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Fahrtenbuchauflage bei Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 A 280/10 – Urteil vom 24.01.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage für einen Firmenwagen.

Am 06.05.2010 wurde auf der Bundesautobahn … zwischen … und … festgestellt, dass der Fahrer eines für die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeuges (Kennzeichen: … ) die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h überschritt. Zur Ermittlung des Fahrers wurde der Klägerin als Halterin des Fahrzeuges mit Schreiben vom 01.06.2010 ein Zeugenfragebogen übersandt. Dieser Fragebogen wurde von der Klägerin nicht, wie erbeten, ausgefüllt zurückgesandt. Daraufhin suchte ein Beamter der Polizeizentralstation A-Stadt den Firmensitz der Klägerin auf und befragte die kaufmännische Angestellte T., aus der Buchhaltung zu der auf dem Beweisfoto ersichtlichen Person. Frau T. gab an, ihr sei die abgebildete Person nicht bekannt. Desweiteren führte sie aus, dass das Kraftfahrzeug nicht nur von Firmenangehörigen gefahren werde, sondern auch von Kunden. Fahrtenbücher würden für die Firmenfahrzeuge nicht geführt. Daraufhin wurde die Klägerin mit Schreiben vom 28.06.2010 gebeten, die Daten des verantwortlichen Fahrzeugführers zu nennen, auf die Möglichkeit der Anordnung eines Fahrtenbuchs wurde hingewiesen. Hierauf erfolgte keine Reaktion.

Das entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde mit Schreiben vom 06.08.2010 eingestellt.

Nach einer entsprechenden Anhörung ordnete daraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 23.09.2010 an, für das auf die Klägerin zugelassene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie für jedes Ersatzfahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen. Das Fahrtenbuch sei 18 Monate lang zu führen ab Rechtskraft des Bescheides. Dieser Bescheid wurde auf § 31 a StVZO gestützt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.

Am 29.09.2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein, den sie damit begründete, der Bescheid sei unverhältnismäßig. Der Fahrer habe nicht benannt werden können, weil zu dem Zeitpunkt, als die Mandantschaft von der Tat erfahren habe, nicht mehr habe recherchiert werden können, wer seinerzeit der Fahrer gewesen sei. Zudem erscheine die Anordnung, 18 Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen, unverhältnismäßig.

Der Widerspruch wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Am 16.12.2010 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage sei rechtswidrig erfolgt. Die Klägerin sei erstmalig wegen einer Straßenverkehrsordnungswidrigkeit aufgefallen, bei der der Fahrer nicht habe benannte werden können. Der Geschäftsführer der Klägerin sei in der Zeit vom 31. Mai 2010 bis 23. August 2010 viel unterwegs gewesen (wird im Einzelnen ausgeführt) und sei deshalb nicht erreichbar gewesen. Die Bildqualität des Beweisfotos sei nicht von einer derartigen Eindeutigkeit, dass von den Mitarbeitern der Klägerin der Fahrer hätte benannt werden können. Aufgrund des langen Zeitablaufs hätte nicht recherchiert werden können, wer seinerzeit der Fahrer gewesen sei. Die Ordnungswidrigkeit sei am 06. Mai 2010 begangen worden, erst am 22. Juni 2010 hätten Beamte der Polizeistation die Geschäftsräume der Klägerin aufgesucht. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass binnen weniger Tage nach dem Verstoß der Halter nach dem Fahrer zu befragen sei. Eine Fahrtenbuchauflage könne daher nicht verhängt werden, wenn – wie hier – der Halter erst 6 Wochen nach der angeblichen Ordnungswidrigkeit nach dem Fahrer befragt werde. Zudem

handele es sich um den erstmaligen Verkehrsverstoß, der sich zudem nicht verkehrsgefährdend ausgewirkt habe. Ein Rückschluss auf eine Unzuverlässigkeit sei im Hinblick auf die Einmaligkeit der Angelegenheit nicht gegeben. Zudem erscheine die Anordnung, ein Fahrtenbuch 18 Monate lang zu führen, unter diesem Aspekt unverhältnismäßig.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 23. Sept. 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2010 aufzuheben.

Der Beklagte hält die Fahrtenbuchauflage für rechtmäßig und verweist auf die Begründungen der Bescheide.

Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Die mit Bescheid vom 23.09.2010 geregelte Fahrtenbuchauflage ist rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage nach § 31 a Abs. 1 StVZO liegen vor. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Diese Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor und die hierzu getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten weist keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO auf.

Im vorliegenden Fall wurde unstreitig am 06.05.2010 mit einem auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeug ein gravierender Verkehrsverstoß begangen. Die für einen Bereich der BAB zwischen und durch Verkehrszeichen geregelte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h wurde um 44 km/h überschritten. so dass eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften (§§ 41 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 2 StVO, 49 StVO, 24 und 25 StVG) festzustellen ist. Eine solche Ordnungswidrigkeit wäre mit einem Bußgeld von 160,– €, einem Fahrverbot von einem Monat und einem Punkteeintrag von 3 Punkten beim Kraftfahrtbundesamt geahndet worden. Es handelt sich deshalb unzweifelhaft um einen erheblichen Verkehrsverstoß, der dem Grunde nach eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt.

Es war der Behörde hier trotz hinreichender Bemühungen nicht möglich, den verantwortlichen Fahrzeugführer nach dieser Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften festzustellen. Eine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt dann vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Behörde in vernunftgerechtem und zweckmäßigem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit können sich an der Einlassung des Fahrzeughalters ausrichten (vgl. hierzu z. B. Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 13.09.1995, 4 L 127/95).

Vorliegend war es nach diesem Maßstab unmöglich, den Fahrzeugführer festzustellen, denn die Übersendung des Zeugenfragebogens vom 01.06.2010, die Ermittlungen der Polizei beim Firmensitz und ein weiteres Schreiben vom 28.06.2010 führten nicht dazu, dass der Fahrzeugführer seitens der Klägerin benannt wurde. Gerade auch angesichts der Erläuterungen der Mitarbeiterin T. waren weitere Ermittlungen nicht erfolgversprechend.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass sie erst so spät mit der Tat konfrontiert wurde, dass ihr eine Ermittlung des Fahrers nicht mehr möglich gewesen sei. Zutreffend ist, dass die Behörde ihre nach § 31 a StVZO vorausgesetzten Pflicht, zunächst selbst alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Feststellung des Täters zu ergreifen, nur dann genügt, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt; die hierzu eingeräumte Anhörungsfrist darf im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten, wobei allerdings bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles ein Abweichen von dieser Regelfrist begründet sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.05.1997, 3 B 28/97).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings auch anerkannt, dass eine verspätete Anhörung die Anordnung der Fahrtenbuchauflage dann nicht ausschließt, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (BVerwG, aaO).

So ist es hier. Dass die Klägerin den für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrer des in Rede stehenden Fahrzeuges nicht benennen konnte, liegt daran, dass sie nicht die zumutbaren und erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen hatte, um eine Übersicht über die Benutzung ihrer Firmenfahrzeuge zu gewährleisten. Bei einem Fuhrpark von Firmenfahrzeugen, die unterschiedlichen Personen überlassen werden, muss die Geschäftsleitung zumindest in der Lage sein, der Bußgeldbehörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Diese Obliegenheit setzt nicht erst dann ein, wenn erste Probleme auftreten, so dass dem Argument, dass es zuvor keine vergleichbaren Probleme gegeben habe, kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden kann. Da es bei der Klägerin keine Aufzeichnungen über die Fahrzeugnutzung gab, hätte der hier gesuchte Fahrer auch dann nicht benannt werden können, wenn die Klägerin wenige Tage nach dem Verkehrsverstoß in vergleichbarer Weise mit dem Vorwurf konfrontiert worden wäre, wie dies geschehen ist.

Das Argument, der Geschäftsführer sei in der fraglichen Zeit viel unterwegs gewesen und daher nicht erreichbar gewesen, ist nicht stichhaltig. Zum Einen ist davon auszugehen, dass auch der Geschäftsführer der Klägerin, wie dies im Geschäftsverkehr üblich ist, für die Firma über das Internet oder zumindest über ein Mobiltelefon ständig erreichbar war. Zum Anderen kommt es nicht ausschlaggebend darauf an, ob sich der Geschäftsführer daran hätte erinnern können, wer konkret am 06.05.2010 das in Rede stehende Fahrzeug fuhr, denn bei einer Firma wie der Klägerin, die fünf Firmenfahrzeuge hält, ist zu erwarten, dass organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, die es zulassen, im Nachhinein zu rekonstruieren, wer die Fahrzeuge wann genutzt hat. Der Geschäftsführer der Klägerin

hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, die fünf Firmenfahrzeuge seien im Prinzip fest zugeteilt, ab und zu gebe es aber auch eine Varianz.

Diese vom regelmäßigen Fahrer abweichenden Fahrer könnten benannt werden, wenn hierüber Aufzeichnungen in der Firma geführt werden. Die Klägerin hat dagegen auf die Anfragen der Behörden nicht einmal die Person genannt, der das in Rede stehende Fahrzeug damals zugeteilt war.

Auch die Ermessensausübung seitens des Beklagten ist nicht zu beanstanden, denn vorliegend lassen sich keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO feststellen. Der Beklagte ist von einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage ausgegangen, hat keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und eine im Ergebnis nachvollziehbare Entscheidung getroffen. Das betrifft auch die festgelegte Dauer der Fahrtenbuchauflage.

Der Beklagte hat die relativ lange Dauer der Fahrtenbuchauflage (18 Monate) zum Einen mit der Schwere der Tat, gemessen an der Einstufung im Punktekatalog und zum anderen mit dem Zweck der Fahrtenbuchauflage begründet. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden, dass der Beklagte bei Fahrtenbuchauflagen nach einem abgestuften Konzept vorgeht und zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung nicht bezüglich einer Herabsetzung auf 12 Monate mit sich reden lässt. Bei einem Verkehrsverstoß, der mit drei Punkten und einem Fahrverbot für einen Monat geahndet wird, sieht der Beklagte nach seinem differenzierten Konzept eine Dauer der Auflage für einen Zeitraum von 18 Monaten als angemessen an. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn das Gesetz macht für die Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage keine Vorgaben, sondern überlässt dies dem Ermessen der zuständigen Behörde, die allerdings den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten muss. Die hier festgelegte Dauer hält sich noch im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie steht noch im Verhältnis zu dem in Rede stehenden Verstoß und führt nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der verantwortliche Fahrer deshalb nicht ermittelt werden konnte, weil die Klägerin keine hinreichenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um einen Überblick über die Benutzung ihrer Firmenfahrzeuge zu behalten. Im Widerspruchsverfahren hat sie sich im Wesentlichen darauf berufen, wegen des späten Zeitpunkts der Kenntnisnahme habe der Fahrer nicht mehr recherchiert werden können. Dagegen hat sie nicht dargelegt, dass sie nun die entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Wiederholung der Problematik zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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