts des konkreten Verkehrsverstoßes unverhältnismäßig gewesen. Auch sei ein solches nicht zielführend gewesen, da auch ein Gutachter aufgrund der eineiigen Zwillingsbruderschaft keine eindeutige Täterschaft hätte ausmachen können.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 hat die Kammer die Streitsache zur Verhandlung und Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 17. Januar 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Einzelrichter hat den Eilantrag mit Beschluss vom 17. Januar 2020 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte zu diesem wie auch zum Eilverfahren (M 23 S 19.5849) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Ein unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu fordernder Verkehrsverstoß in nennenswertem Umfang liegt mit der dokumentierten und nicht bestrittenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h (außerorts) vor. Hierbei handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die nach dem zum Zeitpunkt der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit geltenden Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße von 70,00 € (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV – i.V.m. Nr. 11.3.4 Tabelle 1 Buchst. c des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatV) sowie einem Punkt im Verkehrszentralregister geahndet worden wäre (Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr – FeV).
Diese sachverständige Bewertung der Verkehrsordnungswidrigkeit durch den Verordnungsgeber belegt, dass es sich jeweils um erhebliche Verstöße handelt, unabhängig von einer damit verbundenen Gefährdungslage. Nach ständiger Rechtsprechung reicht auch bereits grundsätzlich ein lediglich mit einem Punkt (bereits nach dem bis zum 30. April 2014 geltenden Punktekatalog) bewerteter Verkehrsverstoß für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aus, ohne dass es auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Gefährlichkeit des Verstoßes ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99; OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 –; B.v. 26.3.2018 – 8 B 233/18 – jeweils juris).
Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt ebenfalls vor, da die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat.
§ 31a StVZO verpflichtet die Ermittlungsbehörde nicht zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 – 11 B 113.93 – juris Rn. 4; U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – juris Rn. 16). Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Ermittlungsbehörden (BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – juris Rn. 16). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es wesentlich darauf an, ob die zuständige Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei hängen Art und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Mitwirkungsbereitschaft des Fahrzeughalters ab (BVerwG, B.v. 23.23.1996 – 11 B 84.96 – juris Rn. 3). Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden (BayVGH, B.v. 1.4.2019 – 11 CS 19.214; vgl. auch OVG NRW, B.v. 15.3.2007 – 8 B 2746/06 – juris Rn. 11 f.). Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1993 – 11 B 84.96 – juris; U.v. 17.12.1992 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7, BayVGH B.v. 1.4.2019 – 11 CS 19.214). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es vorliegend um die Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit geht, die nur einen Sinn hat, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann und die daran anknüpfenden polizeilichen Maßnahmen eingeleitet werden können (BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3/80 – BayVBl 1983, 310; VGH BW, B.v.21.7.2014 – 10 S 156/13 – juris Rn. 5).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die ermittelnde Behörde ihrer Ermittlungspflicht zur Genüge nachgekommen, indem sie einen Lichtbildabgleich vornahmen und die Zwillingsbrüder jeweils als Betroffene schriftlich angehört und den Zwillingsbruder A. C. zur Anhörung ergänzend vorgeladen haben.
Soweit der Kläger ein Ermittlungsdefizit darin sieht, dass die Ermittlungsbehörde abweichend von ihrer ursprünglich gefassten Absicht kein anthropologisches Sachverständigengutachten hat einholen lassen, folgt das Gericht diesem Einwand nicht. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass sich der angemessene und zumutbare Ermittlungsaufwand nicht an Absichten der Ermittlungsbehörden zu möglichen Ermittlungsansätzen ausrichtet, sondern sich ausschließlich an den oben benannten Grundsätzen orientiert. Die Ermittlungsbehörde ist daher nicht an eine solche kundgetane Absicht gebunden. Insofern kann sich der Kläger auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Weitergehende Ermittlungen insoweit hätten aufgrund der eineiigen Zwillingsbruderschaft aus nachvollziehbarer Sicht der Ermittlungsbehörden insoweit nicht unbedingt zum Erfolg geführt. Zudem durften die Ermittlungsbehörden das Gewicht des Verstoßes berücksichtigen und brauchten die Einholung eines anthropologischen Gutachtens als unverhältnismäßig aufwendige Maßnahmen nicht (weiter) in Erwägung zu ziehen, nachdem sowohl der Kläger wie auch der Zwillingsbruder A. C. erkennbar eine weitere Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrers verweigert hatten (vgl. OVG Koblenz, B.v. 19.3.2007 – 7 B 11420/06 – juris Rn. 6).
Auch wirkt sich nicht aus, dass die Ermittlungsbehörden den Kläger erst mit Schreiben vom 2. Oktober 2018 und damit über Zwei Wochen nach der Tat hinaus zu der Verkehrsordnungswidrigkeit angehört haben. Zwar genügt die Behörde ihrer Ermittlungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt, wobei die hierzu eingeräumte Anhörungsfrist im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten darf (BVerwG, B.v. 14.5.1997 – 3 B 28/97 – juris; erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054).
Diese Frist ist vorliegend zwar (geringfügig) überschritten, ohne jedoch dass sich dies vorliegend als Ermittlungsdefizit niederschlägt. Die Zwei-Wochen-Frist ist kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze. Sie beruht auf dem Erfahrungssatz, wonach Vorgänge nur in einem begrenzten Zeitraum erinnerbar oder noch rekonstruierbar sind. Irrelevant ist die Zwei-Wochen-Frist insbesondere, sofern ein – wie hier – zur Identifizierung ausreichendes Lichtbild existiert, da eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugführers anhand des Fotos keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stellt (st. Rspr.; vgl. OVG Lüneburg, B.v. 2.11.2004 – 12 ME 413/04 – juris Rn. 8f.; VG Oldenburg, B.v. 30.3.2009 – 7 B 1004/09 – juris Rn. 12 ff.; OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – juris Rn. 14; VG München, B.v. 30.6.2014 – M 23 S 14.652 – juris Rn. 26; VG Düsseldorf, U.v. 24.5.2016 – 14 K 7101/15 – juris m.w.N.). Die gute Qualität des den tatsächlichen Fahrzeugführer abbildenden Lichtbildes hat der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich bestätigt. Die (lediglich geringfügige) Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist hat sich demnach erkennbar nicht auf das Ermittlungsergebnis ausgewirkt. Im Übrigen ist eine verspätete Anhörung dann unschädlich, wenn die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist, da sich der Kläger im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht auf mangelndes Erinnerungsvermögen berufen hat (BayVGH, B.v. 12.2.2007 – 11 B 05.427 – juris Rn. 17 m.w.N; VG Augsburg,U.v.19.6.2012 – Au 3 K 12.287 – juris Rn. 20). Auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen hat sich der Kläger nicht berufen.
Schließlich vermag das Gericht auch keinen im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO relevanten Rechtsfehler zu erkennen. Der Beklagte hat von dem ihr bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Wie aus den Gründen des angefochtenen Bescheids erkennbar ist, wurde gesehen, dass es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Die Maßnahme ist insbesondere verhältnismäßig. Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Mit einer solchen soll in Ergänzung der Kennzeichnungspflicht dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Anordnung richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Gefährdet er die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugnutzung angehalten werden. Es genügt regelmäßig die bei jeder Kraftfahrzeugnutzung nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der jeweilige Fahrer Verkehrsvorschriften zuwiderhandelt (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – juris Rn. 8).
Auch die Dauer des verfügten Fahrtenbuches mit einem halben Jahr begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. § 31 a StVZO enthält keine Aussage darüber, für welche Zeitspanne die Führung eines Fahrtenbuchs anzuordnen ist. Die Beantwortung dieser Frage bleibt vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen, die hierbei lediglich die zwingenden Vorgaben der Rechtsordnung, insbesondere den Gleichbehandlungs- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu beachten hat. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Dauer der Führung des Fahrtenbuchs erforderlich, wobei sechs Monate im „unteren Bereich einer effektiven Kontrolle“ liegen (BVerwG U.v. 17.5.1995 – 11 C 12/94 – juris Rn.11). Als Kriterium für ihre zeitliche Bemessung ist vor diesem Hintergrund vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist daneben das Verhalten zu würdigen, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris). Selbst die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten für punktbewehrte Verkehrsordnungswidrigkeiten ist anerkanntermaßen als verhältnismäßig anzusehen, selbst wenn der betroffene Halter bisher „verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung“ getreten sein sollte bzw. zuvor keine Verkehrsordnungswidrigkeit aktenkundig geworden sein sollte. (OVG NRW, B.v. 13.1.2016 – 8 A 1030/15 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 26.3.2018 – 8 B 233/18 – juris Rn. 10).
Verlangt eine Behörde vom Halter eines Fahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuchs nur für diese Zeitspanne, hat sie damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich insoweit mit der geringstmöglichen Beschwer begnügt (BayVGH, B.v.18.5.2010 – 11 CS 10.357 – NJW 2011, 326). Gemessen hieran begegnet es vorliegend keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsverstoßes das Führen eines Fahrtenbuchs unter Bezugnahme des Punktsystems für sechs Monate aufgegeben hat. Die Anordnung eine Führungsdauer von lediglich sechs Monaten liegt bereits im „unteren Bereich einer effektiven Kontrolle (BVerwG U.v. 17.5.1995 – 11 C 12/94 – juris Rn.11).
Der Verhältnismäßigkeit steht ebenfalls nicht entgegen, dass die Beklagte erst am 31. Oktober 2019 – und damit über ein Jahr nach der Tat – den streitgegenständlichen Bescheid erließ. Zwar war das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bereits am 27. Dezember 2018 förmlich eingestellt. Die Ermittlungen gegen Herrn A. C. als weiteren Tatverdächtigten dauerten aber noch an und der Abschluss der Ermittlungen wurde der Beklagten erst mit Schreiben vom 6. September 2019 mitgeteilt. Die Führung der Ermittlungen obliegt nicht der Beklagten, sondern den Ermittlungsbehörden, auf deren endgültiges Ermittlungsergebnis die Beklagte zur Prüfung der Voraussetzungen des § 31a StVZO angewiesen ist.
Das Gericht folgt im Übrigen den zutreffenden Feststellungen und der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 2.400 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz i.V.m. 46.11. des Streitwertkatalogs).