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Fahrtenbuchauflage – Ermittlungsanforderungen

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 4 LA 12/17 – Beschluss vom 26.04.2017

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 3. Kammer, Einzelrichter – vom 27. Juli 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 2.400,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der vorrangig auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag ist mangels ausreichender Darlegung bereits unzulässig (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und hat auch in Bezug auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keinen Erfolg.

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich – klärungsfähig – ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 124 Rn. 10). Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (BeckOK/Roth, VwGO, 40. Ed. 01.01.2017, § 124 Rn. 55). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich unter Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden und unter Einbeziehung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (BVerwG, Beschl. v. 09.04.2014 – 2 B 107/13 -, Juris Rn. 9). Die geltend gemachte Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründet als solche keine grundsätzliche Bedeutung (BeckOK/Roth, a.a.O., § 124a Rn. 76). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzulegen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (OVG Schleswig, Beschl. v. 26.07.2016 – 3 LA 70/14 -, Juris Rn. 20 m.w.N.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 54).

Der Antrag des Klägers genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht. Der Kläger legt nicht substantiiert dar, weshalb die von ihm als grundsätzlich bezeichnete Frage,

„ob beim Messen der Geschwindigkeit eines Pkw insoweit auch ein Frontfoto anzufertigen ist, um den Fahrer feststellen zu können, sofern das eingesetzte Messgerät die Möglichkeit hierfür bietet und auch die dafür erforderliche Ausstattung vorhanden ist“,

klärungsbedürftig sein sollte, mithin eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung bestehen sollte. Er beschränkt sich vielmehr auf eine Kritik an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anfertigung lediglich eines Heckfotos als angemessene und ausreichende Ermittlungsmethode anzusehen sei, weil er meint, dass die zur Begründung dieser Auffassung herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1978 heute auf vergleichbare Fälle nicht mehr übertragbar sei, weil sich die Fototechnik seit dieser Entscheidung fortentwickelt habe und die Anforderungen an die Ermittlungsmittel deshalb erneut erörtert werden müssten. Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung findet jedoch nicht statt. Sie hätte gezeigt, dass es bei der Formulierung der Anforderungen an die polizeiliche Ermittlung von Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht vorrangig auf die aktuellen technischen Möglichkeiten ankommt, sondern auf die Angemessenheit des Einsatzes der jeweils verfügbaren Möglichkeiten. Insofern hat das Bundesverwaltungsgericht mit der zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1978 bereits rechtsgrundsätzliche Ausführungen gemacht (Urt. v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – Juris Rn. 16), die in späteren Entscheidungen bestätigt worden sind und auch heute noch ihre Berechtigung haben. Ob die Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich beobachtet und das Kennzeichen per Hand notiert oder ob ein Radarfoto gefertigt wird – als Front- oder Heckfoto – spielt dabei keine vorrangige Rolle. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Eine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers i.S.v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat und dennoch nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1996 – 11 B 84/96 -, Juris Rn. 3; Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 -, Juris Rn. 7 m.w.N.). Hinsichtlich der Art, des Zeitpunkts und des Umfangs der Ermittlungen zur Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten steht der Polizei auch bei Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, deren Begehung Voraussetzung für eine Fahrtenbuchauflage ist, wie auch sonst ein Ermessen zu. Aus § 31a StVZO kann nicht geschlossen werden, die Polizei sei verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmittel oder -methoden anzuwenden. Vielmehr hat sie in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen. Entsprechend genügt bei der Kontrolle von Geschwindigkeitsverstößen – durch Beobachtung oder durch Radarmessung – im Allgemeinen das Notieren des Kennzeichens als Sofortmaßnahme, solange der Kraftfahrzeughalter anschließend unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig innerhalb von zwei Wochen) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (BVerwG, Beschl. v. 14.05.1997 – 3 B 28/97 – Juris Rn. 3 ff.; v. 09.12.1993 – 11 B 113.93 -, Juris Rn. 4; Urt. v. 17.12.1982 a.a.O.; Urt. v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – Juris Rn. 16). Ebenso wenig, wie ein sofortiges Anhalten des Fahrzeugs erforderlich ist, bedarf es deshalb eines Frontfotos. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Verstoß selbst und das Kraftfahrzeugkennzeichen festgehalten werden, um darüber den Kraftfahrzeughalter und über ihn den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln (BVerwG, Urt. v. 13.10.1978 a.a.O.). Überdies ist der Fahrzeugführer selbst bei einem vorhandenen Frontfoto aufgrund der Fotoqualität häufig nicht erkennbar und deshalb auch nicht zu ermitteln. Die Behörde ist selbst dann regelmäßig auf die Mitwirkung des Fahrzeughalters angewiesen. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit richten sich aus diesen Gründen insbesondere an der Mitwirkung des Fahrzeughalters aus. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Beschl. v. 09.12.1993 – 11 B 113.93 -, Juris Rn. 4; Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 -, Juris Rn. 7).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich entgegen den Ausführungen des Klägers auch keine Pflicht zur Unterscheidung der Anforderungen an die Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich eines Pkw-Fahrers und eines Motorradfahrers.

Der Vortrag des Klägers, die angefochtene Entscheidung weiche von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23.11.2012 (W 6 K 12.87) ab, da dort als erforderliche und zumutbare Ermittlungsmaßnahme ein Frontfoto genannt worden sei, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht Würzburg äußert sich zu dieser Frage nicht. Allein der im Tatbestand des Urteils zitierte Bescheid behandelt die Ermittlungspflicht nach Fertigung eines Frontfotos.

2. Aus den vorgenannten Gründen liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils – nicht vor. Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 – Juris Rn. 15). Dabei muss der Erfolg des Rechtsmittels allerdings nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 – 2 BvR 2615/14 – Juris Rn. 19).

Rechtsfehlerfrei hat Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.1978 (VII C 77.74) festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a StVZO nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften mit dem klägerischen Fahrzeug vorliegen, insbesondere, dass die Gestaltung der Radarkontrolle (Fertigung lediglich eines Heckfotos) nicht zu beanstanden ist. Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass es nach diesen Grundsätzen ausgereicht hat, das Kennzeichen des beteiligten Fahrzeugs fotografisch zu erfassen und festzuhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig, § 124a Abs. 5 S. 4 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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