Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 3 B 115/16 – Beschluss vom 07.10.2016
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. April 2016 – 6 L 159/16 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.200,- € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Straßenbau und Verkehr vom 9. März 2016 wiederherzustellen. Mit dem Bescheid vom 11. Dezember 2015 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Führung eines Fahrtenbuchs für ein auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug für die Dauer von einem halben Jahr verpflichtet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, da der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2015 nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig sei. Gemäß § 31a Abs. 1 StVZO könne die zuständige Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. So liege es hier. Mit einem auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeug sei ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht begangen worden. Mit diesem sei am 16. Juli 2015 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 25 km/h überschritten worden. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Die Antragsgegnerin habe ihren Ermittlungspflichten genügt, indem sie die Antragstellerin schriftlich zu Nennung des verantwortlichen Fahrzeugführers aufgefordert und den Versuch unternommen habe, den Geschäftsführer als Zeugen zu vernehmen. Gründe, weshalb auf die schriftliche Befragung nicht reagiert worden sei und weshalb der wenige Tage vor der Verjährung erfolgte Hinweis auf einen Herrn T als vermutliche aussagekräftige Person nicht bereits früher hätte erfolgen können, seien weder vorgetragen noch erkennbar. Eine Behörde dürfe ihre Ermittlungstätigkeit an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und regelmäßig auf zeitraubende, kaum Erfolg versprechende weitere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, wenn der Fahrzeughalter – wie hier – selbst erkennbar nicht gewillt sei, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Insbesondere bei einem Verkehrsverstoß mit einem Firmenfahrzeug sei es nicht Aufgabe der ermittelnden Behörde, innerbetriebliche Vorgänge aufzudecken, denen die Geschäftsleitung weitaus näher stehe. Mit der späten Benennung des Herrn T habe die Antragstellerin ersichtlich nicht den gesuchten Fahrzeugführer benannt, da es sich bei ihm ausweislich der Tatfotos um eine Frau gehandelt habe.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ist eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf Grundlage der vorgetragenen Einwände nicht gerechtfertigt. Entgegen ihrer Auffassung besteht keine Verpflichtung, gleichsam in einer ersten Stufe zunächst die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung anzudrohen. Bereits im Fall der erstmaligen Begehung eines Verkehrsverstoßes der – wie hier – im Fall seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens einem Punkt im Verkehrszentralregister geführt hätte, ist die Auferlegung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt und verhältnismäßig, weil es sich um einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO handelt. Es muss weder zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sein, noch ist eine Wiederholungsgefahr erforderlich, so dass eine bloße Androhung einer Fahrtenbuchauflage für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung, bei der der verantwortliche Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein milderes, ebenfalls in Betracht kommendes Mittel wäre (BayVGH, Beschl. v. 12. März 2014 – 11 CS 14.176 -, juris Rn. 10 m. w. N.).
Der Einwand der Antragstellerin, eine drohende Fahrtenbuchauflage bei mangelnder Mitwirkung hätte ihr gesondert und ausdrücklich angekündigt werden müssen, greift nicht durch. Ausweislich des an sie gerichteten Anhörungsschreibens vom 28. Juli 2015 ist sie ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass im Fall einer nicht möglichen Feststellung, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat, der Halterin des Fahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann. Sie konnte ihr Handeln ohne weiteres schon ab diesem Zeitpunkt auch auf diese Möglichkeit ausrichten.
Die Antragstellerin ist entgegen ihrer Auffassung auch nicht ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen. Ungeachtet mehrfacher Fristsetzungen durch die Antragsgegnerin hat sie entweder nicht oder nur ausweichend und verzögernd reagiert. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen ausgeführt. Diese Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen und verweist auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen für die näheren Einzelheiten (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Auf die Qualität des der Antragstellerin vorgelegten Frontfotos kommt es nicht entscheidend an. Der Senat hat im Fall eines Verkehrsverstoßes, der durch ein Firmenfahrzeug begangen worden ist, in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass es nicht Aufgabe der ermittelnden Behörde ist, innerbetriebliche Vorgänge aufzudecken, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Es fällt vielmehr in die Sphäre der Geschäftsleitung, entweder von vornherein organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Firmenfahrzeug benutzt hat, oder jedenfalls der Behörde den Firmenangehörigen oder gegebenenfalls auch mehrere Firmenangehörige zu benennen, denen das betreffende Fahrzeug betriebsintern zugeordnet ist. Nur wenn solche Personen benannt werden, sind nämlich der Behörde weitere Ermittlungen innerhalb der Belegschaft zumutbar und damit die Voraussetzungen einer Fahrtenbuchauflage noch nicht gegeben (SächsOVG, Beschl. v. 15. September 2016 – 3 A 520/16 -, Rn. 6; Beschl. v. 2. Februar 2012 – 3 B 126/11, Rn. 6, n. v; Beschl. v. 3. Juli 2013 – 3 B 349/13 -, juris Rn. 7; VGH BW, Beschl. v. 30. November 2010 – 10 S 1860/10 -, juris Rn. 15; OVG M-V, Beschl. v. 26. Mai 2008 – 1 L 103/08 -, juris, jeweils m. w. N.).
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Antragsgegnerin die fehlende Aufklärbarkeit der Tat selbst verschuldet habe, indem sie entgegen der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs (VwV Verkehrsüberwachung – VwV VKÜ) vom 21. Mai 2014 den Verkehrsteilnehmer nach dem festgestellten Verstoß nicht angehalten habe. Die von der Antragstellerin für ihre Auffassung in Bezug genommene Regelung in Anlage 1 Nr. 4 VwV VKÜ bezieht sich ausweislich ihres Buchst. a) auf Laser-Handmessgeräte ohne Dokumentation. Hier wurde hingegen der Verkehrsverstoß durch ein stationäres Messgerät festgehalten. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass der Grundsatz, dass Kontrollen des Polizeivollzugsdienstes zur Überwachung des Straßenverkehrs grundsätzlich als Anhaltekontrollen durchzuführen sind (Buchst. C Ziffer II Nr. 1 VwV VKÜ), nicht für Maßnahmen der örtlich zuständigen Verwaltungsbehörden gilt, da das Anhalterecht aus § 36 Abs. 5 StVO gem. Buchst. A Ziffer II. Nr. 5 VwV VKÜ nur den Polizeivollzugsbeamten zusteht.
Die Antragstellerin dringt auch nicht mit ihrer Auffassung durch, die Fahrtenbuchauflage sei ungeeignet, den ihr zugedachten Zweck zu erfüllen, da sie nur im örtlichen Fahrzeugregister und nicht zentral registriert werde. Andere Bußgeldstellen könnten auf dieses Register nicht zugreifen. Auch die Bußgeldstelle der Antragsgegnerin habe im streitgegenständlichen Bußgeldverfahren nicht nachgefragt, ob für das Fahrzeug bereits eine Fahrtenbuchauflage bestehe. Entgegen diesen Ausführungen stellt die Fahrtenbuchauflage ein geeignetes Mittel zur Feststellung des Verantwortlichen bei zukünftigen Verkehrsverstößen dar. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage wegen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften wird gemäß § 33 Abs. 3 StVG im örtlichen und im Zentralen Fahrzeugregister gespeichert. Diese Daten dürfen gemäß § 35 Abs. 2a StVG den Zulassungsbehörden, dem Kraftfahrt Bundesamt als auch den hierfür zuständigen Behörden und Gerichten jeweils im Einzelfall übermittelt werden. In welchem Umfang von dieser Abfragemöglichkeit Gebrauch gemacht wird, ist für die Frage der Geeignetheit der Maßnahme ohne Belang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 46.13 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt im Übrigen der Streitwertsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).