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Fahrtenbuchauflage – Begehung des Verkehrsverstoßes muss feststehen

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 8 A 3024/17 – Beschluss vom 31.01.2018

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2017 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 2.502,99 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (dazu I.) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (dazu II.).

I. Das Zulassungsvorbringen der Klägerin begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit dem das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage gegen die am 10. August 2016 erlassene Fahrtenbuchauflage abgewiesen hat.

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Unmöglichkeit in diesem Sinne ist (auch) gegeben, wenn die Bußgeldbehörde im Rahmen ihrer angemessenen Ermittlungen eine Person ernsthaft verdächtigt hat, letztlich aber keine ausreichende Überzeugung von dessen Täterschaft gewinnen konnte.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2008 – 8 A 586/08 -, NZV 2008, 536 = juris Rn. 43, vom 9. Juni 2011 – 8 B 520/11 -, NZV 2012, 148 = juris Rn. 16, vom 5. September 2012 – 8 B 985/12 -, juris Rn. 12, vom 30. Juni 2015 – 8 B 1465/14 -, juris Rn. 11, und vom 11. November 2015 – 8 A 1846/15 -, juris Rn. 5; siehe auch Nds. OVG, Beschluss vom 1. Februar 2013 – 12 LA 122/12 -, juris Rn. 8; Sächs. OVG, Beschluss vom 4. August 2014 – 3 B 90/14 -, LKV 2015, 39 = juris Rn. 4; Bay. VGH, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 CS 15.6 -, juris Rn. 16.

Ob die Ermittlungen angemessen waren, richtet sich danach, ob die Bußgeldbehörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 – 7 C 77.74 -, DÖV 1979, 408 = juris Rn. 16 und vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 -, BayVBl. 1983, 310 = juris Rn. 7, sowie Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 – 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104 = juris Rn. 4, und vom 9. Dezember 1993 – 11 B 113.93 -, juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193 = juris Rn. 21.

Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass mit dem Fahrzeug der Klägerin eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen wurde (dazu 1.) und die Feststellung des Fahrers im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich gewesen ist (dazu 2.).

1. Die Klägerin erschüttert nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass ein Verkehrsverstoß im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO vorliegt.

Der Verstoß gegen Verkehrsvorschriften muss in tatsächlicher Hinsicht feststehen. Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss daher ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. März 2015 – 8 B 1213/14 -, juris Rn. 5, und vom 25. Januar 2018 – 8 B 1587/17 -, n. v. (Beschlussabdruck, Seite 2).

Dabei genügt es – anders als im Strafprozess -, wenn sich mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 8 A 1587/16 -, n. v. (Beschlussabdruck, Seite 3); Bay. VGH, Beschluss vom 9. Januar 2012 – 11 CS 11.2727 -, juris Rn. 29; Dauer, in: Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 31a StVZO Rn. 16.

Bestreitet der Halter eines Fahrzeuges, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 -, juris Rn. 4 m. w. N.; siehe auch Nds. OVG, Beschluss vom 14. Juni 1999 – 12 M 2491/99 – , NZV 1999, 486 = juris Rn. 2.

Daran fehlt es hier. Es besteht insbesondere, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen unter Bezugnahme auf das Tatfoto dargelegt hat, kein nachvollziehbarer Anhaltspunkt dafür, der Fahrzeugführer habe anstelle eines Mobiltelefons ein Diktiergerät oder ein anderes technisches Gerät in der Hand gehalten. Dies ist schon deswegen unwahrscheinlich, weil ein derartiges Gerät nicht gleichermaßen zum Ohr und zum Mund ausgerichtet gewesen wäre, wie es auf dem Tatfoto erkennbar ist. Ein Diktiergerät wird nach der Lebenserfahrung entweder zum Diktat vor den Mund gehalten oder zum Anhören einer Aufnahme an das Ohr. Auch für sonstige, von der Klägerin nicht näher bezeichnete technische Geräte ergeben sich bei sachnaher Betrachtung keine plausiblen Anhaltspunkte. Der Hinweis der Klägerin, es bestehe die „Möglichkeit“, dass ein anderes Gerät als ein Mobiltelefon genutzt worden sei, ist eine Vermutung „ins Blaue hinein“. Da sie selbst erkennbar nicht das Fahrzeug geführt hat, offenbar aber nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens in der Lage war, den tatsächlichen Fahrzeugführer ausfindig zu machen, hätte es ihr oblegen, konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die einen Verkehrsverstoß in Frage stellen.

Nach alledem verstößt die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht gegen grundlegende Denkgesetze, sondern ist überzeugend. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zunächst versucht, den benannten Zeugen zur mündlichen Verhandlung zu laden, und erst in Ermangelung einer ladungsfähigen Anschrift sowie wegen der Ausschreibung zur Fahndung von weiteren Zustellversuchen abgesehen.

2. Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend die Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich war.

a) Die hiergegen gerichtete Rüge der Klägerin, sie sei ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung an der Aufklärung des begangenen Verkehrsverstoßes nachgekommen, ist unzutreffend. Herr N.       T.         wurde von ihr erst im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 18. August 2016 als Fahrzeugführer benannt, d. h. erst mehrere Monate nach Eintritt der Verfolgungsverjährung mit Ablauf des 15. März 2016.

b) Selbst wenn die Klägerin, wie sie vorträgt, den Zeugenfragebogen vom 11. Januar 2016 nicht erhalten haben sollte, hat sie gegenüber der Bußgeldbehörde vor Eintritt der Verfolgungsverjährung in einem Telefonat am 5. Februar 2016 erklärt, dass der Fahrzeugführer nicht ihre Tochter sei und sie den Mann nicht kenne, der ohne ihr Wissen und ihre Erlaubnis das Fahrzeug geführt habe. Im Rahmen des Gesprächs wurde sie von dem Behördenmitarbeiter – unter Androhung einer Fahrtenbuchauflage – aufgefordert, den Fahrzeugführer zu benennen. Dem kam sie aber gleichwohl nicht nach. Dass die Klägerin keine Angaben machen konnte, wird auch durch ihr Schreiben an den Beklagten vom 30. Juni 2016, d. h. nach Ablauf der Verfolgungsverjährung, bestätigt; darin betont sie nochmals, den Fahrzeugführer nicht zu kennen. Eine frühere Anhörung hätte demzufolge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ebenfalls kein Ergebnis gebracht; hiermit setzt sich auch das erstinstanzliche Urteil schon eingehend auseinander.

II. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren von Bedeutung wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 8 A 1030/15 -, NJW 2016, 968 = juris Rn. 27; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 127.

Die Klägerin legt mit ihrer Erklärung, dass es einer (obergerichtlichen) Entscheidung bedürfe, um die Unterstellung eines Sachverhalts durch die Verwaltungsgerichte trotz Beweisantritts künftig auszuschließen, keine entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage dar, die einer allgemeinen, einzelfallübergreifenden Klärung zugänglich ist.

Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 12. Oktober 2017 einen Beweisantrag gestellt haben. Soweit sich ihr Vortrag auf die bloße Anregung zur Beweiserhebung in der Klagebegründung bezieht, war die aufgeworfene Frage – wie unter I. dargelegt – nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für jeden Monat der hier auf sechs Monate befristeten Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,- Euro zugrunde. Hinzu kommt der Betrag der ebenfalls angefochtenen Gebühren- und Kostenfestsetzung in Höhe von insgesamt 102,99 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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